Adrala - Die Nebelstadt (eBook)
120 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-6829-3 (ISBN)
Merkwürdigerweise führten sie die Männer an dem Tempel vorbei, den man ihnen als Hazgoors Tempel beschrieben hatte.
"Weilt Hazgoor nicht in seinem Tempel?", erkundigte sich Sebro, der seinen Bogen inzwischen wieder in seinem über den Rücken gegürteten Futteral verstaut hatte.
"Nein", war die kurze Antwort.
Es ging eine ganze Weile die Straße des Propheten entlang, bis sie an einen anderen, kleineren Tempel kamen.
Es war ein Kuppelbau mit einigen Türmen. Ein goldener Löwenkopf befand sich über dem Eingang und schaute jeden Neuankömmling grimmig an.
"Hier ist Hazgoor zu finden?", fragte Fdorrg verwundert, wobei er von seinem Pferd stieg.
"Ja", sagte der Anführer des Schlägertrupps.
Etwas zögernd stiegen auch die anderen ab und folgten dann dem Anführer durch das Tempeltor mit dem furchterregenden Löwenkopf. Zwei grinsende Wächter machten ihnen Platz und dann befanden sie sich im Tempel!
Es war ein seltsames, düsteres Gemäuer. In der Mitte stand ein schier riesenhafter Felsblock, der wahrscheinlich eine Art Altar darstellte.
Auf dem Boden krochen Ratten umher, die von einem dürren Priester gefüttert wurden.
Als er Rokan und seine Freunde bemerkte, sah er auf und lächelte triumphierend.
Aber außer dem dürren Priester, dem Anführer des Schlägertrupps, den Ratten und den vier Freunden befand sich niemand in dem Tempel.
"Wo ist Hazgoor?", fragte Rokan, wobei eine unheilvolle Ahnung in ihm aufstieg.
"Hazgoor ist nicht hier", stellte der dürre Priester fest. Mit seiner Rechten holte er kleine Nahrungsstücke aus einem Krug, den er in der anderen Hand hielt und warf sie den Ratten zum Fraß vor.
Diese balgten sich wild um die kleinen Stücke.
"Was?", rief Sebro entsetzt aus, wobei er verstohlen seinen Bogen hervorkramte und einen Pfeil bereithielt. Der Anführer der Schlägertruppe kicherte und warf Fdorrg einen belustigten Blick zu, der den Mann von der Gletscherinsel instinktiv zum Schwert greifen ließ.
"Ihr seid im Rattentempel des Jian", verkündete der dürre Priester nun, wobei er weiter seine Schützlinge fütterte.
"Und ich bin Dysor, der oberste Priester des Jian!"
Rokan wandte sich an den Anführer des Schlägertrupps.
"Ihr hattet versprochen, uns zu Hazgoor zu bringen!", schimpfte er, aber sein Gegenüber zuckte nur mit den Schultern.
"Jetzt seid Ihr hier, werter Herr!", bemerkte er.
Dysor, der Priester, hörte jetzt auf, die Ratten zu füttern.Er stellte den Krug mit der scheinbar so schmackhaften Nahrung auf den Steinblock in der Mitte des Tempels.
Da verwandelten sich die Ratten zu düsteren, schwertschwingenden Kriegern.
Rokan zog sofort sein Schwert, um einem eventuellen Angriff widerstehen zu können.
"Jeder Widerstand ist zwecklos", hörte er Dysors Stimme sagen. Ohnmächtig musste Rokan dem Priester rechtgeben.
Es war aussichtslos gegen die ganze Horde von Rattenkriegern ankommen zu wollen.
"Was wollt Ihr von uns?", rief Fdorrg nun.
In diesem Moment entwand sich die zweiköpfige Echse aus Temburs Armen. Schon wenige Augenblicke später fraßen sich ihre spitzen Zähne in die Kehle eines der Krieger, der tot zu Boden stürzte. Die Zweiköpfige saß auf der Brust des Toten und fauchte.
Ihre kalten Facettenaugen funkelten.
Niemand zweifelte daran, dass sie sich in Kürze in dem Hals eines anderen festbeißen würde.Das Blut tropfte noch von den Zähnen des einen ihrer beiden Münder. Einer der Krieger schwang sein Schwert und ließ es singend auf die kleine Echse herniedersausen. Doch diese machte sich nicht einmal die Mühe auszuweichen. Ruhig und gelassen blieb sie auf der Brust des Toten und wartete auf den Schlag - der wirkungslos abprallte.
Ein erstauntes Knurren war die Antwort des Kriegers darauf.
"Welcher Dämon wagt es hier, in den Rattentempel das Jian einzudringen?", rief Dysors gewaltige Stimme aus.
Rokan und die anderen wurden gepackt, entwaffnet und gefesselt. Aber die Echse sollten sie nicht bekommen!
Sie huschte zwischen den Beinen der Krieger hindurch und riss so manchem in den Tod.
Keine Waffe schien es gegen dieses Untier zu geben und überall verbreitete es Panik und Entsetzen, Grauen und Tod.
Fauchend sprang sie umher und sprang jedem, der ihr zu nahe kam an die Kehle.
Dysor hielt es schließlich für geboten, Jian, seinen Gott, anzurufen.
Er stellte sich auf den Altar und rief mit erhobenen Händen: "Jian! Jian, dein Priester ruft dich!"
Er wiederholte diesen Satz mehrmals und dann rief er einen Satz in einer so fremdartigen Sprache, dass selbst ein Weitgereister wie Rokan aus Cadd ihren Klang noch nie zuvor gehört hatte. Vielleicht ein längst vergessenes Idiom, das vor Äonen gesprochen worden war.
Der Priester stand mit geschlossenen Augen da und Rokan beobachtete ihn intensiv.
Und da erschien Jian, einer der tausend Götter, die in Padralan verehrt wurden.
Zuerst war es nur ein schwaches Flimmern, einige Meter über dem Steinaltar des Rattentempels.
Aber dann wurde diese Erscheinung immer heller und strahlte jetzt in einem leuchtenden Weiß!
"Hier ist Jian! Jian, euer Gott, zu dem ihr betet, dem ihr eure Opfer bringt, der euch hilft! Jian, dem ihr euer Leben verpflichtet habt, dem ihr immer dienen werdet! Hier ist Jian. Er ist hier, weil Dysor ihn rief."
Dysor stand noch immer mit geschlossenen Augen auf dem Altar und hielt seine Arme zu der Lichterscheinung hin erhoben, die Jian war.
Niemand in dem Tempel sagte jetzt ein Wort, selbst die zweiköpfige Echse war stehengeblieben und schaute wie gebannt auf die Erscheinung über dem Altar.
"Worum bittest du mich, Dysor?", donnerte dann die Stimme des Gottes.
"Vernichte diese Dämonenechse, die es gewagt hat, deinen Tempel zu beleidigen!"
Diese Worte rief der Priester ohne etwas an seiner Stellung zu verändern. Nur seine Lippen hatten sich bewegt.
"So sei es!", rief der Rattengott mit schrecklicher Endgültigkeit. Und Tembur schloss die Augen, als sich das Lichtwesen über seine Echse senkte. Es hatte inzwischen die Farbe gewechselt: von einem strahlenden Weiß zu einem dunklen, eigenartig schimmernden Blau.
Die Zweiköpfige versuchte zu entkommen - offenbar spürte sie, dass sie ihrem jetzigen Gegner nicht gewachsen war. Sie fauchte wütend und versuchte sich zu verstecken.
Aber weder ihr Fauchen, noch das Funkeln ihrer Augen vermochte, den schrecklichen Gott zu beeinflussen oder gar zu erschrecken. Schließlich erreichte er sie und blaues Licht senkte sich über sie herab. Ein letztes Fauchen war zu hören, das Tembur wie ein Messer in die Seele fuhr.
Als das blaue Licht sich dann erhob, war die Echse nirgends mehr zu sehen. Jian hatte sie verschlungen!
Und dann verschwand der Gott des Rattentempels ebenso schnell, wie er erschienen war.
"Vielleicht werdet Ihr es nur schwer verstehen können, Freund Sebro, aber ich habe dieses Tier gemocht. Trotz der vielen Menschen und Monstren, deren Blut an seinen Zähnen klebte!", stieß Tembur hervor und Sebro schwieg.
Rokan und seine Gefährten wurden von den Dienern Jians in einen düsteren Keller gesperrt. Auf die oft wiederholte Frage, was man eigentlich mit ihnen zu tun gedenke, wurde ihnen keine Antwort gegeben.
"Vielleicht will man uns auf dem Steinaltar Jians opfern", vermutete Tembur düster, aber die anderen erwiderten nichts. Sebro fragte sich, ob Dysor und die Rattenkrieger wohl ahnten, dass er Zauberkräfte besaß! Aber besonders viel konnte er auch durch Magie nicht erreichen.
Seine Kräfte waren schwach und seine Kenntnisse über die Zauberei mangelhaft.
Wohl konnte er eine Platte mit Fleisch oder Fisch oder auch mit Früchten herhexen - aber zu sehr viel mehr reichte es auch nicht. Da saßen sie nun auf dem kalten Steinfußboden ihres Gefängnisses. Zwar hatte man ihnen die Fesseln abgenommen, so dass sie mit ihren Armen und Beinen tun und lassen konnten, was sie wollten, aber das half ihnen angesichts der dicken und massiven Mauern, die sie umgaben, auch nichts.
"Ich hoffe nicht, dass unsere Suche nach Cimbora bereits hier zu Ende ist", sagte Rokan sorgenvoll, wobei er mit den Händen die Mauern begutachtete. Nein, diese Steinwände würden sie nicht zu überwinden vermögen! Niemand konnte das - außer vielleicht ein so großer Magier, wie Hulkin einer gewesen war. Und natürlich gottgleiche Wesen wie Jian!
Nur durch die Ritzen der Holztür drang ein wenig Licht in die Finsternis des Verlieses. Die Freunde konnten sich gegenseitig nur als Schatten wahrnehmen.
Wo die Echse jetzt wohl sein mochte?
Immer wieder kehrten Temburs Gedanken zu seiner geschuppten Freundin zurück, die ihm schließlich in der Vergangenheit mehrmals das Leben gerettet hatte.
Aber ein Gott war ein zu mächtiger Gegner, als dass sie etwas hätte gegen ihn ausrichten können.
Ja, auch Tembur wusste, dass die Zweiköpfige einige Menschen getötet hatte, deren Tod nicht unbedingt notwendig gewesen war, aber dennoch hatte er dieses kleine Monstrum geliebt!
Vielleicht mehr als jedes andere Wesen auf der Welt!
Möglicherweise war diese Echse des...
Erscheint lt. Verlag | 2.12.2022 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
ISBN-10 | 3-7389-6829-6 / 3738968296 |
ISBN-13 | 978-3-7389-6829-3 / 9783738968293 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 318 KB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich