Getraut (eBook)
336 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-46713-8 (ISBN)
Susanne Fröhlich ist eine der bekanntesten Autorinnen Deutschlands. Die Schriftstellerin und Journalistin arbeitet außerdem als Moderatorin, seit 2005 etwa für die MDR-Literatursendung 'Fröhlich lesen'. Sowohl ihre Sachbücher wie Fröhlich fasten als auch ihre Romane, zuletzt Getraut, wurden alle zu Bestsellern, darunter Moppel-Ich mit über 1 Million verkauften Exemplaren. Susanne Fröhlich lebt in der Nähe von Frankfurt am Main.
Susanne Fröhlich ist eine der bekanntesten Autorinnen Deutschlands. Die Schriftstellerin und Journalistin arbeitet außerdem als Moderatorin, seit 2005 etwa für die MDR-Literatursendung "Fröhlich lesen". Sowohl ihre Sachbücher wie Fröhlich fasten als auch ihre Romane, zuletzt Getraut, wurden alle zu Bestsellern, darunter Moppel-Ich mit über 1 Million verkauften Exemplaren. Susanne Fröhlich lebt in der Nähe von Frankfurt am Main.
Kapitel 6
Um kurz vor 12:00 Uhr steht Rudi samt Hund Willich in seinem Anzug vor der Tür. Mit einem kleinen Blumenstrauß in der Hand. Man sieht und riecht, er hat alles gegeben. Auch an Eau de Toilette. Er ist ein sehr alter Mann, früher hätte man Greis gesagt, und wirkt wie ein Junge, dem die Einschulung bevorsteht. Freudig erregt. Rosige Wangen. Ich bin spontan gerührt. Willich hat eine dicke rote Samtschleife um den Hals, an der eine kleine Box baumelt.
»Jetzt wird doch alles irschendwie noch gut!«, strahlt ihn Irene an.
»Du bist wunnerschön! Was hab isch en Glück mit dir. Alle wern mich beneide. Isch fühl misch direkt verheiratet!«, sagt er sehr ernst, während er seine Braut gründlich mustert, und man hat den Eindruck, eine Ladung Glück strömt ihm aus allen Poren. Sie fallen sich in die Arme. Wie sie so dastehen, ineinander verschlungen, jedenfalls soweit es die Tüllmasse zulässt, diese beiden kleinen alten Menschen, kommen mir die Tränen. Eine Last-Minute-Seniorenhochzeit, selbst wenn sie in diesem speziellen Fall rein formell betrachtet gar keine ist, hat etwas noch Bewegenderes als eine »normale« Hochzeit. Sich zu trauen, wo die Endlichkeit so greifbar ist. Im Alter zu heiraten heißt, ich will diesen Weg, auch wenn er kurz sein kann und gepflastert mit Dingen wie Rollator, Pflegeversicherung und Patientenverfügung, mit dir gehen. Ja zu sagen, wenn der Verlust und die Trauer absehbar sind, finde ich ergreifend. Eine solche Entscheidung ist Optimismus und Hoffnung in Personalunion. Verbindlichkeit auf den letzten, oftmals beschwerlichen Metern. Das ist einfach schön.
»Kommen denn alle?«, erkundigt sich Rudi. »Hat des geklappt? Wisse alle Bescheid, des se net zum Römer fahrn, sondern gleich ins Restaurant? Und habe se dir geglaubt?«
»Ja«, antworte ich und gestehe nicht, dass ich – allen – bis auf Hanni, Irenes bester Freundin, und Ludwig, Rudis gutem Freund, die Wahrheit gesagt habe. Aber es wissen auch alle Bescheid, dass das Brautpaar denkt, keiner wüsste Bescheid. Ein Doppelbluff sozusagen. Es gibt Rudi und seiner Irene ein besseres Gefühl und erspart ihnen noch dazu einiges an Fragen. Der eine oder andere der Gäste wird mit Sicherheit mitbekommen haben, dass heute auf dem Römer sicherlich keine Trauungen stattfinden. Aber ich wollte mit meiner kleinen Notlüge Irene und Rudi weitere Aufregung ersparen. Und wer weiß, vielleicht rücken sie ja im Laufe der Feierlichkeiten doch noch selbst mit der Wahrheit heraus.
Rudi und Irene erscheinen tatsächlich erleichtert. »Verrückt is des ja schon, aber immerhin auch sicherlisch einzigartig. Ganz was Besonneres«, fängt Irene sogar an, den Reiz des Tricks zu genießen. »Da hat se recht, des hat net jedä!«, stimmt ihr Rudi zu.
»Lasst uns fahren!«, unterbreche ich die Turteltäubchen. »Je schneller, je besser. Ihr glaubt net, was isch för en Hunger hab!«, juchzt Irene.
Obwohl wir durch den Main von der Innenstadt getrennt sind, brauchen wir für nicht mal drei Kilometer fast vierzig Minuten. Die Stadt, nördlich und südlich des Mains, ist ein einziges Fahnenmeer. Man hat das Gefühl, wir drei sind die Einzigen, die kein Eintracht-Trikot tragen. Paul wird direkt aus der Praxis zum Restaurant fahren und hat sich schon vor Tagen seinen Anzug dorthin mitgenommen. »Hier geht gar nichts! Nehme die U-Bahn nach Sachsenhausen!«, schreibt er mir, als wir auf der Suche nach einem Parkplatz ums Restaurant kreisen.
Ich beschließe, Rudi und seine Braut, deren Kleid überall zu sein scheint, die halbe Windschutzscheibe ist von Flattertüll bedeckt, schon mal rauszulassen. »Geht vor, ich parke den Wagen und bringe den Hund mit. Bis gleich!«, sage ich, und Rudi muss Irene fast rauszerren. Das Kleid verhält sich wie Hefeteig. Es breitet sich stetig aus.
»Kaan Stress, Andrea, mir trinke schon mal aaner uff dich. Un danke. För alles. Du bist die beste Ex-Schwiegertochter, wo es gibt. Ohne dich wern mer vollkommen verratzt gewese.«
Was für eine Schnapsidee war es, mit dem Auto zu fahren. Wir hätten ein Taxi rufen sollen. Natürlich gibt es weit und breit keinen Parkplatz. Nicht mal im Halteverbot. Das Restaurant liegt in der Nähe des Eisernen Steges, und über den kommt man direkt zum Römer. Kein Wunder, dass jede Menge Menschen hier ihr Auto abgestellt haben, um zum Empfang auf dem Römerberg zu laufen. Ich entschließe mich, heimzufahren und dann mit dem Fahrrad zurückzukehren. Ich kann das Auto ja schlecht mitten auf der Straße stehen lassen. Ich hoffe, dass Willich in der Lage ist, an der Leine dem Rad zu folgen. Immerhin finde ich zu Hause sofort einen Parkplatz. Wenigstens das klappt. Es wird allen so gehen. Allen Gästen. Frankfurt ist im Ausnahmezustand. Dann gibt es eben später Essen, versuche ich mich selbst zu beruhigen. Ob Willich schon mal Fahrradbegleithund war? Ich wage es zu bezweifeln. Rudi fährt kein Fahrrad mehr. »In meim Alter bräucht ich wiedä Stützräder, weil mein Kreislauf ja net der Stabilste is und ich uff em Rad schnell ema wackel«, hat er selbst gewitzelt. Aber weit ist es ja nicht, und Willich hört nicht schlecht. Prinzip Hoffnung.
Der Hund zeigt sich vorbildlich, bis wir an einem kleinen Park vorbeifahren. Er zieht und zerrt, fast so, als wolle er rufen: Bitte anhalten, da ist was Interessantes. Oder vielleicht muss er auch einfach nur mal und hat das Grün dafür auserkoren. Durch seinen plötzlichen Stopp zwingt er mich zu einer Vollbremsung. Ich kann das Rad gerade noch gegen einen Laternenpfahl lehnen, so sehr drängelt Willich. Er scheint es eilig zu haben. Auf die paar Minuten kommt es nun auch nicht mehr an, entscheide ich. Außerdem ist Willich kein Schoßhündchen, und wenn er nicht weiterwill, habe ich keinerlei Handhabe. Ich lasse ihn von der Leine, weil ich weiß, dass er einigermaßen hört und auch kein Hund ist, der direkt abhaut. Vor allem weiß ich, dass er nicht gerne sein Geschäft erledigt, wenn er angeleint ist. Er stürmt zum nächsten Baum, und dann passiert es. Eine Colliehündin rast auf ihn zu, springt an ihm hoch, und die beiden wirken wie ein einziges Fellknäuel. Ist das Schockverliebtheit oder ein Kampf? Ich laufe auf die beiden zu und sehe nur noch, wie bei dem Gerangel die Schleife um Willichs Hals reißt und aus dem Maul des Collies hängt. Mitsamt dem Kästchen. Um Himmels willen, da sind die Trauringe drin. Eine sehr gut gekleidete elegante Frau um die vierzig, die mehr nach Sektempfang als Hundespaziergang aussieht, schreit nach dem Collie. Wie oft habe ich mir gewünscht, dass Hunde hören, diesmal wäre es mir entschieden lieber, der hier würde es nicht tun. Aber das Leben hält sich selten an meine Wünsche, und so ist es auch diesmal. Kaum erreiche ich Willich, dreht sich der Collie um und rast davon. Mit dem Kästchen.
Ich schnappe Willich und renne hinterher. Dabei rufe ich nur: »Bitte stehen bleiben, Ihr Hund hat da was! Ein Kästchen!« Auch wenn das mit Sicherheit komplett bekloppt geklungen hat, die Frau bleibt stehen. »Hallo, also mein Hund, der eigentlich gar nicht meiner ist, der hatte Ringe um den Hals, er ist der Ringbringer sozusagen. Die hat Ihr Hund jetzt im Maul.« Die Halterin schaut mich überrascht an. Kein Wunder bei dem Unsinn, den ich da von mir gegeben habe. »Bane, bei Fuß. Komm zu Mami«, ruft sie die edle Hündin zu sich. Sie erkennt meinen fragenden Blick. »Bane. Das ist Hawaiianisch und bedeutet ›Lang ersehntes Kind‹.«
Ich glaube, da hätte jede Psychotherapeutin gut zu tun. Mutti und »Lang ersehntes Kind«. Aber bitte: Jede, wie sie mag. »Das Kästchen! Schnell. Bitte. Ich habe es ein wenig eilig!«, bleibe ich bei meinem Thema. Ich traue mich nicht, einem fremden Hund ins Maul zu fassen. Mal davon abgesehen, dass das lang ersehnte Kind den Karton schon gut eingespeichelt hat. »Schön Sitz, mach mir die Freude und sei ein gutes Mädchen!«, redet Banes Mutti auf ihren Hund ein. »Sie mag es nicht, wenn man ihr was aus dem Mund nimmt!«, sagt sie freundlich und guckt mich an.
»Darauf kann ich jetzt leider keine Rücksicht nehmen, das sind Trauringe da drin, und das Brautpaar wartet seit einer guten halben Stunde darauf, dass ich komme. Mit Hund und Ringen. Wenn Sie denn so nett wären! Oder beißt Ihre Bane?« Hört sich nach einer Abkürzung von Banane an. Aber das kann mir im Moment egal sein. Ich strecke meine Hand Richtung Banes Maul aus.
»Sie beißt nur, wenn sie das Gefühl hat, ungerecht behandelt zu werden, da ist sie sensibel! An Ihrer Stelle würde ich das nicht tun!«, warnt sie mich, und weil ich tief in meinem Inneren ein Schisser bin, ziehe ich meine Hand sofort ängstlich zurück.
»Bane, Liebling, ich muss jetzt mal an dein Schnäuzchen ran, nicht erschrecken, Mami hat dich lieb!« Man sieht dieser Frau nicht an, wie gestört sie ist. Unheimlich. Aber sie macht es. Nähert sich dem Maul des Hundes, während sie mit der anderen Hand den Kopf des Tieres krault. Bane merkt, was los ist, erkennt die Absicht, schnappt und schluckt. Das Kästchen ist weg und mit ihm die Ringe.
Auch das noch! Erst keine Trauung und jetzt noch nicht mal Ringe. Alles, was oben reingeht, kommt auch wieder unten beziehungsweise hinten raus, schießt es mir durch den Kopf. »Bane, das war ein bisschen frech. Die Mutti hat Aua.« Sie hält dem Hund ihre Hand vor die Augen.
»Wie oft macht Ihr Hund am Tag? Wann hat der das verdaut?«, frage ich, wissend, dass es leckerere Themen gibt.
»Das kommt ein bisschen darauf an, sie hat einen sehr sensiblen Magen-Darm-Trakt. Das ist allerdings oft bei Sternzeichen Jungfrau. Die neigen zum Perfektionismus, und wenn etwas schiefgeht, schlägt es ihnen auf den Magen.«
Der Hund ist Sternzeichen Jungfrau! Bei der piept es ja...
Erscheint lt. Verlag | 1.1.2023 |
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Reihe/Serie | Ein Andrea Schnidt Roman | Ein Andrea Schnidt Roman |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | aktuelle Buchempfehlungen • Alter Humor • Andrea Schnidt • Andrea Schnidt Reihe • Bestseller • Buchempfehlungen Frauen • bücher zum lachen • Bücher zum Tränen Lachen • Buch Humor Frauen Liebe • buchtipps frauen • Comedy • Familiengeschichten • Familiengeschichten Romane • Familienroman • Frau ab 40 • Frau ab 50 • Frauenbücher • Frauenbücher ab 50 • Frauenroman • Frauenromane ab 50 • Frauenromane Bestseller • Freundin • Geschenk Buch Freundin • gute unterhaltung • Heiter • Humor • Humor Bücher • humorvolle Bücher • humorvolle Bücher für Frauen • humorvolle Romane • Intelligent • Lachen • lebensklug • lustig • Lustige Bücher • lustige Bücher für Frauen • lustige Familienromane • lustige Frauenromane • lustige Romane • netter Roman • reife Frau • Romane ältere Frauen • Romane heiter • Romane zum Lachen • Roman für Frauen • Roman zum Lachen • Schonungslos • Slapstick • SPIEGEL-Bestseller • Spiegel Bestseller Romane • Susanne Fröhlich • Susanne Fröhlich Andrea Schnidt Reihenfolge • Susanne Fröhlich bestes Buch • Susanne Fröhlich Bücher • symphatisch • Unterhaltung • Unterhaltungsromane für Frauen • Urlaubsbuch • Urlaubslektüre Frauen • warmherzig • witzige Bücher • witzige Romane • wohlfühlen • Wohlfühlroman |
ISBN-10 | 3-426-46713-5 / 3426467135 |
ISBN-13 | 978-3-426-46713-8 / 9783426467138 |
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