Alchemistin wider Willen (eBook)
400 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60491-8 (ISBN)
Gigi Pandian ist USA Today-Bestsellerautorin und Mitbegründerin der Crime Writers of Color. Als Tochter zweier Kulturanthropologen aus New Mexico und der Südspitze Indiens hat sie ihre Kindheit auf Recherchereisen durch die ganze Welt verbracht. Heute lebt sie in Kalifornien. Ihre Mysteryromane wurden mit dem Agatha-, Anthony-, Lefty- und Derringer Award ausgezeichnet.
Gigi Pandian ist USA Today-Bestsellerautorin und Mitbegründerin der Crime Writers of Color. Als Tochter zweier Kulturanthropologen aus New Mexico und der Südspitze Indiens hat sie ihre Kindheit auf Recherchereisen durch die ganze Welt verbracht. Heute lebt sie in Kalifornien. Ihre Mysteryromane wurden mit dem Agatha-, Anthony-, Lefty- und Derringer Award ausgezeichnet.
1
Das einst schöne Haus im Craftsman-Stil glich einer Ruine. Mehrere Fenster waren schludrig mit Brettern vernagelt. Ein Teil des Dachs fehlte, und eine ersatzweise über die Lücke gespannte Plastikplane musste nun stattdessen den Regen fernhalten, der hier so häufig aus Nordwest vom nahen Pazifik kam. Die Fassaden zeigten mehr rohes Mauerwerk als lavendelfarben gestrichenen Putz, und wie es um den Zustand im Inneren des Hauses bestellt war … Um es schmeichelhaft auszudrücken, hatten die Installationen schon bessere Tage gesehen – und ich war mir ziemlich sicher, dass diese besseren Tage nicht zum letzten Jahrhundert gehörten.
Mit anderen Worten: Es war perfekt.
Zumindest perfekt für das, was ich im Sinn hatte. Lächelnd betrachtete ich durch das Fenster meines Trailers den abgewirtschafteten Bau. Es war nicht leicht gewesen, dieses Haus im Künstlerviertel Hawthorne in Portland, Oregon, zu finden. Immobilienmaklern fiel es schwer zu begreifen, dass ich tatsächlich ein vollkommen heruntergekommenes Haus wollte.
Wahrscheinlich hatte ich diese Schwierigkeiten selbst verschuldet, weil ich sie nicht angelogen hatte. Ich hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass ich weder ein Renovierungsprofi war noch eine Immobilienspekulantin. Nein, ich war auch keine Masochistin, aber dabei hatte ich es bewenden lassen und sie in dem Glauben bestärkt, ich sei schlicht und einfach eine ledige junge Frau mit trendig weiß gefärbtem Haar und begrenzten Mitteln. Eine Frau, die Herausforderungen liebte. Ich hatte ihnen nicht auf die Nase gebunden, dass ich eine Immobilie benötigte, an der substanzielle Umbaumaßnahmen keine Aufmerksamkeit erregten – dass ich jemand war, der sich vor aller Augen deutlich sichtbar verstecken wollte.
Schon beim ersten Blick auf das Angebot eines geschäftstüchtigen jungen Immobilienmaklers – er hatte es mir sehr skeptisch und mit mindestens einem Dutzend Ausrufezeichen versehen per Mail zugesandt – wusste ich, dass ich nicht nur das für mich perfekte Haus, sondern dazu sogar noch den perfekten Allround-Handwerker gefunden hatte, dessen Diskretion von besagtem Immobilienmakler in höchsten Tönen gelobt worden war.
Der Handwerker wollte mich vor Ort treffen, um sicherzustellen, dass er meine ausgefallenen Vorstellungen korrekt umsetzte, und so kam es, dass ich während eines grimmigen Wintersturms in mein neues Haus einzog, an dem Tag, bevor er versprochen hatte, mit der Arbeit zu beginnen. Ich liebte den Regen, aber am meisten liebte ich ihn, wenn ich in dem warmen, gemütlichen Trailer der Marke Airstream saß, in dem ich seit Jahren lebte, und auf das rhythmische Trommeln der Tropfen auf dessen Dach lauschte.
Ich zog meinen Mantel enger um mich und schnappte mir eine Tasche mit einigen unverzichtbaren Dingen, bevor ich die wenigen Meter bis zum Haus hinüberrannte. Viel mehr, was ins Haus gebracht werden musste, hatte ich auch nicht dabei. Ich war in Massachusetts geboren und aufgewachsen, lebte aber schon seit langer Zeit in diesem alten, silberfarbigen Trailer. Die Hälfte des Platzes darin belegte der Trödel, den ich überall im Land auf Flohmärkten verkaufte. Die meisten Antiquitäten, die ich im Laufe der Jahre angesammelt hatte, befanden sich in einem Lager. An diesem Nachmittag sollte eine Spedition sie an meine neue Adresse liefern.
Nachdem ich meinen silbrigen Regenmantel auf einen rostigen Haken an der Haustür gehängt hatte, trug ich die Tasche in die Küche. Sie enthielt meinen Mixer, einen Kessel und einen Becher, einige Gläser mit getrockneten Kräutern, Bitterschokolade und eine Tüte mit Nüssen und anderen Lebensmitteln von einem zünftigen Landwirt, der auf dem Bauernmarkt dem Regen getrotzt hatte. Wie gesagt: das Unverzichtbare.
Das Wasser aus dem Hahn in der Küche, der aus der Mitte des letzten Jahrhunderts stammte, hatte eine gelbliche braune Farbe, aber ich ließ mich nicht beirren. Ein kleiner Schluck versicherte mir, dass es sich nur um Rost handelte. Etwas zusätzliches Eisen würde mir guttun. Trotzdem ließ ich das Wasser einige Minuten laufen, während ich in der Küche herumwerkelte. Diese bedurfte zwar dringend einiger kosmetischer Verbesserungen, war aber grundsätzlich solide ausgestattet. Der altehrwürdige Emailleherd war betriebsbereit und würde ein Schmuckstück sein, wenn ich ihn erst ein wenig sauber gemacht hatte. Der rosafarbene Kühlschrank war noch eins der Modelle, die sich in den 1950ern großer Beliebtheit erfreut hatten und die aussahen, als könnten sie auch einem Bombenangriff standhalten. Das Beste aber war das Fenster mit Blumenkasten über der Spüle – wie geschaffen für die Anzucht empfindlicher Kräuter. Mein Mixer explodierte auch nicht, als ich ihn an eine Steckdose anschloss, das war eindeutig ein gutes Zeichen. Ich bereitete mir einen grünen Smoothie aus frischem Blattgemüse, einem Apfel, einer Avocado, Pfefferminze, Bitterschokolade und Ingwer zu.
Mit meinem kräftigenden Getränk in der Hand, war ich bereit, mein neues Haus zu erkunden. Ich war bereits in allen Räumen gewesen, aber nun war es etwas anderes. Jetzt fühlte es sich real an. Ein Haus, das ich zu dem meinen machen, in dem ich mich einrichten konnte. Ich weiß nicht, wann ich mir das letzte Mal so viel Optimismus gestattet hatte. Ich war beinahe hoffnungsvoll. Beinahe.
Ich schüttelte die ausgeblichenen Vorhänge vor den hohen Wohnzimmerfenstern aus. Zweige von nicht gestutzten Kirschbäumen kratzten wie Krallen über die Fenster. Die Bäume mussten beschnitten werden, aber nicht zu stark – ich wusste die Privatsphäre zu schätzen, die sie mir verschafften.
Holzstufen knarrten unter meinen Schritten auf dem Weg die Treppe hinauf. Bevor ich die erste Etage erreichte, machte mich die Türklingel mit dem Eröffnungsmotiv von Beethovens Fünfter auf die Ankunft der Möbelpacker aufmerksam. Möbelpacker, die einen Sinn für die kleinen Freuden des Lebens haben – und keine Fragen zu den Dingen stellen, die sie einem ins Haus tragen –, sollte man zu schätzen wissen. Neben den Möbeln für das Haus und den Antiquitäten, die ich online verkaufte, handelte es sich auch um Kisten mit Glaskrügen, die niemand allzu genau untersuchen sollte.
Binnen einer Stunde hatte das effiziente Vater-Sohn-Gespann die schweren Möbel und Kisten hineingetragen, und ich hatte uns allen eine Kanne Pfefferminztee mit einer Prise Lakritz gemacht. Ich musste eigens zwei zusätzliche Tassen aus meinem Trailer beisteuern; ich war es nicht gewohnt, Gäste zu bewirten.
Nachdem die Möbelpacker sich verabschiedet hatten, ließ ich mich auf das mit grünem Samt bezogene Sofa fallen, das sich jahrelang in einem Lagerraum befunden hatte, und genoss das Plätschern des Regens. Die Atempause währte nicht lange. Sobald ich eine der Kisten aufgestemmt hatte, war mir klar, dass irgendetwas hier nicht stimmte. Jemand hatte sich an meinen großen Transportkisten zu schaffen gemacht.
Als Erstes fiel mir der Geruch auf. Ein metallischer Duft attackierte meine Sinne. Das Stemmeisen noch immer in der Hand, untersuchte ich das Chaos. Die Antiquitäten aus Glas und Kupfer, vormals sorgfältig in alte Zeitungen gewickelt, lagen jetzt unverpackt und ungeschützt in der Kiste. Dieser Zustand konnte nicht durch einen turbulenten Flug oder das immer mögliche Umkippen in der Kiste verursacht worden sein. Und eine genauere Inspektion ergab, dass nicht nur das schützende Zeitungspapier entfernt worden war, sondern auch mehrere Glasbehälter geöffnet worden sein mussten, denn die Deckel waren erkennbar schludrig neu versiegelt worden. Daher auch der metallische Geruch. Es bestand kein Zweifel, dass jemand die Kiste durchwühlt hatte.
Das Seltsame war, dass anscheinend nichts fehlte. Selbst das Glas, das eine kleine Menge Gold enthielt, war da. Als ich alle Gläser herausgeholt hatte, fand ich unter den zusammengeknüllten Zeitungen allerdings etwas, das jemand hinzugetan hatte.
Ein steinerner Gargoyle von knapp einem Meter Größe befand sich am Grund der Kiste, die bisher nichts als sorgfältig geordnete, antike alchemistische Artefakte enthalten hatte.
Instinktiv trat ich zurück. Wie war diese Statue in meine versiegelte Kiste gelangt? Und warum um alles in der Welt sollte jemand sie dort hineingelegt haben?
Ich lief zur Haustür hinaus, aber die Spediteure waren bereits abgefahren. Die Veranda gab unter meinen Füßen nach, und die klapprige Vordertür...
Erscheint lt. Verlag | 27.7.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | Die unglaublichen Fälle der Zoe Faust |
Die unglaublichen Fälle der Zoe Faust | Die unglaublichen Fälle der Zoe Faust |
Übersetzer | Michaela Link |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Alchemie • Auftakt Fantasy Reihe • Belletristik Neuerscheinung 2023 • bücher für frauen • Cosy Fantasy • cozy fantasy • Detektivin • Ermittlerin • Fantasy für Erwachsene • Fantasy für Frauen • Fantasy Krimi • Kriminalfall • Mystery • Urban Fantasy |
ISBN-10 | 3-492-60491-9 / 3492604919 |
ISBN-13 | 978-3-492-60491-8 / 9783492604918 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 6,0 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich