Warum ein Mann, wenn man Meer haben kann? (eBook)
352 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46323-9 (ISBN)
Christine Ziegler ist in Garmisch-Partenkirchen geboren und aufgewachsen. Sie studierte Restaurierungswissenschaften und arbeitete in unterschiedlichen Museen. Mit ihrer Familie lebt sie in der Nähe von München. Am liebsten ist sie jedoch unterwegs, wo sie Menschen, Dingen, Tieren, Kunst und Krempel zuhört. Alles und jeder erzählt. Daraus entstehen ihre Geschichten.
Christine Ziegler ist in Garmisch-Partenkirchen geboren und aufgewachsen. Sie studierte Restaurierungswissenschaften und arbeitete in unterschiedlichen Museen. Mit ihrer Familie lebt sie in der Nähe von München. Am liebsten ist sie jedoch unterwegs, wo sie Menschen, Dingen, Tieren, Kunst und Krempel zuhört. Alles und jeder erzählt. Daraus entstehen ihre Geschichten.
Kapitel 1
Für heute war Mona mit der Welt und den Problemen ihrer Bewohner fertig. Fast fertig. Demonstrativ klappte sie ihren Terminkalender zu.
Udo Schatzki redete jedoch unbeeindruckt weiter. Detailreich erklärte der muskelbepackte Lagerarbeiter, was beim Bedienen eines Gabelstaplers zu beachten war, und vor allem, was dabei alles schiefgehen konnte. Geduldig wartete Mona auf eine Atempause, um sich in den Monolog einzuklinken. Vergebens.
Udo sprach schneller und lauter. Sein Bericht steuerte offensichtlich auf eine Staplerkatastrophe zu. Mona hingegen kämpfte mit einer plötzlichen Müdigkeitsattacke. Sie spürte, wie ihr innerer Akku auf Notbetrieb schaltete.
Sie schreckte hoch, als Udo mit der Faust auf die schmale Birkenholzarmlehne seines Stuhles hämmerte und schrie: »Woher sollte ich wissen, dass die Sachen zerbrechlich waren?«
Mona atmete langsam aus. Mit einem inneren Lächeln fokussierte sie sich auf ihren nächsten Termin: Sechzehn Uhr, Stilltreffen. Diesen wöchentlichen Energieschub brauchte sie dringend.
Udos Stimme begann zu zittern. »Ich halte das nicht mehr aus. Immer bin ich an allem schuld.«
»Vielleicht sollten Sie kündigen.« Mona reichte dem Mann die Taschentuchbox, die er vor Aufregung vom Beistelltisch gefegt hatte.
»Dann bin ich arbeitslos.«
»Jedes Ende ist ein neuer Anfang«, rutschte es Mona über die Lippen. Augenblicklich biss sie sich auf die Zunge und bereute den unsensiblen Spruch. Was war nur in sie gefahren? Normalerweise gab sie keine platten Lebensweisheiten von sich. Vor allem nicht gegenüber Patienten. Ein unverzeihlicher Fehler. Aber gerade fühlte sie sich völlig ausgelaugt.
Der Zweimetermann rupfte mehrere Papiertaschentücher aus der Box und wischte sich über die Augen. »Sie reden sich leicht. Sie kennen meinen Chef nicht.«
Was so nicht stimmte. Udo Schatzki sprach seit dem ersten Termin über nichts anderes. Eigentlich war er wegen massiver Schlafschwierigkeiten zu ihr gekommen. Aber die Ursache seines Problems lag tiefer. Bis jetzt kratzten sie nur an der Oberfläche.
»Und meine Kollegen. Ich kann doch nicht …« Seine Stimme versagte.
Mona stand auf. »Nächste Woche um die gleiche Zeit, Herr Schatzki?«
Sein Händedruck war sacht.
Mit zwanzig Minuten Verspätung verließ Udo Schatzki Monas Sprechzimmer. Ein Ende zu finden gehörte eindeutig nicht zu seinen Stärken. Zu Monas aber auch nicht. Daher gab Irini, Monas Assistentin, ihm vorsorglich immer den letzten Termin.
Mona öffnete ein Fenster und schloss die Augen. Seit sieben Uhr morgens hatte sie ihren Patienten jeweils fünfundvierzig Minuten lang aufmerksam und mitfühlend zugehört. Unterbrochen durch eine Viertelstunde Pause, die sie wie immer für Notizen und Rückrufe genutzt hatte. Zwischendurch hatte sie es sogar geschafft, eine matschige Banane zu essen. Durch die geschlossene Tür hörte sie Udo und Irini miteinander reden.
Mona atmete tief durch. Mailuft. Wonnemonat!
Sie lächelte über den altmodischen Ausdruck. Mona liebte Worte. Gesprochen und gedruckt, besondere und alltägliche.
Vielleicht war sie deswegen Psychotherapeutin geworden.
Das Telefon schrillte.
»Ein Herr Prim. Superdringend. Aber das ist es ja immer. Gib ihm bloß keinen Termin. Wir sind voll, und nein, du kannst nicht noch mehr arbeiten.«
»Danke, Irini.«
»Das meine ich ernst. Sonst hast du einen Burn-out und wir müssen die Praxis dichtmachen und ich bin meinen Job los. Selbst kannst du dir bestimmt nicht helfen.«
»Wenn ich dich nicht hätte.«
Irini, Sprechstundenhilfe, Putzkraft und Co-Therapeutin in Personalunion und Teilzeit, hatte Monas Zeit- und Lebensplan fest im Griff.
»Das kannst du laut sagen«, antwortete Irini mit einem theatralischen Seufzen und stellte den Anruf durch.
Herr Prim kam sofort zur Sache. Mona unterbrach ihn nicht. Je länger sie jedoch zuhörte, desto unruhiger wurde sie und tigerte im Zimmer auf und ab.
»Wenn es unbedingt sein muss, komme ich vorbei«, beendete Mona das Telefongespräch und ließ sich auf die abgewetzte braune Ledercouch plumpsen, die eigentlich für ihre Patienten gedacht war. Aber die meisten, im Prinzip alle, setzten sich auf den bequemen Stuhl am Fenster. Trotzdem behielt Mona das Ungetüm, das ihr Mann Richard ihr zur Praxiseröffnung geschenkt hatte. Er hatte behauptet, auf dem Erbstück seiner Tante Emma hätte schon der alte Goethe ein Mittagsschläfchen gehalten und anschließend ein Gedicht verfasst. Das sperrige Möbel war ein Scherz gewesen. Leider war Richard wenige Wochen später an den Folgen eines Herzinfarktes gestorben, und Mona hatte es seitdem nicht geschafft, sich von dem Erinnerungsstück zu trennen. Erst im vergangenen Jahr hatte sie mit Irinis Hilfe das schwere Ding in eine Zimmerecke geschoben. Dabei hatten sie das Parkett verkratzt, und Irini hatte sich einen Nerv eingeklemmt. Zwei Wochen lang war sie ausgefallen, sogar bei ihrem ehrenamtlichen Zweitjob im Tierheim. Seitdem hasste Irini die Couch aus tiefstem Herzen und legte ihrer Chefin regelmäßig und kommentarlos Postwurfsendungen von Entrümpelungsfirmen auf den Schreibtisch.
Mona hievte einen Stapel Fachzeitschriften von der Sitzfläche auf den Boden, streifte ihre flachen Schuhe ab und streckte sich aus. In Gedanken ging sie das Telefonat noch einmal durch. Sie fühlte sich elend und überfordert.
Irini steckte ihren Kopf durch den Türspalt. »Alles in Ordnung? Bist du krank?«
»Nein, nein. Ich denke nur nach, und das geht im Liegen besser.«
»Sagt der alte Freud, oder was?« Irini grinste, und der kleine Glasstein auf ihrem Schneidezahn blitzte. »Atme auf diesem Staubmilbenfriedhof bloß nicht zu tief ein. Das könnte schlimmstenfalls bewusstseinserweiternd sein. Du bist schon ganz grün im Gesicht.«
»Keine Sorge. Das liegt an der Beleuchtung.«
»Solange es nicht an diesem Herrn Prim und seinen Problemen liegt.« Irini drückte auf den Lichtschalter der Deckenlampe, was die finstere Sofaecke kaum erhellte. »So wie du aussiehst, solltest du nicht hier, sondern an einem Strand liegen. Du brauchst dringend ein paar Tage Urlaub! Hast du überhaupt schon Pläne für den Sommer? Soll ich dir was raussuchen oder buchen?«
Mona stützte sich auf den Ellbogen. »Nicht nötig. Du kennst mich doch. Ich besuche Emil in Heidelberg. Und nächste Woche bin ich drei Tage auf einer Fortbildung. Das reicht mir.«
Irini schüttelte missbilligend den Kopf. »Fortbildungen sind keine Erholung. Und deinem Sohn kannst du nicht länger als ein verlängertes Wochenende auf die Nerven gehen. Der führt jetzt sein eigenes Leben. Auch wenn ich mich wiederhole: Du arbeitest zu viel, und sowohl die Praxis als auch du brauchen dringend einen Tapetenwechsel.«
Zur Bestätigung heulte Krümel, Irinis fast blinde Labradorhündin, auf dem Flur. Krümel hatte eine minutengenau funktionierende innere Uhr und begann bei Arbeitszeitüberschreitungen herzzerreißend zu jammern. Zur normalen Praxiszeit war sie der bravste und unauffälligste Hund, den man sich wünschen konnte. Aber bei Überstunden hatte sie eine Nulltoleranzgrenze.
Mona winkte ab. »Keine Sorge, und jetzt verkrümelt euch. Der Hund muss an die frische Luft. Bis morgen.«
Irinis Antwort ging in Freudenbellen unter. Mona wartete, bis mit einem markerschütternden Krachen die Tür zuschlug. Tatsächlich müffelte das Sofa unangenehm. Um Abstand zu gewinnen, schob sich Mona ein Kissen unter den Kopf. Geruchlich verbesserte sich dadurch die Situation, ihre Gedanken galoppierten jedoch ungehindert im Kreis. Herr Prim hatte keine Probleme, wenigstens hatte er nichts davon erzählt. Er war Notar und hatte gemeint, sie dürfe sich auf eine schöne Überraschung freuen. Die Erbschaft würde ihr Leben verändern.
Wie hatte Fanni ihr das antun können? War sie nicht immer für sie da gewesen? Sie waren doch Freundinnen gewesen. Und jetzt das. Fanni hatte genau gewusst, dass Mona Überraschungen nicht mochte. Von Veränderungen gar nicht zu reden.
»Ich will nichts«, murmelte sie und legte sich den Unterarm über die Augen. Eigentlich hatte sie ihrer alten Freundin eine gute Menschenkenntnis attestiert. Wie leicht man sich täuschen ließ. Davor hatte tatsächlich schon der gute Freud gewarnt. Mit einem Seufzer setzte sich Mona auf, ordnete ihre Haare und legte die Zeitschriften zurück. Schnelle Klarheit war besser als rumliegen und grübeln. Sie ging zu ihrem Schreibtisch, holte aus der Schublade einen gefalteten Jutebeutel mit der Aufschrift Etwas Meer, bitte und steckte Geldbörse, Handy, Terminkalender und Knirps ein. Dann zog sie ihre graue Strickjacke an und verließ die Praxis. Vielleicht schaffte sie es trotz des ungeplanten Termins einigermaßen pünktlich zum Stilltreffen mit ihren Freundinnen. In einer halben Stunde wäre das Problem aus der Welt geschafft. Erbschaften konnte man schließlich ausschlagen. Auf dem Gehsteig warf Mona einen Blick auf ihre Armbanduhr und schlenderte zur Straßenbahnhaltestelle. Wenigstens brachte die Frühlingssonne München zum Leuchten.
Auch Saskia warf einen kurzen Blick auf ihre Smartwatch. Sie hatte vor dem Zugang zur Hirschau, einer großen Parkanlage, im Wohngebiet geparkt und dehnte am Bordstein abwechselnd ihre Achillessehnen. Sie trug zum Saisonstart nagelneue Laufsachen, eine kurze schwarze Hose und ein gemustertes Top. Nur die Schuhe waren bestens eingelaufen. Saskia startete die Messung. Ihr Brustgurt meldete ihren langsamen Ruhepuls an die Uhr, wo auch ihr Triathlon-Trainingsplan gespeichert war. In fünfundsiebzig Minuten würde sie mit ihren Freundinnen auf der Terrasse sitzen. Dafür hatte sie...
Erscheint lt. Verlag | 1.3.2023 |
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Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | beste Freundinnen • buch für freundin • Buch für Urlaub • Charmant • Ehekrise • Erbe • Frauenbücher • Frauenbücher ab 50 • Frauenfreundschaft • Frauenfreundschaft Roman • Frauenroman • Frauenromane • Frauenromane ab 50 • Frauenromane lustig • Freundinnen • Humor • humorvolle Bücher für Frauen • humorvolle Romane • Italien • italien roman • langjährige Beziehung • Lebensweisheit • Liebesgeschichten Bücher • Liebesromane Italien • Liebesromane mit Humor • lustige Frauenromane • lustige Romane • Männertausch • Meer • Nachbar • Romane ältere Frauen • Romane für Frauen • Romane heiter • Romane Italien • Romane Liebe • Romane über Ehe • Romane zum Lachen • Roman Freundinnen • Roman Toskana • Roman Urlaub • Sänger • Sommerromane • Sommerromane für Frauen • Stillgruppe • Toskana • Toskana Roman • Unterhaltungsromane für Frauen • Urlaub • Urlaubslektüre Frauen lustig • Urlaubslektüre Humor • Urlaubslektüre Italien • Urlaubslektüre lustig • Urlaubsromane • Urlaubsromane für Frauen • Urlaubsroman Italien • Wohlfühlroman • Wohlfühlromane |
ISBN-10 | 3-426-46323-7 / 3426463237 |
ISBN-13 | 978-3-426-46323-9 / 9783426463239 |
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