SUPERMOM (eBook)
Buchschmiede von Dataform Media GmbH (Verlag)
978-3-99139-978-0 (ISBN)
Yvonne Otzelberger, geboren 1984 in Wien, ist Mutter von zwei Kindern. Nach der schwerwiegenden Diagnose ihres Sohnes hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, andere betroffene Familien zu unterstützen und deshalb den Angelman Verein Österreich gegründet. Über die Jahre hinweg hat sie festgestellt, dass das Schreiben nicht nur ihre Seele befreit, sondern auch eine Möglichkeit bietet, wichtige Aufklärungsarbeit zu leisten. Mit ihren ehrlichen Schilderungen aus ihrem Leben ist sie mittlerweile zu einer beliebten Bloggerin in den sozialen Medien geworden. Aktuell absolviert sie eine Weiterbildung zur Autorin.
„Keine Begegnung in unserem Leben ist ein Zufall.“
Ich stehe an der Supermarkt-Kasse und kratze mein letztes Kleingeld zusammen. Ich verfluche die vielen kleinen Münzen in meiner Geldbörse, weshalb ich jede Gelegenheit nutze, sie schnellstmöglich wieder loszuwerden. Ich gebe zu, ein Samstagnachmittag ist definitiv nicht der bestgewählte Zeitpunkt, um in einem der größten Einkaufszentren die restlichen Besorgungen für den anstehenden Sommerurlaub zu erledigen.
Noch dazu, wenn man schwanger ist, eine heranwachsende Kugel vor sich herschleppen muss, jede Sauerstoffunterversorgung beinahe zum Kreislaufkollaps führt, und man ständig nur damit beschäftigt ist, sich innerlich zu beruhigen. ‚Tief einatmen und ausatmen, alles ist gut. Gleich habe ich es geschafft‘, rede ich unentwegt in Gedanken auf mich selbst ein.
Als ich das Einkaufszentrum verlasse, klopfe ich mir gedanklich auf die Schulter, dass ich diesmal nicht – wie schon einmal zuvor in einem Fast Food Restaurant – ohne jegliche Vorwarnung vom Stuhl gekippt bin und mich meine Schwester gerade noch rechtzeitig aufgefangen hat.
Ich sehne schon meine gemütliche Couch herbei und kann es kaum erwarten, zu Hause endlich wieder meine Füße hochlegen und mich ein wenig ausruhen zu können.
Je länger ich über die Situation nachdenke, umso mehr wird mir bewusst, dass ich an der Misere selbst schuld bin.
Warum muss ich auch immer alles bis zur letzten Sekunde vor mir herschieben?
Ein Shoppingnachmittag dieser Art zählt bekanntlich zu den Lieblingsbeschäftigungen vieler Frauen, und unter normalen Umständen zähle ich mich da definitiv dazu.
Doch seitdem ich unser zweites Kind unter meinem Herzen trage, ist grundsätzlich alles anders.
Schwangerschaftshormone können einem das Leben ganz schön schwer machen. Man erkennt sich selbst nicht wieder, weil man grundlos von einem auf den anderen Moment zur Hyäne wird, Heißhunger auf die absurdesten Dinge bekommt oder dem Partner stundenlang unter Tränen vorjammert, wie fett man geworden ist.
Schon einmal habe ich diese neun Monate durchlebt, wobei ich während meiner ersten Schwangerschaft versucht habe, jedes Wehwehchen beiseitezuschieben und die Zeit in vollen Zügen zu genießen. Es ist und bleibt schließlich das größte Wunder der Natur. Wahrscheinlich war das auch zu einem kleinen Teil meinem jungen Alter geschuldet.
Mit 20 Jahren Mutter zu werden, birgt durchaus seine Vorteile. Je jünger man ist, desto weniger verschwendet man einen Gedanken daran, dass irgendetwas schiefgehen könnte.
Bereits drei Jahre bereichert unsere zarte und absolut unkomplizierte Tochter Valentina schon unser Leben.
Wenn alle Kinder so pflegeleicht wie sie wären, würde ich noch eine ganze Fußballmannschaft in die Welt setzen, aber mein Ehemann Jürgen und ich beschränken unsere Wunschzahl an Kindern dann doch lieber auf zwei.
Ich muss es nicht unbedingt meinen wunderbaren Eltern nachmachen, obwohl mit meinen acht Geschwistern definitiv eine etwas andere und vor allem aufregende Kindheit vorprogrammiert gewesen ist, und ich diese intensive und mehr als besondere Zeit niemals missen möchte. Denn sie hat mich schließlich zu der Person gemacht, die ich heute bin.
Kein Wunder, dass Valentina sich nicht daran satthören kann, wenn ich ihr wieder einmal ein paar abenteuerliche Geschichten aus meiner Kindheit erzähle.
Wir zählten früher als Familie sicherlich nicht zur Sorte „Vorzeige-Familie“.
Ganz im Gegenteil.
Die erste Reaktion von Menschen, nachdem sie erfahren hatten, dass meine Eltern eine ganze Kinderschar großzogen, war immer dieselbe. Wir wurden als asozial betitelt, und hinter unserem Rücken wurde getuschelt, was das Zeug hielt.
Zum Glück gab es aber auch ein paar wenige, die sich wirklich für uns interessierten und dabei rasch erkannten, wie aufopferungsvoll sich meine Eltern um uns sorgten. Diese Menschen zollten meinen Eltern ihren größten Respekt, weil sie nur annähernd erahnen konnten, wie herausfordernd und kräftezehrend sich der Alltag mit neun Kindern gestalten musste.
Erst recht, wenn man – so wie meine Eltern – darauf bedacht ist, jedem einzelnen Kind eine gute Schulausbildung und zeitgleich ein sehr zeitintensives Hobby zu ermöglichen.
Ich weiß nicht, wie viele Väter mit ihren pubertierenden Töchtern Dutzende von Konzerten besuchen und zum krönenden Abschluss sogar eine zehnstündige Autofahrt bis nach Norddeutschland in Kauf nehmen würden, um eventuell auf ihre Lieblingsband zu treffen.
Es sei dabei erwähnt, dass wir nicht einmal Tickets für das ausverkaufte Konzert besessen und uns deshalb bei tiefster Dunkelheit kilometerweit durch den angrenzenden Wald geschlichen haben – in der Hoffnung, dass wir so vielleicht ein paar Blicke auf unsere Stars erhaschen könnten.
Genau diese Erlebnisse sind es, die meine Kindheit unvergessen machen. Dafür werde ich meinen Eltern auf ewig dankbar sein.
Ganz nebenbei genossen wir auch noch eine hervorragende Erziehung. Nicht selten war unser Gegenüber aufgrund unserer einwandfreien Manieren erstaunt. Auch hierfür ein großes Dankeschön an Mama und Papa.
Heute, viele Jahre später, grenzt es an ein Wunder, wenn wir es schaffen, alle Geschwister plus Kinder an einem Tisch zu versammeln, weil unsere Familie über all die Jahre mit 19 Enkelkindern um ein Vielfaches gewachsen ist. Wenn es uns dann aber tatsächlich einmal gelingt, zählen diese einzigartigen Momente für mich zu den wertvollsten überhaupt.
Der Wunsch nach einem zweiten Kind wurde mit der Zeit auch bei Jürgen und mir immer lauter. Wir legten uns unser gemeinsames Leben perfekt zurecht.
Rückblickend gesehen, war dieser Zugang wohl sehr naiv, doch ich muss gestehen, dass ich damals keinen einzigen Gedanken daran verschwendete, dass das Leben manchmal ganz anders als gedacht verlaufen könnte. Deshalb traf uns die leidvolle Erfahrung ganz besonders hart, als uns die Hoffnung auf ein weiteres Kind gleich zweimal hintereinander nach kurzer Zeit wieder genommen wurde.
Ich wollte einfach nicht begreifen, warum ausgerechnet wir mit diesem Schicksalsschlag konfrontiert wurden, wo es doch dem Anschein nach eigentlich immer nur die anderen – aber niemals einen selbst – betrifft.
Irgendwann kamen wir an den Punkt, an dem wir unser bisheriges Glück nicht weiter strapazieren wollten. Schließlich konnten wir uns unheimlich glücklich schätzen, bereits eine gesunde Tochter geschenkt bekommen zu haben.
Wir waren uns bewusst, dass es viele gibt, denen solch ein Wunsch leider ein Leben lang verwehrt bleibt.
Schon damals zeichnete sich ab, dass in unserem Leben kaum etwas planbar war.
Denn gerade, als wir mit dem Wunsch, noch ein zweites Kind zu bekommen, abgeschlossen hatten, wurde ich erneut schwanger. Und das Baby entschied sich zu unserem Glück dazu, in meinem Bauch zu verweilen. Die ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft ging ich wahrlich durch die Hölle, weil mir die Angst, auch dieses Kind zu verlieren, ununterbrochen im Nacken saß.
Durch die schrecklichen Erinnerungen, die tief in meiner Seele verankert waren, wurde jeder Toilettengang zur reinsten Qual.
Deshalb war ich regelrecht dankbar dafür, dass ich in den ersten 20 Schwangerschaftswochen von einer massiven Übelkeit begleitet wurde, da ich diesen Zustand stets als gutes Zeichen deutete, und er mir ein gewisses Maß an Sicherheit verlieh. Schließlich bin ich seit jeher eine Meisterin darin, allem Negativen auch etwas Positives abzugewinnen.
Doch Schluss mit den sorgenvollen Gedanken der Vergangenheit: Voller Stolz darf ich verkünden, dass wir es geschafft haben, und ich mich nun bereits im 6. Schwangerschaftsmonat befinde. Gerade in dieser Zeit fühlen sich Gebärende pudelwohl, weil sich die Hormone endlich wieder halbwegs einpendeln und die unzähligen Wehwehchen verschwinden. Oder zumindest scheint es so.
Man befindet sich sozusagen in der Blüte der Schwangerschaft.
Ich nehme auch brav alle Vitaminpräparate, die mir empfohlen werden zu mir und lasse mehr als doppelt so viele der notwendigen Ultraschalluntersuchungen über mich ergehen, damit ich meinen Alltag weiterhin tiefenentspannt bewältigen kann.
Selbstverständlich verzichte ich zusätzlich auf alles, was meinem ungeborenen Kind nur in irgendeiner Weise schaden könnte. Außerdem bin ich unendlich dankbar, im Besitz einer privaten Krankenversicherung zu sein, und so den Frauenarzt meines Vertrauens zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichen zu können.
Ich erhalte mein Retourgeld und möchte gerade meine Einkäufe von der Ablage nehmen, als es mich wie ein Blitz trifft. Ich kann meinen Blick nicht mehr von einem kleinen Mädchen abwenden und beobachte es dabei, wie es etwas tollpatschig in seinem Wagen herumzappelt – mit einem so breiten Lächeln im Gesicht, dass die kleinen weißen Zähnchen zum Vorschein kommen.
Ihre rehbraunen, mandelförmigen Augen ziehen mich sofort...
Erscheint lt. Verlag | 20.2.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur |
ISBN-10 | 3-99139-978-4 / 3991399784 |
ISBN-13 | 978-3-99139-978-0 / 9783991399780 |
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