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Wie man ein Schmetterling wird (eBook)

Das kurze, mutige Leben meiner Tochter Reyhaneh Jabbari | Das Buch zum Film »Sieben Winter in Teheran« Friedensfilmpreis der Berlinale 2023 Der Kampf der Frauen im Iran für ihre Rechte
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
272 Seiten
Berlin Verlag
978-3-8270-8063-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wie man ein Schmetterling wird -  Shole Pakravan,  Steffi Niederzoll
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Der Kampf um das Leben meiner Tochter Der Fall der jungen Iranerin ging um die Welt: Als 19-Jährige wird sie fast vergewaltigt. Doch sie setzt sich zur Wehr und sticht den Angreifer nieder. Nach einem Schauprozess wird Reyhaneh Jabbari wegen vorsätzlichen Mordes zum Tod durch den Strick verurteilt. Sieben Jahre sitzt sie im Todestrakt und wird nicht müde, sich für Frauenrechte und für ihre Mithäftlinge einzusetzen. Ihre Mutter, eine prominente Schauspielerin, kämpft um das Leben der Tochter und kann auch internationales Interesse wecken.  Für Frauen, Leben, Freiheit! Die bewegende Lebensgeschichte einer couragierten jungen Frau, die wie ein Vorbote der mutigen Proteste im Iran wirkt: für Frauen, Leben, Freiheit! Der Tod ist nicht das Ende des Lebens Dieses Buch ist eine Hommage an das Leben - und eine Aufforderung an alle, für Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen, unabhängig von Religion, kultureller Zugehörigkeit oder Geschlecht. Eine Hommage an das Leben »Was sollen die Frauen tun? Wenn sie sich vergewaltigen lassen, sind sie schuldig. Wenn sie sich wehren und selbst verteidigen, sind sie schuldig. Wenn sie dagegen demonstrieren, sind sie schuldig. Also sollten die Mädchen sterben? Solange ich am Leben bin, auch wenn mein Handeln so lächerlich aussehen mag wie ein Brunnen, der versucht, den Himmel zu erreichen, werde ich nicht aufhören, gegen diese Ungerechtigkeit zu kämpfen.« Reyhaneh Jabbari - Das Buch zum Dokumentarfilm »Sieben Winter in Teheran«, der 2023 auf Festivals, im Kino und im Fernsehen läuft

Shole Pakravan wurde 1964 in Kermanschah, Iran geboren. Ab 1985 studierte sie an der Universität der Künste in Teheran und schloss mit einem Bachelor in Puppenspiel ab. Sie heirateteFereydoon Jabbari und bekam 1987 ihre älteste Tochter Reyhaneh. Zwei weitere Töchter folgten. Ihren Master beendete Sie 1999 an der Universität für Kunst und Kultur, Teheran im Fach Regie. Neben ihrem Studium begann sie als Schauspielerin zu arbeiten und entschloss sich nach Beendigung ihrer universitären Ausbildung, sich ganz auf diese Profession zu konzentrieren. Erfolgreich spielte sie 28 Jahre lang auf Irans Bühnen und leitete ein Kollektives Kulturzentrum. Am 7. Juli 2007 wurde ihre Tochter Reyhaneh verhaftet und zwei Jahre später zum Tode verurteilt. Shole Pakravan war maßgeblich am Kampf gegen die Hinrichtung ihrer Tochter beteiligt, die 2014 einen weltweiten Aufschrei auslöste. Im Oktober 2014 wurde Reyhaneh durch Erhängen mit dem Strick hingerichtet. 2017 verließ Shole Pakravan den Iran, da ihr wegen der öffentliche Anprangerung der Todesstrafe die Inhaftierung drohte. Seit 2017 lebt sie mit ihrer jüngsten Tochter in Deutschland. Ihrem Mann sowie ihrer mittleren Tochter wurde grundlos der Pass abgenommen, damit sie nicht ausreisen können. 2021 konnte ihre mittlere Tochter Sharare ihr folgen. 2019 tourte sie mit einem Theaterstück durch ausgewählte Städte in Deutschland, das auf den Schicksalen einzelnen Mütter im Iran basiert, die ihre Kinder durch die Todesstrafe verloren haben.

Shole Pakravan wurde 1964 in Kermanschah, Iran geboren. Ab 1986 studierte sie an der Universität der Künste in Teheran und schloss mit einem Bachelor in Puppenspiel ab. Sie heiratete Feridoon Jabbari und bekam 1988 ihre älteste Tochter Reyhaneh. Zwei weitere Töchter folgten. Ihren Master beendete Sie 2000 an der Universität für Kunst und Kultur, Teheran im Fach Regie. Neben ihrem Studium begann sie als Schauspielerin zu arbeiten und entschloss sich nach Beendigung ihrer universitären Ausbildung, sich ganz auf diese Profession zu konzentrieren. Erfolgreich spielte sie 28 Jahre lang auf Irans Bühnen und leitete ein Kollektives Kulturzentrum. Am 07. Juli 2007 wurde ihre Tochter Reyhaneh verhaftet und zwei Jahre später zum Tode verurteilt. Shole Pakravan war maßgeblich am Kampf gegen die Hinrichtung ihrer Tochter beteiligt, die 2014 einen weltweiten Aufschrei auslöste. Im Oktober 2014 wurde Reyhaneh durch Erhängen mit dem Strick hingerichtet. 2016 verließ Shole Pakravan den Iran, da ihr wegen der öffentliche Anprangerung der Todesstrafe die Inhaftierung drohte. Seit 2017 lebt sie mit ihrer jüngsten Tochter in Deutschland. Ihrem Mann sowie ihrer mittleren Tochter wurde grundlos der Pass abgenommen, damit sie nicht ausreisen können. Gerade tourt sie mit einem Theaterstück durch ausgewählte Städte in Europa, das auf den Schicksalen einzelnen Mütter im Iran basiert, die ihre Kinder durch die Todesstrafe verloren haben.

Fruchtsaft


Ein paar Wochen nach Reyhanehs Begegnung mit Dr. Sarbandi in der Eisdiele bekam sie einen Anruf von einer Nummer, die lediglich aus Achten bestand. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass kein normaler Bürger seine Telefonnummer auf diese Art unterdrücken oder abändern konnte. Reyhaneh verabredete sich mit ihm zu einem Geschäftstreffen. Mir war nicht wohl dabei, und ich wollte sie begleiten. Sie wehrte sich dagegen. Es sei peinlich, dass eine 19-jährige Frau mit ihrer Mutter zu einem Arbeitstreffen auftauche, aber ich bestand darauf.

Ich begleitete sie zu dem Postamt nahe der Sadr-Brücke, wartete aber auf ihr Drängen hin auf der anderen Straßenseite. Dr. Sarbandi kam nicht. Nach etwa 20 Minuten überzeugte ich Reyhaneh, wieder nach Hause zu gehen. »Was denkt er denn, wer er ist?«, schimpfte ich. »Vergiss ihn! Wir wollen so einen Job nicht.« Damit war die Sache für mich erledigt. Auf die Idee, dass er möglicherweise doch gekommen und weitergefahren war, als er mich gesehen hatte, kam ich damals nicht.

 

Auf dem Heimweg beschwerte sich meine Mutter wie immer. Sie sagte: »Nimm keine Anrufe mehr von dieser Nummer entgegen. Selbst wenn er sich meldet, arbeite nicht für ihn und überlasse die Aufgabe anderen in deiner Firma.« Ich wusste, dass ich das nicht tun würde. Ich wollte diesen Auftrag ganz allein annehmen, ausführen und stolz auf meine Leistung in so jungem Alter sein. Ich wollte nicht einmal, dass der Vertrag zwischen Dr. Sarbandi und der Firma geschlossen wurde. In meinem Kopf entwarf ich schon einen Vertrag zwischen Dr. Sarbandi und mir. […]

Nur ein paar Tage später erhielt ich einen weiteren Anruf von der gleichen merkwürdigen Nummer. Wieder war es Dr. Sarbandi. Wir vereinbarten ein Treffen am Abend in der Aghdasieh-Straße. Ich ging hin. Herr Sheikhi war bei ihm. […] Ständig klingelte sein Handy. Herr Sheikhi erklärte, dass Sarbandi am Abend zu einer Hochzeit eines Verwandten müsse. Dr. Sarbandi erzählte von seinem Geschäft: dem Import von Medikamenten, medizinischem Bedarfsmaterial und Geräten. Da ich zuvor in einer Firma gearbeitet hatte, die Medikamente importierte, kannte ich mich aus: Wenn wir ins Geschäft kämen, würde ich unbegrenzt Druckaufträge erhalten. Jeden Tag würde eine neue Broschüre gedruckt werden müssen, jeden Tag ein neuer Druckauftrag, täglich ein neuer Katalog.

Ich schlug vor, dass ich auch die Druckaufträge übernehmen könnte. Er schien nicht abgeneigt. Doch zunächst müsse er sehen, wie ich arbeite und seine Praxisräume gestalte. Wenn das Ergebnis zufriedenstellend sei, würde er mir die Druckaufträge geben. Er erwähnte auch jemand anderen, mit dem er verhandle, aber ich bestand darauf, dass er alle Aufträge an mich vergeben solle. Trotz meiner Kühnheit, nach Arbeit zu fragen, war ich zu schüchtern, um seine Telefonnummer zu erbitten. […] Wir verabredeten ein Treffen für Samstag[5], den 7. Juli 2007, um 18 Uhr.

Dass die nächsten zwei Tage die letzten sein sollten, die ich zu Hause verbringen würde, kam mir nicht in den Sinn. […] Zwei glückliche Tage: Ich war auf den Hochzeiten meiner Freundin und meiner Cousine.[6]

 

Die Vorbereitungen für die Vermählung von Azadeh, der Tochter meiner Cousine, gaben mir eine Vorahnung, was möglicherweise bald auf mich zukommen würde. Fast zwei Jahre zuvor hatte Reyhaneh auf einem studentischen Tagesausflug zu den Tange-Vashi-Wasserfällen den damals 20-jährigen Ehsan kennengelernt. Sie schwärmte von ihm, und ich freute mich für sie, nahm die Sache aber nicht allzu ernst. Außerhalb des familiären Kontextes ist es im Iran sehr schwer, vor dem Studium jemanden des anderen Geschlechts kennenzulernen. Erst in den Universitäten sitzen Frauen und Männer zusammen in den Klassen. Deshalb war ich mir sicher, dass Reyhaneh den Unterschied zwischen Schwärmerei und Liebe noch nicht kannte.

Ehsan war der einzige Sohn einer konservativen Familie und studierte Elektrowissenschaft. Als ich erfuhr, dass er schon mit seinen Eltern über Reyhaneh gesprochen hatte und sie heiraten wolle, war mir nicht wohl dabei. Fereydoon war gegen die Verbindung. Er war der Meinung, dass Reyhaneh erst einmal ihr Studium abschließen sollte. Sie sei viel zu jung, um sich an einen Mann zu binden. Und obwohl auch ich eine Heirat mit 19 Jahren viel zu früh fand, verstand ich meine Tochter. Sie hatte Gefühle für den jungen Mann, hatte Träume, die ich als junge Frau auch hatte. So redete ich Fereydoon zu. Nachdem Ehsan sich uns offiziell vorgestellt hatte, erlaubten wir schließlich, dass sich die beiden treffen durften, um sich besser kennenzulernen. Sie telefonierten regelmäßig und sahen sich hin und wieder, wenn ihr Studium es zeitlich zuließ – trotz des Risikos, wegen einer unehelichen Beziehung von Sittenwächtern aufgegriffen zu werden.

Im Iran ist eine uneheliche Beziehung zwischen Mann und Frau rechtlich nicht gestattet. Die Mehrheit der Iranerinnen und Iraner hält sich jedoch nicht daran. Eigentlich dürfen sich Unverheiratete noch nicht einmal allein in demselben geschlossenen Raum aufhalten. Sogar im Bus sitzen die Männer im vorderen Teil, während die Frauen hinten sitzen. Es gibt Universitäten, die nach Geschlechtern getrennte Eingänge haben. In Vorlesungen dürfen Männer und Frauen nicht direkt nebeneinandersitzen. Sie dürfen sich nicht berühren und sich nicht die Hand geben. Zusammen zu arbeiten ist möglich, allerdings ohne Nähe und ohne eine private Beziehung zu haben.

Natürlich kommt es immer wieder vor, dass die Sittenpolizei ein unverheiratetes Paar erwischt und inhaftiert. Da die Jugendlichen mit diesen Regeln aber aufgewachsen sind, können sie innerhalb weniger Sekunden von einem nahen, freundschaftlichen Verhältnis zu einem distanzierten wechseln und so die strengen Auflagen umgehen. Wir vertrauten darauf, dass Reyhaneh und Ehsan alles daransetzen würden, kein Aufsehen zu erregen und sich nicht von Sittenwächtern erwischen zu lassen.

Shahrzad, Fereydoon und Reyhaneh auf Azadehs Hochzeit[11]

 

Am Tag von Azadehs Hochzeit waren wir alle früh auf den Beinen. Reyhaneh und ihre beiden Schwestern ließen sich in einem Schönheitssalon ihre Haare und ihr Make-up machen. Es war das erste Mal in Shahrzads Leben, dass ihre Augenbrauen gezupft wurden. Obwohl es den Mädchen laut Gesetz verboten war, sich vor der Ehe die Augenbrauen zupfen zu lassen, scherten sich zu dieser Zeit die wenigsten Teenager darum. Meine älteren beiden Töchter hatten die Technik, sich eigens zurechtgeschnittene Haare auf die Augenbrauen zu kleben, perfektioniert. Nicht einmal die strengen Lehrerinnen bemerkten die Täuschung bei ihren stichprobenartigen Kontrollen.

Seit Jahren untergruben die jungen Iranerinnen den islamischen Kleiderkodex, der für die Frau ein schwarzes Kopftuch oder hijab[7] und einen schwarzen weiten manto[8] vorschrieb, um Haut und Körperformen zu verdecken. Man sah auf Teherans Straßen immer mehr Frauen mit Make-up, die Kopftücher wurden immer bunter und rutschten immer weiter hinter den Haaransatz, und die konservativen schwarzen mantos wurden von figurbetonteren Trenchcoats abgelöst. Auch war es bei jungen Frauen in Reyhanehs Alter üblich, ihr Kopftuch in geschlossenen Räumen nicht nur vor mahram[9], also männlichen nahen Verwandten, in Gänze abzunehmen. Ich beobachtete diese Veränderungen einerseits mit Nachsicht für die jungen Frauen, befolgte selbst aber weiterhin das Verschleierungsgebot.

Als meine drei Töchter von ihren Besuchen in den Schönheitssalons zurückkehrten, war ich nicht sonderlich begeistert: Sie waren alle stark geschminkt und ihre Augenbrauen nur noch Striche. Während ich noch versuchte, sie davon zu überzeugen, ihr Make-up zu reduzieren, probierten die drei schon herumalbernd ihre Kleider an.

Wir gingen auf die Hochzeit, und Reyhaneh, die nur kurz auf der Vermählung einer Freundin vorbeigeschaut hatte, stieß gut gelaunt zu uns. Ihr stilvolles Kleid betonte ihre hohe, schlanke Figur, gab aber auch nicht zu viel preis. Am Hochzeitsabend hielt ich mich für einen Moment am Rande der Festlichkeiten auf und beobachtete Reyhaneh, wie sie voller Freude mit kleinen Schritten und grazilen Bewegungen mit ihrem Vater tanzte. Ein...

Erscheint lt. Verlag 26.1.2023
Zusatzinfo Mit zahlreichen Fotos
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Schlagworte Amnesty International • Berlinale • Buch zum Film • Feminismus • Femizit • Folter • Frauen • Frauen im Iran • Frauen, Leben, Freiheit • Freiheit • Friedensfilmpreis der 73. Berlinale • für Frauen • Gefängnis • Gefängnisinsasse • Hinrichtung • Isolationshaft • Kampf für Frauenrechte • Leben • Politische Gefangene • Protest • Proteste im Iran • Reyhaneh Jabbari • Schauprozess • Sieben Winter Buch zum Film • Sieben Winter in Teheran • Sieben Winter in Teheran Buch • Teheran • Tehran • Todesstrafe • Verbrechen an Frauen • Vergewaltigung • Widerstand • Zivilcourage
ISBN-10 3-8270-8063-0 / 3827080630
ISBN-13 978-3-8270-8063-9 / 9783827080639
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