Ein Frachtraumschiff auf Reisen 3: Raumpiraten und Bürokraten (eBook)
160 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-7015-9 (ISBN)
1.
„Gute Güte! Wo, bei Allah, sind wir hier?“
Der Bildschirm der Außenbeobachtung zeigte nichts als eine namenlose Schwärze, woran auch Abdullahs an sämtlichen Knöpfen drehende Wurstfinger nichts ändern konnten.
„Eine Dunkelwolke! Wir sind inmitten einer Dunkelwolke gelandet!“, konstatierte er erschrocken.
„Unfug“, antwortete Tsarong, Abdullahs tibetischer Freund, Partner und Pilot in Personalunion. „Darf ich dich daran erinnern, dass die Kamera der Außenbeobachtung beim letzten Notstart wie üblich ihren Geist aufgegeben hat?“
„Richtig!“ Der beleibte Kapitän schlug in hilfloser Wut mit der geballten Faust auf das Kommandopult. „Hier funktioniert ja wirklich nichts mehr!“
„Warum verwendest du nicht gleich einen Vorschlaghammer?“, meldete sich der Bordcomputer giftig zu Wort. „Aber ich kann dich beruhigen: Zumindest ich funktioniere noch! Und nach meinen Ortungsergebnissen befinden wir uns tatsächlich inmitten einer Dunkelwolke! Gratulation! Wir haben Glück gehabt! Wie viel Glück, werdet ihr mit euren Spatzenhirnen, die bereits vor Gleichungen mit tausend Unbekannten zurückschrecken, wahrscheinlich niemals begreifen.“
Abdullah warf seinem Partner einen triumphierenden Blick zu. „Eine Dunkelwolke! Hab’ ich doch gleich gesagt! Das ist natürlich Unglück im Glück, denn nun müssen wir gewissermaßen in Schleichfahrt erst einmal die Wolke verlassen, bevor wir uns weiter orientieren können. Computer, wir …“
„Sorry, wenn ich euch schon wieder unterbreche, aber heute ist tatsächlich unser Glückstag – wenn ich mal davon absehe, dass uns der Sternkatalog auf unerklärliche Weise abhanden gekommen ist [1] . Wir haben Gesellschaft! In geringer Entfernung befinden sich fünf Raumschiffe, die offensichtlich zusammengehören, auch wenn sie alle verschiedene Formen haben. Soll ich versuchen, Kontakt aufzunehmen?“
„Ich weiß nicht …“, murmelte Abdullah, der sich auf seine Rolle als Kapitän des alten, aber immer noch einigermaßen raumtüchtigen Frachters INSCHALLAH besann. „Fünf sind ein bisschen viel. Ich meine, nur für den Fall, dass sie nicht ganz so friedliche Absichten haben wie wir. Es sind unsichere Zeiten, und wir wissen ja auch nicht, in welcher Gegend wir gelandet sind …“
Tsarong schüttelte den Kopf. „Man muss nicht immer das Schlimmste annehmen. Wir sollten auf jeden Fall Verbindung aufnehmen. Die Wahrscheinlichkeit spricht durchaus dafür, dass es sich um nette, hilfsbereite Menschen handelt, die uns vielleicht sogar Ersatz für den, äh, verlorengegangenen Sternkatalog beschaffen können.“
„Wahrscheinlichkeit hin oder her! Es könnten aber auch eklige quallenartige extraterrestrische Monstren mit einem Vivisektions-Tick sein! Ich habe da neulich einen alten Film gesehen, in dem grauenhafte Echsenabkömmlinge …“
„Neues von der Front, Käpt’n“, ließ sich der Bordcomputer, respektlos wie immer, vernehmen. „Deine ekligen quallenartigen extraterrestrischen Monstren mit dem Vivisektions-Tick kennen den GU [2] -weit normierten Hyperfunk-ID-Code! Soll ich das Bild reingeben?“
Schicksalsergeben zuckte Abdullah mit den Schultern. „Wenn du unbedingt willst, okay.“
Nun erhellte sich der Bildschirm. Sichtbar wurde ein mehr oder weniger menschliches Antlitz, bei dessen Anblick Abdullah, Tsarong und Nick, der Weltraumpfarrer – der Dritte in ihrem Bunde – den Atem anhielten: Wirres, schwarzes Haupthaar und ein ebensolcher Bart umrahmten einen zusammengekniffenen Mund, eine stark rötlich gefärbte Knollennase und ein einsames, suchendes Auge. Nur ein Auge deshalb, weil das andere, linke, hinter einer schwarzen Klappe verborgen war, die mittels eines Gummibandes, das um den Kopf des Mannes lief, an Position gehalten wurde. Über seine linke Wange zog sich eine hässlich aussehende, leuchtend rote Narbe.
„Schon wieder einer mit Augenklappe!“, entfuhr es Abdullah in unangenehmer Erinnerung an Gu Ru, den ebenfalls einäugigen Türsteher des Hauses der tausend Wonnen [3] . „Wenn das kein schlechtes Omen ist …“
Der Fremde räusperte sich. „Hier spricht Heribert Heldentod – Kommodore Heribert Heldentod von der MORDLUST, Flaggschiff der Viktualienbrüder! In eingeweihten Kreisen auch als Handgranaten-Herbert bekannt! Ihr habt zehn Sekunden Zeit, euch zu übergeben – eh, ich meine, die Flagge zu streichen, wenn ihr keine Lust habt, über die Planken zu gehen, beim Klabautermann! Na, wird’s bald?“
Ratlos blickte Abdullah seinen Partner an. „Bei Allah! Wovon spricht dieser Mensch?“
„Wenn es dir recht ist, werde ich die Verhandlungen übernehmen“, antwortete der Tibeter. Als der Kapitän nur stumm nickte, wandte er sich an den Kommodore: „Handelsschiff INSCHALLAH, Eigner Reïs Hadschi Abdullah Ibrahim ben Hadschi Muhammad Marib ibn Hadschi Selim Omar“, bei diesen Worten deutete er mit dem Daumen auf den rechts neben ihm stehenden Träger dieses Namens, „und Erster Offizier Tsarong. Der Dritte hier ist Nick, der per Anhalter durch den Weltraum reisende Weltraumpfarrer.“ Er nickte kurz. „Wenn ich Sie recht verstanden habe, sind Ihre An- und Absichten nicht friedlicher Natur, Mister Heldentod?“
„ Kommodore!“, brüllte sein virtuelles Gegenüber und lief rot an, so dass sich die Farbe des Gesichts zur Gänze dem Teint der Knollennase anpasste. „Für dich immer noch Kommodore Heldentod!“ Dann lachte er dröhnend. „Du drückst dich aber gewählt aus, beim Klabautermann! Nein, unsere An- und Absichten sind durchaus nicht friedlicher Natur! Wir, die Viktualienbrüder, sind ehrliche Raumpiraten, für die keine Beute zu klein oder zu groß ist!“ Er unterbrach sich und raunte einer Person, die neben ihm, jedoch außerhalb des Erfassungsbereiches der Optik, zu stehen schien, zu: „Der Papagei! Verdammt, muss ich denn immer alles selber machen?“ – „Kommt schon!“ Ein Zeigefinger schob sich ins Bild, auf dem ein in allen Farben schillerndes Flügeltier saß, das mit einem martialisch gebogenen Schnabel ausgestattet war. Das Tier wusste offenbar, was von ihm erwartet wurde, und stieg von dem Zeigefinger um auf die rechte Schulter des Kommodore. Dort gab es zunächst ein leises Krächzen von sich und kreischte dann laut und deutlich vernehmbar: „Rrrübe rrrunter! Rrrübe rrrunter! Hahahahaha!“
Abdullah griff sich erschrocken an die Kehle, während Tsarong ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken konnte, als er sah, dass der Papagei die Gelegenheit nutzte und etwas auf das Schulterteil der roten Phantasieuniform fallen ließ, was aber von deren Träger nicht bemerkt wurde.
„Also was ist? Die zehn Sekunden sind längst vorbei – ach, was bin ich heute wieder gütig! Wählt ihr Kampf und Tod oder Übergabe und – vielleicht – Leben?“
„Oh, Allah!“, flüsterte der Kapitän seinem Partner zu. „Was sollen wir tun? Wir sind praktisch unbewaffnet! Können wir nicht einfach türmen?“
„Keine Chance“, antwortete der Tibeter ebenso leise. „Bis wir die nötige Geschwindigkeit für den Überlichtflug erreicht haben, haben sie uns längst eingeholt oder atomisiert. Außerdem haben wir ja ein kleines, äh, galaktonautisches Problem. Nein, wir …“
„Rrrübe rrrunter!“, kreischte der Papagei wieder, was seinem Besitzer ein entrücktes Lächeln entlockte, welches aber alsbald verschwand, denn das vorlaute Federvieh fuhr fort: „Herbie liebt Lollo! Herbie liebt Lollo! Hahahahaha!“ Die rechte Hand des Kommodore fuhr ins Bild und packte den Papagei. „Pass bloß auf, oder du landest doch noch im Kochtopf!“, fauchte er und gab dem Vogel einen Stoß. Das Tier brachte sich flatternd in Sicherheit, nicht ohne vorher noch schnell eine weitere bleibende Erinnerung auf der Schulter seines Besitzers zurückzulassen.
„Nun???“
Ein kurzer, fragender Blick Tsarongs an seine beiden Gefährten, dann nickte er. „Nun gut. Wir fügen uns der Gewalt und ergeben uns. Wie geht es jetzt weiter?“
„Wir werden ein Prisenkommando auf euren Kahn rüberschicken.“ Der Kommodore warf einen Blick zur Seite und sagte dann zu der nicht sichtbaren Person: „Übernimm du die Details, Lollo – ich habe mit dem Smutje in der Kombüse was zu belabern!“ Er stand auf und verschwand vom Bildschirm. Seinen Platz nahm ein wesentlich ziviler aussehender jüngerer bartloser Schönling ein, der in irgendeinem anderen Beruf kaum aufgefallen wäre, aber als Pirat eine absolute Fehlbesetzung war. Auch er trug etwas, das wie eine selbstentworfene und auch -geschneiderte Uniform aussah und von stechend grüner Farbe war.
„Lo-lo-lo-lo-lobesang“, stellte er sich vor. „Ich b-b-bin der P-p-privats-s-sekretär S-s-seiner H-h-herrlichkeit des Co-Co-Kommodore.“
„Lass meine Herrlichkeit aus dem Spiel und beschränke dich aufs Geschäftliche!“, rief die Stimme Heribert Heldentods aus dem Hintergrund. „Au! Verdammtes Mistvieh!“
Der Privatsekretär nickte nervös und blickte wieder in die Kamera, die sein Abbild in die INSCHALLAH übertrug: [4] „Sie werden angehalten, anzuhalten und beizudrehen. Es wird ein Enterkommando an Bord Ihres Schiffes gehen und dort – was ist denn?“
Wieder konnten die drei Gefährten nicht verstehen, was auf...
Erscheint lt. Verlag | 27.1.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
ISBN-10 | 3-7389-7015-0 / 3738970150 |
ISBN-13 | 978-3-7389-7015-9 / 9783738970159 |
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