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Yoga gegen rechts (eBook)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
176 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46812-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Yoga gegen rechts -  Patrick Salmen
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Comedian und Autor Patrick Salmen seziert urbane Selbstoptimierer: Kurzgeschichten mit reichlich schwarzem Humor, bissige Dialoge und messerscharfe Beobachtungen Wir alle kennen mindestens ein Exemplar dieser seltsamen Spezies: Stadtneurotiker mit einem nabelbeschauenden Drang zur Selbstoptimierung. Mit satirischem Scharfsinn, viel Selbstironie und leicht melancholisch angehauchtem Mitgefühl entlarvt Patrick Salmen ihre pathologischen Züge, die sich unter dem Mäntelchen esoterischer Achtsamkeitsbewegtheit verbergen. Schwarzer Humor ist bei den Kurzgeschichten, Dialog-Szenen und Alltagsbeobachtungen ebenso garantiert wie der ein oder andere Aha-Moment. Denn niemand weiß so gut wie der Dortmunder Bühnenkünstler, dass einem das Gegenüber oft nur deshalb so schräg vorkommt, weil man gerade in einen Spiegel schaut. Der sympathische Zyniker Patrick Salmen begegnet auch in seiner sechsten Kurzgeschichten-Sammlung der seltsamen Spezies namens Mensch mit dem gebotenen Mitgefühl. Was ihn keineswegs daran hindert, den Finger genüsslich in die ein oder andere neo-esoterische Wunde zu legen. Entdecke auch die anderen Bände mit humorvollen Kurzgeschichten von Bühnen-Poet und Kabarettist Patrick Salmen: - Ich habe eine Axt - Urlaub in den Misantropen - Genauer betrachtet sind Menschen auch nur Leute - Treffen sich zwei Träume. Beide platzen. - Ekstase - ist doch auch mal ganz schön - Im Regenbogen der guten Laune bin ich das Beige

Patrick Salmen wurde 1985 in Wuppertal geboren und lebt seit vielen Jahren im Ruhrgebiet. Nach seinem Geschichts- und Germanistikstudium gewann er 2010 die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften in Bochum und arbeitet seitdem als freiberuflicher Schriftsteller, Sprecher und Bühnenkünstler. Neben klassischen Bühnentexten hat er bereits zahlreiche Lyrik- und Kinderbücher geschrieben. Bei Knaur veröffentlichte Patrick Salmen zudem mehrere Werke mit satirischen Kurzgeschichten. Seit vielen Jahren ist er mit seinen Bühnenprogrammen im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs. 

Patrick Salmen wurde 1985 in Wuppertal geboren und lebt seit vielen Jahren im Ruhrgebiet. Nach seinem Geschichts- und Germanistikstudium gewann er 2010 die deutschsprachigen Poetry-Slam-Meisterschaften in Bochum und arbeitet seitdem als freiberuflicher Schriftsteller, Sprecher und Bühnenkünstler. Neben klassischen Bühnentexten hat er bereits zahlreiche Lyrik- und Kinderbücher geschrieben. Bei Knaur veröffentlichte Patrick Salmen zudem mehrere Werke mit satirischen Kurzgeschichten. Seit vielen Jahren ist er mit seinen Bühnenprogrammen im gesamten deutschsprachigen Raum unterwegs. 

Norbert


Meine Freunde sind kaputt. Sie heiraten und gründen Familien. Manche ziehen in die Welt hinaus oder verschwinden in Hobbykellern dubioser Doppelhaushälften. Ich weiß auch nicht, was das soll. Manche Kumpels haben Nachwuchs bekommen und meinen, ihre Freizeitgestaltung plötzlich nach den Kindern ausrichten zu müssen. Ständig heißt es: »Tut mir leid, ich bin so müde und erschöpft wegen dem Baby.« Oder: »Ich kann mitten in der Woche keine Drogen nehmen, weil ich den Leander nüchtern zur Schule bringen muss.« Da haben sich die Prioritäten durchaus verschoben. Mein Verständnis dafür tendiert gen null. Die wenigen Freunde, die keine Kinder haben, arbeiten in Festanstellung und sagen Sätze wie: »Patrick, ich weiß, dass du Freiberufler bist, aber ich kann nicht jeden Mittag um 13 Uhr zum Minigolf und dort mit dir Eierlikörchen trinken. Ich werde gekündigt. Versteh es doch endlich!« Nun, sollen sie selbst wissen.

 

Jetzt könnte ich mir eingestehen, Teil des Problems zu sein, da ich selbst mal eine Familie gegründet habe. Das wäre mir als Analyse aber zu einfach. Außerdem verkennt es das eigentliche Dilemma: Freunde und Bekannte sind durchaus vorhanden, allerdings sind die ebenfalls in Beziehungen und kommen stets im klobigen Pärchen-Paket daher. Es scheint ein ungeschriebenes Gesetz zu sein. Kaum ist man in einer Beziehung, lernt man andere Menschen nur noch im klobigen Doppelpack kennen. Da sitzt man dann, schaut den Kindern beim Spielen zu und philosophiert über nervenaufreibende Themen wie Eigenheimfinanzierung oder die Energieeffizienzklassen von Backofen-Mikrowellen-Kombigeräten. Ich brauche eigene Freunde, und die sollen gefälligst weder Partner noch Kinder haben. Was denken denn alle bloß an sich? Kinder habe ich selbst zu Hause, und da sind durchaus nette Leute dabei, aber während ich meine Freunde besuche, möchte ich nicht ständig auf Bauklötze und Legosteine treten oder am Esstisch versehentlich mit dem Ellbogen irgendwelche glibberig-feuchten Sachen touchieren. In anderen Wohnungen soll es nicht nach Babypups oder Kinderturnschläppchen riechen, und ich möchte auch mit niemandem über Vorteile von Stoffwindeln oder den Tragekomfort von Schulranzen diskutieren.

 

Aber wo findet man neue Freunde? Wenn man ein gewisses Alter erreicht, Ausbildung oder Studium hinter sich gelassen hat und weder Mitglied im Minigolfverein noch im Herrenchor der freiwilligen Feuerwehr ist, dann ist es gar nicht so leicht, im Alltag neue Menschen kennenzulernen. Es gibt durchaus extrovertierte und mutige Leute, denen es leichtfällt, Anschluss zu finden. Die gehen alleine in die Kneipe, klopfen dreimal auf den Tresen und brüllen Sätze wie: »Moin zusammen! Ich bin der Ulli, neu in der Stadt und die nächste Runde geht auf mich. Wer will knuddeln?« Aber das kann eben nicht jeder.

 

Als ich damals nach Dortmund gezogen bin, kam ich auf die Idee, mich bei Tinder anzumelden. Nicht weil ich auf der Suche nach sexuellen Abenteuern oder einer diskreten Zweitfrau war, sondern einfach, weil ich neue Menschen kennenlernen wollte. Um die Häuser ziehen, Billard spielen, Pommes essen – der ganz normale Wahnsinn. Schnell fiel mir auf: Diese persönlichen Beschreibungen in den Profilen klingen alle gleich: Vino, Netflix, politisch Mitte-links, Bouldern, Leidenschaft für Danish Design aus den 50ern. Jede Biografie scheint vollkommen austauschbar. Wo sind Menschen, die mal ein wenig aus der Reihe tanzen und aufrichtig zu ihren inneren Widersprüchen stehen?

 

Viel lieber würde ich ehrliche Texte lesen: »Hallo! Ich bin Frauke, 43, wohnhaft im Landkreis Bautzen. Heute Morgen gab es Linsen-Dal mit nepalesischem Eiersalat zum Frühstück. Modisch orientiere ich mich am Normcore-Stil der späten 00er-Jahre. Lieblingsserien: Squid Game und Paw Patrol, jeweils in Originalsprache ohne Untertitel, denn besonders bei Squid Game geht in der Synchro viel vom brillanten Sprachwitz verloren. Engagiere mich bewusst FÜR den Einsatz von gendergerechter Sprache, aber GEGEN andere Frauen im Allgemeinen. Musikalische Vorlieben: Itchy Poopzkid, Tech House und den ›frühen‹ John Lennon (Beatles). Leide massiv unter Klaustrophobie, lebe aber aus Selbsthass in einem Tiny House. Leidenschaften: Minimalismus und meine Meissener-Porzellan-Sammlung. Lebensmotto: ›Es gibt keinen Weg zum Frieden, denn Frieden ist der Weg.‹ Sonstige Hobbys: mein Lavendelgarten, Meditation und irgendwelche pickeligen Stricher bei Counter-Strike abknallen!«

 

Schön wäre auch: »Hallöchen! Ich bin der Jochen, einfühlsamer Best Ager im Herbst seines Lebens. Vertrauenslehrer und Gründer einer Lastenrad-Manufaktur in Leverkusen. Ich bin introvertiert, hypersensibel und habe Angst vor Telefonaten, halte das aber nicht für einen hervorhebenswerten Charakterzug. Mit meinem Privatvermögen engagiere ich mich GEGEN Artenschutz und FÜR die Förderung fossiler Brennstoffe in der Vulkaneifel. Hobbys: Orthografie und Origami. Denn Menschen mit falscher Rechtschreibung falte ich gern mal zusammen. Leibspeisen: Ćevapčići und Ražnjići. Doch nicht nur beim Essen setze ich gern Akzente. Insgesamt humorvoller Typ. Modisch irgendwo zwischen Steampunk und Rockabilly. Lieblingsfilme: Stirb langsam und Die fabelhafte Welt der Amélie. Denn wie heißt es in letzterem so schön: »Sie sind jedenfalls kein Gemüse, denn selbst eine Artischocke hat ein Herz.«

 

Ich weiß nicht, ob Frauke oder Jochen meine Freunde geworden wären, aber mit denen muss man bestimmt nicht ins Café Extrablatt, und zu Energieeffizienzklassen von Backofen-Mikrowellen-Kombigeräten haben die sicher auch keine Meinung. Fest steht: Ich brauche neue Freunde, und meine Ansprüche sind nicht sonderlich hoch. Im Idealfall sollten die neuen Freunde immer Zeit haben, also möglichst keiner Arbeit nachgehen. Das sollte nicht zu viel verlangt sein. Eigentlich möchte ich so leben wie in Friends oder anderen 90er-Sitcoms. Den ganzen Tag würden irgendwelche Leute in meiner viel zu großen Penthouse-Bude abhängen, wir würden lachen, Filme gucken und ständig Pizza bestellen. Und niemand würde wissen, ob diese Menschen jetzt bei mir wohnen oder einfach sehr beharrliche Gäste sind, die den Absprung verpasst haben. Sobald peinliche Stille aufkäme, würde jemand eine Kissenschlacht beginnen und alle würden herumtollen und kichern. Einfach weil wir so crazy sind. Wie gesagt, meine Ansprüche sind nicht hoch.

 

Im Idealfall möchte ich einen Freundeskreis aus der Heavy-Metal-Szene, denn Metalheads sind die liebsten Menschen der Welt. Gerade stehen sie noch mit langen Bärten, schwarzer Kleidung und finsterem Blick vor dir, und wenig später gehen sie ans Telefon und sagen Sätze wie: »Vermiss dich, mein süßes Knuddelbärchen! Du legst auf! … Nein, DU legst auf!« Gelebte Ambivalenz! Abends geht man aufs Konzert und brüllt Textzeilen wie »HATE! BLOOD! KILL ALL PEOPLE«, und am nächsten Morgen geht man mit Sanftmut und Hingabe seiner Arbeit in der Altenpflege oder im inklusiven Kindergarten nach. Mein Problem: Ich liebe die Heavy-Metal-Szene, mag aber die Musik nicht. Wäre also schön, wenn die neuen Freunde es tolerierten, wenn ich auf gemeinsamen Konzertbesuchen anderer Musik über Kopfhörer lausche. Beim restlichen Lifestyle will ich allerdings mitmachen.

 

Vor einigen Jahren hatte ich mal einen Auftritt auf dem Wacken-Festival. Eine der schönsten Erinnerungen meines Lebens. Ich war unfassbar nervös und zitterte am ganzen Körper. Irgendwann ging ich auf die Bühne, stammelte wirres Zeug und las die Geschichte rostrotkupferbraunfastbronze vor – eine Ode an alle Bartträger dieser Welt. Und dann wurde es bizarr, denn während ich so vor mich hin grummelte, begannen sämtliche Zuschauer und Zuschauerinnen andächtig ihre Hand aufs Herz zu legen und auswendig mitzusprechen. Und mit »sprechen« meine ich »brüllen«. Diese Geschichte schien ihre Hymne zu sein, und innerhalb von wenigen Sekunden hatte ich Gänsehaut am ganzen Körper. Ich beendete meinen Auftritt mit einer melancholischen Geschichte über den Zauber vertrauter Gerüche und einem sentimentalen, rückblickend betrachtet vor Kitsch triefenden, Gedicht über Zugvögel. Nach dem Auftritt kam ein finsterer Hüne auf mich zu, öffnete sein Dosenbier und sagte unter Tränen: »Patrick, das mit den Zugvögeln hat mich emotional sehr berührt. Darf ich dich knuddeln?« Ach, es waren wilde Zeiten.

 

Ich schweife ab. Bei Tinder habe ich mich dann schnell wieder abgemeldet. Die Nachfrage war gering, anscheinend war meine Biografie genauso austauschbar: Vino, Netflix, politisch Mitte-links, Leidenschaft für Danish Design. Bloß an Bouldern habe ich kein Interesse, denn ich habe Höhenangst und mag die Tatsache, dass ich noch Haut an meinen Händen habe. Habe es dann bei LinkedIn probiert, aber dort wimmelte es nur so von Machern, CEOs und ehrgeizigen Businessleuten, die den ganzen Tag in irgendwelchen Calls abhängen und Wörter wie Benchmark, Learning oder Mindset benutzen. Nicht meine Welt. Mein einfacher Lebenstraum: Ich wäre gern Betreiber einer mäßig besuchten Minigolfanlage im Kreis Wipperfürth. Den ganzen Tag möchte ich mürrisch in einer kleinen Bretterbude sitzen, Filterkaffee trinken und apathisch auf die verwitterten Bahnen schauen. Dreimal am Tag würde ich Schläger rausgeben, Kratzeis verkaufen, Kinder anpöbeln und Sätze brüllen wie: »Aber nicht auf die Bahn...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2023
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Absurd • Achtsamkeitswelle • Achtsamkeit und Humor • Alltagsbeobachtungen • Alltagswitz • Bücher Kabarett • Comedian • Comedian Bücher • Ekstase ist doch auch mal ganz schön • Erzählungen • erzählungen für erwachsene • Erzählungen Sammlung • Genauer betrachtet sind Menschen auch nur Leute • gute laune geschichten • Humor • Humor Bücher • humorvolle Bücher • humorvolle bücher für männer • Ich habe eine Axt • Im Regenbogen der guten Laune bin ich das Beige • Kabarett • Kabarett Buch • Kabarettist • Kurzgeschichten • Kurzgeschichten für Erwachsene • Kurzgeschichten für Erwachsene lustig • Kurzgeschichten für Männer • Kurzgeschichten Humor • Kurzgeschichten Sammlung • Kurzgeschichten schwarzer humor • Kurzgeschichten zum Nachdenken • Kurzprosa • Lippe liest • lustig • Lustige Bücher • lustige bücher für erwachsene • lustige bücher für männer • lustige Erzählungen • lustige Geschichten • lustige Romane • Nabelschau • Neo-Esoterik • Patrick Salmen • patrick salmen buch • Patrick Salmen Tour • Poetry Slam • Politik Humor • Politische Satire • rostrotkupferbraunbronze • Satire • Satire Buch • satire humor • Satirisch • Schwarzer Humor • Schwarzer Humor Buch • Selbstironie • Stadtneurotiker • Storys • Treffen sich zwei Träume beide platzen • urbane Selbstoptimierer • witzig • witzige Bücher • witzige Romane • Yoga • Zynismus
ISBN-10 3-426-46812-3 / 3426468123
ISBN-13 978-3-426-46812-8 / 9783426468128
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