Der Milchhof - Das Rauschen der Brandung (eBook)
432 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60551-9 (ISBN)
Regine Kölpin, geb. 1964 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen). Die Autorin lebt seit ihrer Kindheit in Friesland an der Nordsee. Regine Kölpin schreibt für namhafte Verlage (mit Gitta Edelmann auch unter dem Pseudonym Felicitas Kind) Romane, Geschenkbücher und Kurztexte. Ihre Bücher waren mehrere Wochen auf der SPIEGEL- Bestsellerliste. Regine Kölpin hat einige Auszeichnungen erhalten. Unter anderem den Bronzenen Homer 2020 (mit Gitta Edelmann), den Titel Starke Frau Frieslands 2011, das Stipendium Tatort Töwerland 2010 u.v.m. Sie gehört dem PEN-Zentrum Deutschland und den Autorenvereinigungen Delia(Liebesroman) und Homer (Historischer Roman) an. Mit ihrem Mann Frank Kölpin lebt sie in einem kleinen idyllischen Dorf an der Küste. Dort konzipieren sie gemeinsam Musik- und Bühnenprojekte und genießen ihr Großfamiliendasein mit fünf erwachsenen Kindern und mehreren Enkeln oder lassen sich auf ihren Reisen mit dem Wohnmobil zu Neuem inspirieren. Mehr Infos unter: www.regine-koelpin.de
Regine Kölpin, geb. 1964 in Oberhausen (NRW), lebt seit ihrer Kindheit in Friesland an der Nordsee. Die SPIEGEL-Bestsellerautorin hat zahlreiche Romane und Kurztexte publiziert und ist auch als Herausgeberin tätig. Regine Kölpin wurde mehrfach ausgezeichnet. Mit ihrem Mann lebt sie in einem kleinen idyllischen Dorf. Dort konzipieren sie gemeinsam Musik-und Bühnenprojekte und genießen ihr Großfamiliendasein mit fünf erwachsenen Kindern und mehreren Enkeln.
Kapitel 1
Oktober 1890
Lina mochte es, die erhitzte Milch im Bottich zu rühren. Die Dickette hatte sich nach der Zugabe von Lab und Milchsäurebakterien wunderbar ausgebildet und nun galt es, die Masse in Bewegung zu halten und dabei mit der Käseharfe zu schneiden, bis genug Bruch vorhanden war und sie einen Teil der Molke ablassen konnte.
Sie fuhr zusammen, als sie Türenschlagen hörte. Kurz darauf ertönte ein verhaltenes Wimmern, das schwacher wurde, während sich Schritte auf dem Hof entfernten.
Das war Suntje, schoss es Lina durch den Kopf. Das junge Ding zählte erst sechzehn Lenze und war als Kleine Magd noch neu auf dem Gehöft. Suntje Doden plagte das Heimweh. Sie war oft weinerlich und wurde von den Arbeiterinnen, die aus Ellenserdammersiel, Bockhorn oder Steinhausen als Aushilfe auf den Hof kamen, gehänselt. Aber darum konnte Lina sich nicht auch noch kümmern, sie hatte wahrlich genug mit der Käserei zu tun. Da sie für ihren wunderbaren Käse und die gute Butter bekannt waren, wurde ihre Landwirtschaft häufig auch als Milchhof tituliert.
Lina liebte die Arbeit in der Käserei. Weil sie nichts mehr hörte, nahm sie ihre Arbeit wieder auf und rührte weiter. Sie prüfte die Konsistenz. Es wurde Zeit, die Molke abzulassen, die dann als Futter für die Schweine und Kälber diente. Auf dem Hof wurde nichts weggeschmissen, Lebensmittel waren ein kostbares Gut.
Nachdem Lina die Flüssigkeit reduziert hatte, kontrollierte sie den Bruch. Er war schon sehr gut. Nun kam noch einmal sechzig Grad warmes Wasser dazu, und sie betätigte die Käseharfe weiter. Bis der Bruch zur weiteren Verarbeitung fertig war, dauerte es. Später würde Mathilde, ihre Große Magd, wunderbare Laibe daraus formen und sie in die Formen legen, bevor sie in einer Salzlake ruhen durften, um danach bei kühlen Temperaturen im Keller zu reifen.
Die Käsesorten vom Milchhof waren inzwischen in der ganzen Friesischen Wehde beliebt, denn jede Sorte hatte ihren eigenen und unverwechselbaren Geschmack. Je nach Reifegrad oder der Zugabe von unterschiedlichen Beigaben wie Kräutern oder Bockshornklee schmeckten sie speziell. Die Butter galt als besonders sämig, weil sie nur erstklassige Milch verwendeten.
Die Tür klackte, und Mathilde trat ein. »Der gnädige Herr ist noch nicht aus Oldenburg zurück«, sagte sie. »Ich frage mich, warum er nicht die Eisenbahn nimmt, sondern stets mit der Kutsche fährt. Er wäre doch viel schneller zurück.«
Lina zuckte mit den Schultern, so gut sie es mit der Käseharfe in der Hand vermochte. »Er ist eben stur, das weißt du. Wenn er jetzt noch nicht wieder da ist, wird es in Oldenburg wohl hoch hergehen. Vader sollte wirklich darüber nachdenken, ob eine Molkereigenossenschaft auch etwas für uns hier wäre. Man sieht ja, dass es anderswo funktioniert.«
Lina ignorierte Mathildes skeptischen Blick. Den Vater durfte kein Mädchen auf diese Weise kritisieren.
»Es wird eine Lösung geben, da bin ich sicher«, erwiderte Mathilde diplomatisch und betrachtete die Dickette mit fachmännischem Blick. »Ich kann das jetzt übernehmen und forme dann später auch die Laibe.« Sie musterte Lina. »Ziehst du dich schon mal um? Du weißt, dass dein Vater es nicht schätzt, wenn du in der Käserei mitmischst.«
»Das ist mir egal, wie du weißt. Die Milch und der Käse sind mein Leben! Wenn Vader zur Milchweiterverarbeitung einen Zusammenschluss mit den anderen Bauern ablehnt, sollte er den Fortschritt nutzen und eine eigene Molkerei gründen. Wir haben das Wissen und die Fähigkeiten, ganz vorn zu sein!«, entfuhr es Lina. »Ich habe in der Zeitung für Milchwirtschaft gelesen, dass es neben den Genossenschaftsmolkereien auch viele private gibt. Wie die Pfunds Molkerei in Dresden. Die arbeiten sogar sehr zukunftsorientiert, stand in dem Bericht. Unser Milchhof könnte bis nach Wilhelmshaven und Mitteldeutschland liefern, und es wäre möglich, das auch über das Schienennetz noch auszuweiten.«
»Mädchen sollten nicht lesen«, tadelte Mathilde. »Das setzt dir nur Flausen in den Kopf, min Deern. Du solltest dich besser mit ein paar Stickarbeiten auf deine anstehende Hochzeit vorbereiten.«
Lina lachte auf und rührte die Käseharfe etwas schneller. »Ich stelle lieber Butter und Käse her. Das kann ich richtig gut. Ich bin Bäuerin. Sticken ist nichts für meine groben Finger. Womöglich möchtest du mich auch noch in ein Korsett stecken. Diese schrecklichen Kleider, die die Reichen und Städterinnen tragen, sind mir ein Graus. Wie sehen die Frauen darin überhaupt aus? Wie Bohnenstangen – und unnatürlich!«
Mathilde musste sich ein Schmunzeln sichtlich verkneifen. »Du hast auch ohne diese Quetscher eine wunderbare Wespentaille, andere müssen sie mühsam zaubern.«
»Das sagt Thees auch immer«, antwortete Lina mit einem Seufzen. Ihr Verlobter betonte stets sehr, dass er stolz auf seine hübsche Verlobte wäre und dass er sich freute, sie bald in feinen Kleidern anzuschauen. Er hatte eben Sinn für das Schöne. Und – er konnte unglaublich gut küssen. Auch wenn Lina keine Vergleiche ziehen konnte, wusste sie, dass es so war, denn wenn sich ihre Lippen berührten, wurden ihre Knie weicher als Pudding, und sie war stets einen Moment lang versucht, ihm mehr zu geben, als sich schickte. Sonst aber war es schwierig mit ihnen, denn sie waren eigentlich nie einer Meinung.
»Du solltest nach unserer Eheschließung nicht mehr im Stall oder in der Käserei schuften«, sagte Thees, genau wie Linas Vater, ein ums andere Mal. »Ich werde dafür sorgen, dass du mehr Müßiggang hast und dich für mich schön machst.«
Lina hatte bislang dazu geschwiegen, weil sie keinen Ärger wollte, überlegte aber, wie sie ihrem Verlobten deutlich machen konnte, dass sie keineswegs vorhatte, die Hände in den Schoß zu legen, weil es sie abstieß, den ganzen Tag nur herumzusitzen. Sie wollte etwas Sinnvolles tun, ihre Fähigkeiten nutzen und Käse herstellen. Neue und schmackhafte Sorten austüfteln und sie nicht nur in der Friesischen Wehde verkaufen. Oder die Butter verfeinern. Es gab so viele Möglichkeiten.
Lina war davon überzeugt, dass eine Molkerei in dieser Region eine große Zukunft hatte. Wenn sie doch nur ihren Vater von dieser Idee überzeugen könnte! Sie hoffte, dass die Landwirte bei der Besprechung in Oldenburg einen guten Einfluss auf ihren Vater ausüben würden.
Sie seufzte, denn ihr stand an Thees’ Seite mit seinem gesellschaftlich gehobenen Stand vermutlich keine Zukunft als Geschäftsfrau bevor. Sie würde ihm viele Kinder gebären und sich um andere Dinge als die Käseherstellung oder das Buttern kümmern müssen.
Aber Lina ehrte es, dass ausgerechnet Thees, einer der Söhne der renommierten Klinkerei Bleeker in Bockhorn, sie ausgewählt und umworben hatte, denn es gab nicht wenige Frauen, die sich ein Leben an seiner Seite ausmalten. Lina machte sich allerdings nichts vor: Sein Werben hatte auch mit der Aussicht zu tun, dass er später den Milchhof, oder wie er beharrte, den Harms-Hof, übernehmen konnte. Denn wegen der beiden älteren Brüder gab es im elterlichen Betrieb keine Zukunft für ihn, und sie war als einzige Tochter des größten Gehöfts in der Umgebung, das sie als Frau unmöglich allein leiten konnte, durchaus eine gute Partie.
Eine Alternative zu Thees Bleeker gab es für Lina nicht. Ihr Vater hatte ihn für sie gewählt; sie hätte es schlechter treffen können. Thees sah gut aus und war überaus charmant, warum hätte sie seinen Antrag also ablehnen sollen, auch wenn keine Liebe im Spiel war? Wo gab es das schon? Ehen wurden ringsum von den Eltern arrangiert, und sie hatte gelernt, dass es oft besser war, dem kleineren Übel zuzustimmen, als sich dem Vater zu widersetzen. Nachher hätte er noch einen alten Widerling angeschleppt, um sie unter die Haube zu bringen. Da war es so besser. Also wurde sie nun Thees Bleekers Ehefrau. Im März war die Hochzeit, halb Bockhorn und halb Ellenserdammersiel würden kommen. Auf dieses große Fest freuten sich alle.
»Nun sieh zu,...
Erscheint lt. Verlag | 31.8.2023 |
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Reihe/Serie | Milchhof-Saga |
Milchhof-Saga | Milchhof-Saga |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 1. Weltkrieg • Familiensaga • Frauenschicksale • Industrialisierung • Kampf für Frauenrechte • Liebe • Milch • Molkerei • Nordsee • Starke Frauen • unglückliche Ehe |
ISBN-10 | 3-492-60551-6 / 3492605516 |
ISBN-13 | 978-3-492-60551-9 / 9783492605519 |
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