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Alfred Bekker
© Roman by Author
© dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Alles rund um Belletristik!
Kommissar Jörgensen und die Wasserleiche
von Alfred Bekker
1
»Hast du schon mal überlegt, wie das ist, wenn man alt ist?«, fragte mich mein Kollege Roy Müller, als wir in der kurzen Mittagspause bei einem Chinesen einkehrten. Das beste chinesische Lokal von Hamburg HafenCity, so hieß es. Auf jeden Fall war das Essen scharf. Und im Augenblick war das genau das, worauf ich Hunger hatte.
Mein Name ist übrigens Uwe Jörgensen. Ich bin Kriminalhauptkommissar bei der sogenannten Kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppe des Bundes. Wir kümmern uns um alles, was mit organisierter Kriminalität, Terrorismus oder Serientätern zu tun hat. Unsere Abteilung ist hier in Hamburg angesiedelt.
Ich sah meinen Kollegen Roy Müller stirnrunzelnd an.
»Was ist los?«, fragte er.
»Was soll los sein?«
»Schmeckt es nicht?«
»Wieso?«
»Du guckst so.«
»Nein, es schmeckt gut.«
»Zu scharf?«
»Nein, es ist nicht zu scharf.«
»Und warum guckst du dann so, Uwe?«
»Wegen dem, was du gefragt hast? Das mit dem Alt sein? Wie kommst du jetzt darauf?«
»Einfach nur so. Meine Großtante, die ist jetzt ins Altenheim gekommen. Sie vergisst andauernd, was sie gerade noch tun wollte. Manchmal vergisst sie auch, wer ich bin, wenn ich sie besuche. Das ist doch furchtbar. Eine Persönlichkeit löst sich quasi auf und am Ende ist da oben im Kopf niemand mehr zu Hause.«
»Das ist der Lauf der Dinge, Roy.«
»Ja, aber: Muss man der Natur immer freien Lauf lassen?«
»Was willst du denn damit sagen? Willst du deine Großtante vielleicht erschießen?«
»Nein, natürlich nicht. Sie macht im Übrigen ja auch einen ganz zufriedenen Eindruck. Trotz ihres Zustandes.«
»Na, also. Darum geht es doch.«
»Worum?«
»Ob jemand zufrieden ist. Und wenn deine Tante mit ihrem Leben zufrieden ist, dann ist das doch in Ordnung so.«
»Ich will auf etwas anderes hinaus, Uwe.«
»Worauf?«
»Wäre ich damit zufrieden? Würde ich wollen, dass es soweit mit mir kommt?«
»Wie willst du das verhindern? Ich meine, du kannst dir Mühe geben, dass du einigermaßen fit bleibst. Aber vor so etwas wie Demenz kannst du dich letztlich nicht schützen. Wenn dich das trifft, hast du eben Pech gehabt.«
»Ja, aber ich glaube, ich würde es nicht so weit kommen lassen, sondern vorher selbst der Sache ein Ende setzen.«
»Es gibt da ein Problem, Roy.«
Roy Müller hob die Augenbrauen.
»Und welches? Schießen kann ich. Und das wäre auch eine kurze Distanz. Naja, vielleicht nehme ich doch lieber Gift. Ich weiß nicht.«
»Das Problem ist, dass du dich vielleicht gar nicht mehr erinnerst, wen du eigentlich erschießen wolltest, wenn es bei dir soweit ist«, hielt ich ihm entgegen. »Hast du darüber schonmal nachgedacht?«
Roy wirkte nachdenklich.
Er schüttelte schließlich energisch den Kopf.
»Nein, dafür habe ich ehrlich gesagt auch keine Lösung«, gab er zu. »Außer, dass man nicht zu lange warten sollte, wenn man so etwas vorhat.«
»Einstweilen sind wir ja noch nicht in dem Alter, dass wir uns darüber Gedanken machen müssten«, sagte ich. »Einstweilen müssen wir noch ein paar Kriminalfälle lösen.«
»Man kann nie früh genug anfangen, sich über das Gedanken zu machen, was in Zukunft geschehen wird.«
Ich zuckte mit den Schultern.
»Das Essen ist jedenfalls gut hier.«
In diesem Augenblick klingelte bei Roy Müller das Handy.
Er nahm das Gespräch entgegen. Zweimal sagte er kurz hintereinander die Worte: »In Ordnung.«
Ich wusste schon am Tonfall, mit wem er sprach.
Es musste sich um Kriminaldirektor Bock handeln, unseren direkten Vorgesetzten.
Roy beendete das Gespräch. »Wir sollten etwas schneller aufessen, Uwe.«
»Lass mich raten: Unser Typ wird verlangt?«
»Genauso ist es.«
Ich seufzte. »Wäre auch zu schön gewesen, ungestört essen zu können!«, meinte ich.
Aber unsere Arbeit war wichtig.
Und weil sie so ungeheuer wichtig war, ging sie eben auch immer vor.
Wirklich immer.
*
Sein Name war Herbert.
Er war uralt. So alt, dass er die 1930er Jahre noch bewusst erlebt hatte.
Mit zunehmendem Alter war er redseliger geworden. Und so redete er auch über Dinge, über die er einmal geschworen hatte, zu schweigen.
Aber so ist das, wenn man uralt wird.
Manche Dinge vergisst man.
Und an manche Dinge erinnert man sich umso lebhafter.
Herbert hatte vergessen, dass er schweigen sollte.
Umso lebhafter erinnerte er sich daran, worüber er eigentlich hätte schweigen sollen.
Er erzählte jetzt andauernd von dem, worüber er nicht hätte reden dürfen.
Das Tragische war, dass es ihm jetzt, nach all den vielen Jahren, sowieso niemand mehr glaubte.
Man hielt ihn für einen Spinner. Einen alten Mann, der wunderliche Geschichten erzählte.
Bei Herbert war es immer dieselbe Geschichte.
Die Geschichte von dem Schatz im See - und von den Männern mit Maschinenpistolen.
»Herbert, erzähl nicht immer solche Sachen«, hieß es dann. »Du erschreckst die Kinder damit.«
»Aber es ist doch wahr!«
»Ja, sicher!«
»Ich habe gesehen, wie sie den Schatz zum Wasser trugen. Es waren so viele Kisten …”
»Bitte nicht nochmal, Herbert!«
»Ich war noch ein kleiner Junge damals …”
»Hm …”
»Manchmal denke ich, es wäre erst gestern gewesen.«
Erinnerungen stiegen in ihm auf …
*
Viele Jahre in der Vergangenheit …
Der Junge verharrte im dunklen Schatten knorriger, verwachsener, gespenstisch wirkender Bäume, deren Wurzelwerk an dem sehr steilen Hang teilweise hervortrat. Er bog ein paar stachelige Sträucher zur Seite und blickte auf den glitzernden See. Männerstimmen drangen zu ihm herüber. Da waren ein paar Kerle, die Kisten trugen.
Plötzlich knackte dann hinter ihm etwas.
Der Junge schrak jetzt zusammen und drehte sich um.
Ein Mann stand dort.
Breitbeinig.
Schmallippig.
Sein Hut war tief ins Gesicht gezogen, so dass sein Gesicht zum größten Teil im Schatten lag. In den Händen hielt er eine Maschinenpistole.
Es war eine Maschinenpistole mit rundem Magazin. Der Lauf zeigte jetzt in Richtung des kleinen Jungen.
»Rühr dich nicht, Kleiner!«
Der Junge wollte etwas sagen, aber er konnte nicht. Er war wie erstarrt. Nicht einmal atmen konnte er. Der Puls schlug ihm bis zum Hals.
»Was machst du hier, Junge?«
»Nichts.«
»Verarsch mich nicht!«
»Ich …”
»Was?«
Der Junge schluckte. Seine Augen traten hervor. Sein Gesicht hatte den letzten Rest an Farbe verloren und wirkte totenblass.
Der Mann mit der Maschinenpistole kam auf ihn zu, musterte ihn eingehend.
»Du wirst nichts darüber erzählen, was du hier gesehen hast, klar?«
»Ja, klar.«
»Niemals!«
»Nein, niemals!«
»Kapiert?«
»Ja …”
»Andernfalls müsste ich dich erschießen. Hast du das verstanden?«
Der Junge nickte und presste die Lippen aufeinander, damit sie nicht zitterten.
»Ich werde niemandem etwas sagen!«, versprach er.
»Okay …”
»Wirklich!«
Der Junge zitterte.
Der Mann hob den Lauf der Maschinenpistole ein Stück.
»Wenn du es doch tun solltest, werde ich davon erfahren und dich finden. Hast du verstanden?«
»Ja«, flüsterte der Junge.
Der Mann hob die Maschinenpistole, lud sie einmal mit...