The Darkest Gold - Die Verräterin (eBook)
448 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01608-8 (ISBN)
Raven Kennedy wurde in Kalifornien geboren. Ihre Liebe zum Lesen hat sie schließlich dazu gebracht, eigene Welten zu kreieren. Sie hat bereits mehrere Buchserien veröffentlicht, der Durchbruch gelang ihr mit der «The Darkest Gold»-Reihe, einer dunklen Neuinterpretation des König-Midas-Mythos. Die Romane haben sich bisher mehr als drei Millionen Mal verkauft, die Übersetzungsrechte wurden in etliche Länder lizensiert, eine Verfilmung befindet sich in Vorbereitung.
Raven Kennedy wurde in Kalifornien geboren. Ihre Liebe zum Lesen hat sie schließlich dazu gebracht, eigene Welten zu kreieren. Sie hat bereits mehrere Buchserien veröffentlicht, der Durchbruch gelang ihr mit der «The Darkest Gold»-Reihe, einer dunklen Neuinterpretation des König-Midas-Mythos. Die Romane haben sich bisher mehr als drei Millionen Mal verkauft, die Übersetzungsrechte wurden in etliche Länder lizensiert, eine Verfilmung befindet sich in Vorbereitung. Anita Nirschl träumte als Kind davon, alle Sprachen der Welt zu lernen, um jedes Buch lesen zu können, das es gibt. Später studierte sie Englische, Amerikanische und Spanische Literatur an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Seit 2007 arbeitet sie als freie Übersetzerin und hat zahlreiche Romane ins Deutsche übertragen.
Kapitel 2
Auren
Der Schnee unter den hölzernen Rädern der Kutsche ist ebenso aufgewühlt wie mein Magen.
Jede Umdrehung schleudert eine weitere Erinnerung vor mein geistiges Auge, ein endloser Kreislauf, der mich unablässig bombardiert, wie Geier, die Aas vom Himmel fallen lassen.
Der Tod klebt an mir.
Ich wollte so sehr meinen Käfig verlassen. Ungehindert in Midas’ Burg umherstreifen können. Meine Langeweile und Einsamkeit waren wie ein klaffendes Gähnen. Ich konnte nicht sprechen, konnte nicht schlucken, konnte die Lippen nicht schließen. Mein Mund hat sich immer weiter geöffnet, während ich wünschte und hoffte, dass endlich ein tiefer Atemzug in meine Lunge strömen und mich aus dem immer festeren Würgegriff meiner Gitterstäbe befreien würde.
Doch jetzt …
… klebt Blut an meinen Händen, auch wenn kein Rot meine Haut verfärbt. Aber ich spüre es dort, wann immer ich meine Fingerspitzen berühre, als wäre die Wahrheit in die Schicksalslinien meiner Handflächen eingegraben.
Meine Schuld. Segls Tod, Nissas Leid, Digbys Verschwinden, all das ist meine Schuld.
Mein Blick wandert hinauf zum wolkenverhangenen Himmel, obwohl ich den Schleier aus Weiß und Grau nicht wirklich sehen kann. Stattdessen rieseln diese unerbittlich wirbelnden Erinnerungen hinter meinen Schläfen weiter hinab, sammeln sich hinter meinen Lidern an.
Ich sehe Digby davonreiten, seine immer kleiner werdende Gestalt eingeklemmt zwischen einem schwarzen Himmel und einem weißen Erdboden. Ich sehe, wie rote Flammen aus den Pfoten der Feuerklauen lodern, wie pulvriger Schnee unter den Schiffen der Piraten aufgewirbelt wird, den Wellen eines gefrorenen Meers gleich. Ich sehe Nissa weinen, Kapitän Fane über ihr, einen Gürtel in der Hand.
Aber vor allem sehe ich Segl vor mir. Ich sehe, wie der Dolch des Kapitäns sich in sein Herz bohrt wie eine Spindel in einen Finger, wie sein Blut in roten Fäden hervorquillt, sich zu einer Lache auf der Erde spinnt.
Ich kann immer noch den Schrei spüren, der in mir aufstieg, als sein Körper zusammensackte, aufgefangen von meinen Händen und der bitteren Umarmung des Todes.
Meine Kehle ist roh und wund von dieser Nacht, die niemals enden wollte. Zuerst schrie sie klagend auf vor Kummer und Entsetzen, dann wurde sie zugeschnürt, jeder Hoffnung auf Atem beraubt. Das war, als die Roten Räuber Segls Leiche an den Mast des Schiffs knüpften und eine grausame Farce aus seinem Namen machten, indem sie ihn als Segel ihres segellosen Schiffes hissten.
Ich werde nie vergessen, wie sein steifer Körper dort hing, wie Wind und Schnee auf seine glasig starrenden blauen Augen einprasselten.
Genau wie ich nie vergessen werde, wie ich seine Leiche mit jedem Quäntchen meiner Kraft über Bord gewuchtet habe, damit die Piraten ihn nicht weiter schänden konnten.
Meine schmerzenden Bänder pochen bei der Erinnerung daran, wie ich die Taue durchschnitten habe, die ihn hielten, wie ich seinen kalten Leichnam über die rauen, hölzernen Planken zerrte.
Er war der erste Freund, den ich in zehn Jahren hatte. Und ich durfte nur für so kurze Zeit mit ihm zusammen sein, bevor ich zusehen musste, wie er direkt vor meinen Augen brutal ermordet wurde.
Dieses Ende hat er nicht verdient. Er verdient kein namenloses Grab in der Leere des Ödlands, begraben von einem Meer aus Schnee.
Alles wird gut, es wird gut, alles gut.
Ich kneife die Augen zu, als seine Stimme in meinen Ohren widerhallt und mir mitten ins Herz sticht. Er hat versucht, mich zu beruhigen, hat versucht, mir Mut und Hoffnung zu schenken, aber wir beide kannten die Wahrheit. Sobald meine Kutsche sich überschlagen hatte und die Roten Räuber uns gefangen nahmen, würde gar nichts mehr gut werden.
Er wusste das, und trotzdem versuchte er, mich zu verteidigen, mich zu beschützen, bis zu seinem letzten Atemzug.
Ein quälendes Schluchzen steigt in meiner Kehle auf und verheddert sich mit dem Schmerz dort, wie ein Faden, der an einem Nagel hängen bleibt. Meine goldenen Augen brennen, als eine weitere salzige Träne über meine vom Wind raue Wange rollt.
Vielleicht werde ich bestraft von der großen Göttlichkeit – der Gesamtheit aller Götter und Göttinnen dieser Welt. Vielleicht ist das, was geschehen ist, eine Warnung, dass ich zu viel auf einmal wollte. Dass ich nicht vergessen darf, wie viele Schrecken es in der Welt da draußen gibt.
Ich war in Sicherheit. Auf dem Gipfel eines eisverkrusteten Berges, hoch oben in einem goldenen Schloss in meinem goldenen Käfig war ich vollkommen sicher. Aber ich wurde unzufrieden. Gierig. Undankbar.
Das habe ich nun davon. Das alles hier ist meine Schuld. Weil ich diese hochtrabenden Gedanken hatte, weil ich noch mehr wollte, als ich ohnehin schon hatte.
Ich spüre, wie meine geschwächten Bänder beben, als wollten sie sich heben und meine geschwollene Wange streicheln, als wollten sie mir Trost spenden.
Aber den verdiene ich nicht. Segl wird nie wieder Trost bei seiner Mutter finden. Nissa wird keinen Trost in den Armen der Männer finden, mit denen sie für Geld schlafen muss. Und Midas wird ganz gewiss keinen Trost finden, jetzt, wo eine Armee auf ihn zumarschiert.
Draußen ziehen die Soldaten des Vierten Königreichs durch den Schnee, eine dunkle Heeresmacht, die über das weite Ödland marschiert – ein Strom aus schwarzem Leder und schlanken, schwarzen Pferden, der sich durch das Land ewiger Kälte voranfrisst.
Ich verstehe nun, warum ganz Orea die Armee von König Ravinger fürchtet – von König Fäule. Das liegt nicht nur an seiner Magie; auch die Soldaten an sich sind schon ein furchterregender Anblick, selbst wenn sie noch nicht ihre volle Schlachtrüstung tragen.
Doch nicht so furchterregend wie der Kommandant, der sie anführt.
Von Zeit zu Zeit erhasche ich einen Blick auf ihn, wie er draußen auf seinem Pferd reitet. An seinem Rücken zieht sich eine Reihe gekrümmter, dornartiger Stacheln entlang, wie grausam herabgezogene Mundwinkel. Schwarze Augen, die bodenlosen Gruben gleichen, warten darauf, jeden zu verschlingen, der es wagt, in sie hineinzublicken.
Fae.
Ein reinblütiger Fae direkt vor aller Augen. Nicht im Verborgenen, sondern an der Spitze der Armee eines grausamen Königs.
Unser Gespräch geht mir erneut durch den Kopf und lässt meine Handflächen feucht werden, lässt meine Hände zittern.
Ich weiß, was du bist.
Lustig. Dasselbe wollte ich gerade zu dir sagen.
Mein Verstand geriet ins Stocken, als er diese Worte aussprach, und ich starrte ihn mit offenem Mund an wie ein Fisch, der nach Luft schnappt. Er schmunzelte nur, wobei er flüchtig seine scharfen Fangzähne aufblitzen ließ. Dann wies er mit einem schroffen Nicken zu dieser Kutsche und ließ mich hineinsperren.
Aber ich bin es gewohnt, weggesperrt zu werden.
Schon seit Stunden bin ich hier drin. Ich bange und grüble, allein mit meinen Tränen und rauen Atemzügen, während ich versuche, mit dem Verstand all das zu erfassen, was geschehen ist.
Und vor allem erlaube ich mir, mich gehen zu lassen, solange niemand hier ist, der es sehen könnte.
Ich bin nicht so dumm, vor den Soldaten da draußen Schwäche zu zeigen, besonders nicht vor ihrem Kommandanten.
Also lasse ich jetzt alle Gefühle zu, im Schutz dieser hölzernen Wände, lasse meine Emotionen fließen, lasse die verzweifelte Frage Was nun? durch meinen Kopf kreisen.
Denn eines weiß ich: Sobald die Kutsche für die Nacht anhält, kann ich es mir nicht mehr leisten, auch nur eine Spur meiner Verletzlichkeit durchschimmern zu lassen.
Also sitze ich nun da.
Ich sitze da und ich sehe aus dem Fenster, mit wirbelnden Gedanken, schmerzendem Körper, fließenden Tränen, während ich sanft die Knoten aus meinen armen, misshandelten Bändern zupfe.
Die goldenen, seidigen Stränge, die rechts und links meines Rückgrats wachsen, fühlen sich zerrissen an. Sie schmerzen und brennen, wo Kapitän Fane sie brutal verknotet hatte. Jede Berührung lässt sie zusammenzucken, sodass ich die Zähne aufeinanderpresse.
Ich brauche Stunden dafür, schwitzend und zitternd mit schmerzverzerrtem Gesicht, doch es gelingt mir schließlich, die Knoten zu lösen.
«Endlich», murmele ich, als ich das letzte Band ablege.
Ich straffe die Schultern. Dabei kneift die Haut entlang meines Rückgrats, dem die Bänder entsprießen, zwölf auf jeder Seite, von der Höhe meiner Schulterblätter bis knapp über dem Ansatz meines Pos.
Ich breite alle vierundzwanzig Stränge aus, so gut ich es in diesem beengten Raum eben kann, und streiche sie mit sanften Berührungen glatt, in der Hoffnung, den Schmerz ein wenig zu lindern, der in ihnen pocht.
Sie sehen verknittert und schlaff aus, wie sie auf der Sitzbank und dem Boden der Kutsche liegen. Sogar ihr goldener Schimmer ist getrübt, wie angelaufenes Gold, das dringend poliert werden müsste.
Ich stoße einen zitternden Seufzer aus. Meine Finger sind wund von der langen Zeit, die ich gebraucht habe, um jeden einzelnen Knoten aufzuknüpfen. Noch nie haben meine Bänder so schlimm wehgetan. Ich bin es gewohnt, sie zu verstecken und geheim zu halten. Darum habe ich sie noch nie so eingesetzt wie auf dem Piratenschiff, und das macht sich bemerkbar.
Während ich meinen Bändern Ruhe gönne, nutze ich das letzte graue Tageslicht, um den Rest meines Körpers zu untersuchen. Meine Schultern und mein Kopf schmerzen noch immer davon, wie ich in der sich überschlagenden Kutsche...
Erscheint lt. Verlag | 13.6.2023 |
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Reihe/Serie | The-Darkest-Gold-Reihe | The-Darkest-Gold-Reihe |
Übersetzer | Anita Nirschl |
Zusatzinfo | Mit Abbildungen |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Blood and Ash • crescent city • Dark Fantasy • Dark Romance • Endlich Kyss • Fae • Fantasy • Fantasy Bücher Erwachsene • Fantasy Roman • Fantasy Romance • gild deutsch • Glint deutsch • griechische Mythologie • Hades • Jennifer L Armentrout • Kyss • Lyx Verlag • Maxym M. Martineau • Persephone • Plated Prisoner deutsch • Raven Kennedy Bücher deutsch • Raven Kennedy deutsch • Romance • Romantasy • Sarah J. Maas • Schattentanz • Tiermagierin • TikTok • tiktokhomepage |
ISBN-10 | 3-644-01608-9 / 3644016089 |
ISBN-13 | 978-3-644-01608-8 / 9783644016088 |
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