Alle Farben meines Lebens (eBook)
368 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60300-3 (ISBN)
Cecelia Ahern ist eine irische Romanautorin. Ihr Debütroman »PS: Ich liebe dich« wurde 2004 veröffentlicht und war ein internationaler Bestseller. Er wurde mit Hilary Swank in der Hauptrolle verfilmt. Ihr zweiter Roman »Für immer vielleicht« wurde als Love, Rosie mit Lily Collins in der Hauptrolle verfilmt. Ihre Bücher wurden in über siebenunddreißig Sprachen veröffentlicht und haben sich über fünfundzwanzig Millionen Mal verkauft. Neben ihren Romanen ist sie auch die Autorin einer hochgelobten Geschichtensammlung, »Frauen, die ihre Stimme erheben. Roar« die als Apple Original Serie mit Nicole Kidman in der Hauptrolle auf Apple TV+ zu sehen ist. Cecelia Ahern erzählt Geschichten über Menschen, die eine Zeit des Wandels durchleben. Sie beschreibt ihre Bücher folgendermaßen: »Ich hole meine Figuren dort ab, wo sie gefallen sind, und bringe sie von ihrem Tiefpunkt zurück. Ich mag es, Dunkelheit und Licht, Traurigkeit und Humor zu mischen.«
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Cecelia Ahern erzählt Geschichten über Menschen, die gerade durch eine Phase der Veränderung gehen. Sie selbst beschreibt ihre Bücher mit den Worten: »Ich fange meine Figuren dort auf, wo sie gefallen sind, und begleite sie von ganz unten wieder zurück. Ich mische gern Dunkelheit und Licht, Trauer und Humor.« Cecelia Ahern ist eine der erfolgreichsten Autorinnen der Welt. Sie schreibt zeitgenössische Romane, Novellen, Storys, Jugendbücher, TV-Konzepte und Theaterstücke. Ihre Romane wurden fürs Kino oder fürs Fernsehen verfilmt. Cecelia Ahern hat Journalistik und Medienkommunikation studiert und lebt mit ihrer Familie in Dublin. Mehr über die Autorin: Website: www.cecelia-ahern.de Facebook: @ceceliaahernofficial
Rost
Ganz am Anfang sah ich an einem Menschen jeweils nur eine deutlich sichtbare Farbe.
Blau für Lily.
Rosa für Hugh.
Doch mit der Zeit nimmt die Anzahl der Farben um ein Individuum zu. Sie wirken wie verschiedene Schichten. Die Menschen laufen wie fluoreszierende Zwiebeln durch die Gegend. Im Lauf der Jahre werden die Farben intensiver, und gleichzeitig stellen meine Instinkte sich darauf ein. Das geschieht nicht alles auf einmal, vielmehr ist es ein langsamer, evolutionärer Prozess, und ich muss ständig herausfinden, wie sich ihre Bedeutung entschlüsseln lässt. Aus meiner sechsjährigen Schulzeit an der Academy gehe ich völlig verändert hervor, wenn auch nicht so, wie man wohl erwartet hatte. In meiner Kindheit waren meine Fähigkeiten begrenzt und ließen nur ein grundlegendes Verständnis der Menschen zu, aber jetzt, als Erwachsene, bin ich besser auf ihre Schichten eingestimmt. Ob es mir nun gefällt oder nicht.
»Ich bin nicht hergekommen, um über meine Periode zu sprechen«, fahre ich den Hausarzt schließlich an. »Ich bin nicht hier, weil ich ein Völlegefühl habe, sondern weil ich Farben um Menschen sehe. Farben. Die um ihre Köpfe und Körper herumtanzen. Verstehen Sie? Fröhliche Farben, traurige Farben. Und ich spüre sie, wenn sie mir nahe kommen, sie färben auf mich ab, und was auch immer die anderen empfinden, empfinde dann auch ich. Begreifen Sie das? Eigentlich habe ich das alles schon ziemlich genau erklärt.«
Ich schreie, aber das kümmert mich nicht. Hierherzukommen hat mich viel Überwindung gekostet. Endlich habe ich die Academy hinter mir gelassen, und diesen Schritt wollte ich schon lange tun. Einen Arzt aufsuchen. Ihm die Wahrheit sagen. Kuriert werden. Gebt mir die magische Pille, die dagegen hilft, irgendetwas, ich nehme alles. In der vergangenen Nacht habe ich kein Auge zugetan. Ich lag im Bett und malte mir all die Dinge aus, die man mit mir anstellen könnte, sobald ich die Worte laut aussprechen würde. Ich sehe die Farben von Menschen. Zwangseinweisung zum Beispiel, mich für arbeitsunfähig erklären.
»Diese heftigen Migräneattacken und das, was Sie als hochgradige Empfindlichkeit beschreiben, können Symptome eines Hormonungleichgewichts sein oder auch von PMS …«
Migräne mit Aura, Synästhesie und nun PMS. Ich lasse ihn nicht ausreden. Es ist Zeitverschwendung. Ich stehe auf, stürme aus dem Behandlungszimmer und knalle die Tür hinter mir zu. »Dafür bezahle ich nicht«, sage ich im Vorübergehen zur Sprechstundenhilfe. »Er ist ein beschissener Arzt«, füge ich für die verdutzten Menschen im Wartezimmer hinzu.
Als ich nach meinem Arbeitstag in einem Coffeeshop in die Wohnung zurückkehre, verlässt Poh das Zimmer. Mit gesenktem Blick und ohne mir in die Augen zu sehen, schließt sie die Schlafzimmertür mit einem leisen Klicken hinter sich. Argwöhnisch betrachte ich Hugh.
Er zieht einen Stuhl heran und bedeutet mir, Platz zu nehmen. Vor mir liegt eine Auswahl an Broschüren zu verschiedenen Studiengängen und Abschlüssen.
»Hör mir einfach zu und nimm’s mit Humor«, sagt er.
»Ein Engländer, ein Ire und ein Schotte gehen auf eine Swingerparty …«
»Alice«, sagt er in seinem erwachsenen, supervernünftigen Hugh-Tonfall.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht zur Uni gehen möchte.«
»Dort sind zu viele Menschen«, wiederholt er meine oft wiederholten Worte. »Neue Orte, neue Aufgaben, schreckliche Lehrkräfte und Dozierende, die dir vorschreiben wollen, was du zu tun hast. Du kannst es nicht ab, wenn dir jemand vorschreibt, was du tun sollst. Du magst das Vertraute, du willst, dass die Dinge unkompliziert sind, du hast gern alles im Griff, du magst das Café, in dem du arbeitest«, sagt er und bringt damit alle meine Ängste auf den Punkt.
Einen Moment lang lässt er das alles in der Luft schweben. Er versteht es, das kapiere ich, und jetzt bin ich an der Reihe, einmal ihm zuzuhören.
»Aber du bist achtzehn Jahre alt, und du kannst nicht ewig so weiterleben. Niemand bleibt auf einem Sprungbrett stehen, Alice. Die Uni ist ganz anders als die Schule. Du bist erwachsen, du kannst dort kommen und gehen, wann du willst, du kannst dir in Vorlesungen einen Einzelplatz suchen, du kannst zum Mittagessen vom Campus verschwinden, du kannst machen, was auch immer du willst, du kannst weiterhin stundenweise im Café jobben – ja, das wirst du sogar tun müssen –, aber du besuchst die Kurse, du erledigst die Arbeit, und du machst deinen Abschluss.«
»Und was dann?«
»Dann gehst du.«
»Wohin?«
»Irgendwohin. Weg. Fort von hier. Der Abschluss ist deine Eintrittskarte in eine Zukunft deiner Wahl. Die Welt steht dir offen. Stell sie dir vor wie eine Auster, die sich ganz leicht öffnen lässt.«
»Austern sind widerlich.«
»Du hast noch nie eine probiert.«
Das ist der Unterschied zwischen ihm und mir. Er würde sie probieren, würde immer herausfinden, ob er etwas mag oder nicht. Er ist offen, ich bin verschlossen. Er nennt das hier ein Sprungbrett, ich nenne es einen sicheren Unterschlupf. Und er macht sich Sorgen um mich, ständig macht er sich Sorgen. Im Gegensatz zu ihm bin ich nicht ehrgeizig, ich habe keinen Drive. Ich habe keine Hobbys, keine Leidenschaften, keine Freunde, und ich habe keine Ahnung, was ich tun oder wer ich sein möchte. Ich bin besser darin, mich zu Hause zu verkriechen und einen Bogen um alles zu machen. Mich an der Seite in den Schatten herumzudrücken. Er möchte, dass ich das absolut Beste aus mir heraushole, dabei ist es schon schwierig genug, überhaupt nur zu existieren. Über seiner Schulter sehe ich eine neue Farbe. Es ist keine seiner üblichen Farben, und sie bewegt sich auch anders. Sie ist wie Beton, der gerade gemischt wird, zäh und dickflüssig, eine schlammige, breiige Konsistenz. Eine wachsende Last auf seiner Schulter.
Er folgt meinem Blick, sieht in die leere Luft, dann wieder zu mir. »Was denn?«
»Du brauchst eine Massage.«
»Ich weiß, meine Schulter tut höllisch weh.« Er beginnt, sie selbst unsanft zu kneten. »Kannst du es sehen?«
»Ja.« Ich greife wahllos nach einer Broschüre. Ich will keine Last sein. »Na gut. Ich werde mir die Sachen ansehen.«
»Vielleicht könntest du Masseurin werden«, sagt er und lässt seine Schulter kreisen.
»Ja klar, eine, die niemanden anfasst.«
»Dann eben die Assistentin einer Masseurin, oder noch besser, die Chefin. Du lässt die anderen die körperliche Arbeit erledigen, während du den Schmerz genau lokalisieren kannst.«
Er neckt mich nur, aber seine Einsicht in meine Fähigkeit, Schmerz zu erkennen, trifft mich. »Vielleicht lieber ein Job, bei dem ich Freude lokalisieren kann.«
Uns beiden fällt keiner ein.
Als Ollie nach Hause kommt, ist es drei Uhr morgens. Ich sitze im Dunkeln auf dem Sofa und halte die Tür im Blick, während ich auf ihn warte. Lily hatte – gelinde gesagt – aufgelöst bei Hugh angerufen, doch er war mit Poh ausgegangen. Er hätte zu ihr kommen und sie trösten sollen, mit Ollie sprechen, wieder einmal als Schiedsrichter fungieren. Stattdessen kam ich zu ihr, widerwillig. Ollie trägt eine Jacke von Canada Goose und Turnschuhe. Die Jacke kostet über tausend Euro, und sie sieht genauso aus wie die, die er Lily zu Weihnachten geschenkt hat, zusammen mit einem Haufen Bargeld, der in eine Dose Quality Street gestopft war.
Bei meinem Anblick erschrickt er kurz, dann überspielt er es mit dem üblichen Maulheldentum.
»Hi, Freak«, sagt er.
»Hi, Drogendealer«, erwidere ich.
Mit einem Schnauben geht er in die Küche und rumort dort lautstark herum. Als er an mir vorbei hineingegangen ist, bin ich erschaudert. Die Härchen an meinen Armen haben sich aufgerichtet, und ich habe eine Gänsehaut bekommen. Mich hat eine kalte Angst vor meinem kleinen Bruder gepackt.
»Was hast du getan?« Ich höre das Zittern in meiner Stimme. Er auch. Er taucht in der Tür auf, die Augen dunkel, und genießt meine Angst genauso lustvoll wie die Packung Schinkenscheiben in seiner Hand.
»Wovon redest du, Freak?«
»Ollie.« Ich versuche, seine menschliche Seite anzusprechen, und nicht diese monströse Energie, die wie Dampf von ihm aufsteigt. Er ist high – kein Drogen-High, sondern etwas anderes,...
Erscheint lt. Verlag | 27.10.2022 |
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Übersetzer | Ute Brammertz, Carola Fischer |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | In a Thousand Different Ways |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Außenseiter • Besondere Begabung • Bipolare Störung • Bücher Behinderung • Bücher Bestsellerautorin • Bücher Frauen • bücher selbstbewusstsein • bücher selbstfindung • bücher selbstliebe • Bücher Unterhaltung • Cecelia Ahern • Coming-of-age • Entwicklungsroman • Familienangehörigen pflegen • Familienleben • Frauenleben • gehobene Frauenunterhaltung • Gehobene Unterhaltung • gute unterhaltung • PS: Ich liebe dich • Roman Bestseller Frauen • Roman England • Roman gebunden • Roman Hardcover gebunden Novität • roman london • Roman Neuerscheinung 2022 • Roman Neuerscheinungen • sick-lit • Spiegelbestsellerautorin • Synästhesie • Zugehörigkeit |
ISBN-10 | 3-492-60300-9 / 3492603009 |
ISBN-13 | 978-3-492-60300-3 / 9783492603003 |
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