Thriller Quartett 4041 - Vier Krimis in einem Band (eBook)
600 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-7466-9 (ISBN)
7
Wir waren von New York City aus etwa 65 Meilen durch das Hudson Valley nach Norden geflogen. In der Gegend von Kingston zog der Pilot den Helikopter nach Westen. Vor uns lagen jetzt die sanft geschwungenen Bergkuppen der Catskill Mountains. Der Copilot mit der Karte in der Hand deutete auf den Lauf eines kleinen Flusses, der sich etwa zweihundert Meter südlich unseres Kurses durch den dichten Wald schlängelte. Der Pilot ließ die Maschine nach links wegsacken.
Immer wenn ich in diese unverschämt schöne Gegend kam - es war selten genug - fiel mir mein Geographielehrer ein. Der pflegte über die Catskills zu sagen, sie seien die schönste Gegend der Welt. >Das Paradies, in dem Milch und Honig fließt<, hatte er diese Landschaft sogar mal genannt. Nun gut - mit dem Paradies hatte ich noch nie viel im Sinn. Und wir wollten hier auch nicht Milch und Honig suchen, sondern interessierten uns für den Schauplatz eines Mordes und für eine Leiche. Aber ich musste meinem alten Pauker recht geben - einfach atemberaubend, die Catskill Mountains. Kaum zu glauben, dass nicht mal eine Flugstunde entfernt Great Babylon seine Betonkrallen in den grauen Smogdunst reckte.
Milo, neben mir im Heck der Maschine, schien sich gerade zu überlegen, ob er seinen Urlaub nicht in irgendeiner Blockhütte zwischen den Hügeln dort unten verbringen sollte. Schweigend starrte er durch das Seitenfenster auf die grandiose Wildnis herab. Schon seit einer halben Stunde hatte er kein Wort mehr gesagt.
Ich neigte mich zu ihm. "Verdammt schöne Gegend, was?!", brüllte ich, um den Rotorenlärm zu übertönen, der die Kabine erfüllte.
Milo fuhr herum und nickte geistesabwesend. Offenbar hatte ich ihn aus irgendwelchen hübschen Gedanken gerissen. "Keine noch so schöne Gegend ohne Killer!", brüllte er zurück. Da hatte ich's wieder - von wegen Paradies. Immerhin war mein gottesfürchtiger Geographielehrer widerlegt. Also gut - wir waren hier nicht, um Urlaub zu machen, sondern unseren Job. Mein Partner mit seiner trockenen Art hatte mich auf den Teppich geholt.
Der Helikopter flog nur wenige Meter über den Baumwipfeln. Wir folgten zehn Minuten lang dem Lauf des kleinen Flusses. Ein schmaler, asphaltierter Waldweg war zeitweise zwischen den Wipfeln zu erkennen. Mal verlief er ein paar hundert Meter am Fluss entlang, dann krümmte er sich wieder in den Wald hinein. Wohl eine Seitenstraße, die von der Route 28 in die Catskills hineinführte.
Eine Lichtung öffnete sich, und der Copilot deutete energisch auf sie. Ich presste mein Gesicht an die Scheibe. Es war ein Waldparkplatz. Ein gutes Dutzend Fahrzeuge stand darauf. Auf einem blinkte ein rotes Licht. Ich entdeckte zwei Männer. Sie winkten zu uns herauf. Der Pilot drehte eine Runde über dem Parkplatz und setzte dann zur Landung an. Milo riss die Seitentür auf und beugte sich heraus. "Zwei Meter weiter nach links!", brüllte er dem Piloten zu. "Ein Stück zurück! Gut so!" Er lotste den Piloten zwischen eine riesige Pfütze und ein mannshohes Gebüsch, das mitten auf dem Parkplatz wucherte. Ein Ruck ging durch die Maschine, und wir setzten auf.
Ich sprang aus dem Helikopter und rannte gebückt unter den Rotoren durch auf die beiden Männer zu. Fast gleichzeitig mit Milo war ich bei ihnen. Sie drückten uns flüchtig die Hände und nannten ihre Namen, die ich wegen des Rotorenlärms nicht verstand. Egal - ich kriegte mit, dass es sich um Beamte der State Police handelte, und das reichte mir. Genau die hatte ich erwartet. Sie eilten uns voraus in den Wald.
Nach fünf Minuten kamen wir am Fluss an. Eine Menge Leute machten sich im Gras und im Gebüsch zu schaffen. Beamte der New York State Police, die meisten in Zivil. Wahrscheinlich die Spurensicherung des Bureau of Investigation. Aus einer Gruppe löste sich ein Mann in einem hellen Sommeranzug und mit tiefschwarzer Hautfarbe. Einer von diesen baumlangen, breitschultrigen Burschen, wie man sie sonst nur in Basketballmannschaften findet. Er kam auf uns zu und entblößte sein beneidenswert weißes Gebiss.
"Hello, Mr. Trevellian, Mr. Tucker! Schön, dass Sie so schnell kommen konnten!" Er begrüßte uns wie zwei alte Bekannte. So gründlich ich auch die Karteien in meinen grauen Zellen durchwühlte - mir wollte beim besten Willen nicht einfallen, wo ich dieses Prachtstück von Mann schon einmal gesehen hatte. "Schon viel von Ihnen gehört", plauderte er munter drauf los, "ich bin Captain Nelson Rockford vom BI. Hab' Sie gleich benachrichtigen lassen. Gestern erst hab' ich gehört, dass Sie sich mit Leichen wie unserer hier befassen. Kommen Sie."
Genau genommen waren es drei Leichen, zu denen er uns führte. Die des Fisches und die des Mannes lagen sich Auge in Auge gegenüber. Es war grotesk. Milo schüttelte den Kopf und seine Augenbraue zuckte. Wenige Schritte in Richtung Waldrand lag noch ein toter Collie. "Eine Pfadfindergruppe hat sie entdeckt", erklärte Rockford.
Eine blonde Frau in weißen Jeans und rotem T-Shirt hockte neben dem seltsam verkrümmten und korpulenten Körper des ermordeten Mannes. Sie nickte uns kurz zu. "Eintritt des Todes vor ca. sechs Stunden", dozierte sie, ohne uns weiter zu beachten, "Todesursache: Ersticken. Zwei kleine Einstichstellen, eine im Nacken und eine an der Brustseite, hier." Sie wies auf einen kleinen Blutflecken auf dem beigen Polohemd des Toten.
Der Captain räusperte sich. "Dr. Anderson", stellte er die Frau vor.
Vermutlich wollte er auch uns noch vorstellen, aber die Polizeiärztin unterbrach ihn. "Im Brustfell des Hundes fand sich eine ähnliche Einstichstelle. Sicher ist nur, dass er ebenfalls erstickt ist."
Die Lady schien zu der Sorte Frauen zu gehören, die dazu neigten, ihren Job zu ernst zu nehmen. Ein eisiger Hauch ging von ihr aus. Und hübsch war sie - genau der Typ Frau, auf den mein Partner abfuhr. Unwillkürlich schaute ich Milo an. Tatsächlich hing ein Leuchten in seinem Blick, und seine Augen hatten sich grinsend auf die Gestalt der jungen Ärztin geheftet. "Und woran starb der Fisch?", wollte er wissen.
Sie fuhr herum und schickte ihm einen giftigen Blick hinauf. Dann ließ sie sich zu einem Lächeln herab. "Ich schicke ihnen gern den Obduktionsbericht, Mister."
Ich war zwar gespannt, wie Milo es anstellen wollte, diesen Eisberg zu schmelzen, aber noch mehr interessierte mich der Tote. "Haben Sie schon die Identität des Mannes?", wandte ich mich an den athletischen Captain.
"Paul Russel", er winkte mit einem Führerschein, "lebt in Westpoint, arbeitet dort in der Kadettenschmiede. Er ist ... er war Major der Army." Milo riss seine Augen von der blonden Lady los. Wir sahen uns schweigend an. Mir war klar, dass er dasselbe dachte wie ich. Während Milo die Fakten notierte, packte ich mein Handy aus und verzog mich unter die Bäume.
Kurz darauf war ich mit der Perlman-Witwe verbunden. Es war genauso, wie ich es befürchtet hatte: Auch dieser Russel hatte zum Club der Vietnamveteranen gehört, er war sogar mit auf dem Männergruppenbild drauf. "Wären Sie so freundlich, uns dieses Foto vorübergehend zur Verfügung stellen, Mrs. Perlman?" Sie war so freundlich, und ich rief in der Zentrale an, damit jemand das Bild abholte.
Zurück am Tatort bekam ich gerade noch mit, wie die Ärztin und Milo Karten austauschten. Ich unterdrückte ein Grinsen - dieser Kerl! So zuverlässig er als Partner war, so genial erwies er sich auch, wenn es darum ging, unerreichbare Frauenherzen zu knacken. Ich nahm mir vor, ihm gelegentlich zu sagen, dass ich stolz auf ihn bin. "Ich wäre so weit, Jesse", er schwenkte seinen vollgeschriebenen Notizblock und wandte sich dann wieder an die Lady, die plötzlich gar nicht mehr wie ein Eisberg wirkte, "also abgemacht, ich ruf' Sie an!" Sie winkten sich zu, und wir verschwanden im Wald.
"Und?", fragte Milo. "Deute ich deinen Blick richtig?"
"Ja", antwortete ich, "der Mann ist auch auf dem Gruppenbild."
"Drei Männer - eine Todesursache, eine Generation", sagte Milo, "Russel war einundfünfzig."
"Und wenn mich nicht alles täuscht, gibt es auch nur ein Motiv", ergänzte ich. "Deute ich deinen Blick auch richtig?"
Milo grinste. "Ich denke, ich werd' sie zu einer Kanufahrt in dieser Gegend hier einladen." Triumphierend hielt er die Visitenkarte von Lady Anderson hoch. "Selbstverständlich war es ansonsten ein rein dienstliches Gespräch, das wir führten."
"Selbstverständlich!", nickte ich.
"Ehrlich", bekräftigte Milo mit unschuldigster Miene, "sie hat mir erklärt, wie man Leute retten könnte, die von einem Curare-Pfeil getroffen worden sind: Mund-zu-Mund-Beatmung, oder", er setzte sich die innere Handkante an den Hals und machte eine eindeutige Bewegung, "Luftröhrenschnitt - einen Knorpelring unter dem Kehlkopf und spätestens drei Minuten nach dem letzten Atemzug."
"Wenn's weiter nichts ist", sagte ich müde, "bitten wir den Killer also, uns mit auf die Jagd zu nehmen, damit wir innerhalb von drei Minuten zu Stelle sind."
Wir stiegen in den Hubschrauber. Der Pilot wollte wissen, wohin wir unseren Wochenendausflug fortzusetzen wünschten. Milo und ich mussten nicht lange diskutieren. Rockford hatte widerwillig den Job übernommen, Russels Familie zu besuchen. Er wollte uns noch heute einen Bericht nach New York faxen. Wir entschlossen uns, der Military Acadamy in Westpoint einen Besuch abzustatten. Irgendwie schien die Army in der ganzen Sache mit drin zu hängen.
...
Erscheint lt. Verlag | 3.4.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7389-7466-0 / 3738974660 |
ISBN-13 | 978-3-7389-7466-9 / 9783738974669 |
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