Die Tage in der Buchhandlung Morisaki (eBook)
189 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77643-7 (ISBN)
Satoshi Yagisawa erzählt in seinem Bestseller schnörkellos, leichtfüßig und charmant von einer jungen Frau, die durch die heilsame Kraft des Lesens zurück ins Leben und zu neuen Freundschaften findet.
Die 25-jährige Takako hat einen Job, eine Wohnung in Tokio und einen festen Freund. Als dieser ihr eines Abends freudig eröffnet, er werde heiraten - und zwar eine andere -, fällt sie aus allen Wolken. Vor Kummer verkriecht sie sich und kündigt ihren Job. Als ihr Onkel ihr anbietet, eine Zeitlang in seinem Antiquariat im berühmten »Bücherviertel« Tokios, Jimb?ch?, auszuhelfen und dort auch unterzukommen, findet sie das zwar zunächst alles andere als reizvoll, willigt aber ein. Doch in dem kleinen Zimmer über dem Laden, inmitten von Büchern, entdeckt sie ihre Leidenschaft fürs Lesen - und schöpft allmählich wieder neue Kraft.
Satoshi Yagisawa wurde 1977 im japanischen Chiba geboren. Er studierte an der Nihon University in Tokio. <em>Die Tage in der Buchhandlung Morisaki</em> ist sein Debüt, wurde mit dem Chiyoda Literature Prize ausgezeichnet und wurde zu einem internationalen Bestseller. Der Roman wurde von Asako Hyuga verfilmt.
Meine Zeit im Antiquariat Morisaki begann im Sommer und endete im Frühjahr des darauffolgenden Jahres.
Ich bewohnte das ungenutzte Zimmer im ersten Stock, umzingelt von Büchern. Es war dunkel, eng und vom Geruch gebrauchter Bücher erfüllt.
Trotzdem habe ich diese Zeit nicht eine Sekunde vergessen.
Warum? Weil sich dort mein Leben verändert hat. Wenn es diese Zeit nicht gegeben hätte, wäre mein Leben jetzt eintönig grau.
Deshalb werde ich es nie vergessen.
Das Antiquariat Morisaki.
Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen.
Es traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel.
Nein, es hätte Frösche regnen können, und ich wäre nicht halb so überrascht gewesen.
»Ich heirate«, eröffnete mir mein Freund, mit dem ich seit fast einem Jahr zusammen war.
Zuerst hatte ich nur Fragezeichen im Kopf. Ein ›Wollen wir heiraten?‹ hätte ich verstanden. ›Ich möchte dich heiraten‹ auch, aber ›Ich heirate‹? Das war merkwürdig. Fußte eine Heirat nicht auf gegenseitigem Einverständnis? Und überhaupt. Wie lapidar er das gesagt hatte! Als ginge es um eine Münze, die er zufällig auf der Straße gefunden hatte.
Es war Freitagabend, Mitte Juni. Wir saßen in unserem Lieblingsrestaurant, einem italienischen Lokal im obersten Stockwerk eines Hotels in Shinjuku. Von dort hatte man einen atemberaubenden Blick auf das nächtliche Tokio.
Hideaki und ich arbeiteten in derselben Firma, er drei Jahre länger als ich, und seit meiner Einstellung schwärmte ich für ihn. Er brauchte bloß in meine Nähe zu kommen, und schon begann mein Herz zu hüpfen. Deswegen hatte ich an diesem Abend, an dem wir endlich einmal wieder allein waren, so munter Wein getrunken.
Und dann das!
»Was?«, fragte ich entgeistert zurück. Ich dachte zuerst, ich hätte mich verhört.
Aber er wiederholte sich bloß. »Ich heirate nächstes Jahr.«
»Wen?«
»Na, meine Freundin natürlich.«
Seine Freundin?
»Welche Freundin?«, fragte ich, woraufhin er, ohne rot zu werden, den Namen einer Arbeitskollegin nannte, die zur selben Zeit wie ich in der Firma angefangen hatte und so klein und niedlich war, dass man sie am liebsten knuddeln würde.
Ich dagegen war groß und nichtssagend. Was in aller Welt hatte ihn dazu bewogen, etwas mit mir anzufangen, obwohl er mit dieser niedlichen Person liiert war?
Sie wären schon seit zweieinhalb Jahren zusammen, beantwortete er meine Frage, mit anderen Worten: länger als wir. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass er eine andere Freundin haben könnte. Dass er unsere Beziehung nicht an die große Glocke hatte hängen wollen, hätte daran gelegen, dass er kein Gerede unter den Kollegen wollte, hatte ich gedacht. Von wegen. Ich war nicht seine große Liebe, ich war bloß eine Affäre. War ich einfach zu blöd, oder tickte er nicht ganz richtig?
Jedenfalls hätten sie bereits die Höflichkeitsbesuche bei den Eltern hinter sich gebracht und würden sich im kommenden Monat verloben. Mir schwindelte. Ich hatte das Gefühl, als machte es in meinem Kopf laut gong.
»Sie wollte unbedingt im Juni heiraten, aber das hätten wir zeitlich nicht mehr geschafft, deswegen verloben wir uns jetzt und heiraten im nächsten Jahr …«
Benommen hörte ich ihm zu. »Glückwunsch«, murmelte ich zu meinem eigenen Erstaunen.
»Danke«, erwiderte Hideaki. »Heißt ja nicht, dass wir uns nicht mehr sehen können«, fügte er hinzu und grinste. Dieses Sportsmanngrinsen kannte ich nur zu gut.
Im Film wäre ich an dieser Stelle wohl aufgestanden und hätte ihm meinen Wein ins Gesicht geschüttet. Aber erstens war ich noch nie gut darin, meine Gefühle zu zeigen, und zweitens gehöre ich zu den Leuten, die ihre Gefühle erst einmal sortieren müssen. Außerdem war der Gong einfach zu laut.
Wie in Trance verabschiedete ich mich und ging nach Hause. Als sich der Nebel in meinem Kopf allmählich lichtete, breitete sich in rasender Geschwindigkeit Trauer in mir aus. Keine Wut. Trauer. Ich konnte sie förmlich greifen, so real war sie.
Die Tränen sprudelten mir aus den Augen. Ohne Licht zu machen, sank ich auf den Boden meines Apartments und weinte. Wenn das Erdöl wäre, wäre ich reich, dachte ich sinnloserweise, was mir nur noch mehr Wasser in die Augen trieb.
Ich fühlte mich kläglich.
Aber ich konnte es nicht einmal aussprechen. Das Einzige, was ich tun konnte, war weinen.
Es kam noch schlimmer.
Da Hideaki und ich in derselben Firma arbeiteten, konnte ich ihm nur bedingt aus dem Weg gehen, und dass er mich, wenn wir uns sahen, genauso behandelte wie vorher, machte die Sache nicht einfacher. In der Kantine oder der Teeküche lief mir zudem seine »Verlobte« hin und wieder über den Weg. Vielleicht wusste sie nichts von ihm und mir, vielleicht wusste sie es auch, sie grüßte jedenfalls jedes Mal mit einem strahlenden Lächeln.
Es dauerte nicht lang, bis mein Magen jede Nahrung verweigerte und ich nachts nicht mehr schlafen konnte. Ich magerte ab und wurde so blass, dass selbst das beste Make-up nichts mehr auszurichten vermochte. Manchmal kamen mir auf der Arbeit so plötzlich die Tränen, dass ich auf die Toilette rannte und heulte.
Nach zwei Wochen war ich physisch und psychisch so am Ende, dass ich die Kündigung einreichte.
»Das muss uns ja nicht daran hindern, demnächst mal wieder essen zu gehen«, sagte Hideaki an meinem letzten Arbeitstag fröhlich.
Auf einen Schlag stand ich ohne Freund und Arbeit da. Ich fühlte mich wie ins All katapultiert.
Da ich in Kyushu aufgewachsen bin und erst nach dem Studium zum Arbeiten nach Tokio gezogen war, kannte ich bloß meine Kollegen. Für engere Freundschaften war ich zu zurückhaltend und zu wenig kontaktfreudig; das ging nicht so schnell.
Wenn ich so darüber nachdenke, waren die ersten fünfundzwanzig Jahre meines Lebens alles in allem »ganz okay«. Meine Familie war weder reich noch arm, die Uni weder besonders gut noch besonders schlecht und mein Job in Ordnung … von mir aus hätte es so bleiben können. Ich war ganz zufrieden damit. Es gab keine Höhen, dafür aber auch keine Tiefen. Ich hatte mich arrangiert.
Hideaki war etwas ganz Besonderes für mich gewesen, ein Geschenk, und die Beziehung zu ihm wie ein Wunder. Nicht zuletzt deswegen war der Schock so groß und ich so wenig in der Lage, damit umzugehen.
Das Einzige, was ich letztlich tat, war schlafen. Ich war selbst überrascht, wie müde ich plötzlich war. Wahrscheinlich hatte mein Körper sein Selbstschutzprogramm aktiviert, ich brauchte mich nur ins Bett zu legen und schlief sofort ein. Tagelang lag ich im Universum meiner kleinen Wohnung und schlief.
Nachdem ich einen Monat mehr oder weniger schlafend zugebracht hatte, wachte ich eines Abends auf und sah, dass mir jemand eine Nachricht hinterlassen hatte. Die Nummer auf dem Display kannte ich nicht, trotzdem hörte ich die Nachricht ab.
»Ich bin’s«, schallte mir eine gutgelaunte Stimme ins Ohr. »Satoru. Wollte nur mal so hören, wie’s dir geht, Takako-chan. Meld dich doch mal. Ich bin im Laden. Oh, ein Kunde, ich muss auflegen. Bis dann!«
Ich runzelte die Stirn. Satoru? Wer sollte das sein? Hatte sich da jemand verwählt? Nein, dann hätte er nicht meinen Namen genannt … »Ich bin im Laden.« Was sollte das heißen? Was für ein Laden?
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Onkel Satoru. Der hatte Urgroßvaters Antiquariat in Jinbocho übernommen, das hatte meine Mutter mir irgendwann erzählt. Wenn ich mich nicht irrte, hatte ich ihn das letzte Mal vor zehn Jahren gesehen, ich war damals noch zur Schule gegangen; die Stimme war jedenfalls dieselbe gewesen.
Ich hatte so eine Ahnung. Das konnte nur meine Mutter gewesen sein. Außer ihr hatte ich niemandem erzählt, dass ich keinen Job und keinen Freund mehr hatte. Sie musste ihn auf mich angesetzt haben. Warum sollte ich also zurückrufen?
Mit Onkel Satoru war ich ohnehin nie besonders gut klargekommen. Er war schwierig, unberechenbar und benahm sich jedem gegenüber so, wie es ihm gefiel. Seine plumpe Vertraulichkeit hatte ich auch nicht gemocht.
Als kleines...
Erscheint lt. Verlag | 17.4.2023 |
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Reihe/Serie | Bücherliebe in Tokio |
Übersetzer | Ute Enders |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Days at the Morisaki Bookshop |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | aktuelles Buch • Antiquariat • Bestseller • Bestseller bücher • Bestsellerliste • Beziehungen • Bibliophil • Booktok • booktown • buch bestseller • Bücher Neuererscheinung • bücher neuerscheinungen • Bücherviertel • Buch für den Strand • Buch für den Urlaub • Buchhandlung • Buchladen • Days at the Morisaki Bookshop deutsch • Familiengeschäft • Frida Skybäck • insel taschenbuch 5037 • IT 5037 • IT5037 • Japan • Jenny Colgan • Jimbō-chō • Jinbocho • Leidenschaft • Lesefreude • Leselust • Manuela Inusa • Matt Haig • Neuererscheinung • Neuerscheinungen • neues Buch • Petra Hartlieb • Rachael Lucas • Roman bibliophil • Roman über Bücher • Sarah Jio • Sommer-Lektüre • Spiegel-Bestseller-Liste • Strand-Buch • Tokio • Urlaubslektüre |
ISBN-10 | 3-458-77643-5 / 3458776435 |
ISBN-13 | 978-3-458-77643-7 / 9783458776437 |
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