Der Rote Palast (eBook)
384 Seiten
CroCu (Verlag)
978-3-98743-080-0 (ISBN)
JUNE HUR ist die Bestsellerautorin der historischen YA-Krimis 'The Silence of Bones', 'The Forest of Stolen Girls' und 'Der Rote Palast'. Sie wurde nicht nur zweimal für den Edgar Award nominiert, sondern auch von Forbes, NPR, KBS und CBC porträtiert. Ihr vierter Roman 'A Crane Among Wolves' erscheint 2024. Geboren in Südkorea und aufgewachsen in Kanada, studierte sie Geschichte und Literatur an der Universität von Toronto und arbeitete früher für die Toronto Public Library. Derzeit lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Toronto.
JUNE HUR ist die Bestsellerautorin der historischen YA-Krimis "The Silence of Bones", "The Forest of Stolen Girls" und "Der Rote Palast". Sie wurde nicht nur zweimal für den Edgar Award nominiert, sondern auch von Forbes, NPR, KBS und CBC porträtiert. Ihr vierter Roman "A Crane Among Wolves" erscheint 2024. Geboren in Südkorea und aufgewachsen in Kanada, studierte sie Geschichte und Literatur an der Universität von Toronto und arbeitete früher für die Toronto Public Library. Derzeit lebt sie mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Toronto.
1
Februar 1758
»Mir nach«, flüsterte Hofarzt Nanshin, »und keine Fragen.«
Leise wie Schneeflocken fiel das Mondlicht auf die tierförmigen Statuen, die in einer Reihe auf den Ausläufern der geschwungenen Dachgrate hockten. Die Bodenlaternen tauchten die vereisten Innenhöfe und das Labyrinth aus holzvergitterten Fenstern und Türen in goldenes Licht. Bis auf die entfernten Schläge der großen Glocke, deren Echo durch die Hauptstadt und über den Changdeok-Palast hinweggrollte, herrschte Stille. Beim achtundzwanzigsten Glockenschlag würden die Palasttore für die Nacht verriegelt werden.
Sobald uns der königliche Hofarzt den Rücken zuwandte, sahen Jieun und ich einander mit weit aufgerissenen Augen an.
»Unsere Schicht ist doch vorbei?«, formte sie lautlos mit den Lippen. »Sollten wir jetzt nicht nach Hause dürfen?«
Ich beobachtete den Hofarzt nervös aus den Augenwinkeln. »Sehr merkwürdig«, gab ich ebenso unhörbar zurück.
Aber woher sollten wir schon wissen, was merkwürdig oder ungewöhnlich war? Schließlich hatten wir unsere Stellen als Nae-Uinyeos, als handverlesene Palastschwestern, beide erst vor Kurzem angetreten.
»Wir dürfen keine Zeit verlieren«, zischte der königliche Hofarzt atemlos und beschleunigte seinen Schritt, wobei seine Hände in den weiten, wallenden Ärmeln verschwanden. Das blaue Seidengewand wogte wie Sturmwellen, auf denen die lange weiße Schürze die Schaumkrone bildete. »Wir müssen uns beeilen.«
Dementsprechend erhöhten auch Jieun und ich das Tempo. Unsere Schatten, ihrer mit Tablett, meiner mit Laterne, zogen sich in die Länge. Obwohl wir uns zu dieser Stunde normalerweise über die knurrenden Mägen und Gliederschmerzen vom langen Arbeitstag beschwert hätten, schwiegen wir diesmal. Im Palast liefen die Dinge anders. Hier benahm sich niemand wie ein Kind – selbst die Königskinder verhielten sich wie ernste, nervöse Greise.
Mit langen, raschen Schritten verließen wir die königliche Apotheke in der östlichen Ecke des Palastes und liefen in einer geraden Linie von Innenhof zu Innenhof, begleitet vom Dröhnen der großen Glocke, die langsam und stetig zum sechsundzwanzigsten, siebenundzwanzigsten und letztlich achtundzwanzigsten Mal schlug. Ich meinte fast zu hören, wie die Riegel der Haupttore polternd vorgeschoben wurden. Ab jetzt war es unmöglich, den Palast zu verlassen.
Unbehagen machte sich in mir breit und durch meinen Kopf hallten all die Warnungen, die ich gehört hatte.
»Den Palast zu betreten bedeutet, einen blutigen Pfad zu beschreiten«, hatten unsere Medizinlehrer hinter vorgehaltener Hand getuschelt. »Es wird Blutvergießen geben. Bleibt nur zu hoffen, dass es nicht eures ist.«
Je weiter wir nach Süden kamen, desto verlassener wirkte alles, bis wir nur noch vier Li von dem Ort entfernt waren, wo meines Wissens der Großteil der Königsfamilie wohnte. Das entsprach mindestens einem halbstündigen Fußmarsch.
Die Schatten, die sich die Pavillons einverleibten, wurden immer dunkler und die Schneedecke war jetzt nicht mehr mit bläulich schimmernden Fußabdrücken durchsetzt, sondern unbefleckt. Dann passierten wir endlich das bewachte Tor und betraten einen weiteren von Laternen erleuchteten Innenhof. In der Mitte befand sich ein quadratischer Seerosenteich, in dessen Eisschicht sich der runde, strahlende Mond und die schwarzen Kämme des Wächterbergs Bugaksan spiegelten.
So weit war ich noch nie vorgedrungen.
Vor dem Innenhof erhob sich ein lang gezogener, prächtiger Pavillon, dessen Fensteröffnungen mit Hanji-Papier bespannt waren. Er verfügte über eine Reihe hoch aufragender Säulen und ein kunstvolles schwarzes Ziegeldach. Auf der Holztafel, die unter dem Dachvorsprung hing, war Joseung-Pavillon zu lesen. Dies war das Hauptgebäude des Donggungjun-Komplexes: Hier residierte der Kronprinz höchstpersönlich.
Ich hatte Prinz Jangheon zwar noch nie zu Gesicht bekommen, aber schon finstere Gerüchte über ihn gehört. Es hieß, bei seiner Geburt sei der König, der normalerweise für seinen eisernen Stoizismus bekannt war, fast über sein Gewand gestolpert, so eilig hätte er seinen Sohn in den Armen halten wollen – einen wunderschönen Sohn, und noch dazu seinen einzigen lebenden Nachfolger. Den König hatte eine solche Liebe zu dem Kind ergriffen, dass er es ohne Umschweife offiziell zum Kronprinzen ernannt hatte. Dieser Rang hatte jedoch seinen Preis gehabt: Im zarten Alter von gerade einmal hundert Tagen war der junge Thronfolger den Armen seiner Mutter entrissen worden, um im Joseung-Pavillon isoliert vom Rest des Palastes von völlig Fremden aufgezogen zu werden. Dort wuchs er so weit von seinen Eltern entfernt auf, dass er sie bald nur noch einmal im Jahr zu Gesicht bekam. Und nun machten über den vernachlässigten Prinzen verstörende Gerüchte die Runde.
»Es wird nicht mehr lange dauern«, hatte ich eine der Palastschwestern einmal sagen hören, »bis der Kronprinz ermordet wird, entweder von den Anhängern der Alten Doktrin oder von seinem eigenen Vater.« Solches Getuschel verstummte allerdings sofort, sobald Jieun und ich auftauchten; schließlich arbeiteten wir noch nicht lange im Palast.
»Kommt mit.«
Blinzelnd richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf Hofarzt Nanshin, der uns bedeutete, schneller zu laufen. Wir taten wie geheißen und folgten ihm an einer Reihe Hofdamen vorbei, die reglos wie Statuen dastanden. Nur eine junge Frau musterte uns verstohlen. Unsere Blicke trafen sich kurz, bevor sie schnell zu Boden sah, dennoch fühlte es sich weiterhin so an, als würden uns Hunderte Augenpaare beobachten.
Mit klopfendem Herzen stellte ich die Laterne ab. Dann stiegen wir die Stufen zur Terrasse hoch und betraten den Pavillon, wo die gestaffelt angeordneten Holzschiebetüren nach und nach von Dienern aufgezogen wurden, die sich lautlos wie Schatten bewegten und uns weiter hineinwinkten, bis wir ins Innerste vorgedrungen waren. Dort erwartete uns ein Eunuch, dem die Verzweiflung ins bleiche Gesicht geschrieben stand.
»Ich weiß, Ihr seid für heute schon außer Dienst, Uiwon-nim«, flüsterte der Eunuch dem Hofarzt zu, »aber es ist dringend. Der Prinz braucht Eure Hilfe.«
Ich senkte den Kopf, um meinen schreckgeweiteten Blick zu verbergen. Seit meiner Ankunft im Palast hatte ich mich nur um Frauen gekümmert: um Prinzessinnen, Konkubinen und Hofdamen. Bei Belangen der männlichen Angehörigen des Königshauses hatte ich den Ärzten bisher noch nicht assistiert.
»Folgt mir bitte.« Gebückt führte uns der Eunuch in ein dunkles Gemach. Um den schwachen Schein der flackernden Kerzen und Laternen auf dem Boden drängten sich die Schatten. Überall standen achtlos beiseitegeschobene Bücherstapel herum. Von der Decke hing ein fein gewebter Sichtschutz aus Bambusstreifen, hinter dem sich eine lagernde Gestalt abzeichnete; davor standen zwei zitternde Hofdamen. Sobald wir eintraten, zogen sie den Sichtschutz nach oben, bis auf der Schlafmatte dahinter der weiß gekleidete Liegende zum Vorschein kam.
»Geht. Alle beide«, ertönte eine gebieterische Frauenstimme.
Während die Hofdamen den Raum verließen, wagte ich es, einen Blick auf die Frau zu werfen, die vor der Wand saß: Prinzessin Hyegyeong, die Gemahlin des Kronprinzen. Beide waren dreiundzwanzig Jahre alt und im Alter von neun Jahren miteinander verheiratet worden. Wie üblich sah sie makellos aus. Ihre Seidenrobe war über und über mit strahlenden, golddurchwirkten Drachenmedaillons bestickt und ihr glattes Haar war mithilfe eines goldenen Stabs zu einem dicken, perfekten Nackenknoten zusammengesteckt, der im Kerzenlicht schimmerte. Ich war ihr vorher schon ein paarmal im Chippok-Saal begegnet. Sie schien ihre Zeit lieber mit ihrer Schwiegermutter zu verbringen, als hier bei ihrem Gemahl zu bleiben.
»Seine Hoheit ist seit zwei Tagen krank. Sein Zustand verschlechtert sich«, erklärte Prinzessin Hyegyeong und erhob dabei die Stimme, als würde sie nicht zu uns, sondern zu denen dort draußen sprechen.
»Und hat Seine Königliche Hoheit heute schon Medizin eingenommen?«, fragte Hofarzt Nanshin.
»Nein. Heute Morgen schien es ihm zuerst viel besser zu gehen, aber am Nachmittag wurde er ohnmächtig. Seitdem ist er unpässlich.«
Der Arzt verneigte sich leicht. »Ich werde Seine Hoheit nun untersuchen.« Dann kniete er sich neben den jungen Mann, der mit dem Rücken zu uns lag, und Jieun und ich ließen uns neben dem Arzt nieder. Die Bettdecke raschelte, als sich der Kronprinz mithilfe seines Eunuchen aufsetzte.
»Könnt Ihr mir sagen, was mit Seiner Königlichen Hoheit nicht...
Erscheint lt. Verlag | 1.8.2023 |
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Übersetzer | Elena Helfrecht |
Verlagsort | Ludwigsburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Historische Romane |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Historische Kriminalromane | |
Schlagworte | Coming of Age • historisch • Hofintrigen • Korea • Krimi • Mystery • Palast • Politthriller • Romance • Spannung |
ISBN-10 | 3-98743-080-X / 398743080X |
ISBN-13 | 978-3-98743-080-0 / 9783987430800 |
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