Schwert und Magie (eBook)
CLXXXVII Seiten
BookRix (Verlag)
978-3-7554-3625-6 (ISBN)
Prolog
Wenn der Himmel blutet, schreit der Riss nach Helden. Doch vorher kann ein Held weder zur Meisterschaft noch zur Selbsterkenntnis gelangen. Und der Himmel über Raukendorf im Archeland leuchtete noch blau.
Ray ließ einhändig sein Langschwert wirbeln. Er hatte ein nettes, wenn auch kantiges Antlitz, geschmeidige Muskeln unter seinem Kettenhemd und trug einen Schild. Gegen das Metall prallte ein abgeschliffener Armbrustbolzen. Der Schuss kam von Rays bestem Freund, Snick.
Sie übten am grünen Dorfrand.
Snick war kleiner als Ray und hatte eine braune Strähne in der Stirn hängen. Wenn der Schütze hierhin und dorthin huschte, schwangen seine Haare wie zur Verwirrung in die entgegengesetzte Richtung. Er trug als Zweitwaffe ein Kurzschwert. Doch sein Ziel war es, jeden Gegner auf Distanz zu halten.
Ray rannte Snick hinterher. Ein Schuss erwischte allerdings den groß gewachsenen Schwertkämpfer mit einem dumpfen Schmerz am Knie.
Snick foppte ihn: „Wenn der Bolzen spitz gewesen wär, dann würdest du nun im Grase liegen, mein Freund.“
„Unterschätze nicht die Stabilität meiner Kniescheibe“, entgegnete Ray.
Er holte Snick ein.
Jetzt musste sich der Schütze mit dem Kurzschwert verteidigen. Im Nahkampf war er Ray unterlegen. Ihre Klingen kreuzten sich ein-, zwei- und dreimal. Snick sprang auf den Holzzaun eines Rindergeheges und außerhalb auch wieder herab. Die Tiere blökten beifällig. Doch kaum berührte Snick erneut die Erde, drehte sich Ray geschickt und ließ die Flachseite seines Schwerts gegen den Freund klatschen.
„Und wer würde nun im Grase sein Leben lassen?“
Rays Worte schwebten noch in der Luft, als sich seine Augen weiteten und ein Lächeln seine Lippen umspielte. Ahnungsvoll wandte Snick den Kopf.
Über die blühende Wiese lief Evina, Rays Freundin. Ihr Gesicht strahlte lieblich. Besonders ihrem Haar wohnte ein Zauber inne: Mal schien sich die Sonne orangerot darin zu verfangen, mal wirkte es eher brünett, ja dunkel. In aller natürlichen Unschuld hatte Evina ihr Bürgerkleidchen gekürzt, so dass halb ihre anmutigen Schenkel zu sehen waren. Ihre Brüste hüpften leicht. Sie kam näher und verlangsamte ihren Schritt.
„Hoffentlich störe ich euch beide nicht dabei, gegen mehr oder weniger Tote zu kämpfen“, scherzte sie. Dann wurde sie ernster. „Ich muss dir etwas sagen, Ray.“
Er legte Schwert und Schild ab.
„Soll ich verduften?“, fragte Snick.
„Nein“, antwortete Evina. „Wer soll bei ihm bleiben, wenn nicht du?“
„Was ist denn los, meine Liebste?“, sorgte sich Ray.
Sie hielt seine Hände und schlug die Wimpern zu ihm auf. „Ich muss auf Wunsch und Befehl meiner Eltern für ein Jahr in ein Nonnenkloster.“
„Bitte was? Wohin?“
„In das Kloster der Ewigen Anemone.“
„Aber warum?“, fragte Ray.
Die Maid seufzte. Sie wusste, dass Ray seine eigenen Eltern nie kennengelernt hatte. Sein Vater war ein Waffenmeister gewesen, aber mit einigen Stammesangehörigen einer Übermacht zum Opfer gefallen. Leider hatte die Mutter bereits mehrere Kinder und konnte nicht für alle sorgen. Dennoch spürte sie, dass Ray ein außergewöhnlicher Junge war. Lange bevor sie selber an Krankheit und Erschöpfung starb, brachte die Mutter ihn deshalb zu dem Druiden Wisgard nach Raukendorf.
Der Ziehvater erkannte selbstverständlich, dass Ray ein geborener Schwertkämpfer war. Daher unterrichtete Wisgard ihn zwar in den Grundlagen der Naturphilosophie und Heilkunst, aber bald schickte der Druide seinen Zögling auf eine Kampfschule. Und als Ray hierher zurückkam, war die kleine Evina zu einer Schönheit herangewachsen …
Ihre Mutter entstammte einem verarmten Geschlecht des Landadels. Sie setzte in ihren verschnörkelten Briefen die Kommas dort, wo es sie richtig dünkte und es meistens falsch war. Jedenfalls war Evinas Vater einfach der Dorfschmied, und vor ihm hatte schon ihr Großvater diesen Beruf ausgeübt, und vor jenem der Urgroßvater. Kurz, ihre Eltern verdienten die Bezeichnung erzkonservativ.
Dem alten Wisgard gegenüber hegten sie Misstrauen, weil sie nicht begriffen, was so ein Druide eigentlich trieb. Auch wenn sie nicht ahnten, wie weit sein Name bekannt war, so hatten sie doch Respekt vor ihm.
„Also“, sagte Evina. „Es liegt nicht nur daran, dass meine Eltern befürchten, ich könnte mit meinem freien Kleidungsstil hier zu viele geile Blicke auf mich ziehen.“
Die Rinder blökten erneut, und Snick lachte.
„Tschuldigung“, murmelte er. „Ich musste bloß daran denken, dass diese Rinder meinem Onkel gehören und er nur Augen für sie hat.“
Evina nickte mit dem Anflug eines Schmunzelns, doch sie blickte unverändert Ray an. „Vor allem haben meine Eltern bemerkt, dass ich nachts nicht immer in meinem Bett lag, und sie haben uns draußen beim Sex erspäht. Meine Mutter zeterte mit mir rum: ›Wenn du und er wenigstens verlobt wärt, aber nein, nein!‹“
„Darum sollst du in diesem Nonnenkloster diszipliniert werden? Was, wenn du dich deinen Eltern einfach wiedersetzt?“, fragte Ray.
„Ich will sie nicht noch mehr enttäuschen, mein Liebster.“
„Dann müssen wir sie umstimmen, oder? Das Kloster der Ewigen Anemone“, grübelte er laut, „als hätte ich diesen Namen schon mal so dunkel gehört.“
Snick zuckte mit den Schultern. „Klingt schön heilig.“
„Lasst mich erst mal Wisgard um Rat fragen“, beschloss Ray. Er wollte bereits zu den Häusern gehen, als Evina ihn mit beiden Armen umschlang und noch küsste.
Der weißbärtige Druide trug zwar Sandalen, aber keinen Firlefanz-Hut, und sein Leib war auch nicht dürr. Im Gegenteil, seine moosgrüne Robe wirkte ausgebaucht, als er mit Ray und einem Holzstab stapfend sein Pflastersteinhaus verließ.
„Evinas Eltern gehören zu jener unwissenden Sorte, die zum Wohle ihres Kindes gerne dessen Unwohlsein heraufbeschwören“, schimpfte Wisgard. „Komm, versuchen wir unser Glück!“
Der Schmied hatte gerade Feierabend gemacht. Aus dem Kamin seiner Werkstatt, die an sein Haus rangebaut war, pafften noch ein paar rußige Wölkchen.
Wisgard klopfte mit dem Holzstab an.
Evinas Vater öffnete die Tür, furchte die Brauen über seinen nussrunden Augen und nuschelte: „Welch Ehre. Was gibt’s?“
„Wir möchten Ihnen und Ihrer Familie einen schönen Tag wünschen“, begann Wisgard. „Außerdem wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns ein Krügchen Most und ein Gespräch gestatten würden. Der Saft muss nicht aus roten Prachtäpfeln gepresst sein, beileibe nicht. Wir begnügen uns mit der grünen, nüchternen und ehrlichen Sorte.“
„Könnte sauer schmecken“, erwiderte der Schmied.
„Das verkraften wir. Nicht wahr, Ray?“
„Für Evina verkrafte ich alles.“
Die haushaltsführende Mutter erschien mit ihrem Lockenkopf im Hintergrund. Sie wusste geistigen Schliff zumindest ein bisschen mehr als zurechtgeklopptes Eisen zu schätzen und bat deshalb ihren Gatten: „Lass die Gäste doch herein.“
Danach saßen sie an einem Lärchenholztisch mit Stickdecke und hatten tatsächlich Most vor sich, der weder gut noch schlecht mundete. Ray nippte nur daran. Denn Evina musste in ihrem Zimmer bleiben, und schon allein dieser Umstand entfachte eine viertelstündige Streiterei.
„Sie ist doch kein Schulmädchen mehr!“, ereiferte sich Wisgard. „Überhaupt lieben sich Evina und Ray. Liebe muss man fördern. Wie könnte aus der Entzweiung von Liebenden jemals etwas Gutes entstehen?“
„Zur Liebe und Treue gehören Geduld“, hielt die Mutter dem Druiden entgegen. „Evina muss lernen, ihre Sinnlichkeit zu zügeln. Wir zwängen sie ja nicht für alle Zeiten in einen Keuschheitsgürtel. Unsere Tochter soll lediglich in den Genuss einer zusätzlichen Erziehung unter den tugendhaften Schwestern der Ewigen Anemone gelangen. Und hinterher darf sie Euer Mündel heiraten, ich meine Euren Ziehsohn, sofern auch er sich anständig benimmt.“
Obwohl diese Worte voller Einfalt nicht verletzend gemeint waren, echoten sie wie blanker Hohn in Rays Kopf. Einen Schwertkämpfer von einundzwanzig Jahren als Mündel abzutun!
Wisgard räusperte sich entschieden. „Ich sehe, dass ich klipp und klar mit Ihnen reden muss. Im Kloster der Ewigen Anemone hausen ganz und gar keine tugendhaften Schwestern. Vielmehr verbergen sich hinter der Äbtissin und ihren Mauern unheilvolle Mächte.“
„Das ist ein Gerücht!“, raunzte der Schmied.
„Oh nein, ich bin im Archeland weit herumgekommen und versichere Ihnen, dass umgekehrt der gute Ruf des Klosters ein Gerücht ist. Die Äbtissin weiß sich zu inszenieren.“
„Das müsst gerade Ihr sagen“, erwiderte die Mutter. Wenngleich es widersinnig erschien, verriet...
Erscheint lt. Verlag | 18.3.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Abenteuerroman • bücher jugendliche • Dämoninnen • dark fantasy deutsch • Dunkelelfen • ebook gratis • ebooks kostenlos download • Fantasy ebooks • Fantasy Erwachsene • Fantasy Liebesroman • fantasy romane gratis • Nekromantin • R. A. Salvatore • Tolkien • Zwerge Roman |
ISBN-10 | 3-7554-3625-6 / 3755436256 |
ISBN-13 | 978-3-7554-3625-6 / 9783755436256 |
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