The Way You See Me (eBook)
368 Seiten
Heyne (Verlag)
978-3-641-30000-5 (ISBN)
Bei einem Treffen der Umweltschutzorganisation Future Force begegnet die Studentin Mila dem charismatischen Aktivisten Oscar. Er leitet die Gruppe und ist gut aussehend, selbstbewusst und charmant. Bei Mila lässt das alle Alarmglocken schrillen. Oscar erinnert sie viel zu sehr an Niklas. Niklas, auf den sie sich verlassen, den sie geliebt hat. Niklas, der sie nach und nach gebrochen hat. Seither hat Mila Probleme, anderen zu vertrauen. Sie beschließt, Oscar aus dem Weg zu gehen, doch er ist ihr längst unter die Haut gegangen. Stück für Stück lässt er ihre Schutzmauern einstürzen. Dass er, wie sie, die Umwelt retten will, gefällt ihr. Doch können sie sich auch gegenseitig retten? Denn auch Oscar hat mit seiner Vergangenheit zu kämpfen ...
Lisa Sophie Laurent wurde 1994 geboren und ist Content Creatorin, Moderatorin und Autorin. Sie studierte Politikwissenschaften und Psychologie und beschäftigt sich auf ihren Social-Media-Kanälen seit über zehn Jahren mit mentaler Gesundheit, Queerness und Nachhaltigkeit. Gemeinsam mit ihrer Familie und ihren Katzen lebt sie in München.
KAPITEL 2
Der Politikbegriff bei Hannah Arendt«, las Professor Albrecht das nächste Referatsthema vor und sah fragend in die Runde. Schnell hob ich die Hand und beglückwünschte mich innerlich dazu, heute überpünktlich im Seminarraum erschienen zu sein. Statt wie sonst den Snooze-Button zu drücken, war ich direkt beim Klingeln des ersten Weckers aufgestanden. Wahrscheinlich, weil mir das Stipendien-Thema im Nacken saß und ich mir selbst beweisen wollte, dass ich mein Leben zumindest in anderen Bereichen im Griff hatte.
Auf dem Weg zum Seminarraum war ich wieder einmal sehr dankbar dafür gewesen, dass meine Uni sich nicht in irgendeinem verwinkelten, historischen Gebäude in der Innenstadt befand. Stattdessen hatte man sich vor ein paar Jahren dafür entschieden, einen Campus aus modernen, rechteckigen Gebäuden mit Glasfassade am Ufer des Eldersees zu bauen. In jedem der Gebäude war eine andere Fakultät untergebracht, und ich liebte das simple und logische System, nach dem die Hörsäle und Seminarräume nummeriert waren.
Sich zu verlaufen war dadurch eine Sache der Unmöglichkeit, und so hatte ich den Raum heute bereits um Punkt acht Uhr betreten. Das hatte sich eindeutig gelohnt, da unser Dozent das »c. t.« im Stundenplan geflissentlich ignoriert und direkt mit der Referatsverteilung begonnen hatte.
Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie schräg hinter mir ebenfalls jemand die Hand hob. Professor Albrecht nickte. »Mila Lešnik und Nhi Tran«, wiederholte er unsere Namen, während er sie aufschrieb. Als ich meinen Kopf drehte, blickte ich in das Gesicht einer Kommilitonin, die ich vom Sehen kannte. Nhi hatte lange, silbern gefärbte Haare und war mir schon häufiger wegen ihrer tollen Outfits aufgefallen.
Als ich sie nach dem Seminar darauf ansprach, wie sehr ich ihren Stil mochte, freute Nhi sich sichtlich darüber.
»Kannst du das mal meiner Mutter erzählen?«, fragte sie mich und warf dabei einen Blick nach unten zu ihrem karierten Rock, der Netzstrumpfhose und den schwarzen Doc Martens. »Sie hofft seit Jahren inständig, dass diese ›Phase‹ bald vorbei ist. Hauptsächlich, damit meine Tanten aus Vietnam endlich aufhören, sie zu fragen, warum ich keine anständige Kleidung trage.«
Sie schob eine Haarsträhne hinter ihr Ohr und gab damit den Blick auf einen schwarzen Tunnel-Ohrring mit silbernem Rand frei. »Die hier hasst sie ganz besonders, und sie fragt mich ständig, ob ich immer noch die Musik von ›diesem langhaarigen, zotteligen Typ‹ höre.«
»Kurt Cobain?«, mutmaßte ich, und Nhi seufzte theatralisch.
»Wie sagt man so schön? Eine Jugend ohne Nirvana-Phase ist zwar möglich, aber sinnlos. Inzwischen hab ich mein Musikrepertoire zwar schon längst erweitert, aber für meine Mutter ist Kurt immer noch die Quelle allen Übels.« Sie deutete auf die hellblaue Jeansjacke mit aufgestickten Sonnenblumen, die ich über dem Arm trug. »Hast du die von Second Chance? Die kommt mir irgendwie bekannt vor.«
Ich nickte. »Der ist quasi mein zweites Zuhause.«
»Geht mir genauso. Hey, damit leben wir wohl inoffiziell in einer WG.«
Diese Schlussfolgerung brachte mich zum Lachen, und ich stellte erleichtert fest, dass Nhi mir sehr sympathisch war. »Klingt gut! Ich glaube, unser Stil ist unterschiedlich genug, dass ich damit leben kann, den Laden zu teilen.« Dass wir ein gemeinsames Gesprächsthema hatten, beruhigte mich tatsächlich ungemein. Das würde unsere nächsten Treffen deutlich entspannter machen, denn Small Talk über das Wetter und die Qualität des Mensa-Essens war nicht unbedingt mein Ding.
So gern ich mich sonst auch mit anderen Menschen unterhielt, diese bemühten Gespräche strengten mich einfach nur an.
Nachdem Nhi und ich unsere Kalender abgeglichen und einen Termin für unser erstes Treffen gefunden hatten, fiel mir das Dilemma mit meinem Stipendium wieder ein.
»Sag mal, arbeitest du zufälligerweise irgendwo ehrenamtlich?«, fragte ich sie, während wir gemeinsam den Seminarraum verließen. »Ich bin gerade auf der Suche nach einer Organisation, für die ich mich engagieren kann.«
Nhi nickte. »Ich habe einen Patenhund, Sammy heißt er. Mit ihm gehe ich zweimal pro Woche spazieren. Wenn du magst, kann ich dir die Telefonnummer meiner Ansprechpartnerin im Tierheim geben.«
Mit einem Hund spazieren zu gehen, klang tatsächlich nach einem tollen Ehrenamt. Dennoch musste ich bedauernd den Kopf schütteln. »Das ist wirklich sehr nett von dir, danke. Leider habe ich eine Tierhaarallergie.« Ich seufzte. »Dann werde ich wohl weitersuchen müssen.«
Nachdem ich mich von Nhi verabschiedet hatte, beschloss ich, dass ein wenig Ablenkung nicht schaden konnte. Noch war ich nicht bereit dazu, das warme Erfolgsgefühl gehen zu lassen, das sich seit dem pünktlichen Aufstehen am Morgen in mir breitgemacht hatte. Also ging ich die Treppe hinunter ins Erdgeschoss und betrat die Bibliothek, um dort nach Literatur für das Referat zu suchen. Tatsächlich fand ich gleich mehrere Bücher über Hannah Arendt sowie einige interessante Artikel in politischen Fachzeitschriften. Ich packte alles auf einen Stapel, setzte mich damit an einen der Tische und begann, mir die wichtigsten Informationen herauszuschreiben.
Ich kam gut voran, und als ich fertig war, teilten mir die Uhr und mein knurrender Magen mit, dass es Zeit fürs Mittagessen war.
Auf dem Weg zur Mensa traf ich auf Jasper, und weil der April beschlossen hatte, einen richtig guten Start mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen hinzulegen, beschlossen wir, uns etwas zum Mitnehmen zu holen. Mit je einem Falafel-Wrap in der Hand, machten wir uns wenig später auf den Weg zu dem kleinen Kiesstrand, der Teil des Uni-Campus war. Von dort aus führte ein Steg in den Eldersee, der zur Mittagszeit ganz klar der beliebteste Ort auf dem ganzen Gelände war.
Der See war an dieser Stelle nur etwa knietief, und im Sommer gab es nichts Schöneres, als die Beine ins Wasser baumeln zu lassen. Heute war es dafür leider noch ein wenig zu kühl, aber ich freute mich dennoch, als Jasper und ich noch ein freies Plätzchen auf dem Steg fanden. Während wir unsere Wraps aßen, erzählte ich ihm von meiner Stipendien-Situation und beobachtete, wie sich seine Stirn in besorgte Falten legte.
»Du könntest es vielleicht mal im Seniorenheim versuchen«, schlug er vor. »Oder in der Uni-Bibliothek. Ich hab vorhin am schwarzen Brett gesehen, dass sie gerade Leute suchen.«
Dankbar sah ich ihn an. Das waren zwei wirklich gute Vorschläge, und es war nicht das erste Mal, dass Jasper es mit seiner ruhigen und pragmatischen Art schaffte, Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Diese Eigenschaft schätzte ich sehr an ihm, und es erinnerte mich wieder einmal daran, dass ich die letzten Jahre ohne Jasper kaum überstanden hätte.
Als mein Körper sich nur noch wie eine leere Hülle angefühlt hatte, war er für mich da gewesen. Alles in mir hatte so geschmerzt, dass es sich unmöglich angefühlt hatte, Luft zu bekommen. Zu Beginn war Jasper mit dieser Situation komplett überfordert gewesen. Eine Weile lang hatte er nach beruhigenden Worten gesucht, doch als ihm nichts Passendes eingefallen war, hatte er sich einfach neben mich gesetzt und nichts gesagt. War einfach nur da gewesen.
Als ich dann irgendwann bereit gewesen war, zumindest über einen Teil dessen zu sprechen, was passiert war, hatte er mir zugehört und mich zuerst gefragt, ob ich seine Meinung hören wollte, bevor er mir Ratschläge erteilt hatte. Dafür liebte ich ihn noch immer.
Nicht nur deswegen war es mir wichtig, ihm regelmäßig zu sagen, wie dankbar ich für unsere Freundschaft war. Das tat ich auch jetzt, und Jasper, der noch nie gut mit Komplimenten hatte umgehen können, reagierte wie üblich. Mit Sarkasmus.
»Du weißt doch, wie das bei uns ist. Ich halte dich am Boden, und du lässt mich fliegen.«
Doch trotz des Kalenderspruchs wusste ich, dass Jasper es ernst meinte. Es war ihm immer schon schwergefallen, locker zu sein und neue Leute kennenzulernen. Daher hatte ich ihn bereits im Kindergarten an die Hand genommen und ihn mitgezogen, wann immer es etwas zu erleben gab.
Als ich Jasper nun dabei beobachtete, wie er seinen Blick über den See wandern ließ, fiel mir auf einmal auf, wie erschöpft er aussah. Seine Mundwinkel waren zwar nach oben gezogen, doch er wirkte plötzlich genauso müde und geistesabwesend wie beim Vortragsabend der Future Force.
»Geht es dir gut?«, fragte ich ihn vorsichtig und beobachtete, wie seine Schultern sich bei meinen Worten anspannten. Schnell sah er zu mir.
»Ja, alles okay. Ich hab gerade nur viel zu tun und hab es in den letzten Wochen vielleicht auch ein bisschen übertrieben. Ich wollte unbedingt schon so viel Lernstoff wie möglich durcharbeiten. Du weißt schon, die freien Tage sinnvoll nutzen, damit im Semester nicht so viel Zeug auf mich zukommt.«
Schön, dass zumindest einer von uns sein Zeitmanagement im Griff hat, dachte ich bitter, nickte aber verständnisvoll.
Jaspers Zielstrebigkeit war wirklich bewundernswert. Schon in der fünften Klasse hatte er genau gewusst, dass er später einmal Jura studieren und Anwalt werden wollte. Währenddessen war ich selbst in unserem Abschlussjahr noch so überfordert von der schieren Menge an Möglichkeiten gewesen, dass ich einfach auf gut Glück Politikwissenschaften gewählt hatte. Das hatte allgemein genug geklungen, um danach beruflich viele Möglichkeiten zu haben. Quasi mein persönliches BWL, nur ein...
Erscheint lt. Verlag | 16.8.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2023 • Bianca Iosivoni • Bookstagram • Debüt • Deutsche Autorin • eBooks • Frauenromane • Große Gefühle • Große Liebe • Happy End • influencer • Liebe • Liebesroman • Liebesromane • mentale Gesundheit • Mental Health • Mona Kasten • Nachhaltigkeit • Neuerscheinung • New Adult • new adult liebesroman deutsch • New Adult Neuerscheinungen 2023 • Romance • Romane für Frauen • Spiegel Bestsellerliste aktuell • toxische Beziehung |
ISBN-10 | 3-641-30000-2 / 3641300002 |
ISBN-13 | 978-3-641-30000-5 / 9783641300005 |
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