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Die Insel der Tausend Leuchttürme (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
640 Seiten
Penguin Verlag
978-3-641-19782-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Insel der Tausend Leuchttürme -  Walter Moers
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Walter Moers in Bestform - große Erzählkunst aus Zamonien
Hildegunst von Mythenmetz hätte gewarnt sein müssen. Schon auf der Überfahrt zur Insel Eydernorn, wo er seine Bücherstauballergie kurieren will, entgeht er nur knapp dem Tod. Doch im Hotel erwartet ihn ein musikalisches Hummdudel, seine Prominenz verhilft ihm zum Rang eines Patienten erster Klasse, und hilfreiche Küstengnome bieten ihm ihre Dienste an. Neugierig erforscht er die bizarre Fauna und Flora der Insel und widmet sich den hundertelf Leuchttürmen, die in der Nacht funkeln wie tausend. Alles könnte so erholsam sein, wären da nur nicht die immer bedrohlicher werdenden Begegnungen mit der Natur Eydernorns: hungrigen Belphegatoren und aufdringlichen Strandlöpern, monströsen Frostfratten, schaurigen Wolkenspinnen und dem gefährlichsten Dämon aus der Tiefe des zamonischen Ozeans, dem sagenumwobenen Quaquappa.

Walter Moers`mit über 100 Zeichnungen illustriertes Epos über den selbstlosen Kampf einer verschworenen Gemeinschaft, die alles daransetzt, Zamonien vor der Apokalypse zu retten. Und mittendrin der Schriftsteller Hildegunst von Mythenmetz als dem gnadenlosen Schicksal ausgelieferter Held wider Willen. Wie jeder Zamonienroman erzählt auch »Die Insel der Tausend Leuchttürme« eine in sich geschlossene Geschichte, die Neueinsteigern so unterhaltsam wie mühelos den Weg in den Moers'schen Kosmos bahnt.

Folgende weitere Zamonienromane sind bislang erschienen:

Die 13 1/2 Leben des Käpt'n Blaubär

Ensel und Krete

Rumo & die Wunder im Dunkeln

Die Stadt der Träumenden Bücher

Der Schrecksenmeister

Das Labyrinth der Träumenden Bücher

Prinzessin Insomnia & der alptraumfarbene Nachtmahr

Weihnachten auf der Lindwurmfeste

Der Bücherdrache

Walter Moers ist der Schöpfer des fantastischen Kontinents Zamonien und des dort lebenden Erfolgsschriftstellers Hildegunst von Mythenmetz, dessen Werke er vorgibt seit 1999 ins Deutsche zu übersetzen. Dazu gehören u.a. »Die 13 ½ Leben des Käpt´n Blaubär«, »Die Stadt der Träumenden Bücher« und »Die Insel der Tausend Leuchttürme«. Er ist darüber hinaus der geistige Vater von Käpt´n Blaubär, dem Kleinen Arschloch, dem Alten Sack, von Adolf, der Nazisau, dem Fönig und vieler anderer populärer Charaktere. Moers ist eines der großen Multitalente sowohl als Zeichner als auch als Schriftsteller als auch als Drehbuchautor. Seine Auflagen gehen in die Millionen, die Filme nach seinen Büchern waren Blockbuster. Er hat den Grimme- und den Fantastik-Preis gewonnen und wird - weit über den deutschen Sprachraum hinaus - vom breiten Publikum ebenso geschätzt wie von den Feuilletonisten: für seine überbordende Fantasie, seine Fabulierkunst und seinen mal feinen, mal anarchischen Humor.

Bester Hachmed,

nachdem ich mich am heutigen Morgen in Klein-Hafing nur mit Mühe und schmerzenden Gliedern vorwiegend in den Waden- und Oberschenkeln aus dem Hotelbett gewuchtet hatte, stellte ich fest, dass der Boden unter mir immer noch schwankte wie ein Schiffsdeck bei hohem Seegang. Ich erschrak und war sogleich hellwach. Ist das etwa der Preis für meine vermeintliche Seetüchtigkeit? Dass ich jetzt an einer Art Seekrankheit leide, die erst verzögert an Land auftritt? Die womöglich chronisch ist und nie wieder weggeht? Gibt es so etwas? Eine unheilbare Gleichgewichtsstörung, die einen das restliche Leben wie auf einem schlingernden Schiff verbringen lässt, egal, wie stabil der Grund unter einem tatsächlich ist? Beunruhigt raffte ich mein Reisegepäck zusammen und torkelte wie ein Besoffener die Pensionstreppe hinab, was mit diesen Beinen, die sich immer noch auf der Quoped zu befinden schienen, ein fast lebensgefährliches Unterfangen war.

Erst ein Gespräch mit dem Pensionswirt, einem uralten Küstengnom mit grünlichem Bart und einem tätowierten Tiefseefisch auf der Stirn, konnte mich ein wenig beruhigen. Beim Bezahlen der Rechnung vermochte ich unhöflicherweise meinen Blick kaum von dem Bild auf seiner Stirn zu lösen, weil es die erste Lebende Tätowierung war, die ich zu sehen bekam. Dabei handelt es sich um eine Eydernorner Spezialität der Tätowierkunst, deren Motive sich, wenn man genauer hinsieht, auf verstörende Art zu bewegen scheinen.

Dies ist keine Magie, sondern eine optische Illusion, die durch das raffinierte Übereinander mehrerer verschiedenfarbiger Tätowierschichten entsteht – eine Kunst, die angeblich nur die professionellen Epidermisperforierer dieser Insel wirklich perfekt beherrschen. Man nennt sie hier »Huijdenpieker«. Der Urfisch auf der faltenreichen Stirn des Wirtes sah also nicht aus wie ein herkömmliches Tattoo, sondern eher wie ein filigran modelliertes Halbrelief, das sich beinahe unmerklich bewegte. Faszinierend und verstörend zugleich, wie ein Ölbild im Rahmen, das plötzlich lebendig wird!

Küstengnom

Der freundliche Hotelier versicherte mir, während ich fasziniert auf sein Tattoo starrte, dass dieses Schaukeln ganz normal und durchaus üblich sei und bei manchen Passagieren sogar ein paar Tage anhalten könne, bis sich der Gleichgewichtssinn wieder auf die stabilen Verhältnisse eingestellt habe. Der Körper ist wieder an Land, aber das Hirn weilt noch auf hoher See. Er kannte sogar ein Fachwort für diesen Zustand, er nannte ihn mit großer Selbstverständlichkeit »Landschippen«. »Dat is man blouß Landschippen, mijn Jong! Ewwer dat geit nu ballich wör wech«, belehrte er mich im breitesten Inseldialekt, den ich mir selbst noch etwas mühsam ins Hochzamonische übersetzen musste: »Aber das geht bald wieder weg.« Na hoffentlich!

Erst auf den zweiten Blick wurde mir bewusst, dass ich noch nie einen so alten Küstengnom von nahem gesehen hatte. Sein Gesicht glich einer Klippenlandschaft, die in Millionen von Jahren unermüdlich von Wind, Regen und Wellen gestaltet worden war, mit zahllosen Falten und Verwerfungen, durchwachsen von Moosen und Flechten – ein Antlitz wie aus der letzten Eiszeit. Ich ertappte mich dabei, dass ich in seinem kunstvoll mit einer hübschen Spiralmuschel verknüpften Bart (eine Technik, die nur die Eydernorner Barbiere beherrschen und »Knautik« genannt wird) nach Möwennestern fahndete, vielleicht auch nach einer Flaschenpost mit einer Schatzkarte. Was mich aber am meisten faszinierte, war seine Stimme. Er sprach überhaupt nicht wie ein betagter Gnom, es lag kein altersbedingtes Krächzen oder Knarzen darin. Nein, er sprach laut und deutlich akzentuiert, mit heller, hoher Stimme, wie jemand in seiner Lebensmitte. Auch seine übrige Physis machte einen jugendlichen, drahtigen, ja beinahe athletischen Eindruck – obwohl ich ihn aufgrund seiner Gesichtszüge auf mindestens fünfhundert Lenze schätzte. Nicht das geringste Zittern der Hände, eine katzenhafte Körperbeherrschung und ein kraftvoller Händedruck zum Abschied, der mich vor Schmerz beinahe zum Jodeln veranlasste. Er bestand sogar darauf, meinen schweren Seesack bis zur Tür zu tragen, was er dann auch mit spielerischer Leichtigkeit und nur einer Hand tat, als wäre dieser ein Federkissen. Dies war das erste Mal, dass ich einem leibhaftigen Beweis für das berühmte kraftspendende und lebensverlängernde Klima von Eydernorn begegnete. Ich war so beeindruckt von der körperlichen Verfassung meines Gastwirtes, als wäre ich einem seltenen und gefährlichen Raubtier in freier Wildbahn begegnet.

Ich war also höchstwahrscheinlich nicht – wie befürchtet – unheilbar seekrank. Das war erfreulich. Dennoch muss ich den Eindruck eines nach durchzechter Nacht immer noch heftig alkoholisierten Matrosen gemacht haben, als ich mich durch den Morgennebel wankend zur nächsten Kutschenstation begab (oder besser: landschippte), um nach Eydergard zu gelangen, meinem eigentlichen Reiseziel, wie du weißt.

In der Station erwarteten mich schlechte Nachrichten.

Der Kutscher, ein mitteilsamer Froschling, der trotz feuchter Aussprache und leicht quakender Artikulierung ein glücklicherweise fast akzentfreies Hochzamonisch sprach, berichtete mir, dass die Quoped aus dem Hafen von Klein-Hafing über einen Kanal nach Eydergard geschleppt werden müsse, um dort fachgerecht repariert und wieder seetüchtig gemacht zu werden. Bis wieder ein Schiff verkehre, könne es Wochen dauern. Und da die Quoped das einzige Schiff sei, das regelmäßig zwischen Eydernorn und dem Festland verkehre, sei in absehbarer Zeit auch kein Postverkehr möglich – bis auf den mit Brieftauben, der aber ausschließlich der behördlichen Nachrichtenübermittlung und Notsituationen vorbehalten sei. Er fügte noch hinzu, dass seines Wissens alle Schiffe, auch die in den Häfen, so schwere Sturmschäden zeigten, dass selbst die tollkühnsten Seemänner keine Überfahrt wagen würden.

Und ich hatte mir vorgenommen, liebster Hachmed, dir alle zwei, drei Tage einen ausführlichen Brief über meine Leuchtturmstudien und Naturbeobachtungen zu schicken, und mich auch schon auf deine kenntnisreichen Antworten, Besserwissereien, Beleidigungen und Schachzüge gefreut. Daraus wird nun erst mal nichts. Aber ich gedenke, diese Briefe trotzdem regelmäßig zu schreiben, sie zu sammeln und dir dann, wenn der Schiffsverkehr wieder aufgenommen wird, gebündelt zuzusenden. Unsere Fernschachpartie müssen wir allerdings derweil aussetzen. Aber meine Aussichten, wenigstens einmal gegen dich und deine nicht nur zahlenmäßig überlegenen Gehirne4 ein Schachmatt zu erkämpfen, sind ja eh aussichtslos.

Die Kutschfahrt von Klein-Hafing nach Eydergard gab mir einen ersten beklemmenden Vorgeschmack von der Zivilisationsferne, die mein Leben in den nächsten Wochen bestimmen würde. Immer noch war kaum etwas richtig zu sehen, weil dichter Nebel die ganze Insel einzuhüllen schien. Ich hoffte inständig, das sei nur eine Folge des Sturmes und kein Dauerzustand. Nicht einmal den Himmel konnte ich ausmachen. Nur ab und zu waren mir durch das beschlagene Kutschenfenster Ausblicke auf eine platte, vom rabiaten Seewind abgeschmirgelte Landschaft vergönnt, wenn der Nebel einmal nicht ganz so kompakt war. Dann sah ich meistens ödes Brachland, auf dem anscheinend nur hartnäckigstes Kleingestrüpp mit kräftigen Wurzeln überlebensfähig ist. Ab und zu tauchte ein bizarres Großgewächs ohne Blätter und mit sturmverrenkten Ästen auf, das mehr Ähnlichkeit mit einer Koralle als mit einem Baum oder Strauch hatte – das war fast schon alles, was mir die karge Eydernorner Pflanzennatur auf dieser Fahrt bieten wollte.

Korallenbaum

Der freie Blick aufs Firmament wurde bis zum Schluss der holprigen Reise von zähem Nebel verhindert. Großartig, dachte ich, die nächsten Wochen werde ich unter einer beschlagenen Käseglocke vegetieren, in der nur sture Disteln, amphibische Pflanzen und Strandhafer gedeihen. Meine geplanten botanischen Exkurse würden wahrscheinlich weniger entdeckungsreich und abenteuerlich verlaufen, als ich es mir vorgestellt hatte. Gelbgraue Wanderdünen waren die einzigen landschaftlichen Besonderheiten, die ich ausmachen konnte, und ab und zu schälten sich einsame Gehöfte aus dem Dunst, auf denen, wie ich vermute, die Produktion von Ziegenkäse, Schafschererei und Inzucht betrieben werden. Dort findet man auch die bekannten Eydernorner Strandhafersilos, die im Lauf der Jahrhunderte vom Inselwind derart gebeugt worden sind, dass sie aussehen, als würden sie im nächsten Augenblick umstürzen. Ich hörte es gelegentlich im Nebel meckern und blöken und sah auch mal ein paar windzerzauste Schafe, die stoisch auf drahtigem Unkraut herumkauten und unserer Kutsche verständnislos hinterherglotzten.

Strandhafersilo

Einen Kulturschock im Sinne einer Reizüberflutung habe ich hier also offensichtlich nicht zu befürchten. Sprachmächtige Bewohner sah ich während der ganzen Fahrt überhaupt keine, wodurch sich mir schließlich abwegige Gedanken aufdrängten, wie etwa die Frage, was Tiere, die man scheren muss, eigentlich gemacht haben, als es noch keine Bauern gab? Kollerten sie als ungeschorene Wollbälle durch die Dünen? Sollte man auf Inseln nicht lieber Fischzucht betreiben statt Käse und Wolle zu produzieren? Konnte man etwa auch aus Fischen Käse gewinnen? Ich wusste so bestürzend wenig über die Insellandwirtschaft! Erst, als ich anfing, mir Produktnamen für Fischkäsesorten auszudenken (Heringscamembert, Eydernorner Sardinendeichkäse, Streichmakrele), bemerkte ich, dass meine Gedanken nur noch alberne...

Erscheint lt. Verlag 6.9.2023
Illustrationen Walter Moers
Zusatzinfo über 100 s/w Abb.
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2023 • Absurd • Bestseller • Bestsellerautor • Bestsellerliste • Booktok • Buchhaim • Buchlinge • Das Labyrinth der träumenden Bücher • eBooks • fantastische Abenteuer • fantastisches Abenteuer • Fantasy • Hildegunst von Mythenmetz • Humor • Käpt'n Blaubär • Komik • Literaturreich • lustig • lustige • Neuerscheinung • Neuerscheinung 2023 • spiegel bestseller • Spiegelbestseller • SPIEGEL-Bestseller • Spiegel Bestsellerliste aktuell • TikTok • Weisheit • Wortspiele • Zamonien
ISBN-10 3-641-19782-1 / 3641197821
ISBN-13 978-3-641-19782-7 / 9783641197827
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