Der Ruf der Elderbäume (eBook)
355 Seiten
tolino media (Verlag)
978-3-7579-1293-2 (ISBN)
Tobias Melder wurde 1986 in Memmingen geboren und lebt seit seinem ersten Lebensjahr im Ostallgäu. Nach dem Abitur, einem abgebrochenen BWL Studium und einer damit einhergehenden Depression, begann er sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Seitdem hat sich sein Leben grundlegend gewandelt. Er ist heute ausgebildeter Heilerziehungspfleger und betreut Menschen mit Behinderung auf ihrem Lebensweg. Seit Mai 2019 ist er auf Poetry Slam Bühnen im deutschsprachigen Raum unterwegs.
Tobias Melder wurde 1986 in Memmingen geboren und lebt seit seinem ersten Lebensjahr im Ostallgäu. Nach dem Abitur, einem abgebrochenen BWL Studium und einer damit einhergehenden Depression, begann er sich mit sich selbst auseinander zu setzen. Seitdem hat sich sein Leben grundlegend gewandelt. Er ist heute ausgebildeter Heilerziehungspfleger und betreut Menschen mit Behinderung auf ihrem Lebensweg. Seit Mai 2019 ist er auf Poetry Slam Bühnen im deutschsprachigen Raum unterwegs.
Prolog
Sarah hatte in ihrem Leben noch nie zuvor etwas so Gewaltiges gesehen wie den alten Wächter. Ein Baum, dessen Wurzeln allein so gigantisch waren, dass sie einen Tunnel formen konnten, der groß genug war, dass zwei Fuhrwerke ohne Probleme aneinander vorbeikamen.
Der Tunnel markierte den Eingang zum Wolfswald und war der einzige passierbare Weg für alle, die weiter nach Norden wollten. So auch für Sarah und ihre Familie.
Fasziniert von den unzähligen Facetten, welche die Dunkelheit hier annahm, beobachtete sie die unheimlichen Schatten, welche das Wurzelwerk im unsteten Schein der Laternen warf. Je länger sie die sich immerwährend verändernden Schattengestalten betrachtete, desto mehr hatte sie das Gefühl, als wären sie lebendig. Es war ihr, als würden sie Sarah und ihre Familie misstrauisch beäugen und nur auf den passenden Moment warten, um sich auf sie zu stürzen.
Das Schnauben ihrer Stute riss ihren Blick von den Wänden. Ihr Pferd wurde unruhig, und es kostete sie einiges an Mühe, es wieder zu beruhigen. Die anderen hatten angehalten, weshalb Sarah ihr Reittier ebenfalls zum Stehen brachte. Unsicher sah sie sich um. Ihr Vater war ein Stück vorausgeritten und spornte sein Pferd an, langsam weiter vorwärts zu traben. Nur widerwillig gehorchte es ihm.
Neben Sarah saß ihre Mutter Ethel im Sattel auf ihrer rostbraunen Stute. Sie versuchte ihre Tochter mit einem aufgesetzten Lächeln zu beruhigen, allerdings erkannte Sarah die Angst hinter ihrer Fassade.
Den Übrigen erging es nicht anders. Die Pferde ihres Onkels und ihrer Tante tänzelten unruhig auf der Stelle, fast so, als würde sich die Anspannung ihrer Reiter auf sie übertragen. Ihr kleiner Bruder Egon wimmerte leise auf dem Kutschbock, während ihr Großvater ihn in den Arm nahm und versuchte, ihn sanft zu beruhigen.
Auf dem knarzenden Karren befand sich alles, was sie noch besaßen. Ein paar Kisten Kartoffeln, einige Sack Getreide eine Kiste mit einfachem Geschirr sowie ihre verschlissenen Werkzeuge. In einem Käfig pickten drei Hühner auf dem Holzboden nach den wenigen Körnern, die sie noch erübrigen konnten. Das war alles gewesen, was sie hatten retten können. Alles andere war ihnen in jener Nacht genommen worden. Ein Schauder überkam Sarah, als sie sich daran erinnerte, was vor einer Woche geschehen war.
Es war mitten in der Nacht gewesen, als ein lautes Krachen Sarah geweckt hatte. Sie eilte aus ihrem Zimmer und wollte vom Treppengeländer nach unten sehen, was passiert war, aber ihre Mutter schickte sie wieder zurück. »Nimm deinen kleinen Bruder, geh in dein Zimmer und schließ deine Tür ab!«, rief sie ihrer Tochter verängstigt entgegen, während sie die Treppenstufen hinuntereilte. Sarah nahm pflichtbewusst ihren kleinen Bruder bei der Hand und zog ihn mit sich in ihr Zimmer. Hinter der Tür blieb sie stehen und lauschte.
»Was wollt ihr hier?«, hörte sie ihren älteren Bruder rufen.
»Nach was sieht es wohl aus?«, antwortete eine dunkle Stimme.
»Wir haben nicht viel, aber wir können gerne mit euch teilen«, hörte Sarah ihre Mutter flehentlich sagen.
»Wir sind nicht gekommen, um zu teilen«, erwiderte die dunkle Stimme erbarmungslos.
»Bitte, es muss nicht so enden!« Die zitternde Stimme ihrer Mutter ließ Sarah innerlich erbeben.
»Verlasst sofort unser Haus!«, schrie Olaf, ihr anderer Bruder, ihnen mutig entgegen.
»Oh, das werden wir«, entgegnete der Fremde. »Aber nicht, bevor wir uns das geholt haben, wofür wir gekommen sind.« Ein kehliges Lachen drang zu Sarah herauf, dann hörte sie den Lärm eines kurzen Kampfes.
»Nein!« Der verzweifelte Schrei ihrer Mutter hallte durch das Haus. Sarah vernahm einen dumpfen Schlag, dann war es plötzlich unheimlich still.
»Durchsucht das Haus und nehmt alles mit, was ihr finden könnt.« Die befehlsgewohnte Stimme des Mannes durchbrach die Stille.
Schritte ertönten und verteilten sich überall im Haus. Einige der Eindringlinge eilten die Stufen hinauf. Sarah überkam Panik. Sie sah sich in ihrem Zimmer um, schnappte sich ihren kleinen Bruder und wies ihn an, sich in der Kiste hinter dem Bett zu verstecken.
»Warum denn?«, fragte er verängstigt.
»Tu einfach, was ich sage!«, zischte sie ihn an, während sie ihn vor sich herschob. »Und egal, was du hörst, du gibst keinen Ton von dir!« Jemand rüttelte an ihrer Tür. »Hast du mich verstanden?«
»Ja«, schluchzte ihr Bruder, als Sarah den Deckel über ihm schloss. Etwas schlug mit furchtbarer Gewalt gegen die Tür und riss sie aus den Angeln. Zwei breitschultrige Männer in abgetragenen Uniformen starrten sie lüstern an.
»Was für eine angenehme Überraschung«, säuselte einer von ihnen Sarah zu, während er auf sie zuging. Sie wich zurück und drängte sich in die hinterste Ecke ihres Zimmers.
»Keine Angst, Kleine, wir werden uns gut um dich kümmern«, war das Letzte, das er zu ihr sagte, als er sie packte und auf das Bett schleuderte.
Alles, was danach geschehen war, war für Sarah wie in eine dunkle Wolke gehüllt. Weit weg und nicht mehr greifbar. Ab und an kamen ein paar der Bilder zum Vorschein, nur um gleich wieder hinter den dichten Wolken zu verschwinden. Bilder von Männern, die sich über sie beugten, sie auszogen, sie berührten. Anfangs hoffte sie noch, dass jemand kommen und sie retten würde, dann hoffte sie nur noch, dass es bald aufhörte, dann, dass ihre Peiniger ihrem Leid einfach ein Ende setzen und sie töten würden. Zum Schluss fühlte sie gar nichts mehr. Irgendwann war es ihr egal, wie oft die Männer sich noch an ihr vergingen. Sie war innerlich bereits gestorben, als die Männer schlussendlich die Lust an ihr verloren hatten und sie in der Ecke kauernd zurückließen.
Sarah wusste nicht mehr, wie sie aus dem brennenden Haus entkommen war. Unbewusst fuhren ihre Finger über die sichelförmige Narbe auf ihrer linken Wange. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie sie sich diese zugezogen hatte. Dennoch blieb ihr die Narbe als eine immerwährende Erinnerung.
Alles, was sich ihre Familie aufgebaut hatte, verglühte in dieser einen Nacht, zusammen mit ihren älteren Brüdern und ihren Cousins, zu Asche. In Sarah blieb nichts weiter zurück als Finsternis, in die seitdem kein Licht mehr vordringen konnte.
Nun waren sie auf dem Weg zu entfernten Verwandten im Norden, in der Hoffnung, dort ein neues Leben aufbauen zu können. Diese besaßen eine große Metbrennerei, und ihre Eltern hofften, dass sie ihnen beim Neuanfang behilflich sein würden. Der Weg dorthin war jedoch gefährlich. Der Krieg hatte viele Menschen dazu gebracht, ein Leben als Gesetzlose zu führen, und die Straßen waren nicht mehr sicher. Wegelagerer plünderten überall im Land Reisende und fahrende Händler aus. Sie waren auf ihrem Weg an vielen herrenlosen Wagen oder geplünderten Rastplätzen all derer vorbeigekommen, die ihnen zum Opfer gefallen waren. Bislang hatten sie Glück gehabt und waren verschont geblieben, dennoch wuchs ihre Anspannung von Tag zu Tag.
Sarah blickte wieder zu ihrem Vater, der reglos an einer Biegung verharrte und ins Dunkel starrte. Langsam drehte er seinen Kopf zu ihnen. Sie sah in seinen Augen, dass auch von ihm eine tiefe Dunkelheit Besitz ergriffen hatte. Er hatte sich nie verziehen, an diesem Abend in der Stadt übernachtet zu haben.
»Alles gut, wir können …«, hörte sie ihn noch sagen, als er plötzlich mitten im Satz abbrach. Ein Bolzen hatte sich durch seine Kehle gebohrt, und ein grausames Röcheln hallte durch die Tunnelwände. Ungläubig versuchte ihr Vater noch, seine Hände auf die Wunde zu pressen, ehe er wie ein nasser Sack von seinem Pferd herunterglitt und dumpf auf dem Boden aufschlug. Die Lampe, die er gehalten hatte, zerbrach und das restliche Öl fing Feuer. Schon bald griffen die Flammen auf seinen Körper über. Sarah starrte in das lodernde Inferno. Erinnerungen an die Nacht der Vergewaltigung schwappten ein weiteres Mal in ihr hoch.
Sie hörte ihre Mutter schreien und ihren kleinen Bruder laut weinen. Doch sie selbst fühlte nichts. Es war ihr Vater, der gerade vor ihren Augen zu Asche verbrannte, und doch spürte sie dabei nichts. Sie fragte sich nur, ob das Feuer vielleicht imstande wäre, die Kälte in ihr zu vertreiben.
Mit martialischem Gebrüll näherten sich ihnen Wegelagerer. Sie kamen nicht nur von vorne auf Sarah und ihre Familie zugestürmt, sondern auch von hinten. Sie mussten ihnen gefolgt sein, nachdem sie den Tunnel betreten hatten. Sie waren in eine Falle getappt. Sarah zog das Messer aus ihrer Satteltasche, welches sie dort heimlich versteckt hatte. Nicht, um sich gegen die Angreifer zu wehren, sondern um ihrem Leben notfalls ein Ende zu bereiten. Sie setzte das Messer an ihre Pulsader und betrachtete den glänzenden Stahl der Klinge. Die matten und gebrochenen, dunkelgrünen Augen, die sich dort spiegelten, erkannte Sarah nicht mehr wider. Trotzig sah sie, wie das Messer die oberste Hautschicht anritzte und einige Tropfen Blut aus der Wunde rannen. Sie würde es diesen Männern nicht erlauben, ihr ein weiteres Mal solch grausame Dinge anzutun wie in jener Nacht.
Plötzlich ertönte ein fürchterliches Getöse, als das gesamte Wurzelwerk um sie herum zu beben begann. Ihr Pferd bäumte sich vor Schreck auf, sodass Sarah sich tief ins Fleisch schnitt, ehe ihr das Messer aus der Hand fiel. Warmes Blut begann aus der Wunde zu sickern. Verwirrt blickte Sarah zu den Angreifern, von denen einige nun nicht mehr auf sie zu rannten, sondern panisch schreiend versuchten, zu fliehen.
Die Wurzeln waren zum Leben erwacht und stürzten sich auf...
Erscheint lt. Verlag | 31.3.2023 |
---|---|
Reihe/Serie | Die Drei-Welten-Saga |
Illustrationen | Natalina Macri |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Elfen • episch • Fantasy • Fantasy düster • Fantasy Erwachsene • High Fantasy • Magie • Mittelalter • Zwerge |
ISBN-10 | 3-7579-1293-4 / 3757912934 |
ISBN-13 | 978-3-7579-1293-2 / 9783757912932 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 2,3 MB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich