Nicht aus der Schweiz? Besuchen Sie lehmanns.de

Mindset (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman | Der Debütroman von El Hotzo
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
288 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30426-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mindset -  Sebastian Hotz
Systemvoraussetzungen
9,99 inkl. MwSt
(CHF 9,75)
Der eBook-Verkauf erfolgt durch die Lehmanns Media GmbH (Berlin) zum Preis in Euro inkl. MwSt.
  • Download sofort lieferbar
  • Zahlungsarten anzeigen
Maximilian Krach hat alles, was sich ein im Internet sozialisierter junger Mann im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wünschen kann: teure Uhren, eine amtliche Anzahl Follower, eine so einfache wie geniale Geschäftsidee und einen unerschütterlichen Glauben an die eigene Einzigartigkeit. Da ihm daran gelegen ist, seine Erkenntnisse und Einsichten zu teilen, nimmt er sich alle paar Wochen die Zeit, um einem vollbesetzten Seminarraum in mittleren und kleinen deutschen Großstädten seine Ideen zuteilwerden zu lassen. Es geht um Wölfe und Schafe, um berühmte Einzelgänger und um den Schlüssel zum Erfolg, der nicht, wie so viele glauben, irgendwo da draußen liegt, sondern viel, viel näher: im richtigen Mindset.   Doch wer deswegen glaubt, der Weg nach ganz oben sei nicht beschwerlich und fordernd, nicht gesäumt von dornigen Chancen und unbelehrbaren Bedenkenträger*innen, hat natürlich nichts verstanden. Es sind Lektionen, die auch Mirko noch bevorstehen, der sich aufmacht, mit Maximilians Hilfe aus seinem trostlosen Alltag auszubrechen. Und so werden Präsentationen gestrickt und Postings geplant, Sportwagen gemietet und NFTs gemintet, bis eine arglos abgesetzte Pizzabestellung in einer Gütersloher Winternacht Erkenntnisse bereithält, die sich nur sehr schwer in wichtige Learnings übersetzen lassen. Ein Roman über Männer, die keine Zeit und keine Lust haben, an ihrer Durchschnittlichkeit zu verzweifeln, und eine Gesellschaft, die deren Ausflüchte irgendwie bewältigen muss. Als ob es nicht schon genug Probleme gäbe.

Sebastian Hotz, geboren 1996, aufgewachsen in Franken, absolvierte ein duales Studium in Wirtschaftswissenschaften in Erlangen/Nürnberg, bevor ihn die Windungen des Internets erst nach Bielefeld und schließlich nach Berlin führten. Seine gesellschaftskritischen und treffsicheren Postings auf Instagram und Twitter werden täglich von 1,5 Millionen Menschen gelesen. Sein Debütroman war ein Bestseller.

Sebastian Hotz, geboren 1996, aufgewachsen in Franken, absolvierte ein duales Studium in Wirtschaftswissenschaften in Erlangen/Nürnberg, bevor ihn die Windungen des Internets erst nach Bielefeld und schließlich nach Berlin führten. Seine gesellschaftskritischen und treffsicheren Postings auf Instagram und Twitter werden täglich von 1,5 Millionen Menschen gelesen. Sein Debütroman war ein Bestseller.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 2 


Acht Stunden Schlaf sind gesund, so stand es im zunehmend vergilbten Biologielehrbuch der achten Klasse, auf dessen Seiten 72 und 73 sich die in bemüht asexuellem Stil gezeichneten Abbildungen zweier nackter Menschen befanden, die dennoch allzeit für pubertäres Getuschel sorgen konnten. Napoleons Geheimnis sei gewesen, dass er nur fünf Stunden gebraucht habe, Angela Merkel angeblich sogar nur vier. Um das Ziel minimalen Schlafbedarfs zu erreichen, braucht es nichts weiter als die richtige Technik. Der menschliche Körper lässt sich ohne Weiteres austricksen. Powernaps und ERM, Schlaflabore und Smartwatches, Tiefschlafphasen und Traumperioden, richtig Schlafen muss man lernen, das kann man nicht einfach so der stumpfen Natur überlassen, wo kämen wir denn dann hin? Schlafratgeber, Matratzentestsieger, schwedische Möbelgiganten, die damit werben, dass man auf ihren von Kinderhänden genähten Futons am besten und vor allem am effektivsten schlafe. Ohnehin solle man sich vor dem Schlafengehen am besten irgendwann noch mal körperlich auspowern oder lieber gar nicht, etwas Warmes trinken oder lieber etwas Kaltes, die verzweifelten Google-Suchen nach Einschlaftipps liefern auch nachts um drei noch widersprüchliche Ergebnisse.

Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das sich freiwillig Schlaf entzieht. Kein Tier, keine Pflanze, noch nicht mal biologische Freaks wie Quallen oder Pilze, wirklich nichts Lebendes auf diesem Planeten zwingt sich selbst dazu, mit weniger Schlaf auszukommen als körperlich verlangt. Einzig der Mensch hat im Zuge irgendeiner seiner zivilisatorischen Entwicklungsstufen beschlossen, dass der eigene Körper nicht die Instanz sein sollte, die über die richtige Schlafdauer bestimmt. An seine Stelle ist eine Reihe gesundheitlicher, terminlicher, höchstwahrscheinlich ausbeuterischer, ganz sicher aber gesellschaftlicher Vorschriften getreten, die nun festlegen, wann der richtige Zeitpunkt des Zubettgehens, vor allem aber des Aufstehens ist.

===

Nach der Berührung der SCHLUMMER-Fläche auf dem durch die Weckfunktion hell erleuchteten Displays seines Handys bleiben Mirko neun Minuten, bis das Gerät ihn durch erneutes Abspielen des Wecktons an die ihm auferlegte Pflicht zum Aufstehen erinnern wird. Neun Minuten sind die perfekte Snoozezeit, neun Minuten sind genug, um darauf zu hoffen, die Erholung, die Stunden des Schlafes davor nicht liefern konnten, nachholen zu können. In neun Minuten ist genug Zeit, um sich umzudrehen, sich tief in die Wärme der Decken sinken zu lassen, die noch in der Nacht über alle Maßen unbequem schienen. Neun Minuten sind eine halbe Ewigkeit, locker genug Zeit für eine weitere Tiefschlafphase, locker genug Zeit für einen wirren Traum, locker genug Zeit für

DÜDÜDÜ-DüDüDü-düdüdü-DÜDÜDÜ-DüDüDü-düdüdü-DÜDÜDÜ-DüDüDü-düdüdü-DÜDÜDÜ-DüDüDü-düdüdü-DÜDÜDÜ-DüDüDü-düdüdü-DÜDÜDÜ-DüDüDü-düdüdü

Erbarmungslos prügelt der kleine Lautsprecher den synthetischen Alarmklang in Mirkos Gehörgänge und zwingt ihn dazu, seinen Körper unter Aufbietung seiner gesamten körperlichen und mentalen Kräfte aufzurichten, ihn von der Schlafstarre und der schützenden Ummantelung der Decke zu befreien. Als sich schließlich Mirkos nackte Füße auf den grauen Teppich senken und sich die dort befindende Mischung aus abgestorbenen Hautzellen, Flusen, Haaren und undefinierbarem Staub auf ihre Sohlen heftet, wird aus der düsteren Vorahnung eine Gewissheit: Der Beginn eines neuen Tages ist auch heute unvermeidbar.

Gehirn wie Augen noch vom Schlaf verklebt, wird Mirko vom durch jahrelange Routine trainierten Muskelgedächtnis durch den Flur und unter die Dusche bugsiert, wo ein zögerlich warm werdender Wasserstrahl sein Möglichstes tut, um ihm die verkrusteten Reste des Schlafes vom Körper zu waschen und die Ströme seines Gehirns dazu zu zwingen, sich ihrer selbst bewusst zu werden.

Erst nach einer Minute dieser sanften, alltagstauglichen Version des Waterboardings nimmt Mirko wahr, dass der Zeigefinger seiner rechten Hand auch an diesem Morgen den Einschaltknopf des Badezimmerradios gefunden hat. Zwischen dem Prasseln des Wassers auf Körper und Duschwanne hört Mirko immer wieder Fetzen des Programms. Ein bisschen Werbung für die Sonderangebote eines Autohauses, die Jahreswagen wären praktisch geschenkt. Ein Popsong, in dem irgendein Millionär auf einem radiooptimierten Beat erklärt, was Liebe ist und worauf es im Leben ankommt. Dann der Moderator im Studio, der einen abgestandenen Witz darüber macht, dass heute ja schon Mittwoch sei, das Bergfest der Woche, nur noch zwei Tage bis zum Wochenende, klasse. Und hier kommt auch schon der nächste Song, er ist von einer Millionärin und es geht, man glaubt es kaum, um die Liebe.

Nachlässig verteilen Mirkos Hände das beißende Blau seines Sportduschgels auf den Körperregionen, deren Reinigung er als elementar ansieht. Haare, Achseln, Genitalbereich, Genitalbereich, noch mal Genitalbereich, hier darf man keine Gefangenen machen. Dann schnell abduschen, noch vor dem Rappart des Radiosongs steht Mirko vor dem angelaufenen Spiegel und rubbelt sich die Haare trocken. Auf das Überziehen eines grauen Hoodies und einer schwarzen Jeans folgt ein schnelles Zähneputzen. Das Vibrieren der elektrischen Zahnbürste auf Mirkos Zähnen überträgt sich auf seinen Kieferknochen und übertönt dankenswerterweise die ersten Takte von Bryan Adams’ »Everything I do«. Immer wenn im Radio das »Beste aus den Neunzigern« läuft, ist Mirko dankbar, dass er dieses Jahrzehnt nur im Kindergartenalter mitbekommen hat. Gnade der späten Geburt sozusagen. Mirko schmunzelt über seinen eigenen Gag. Ist es sein eigener? Wahrscheinlich irgendwo aufgeschnappt, egal.

Mirko ist blinder Passagier eines Körpers. Nach dem Zähneputzen versehen geübte Hände seine Haare mit ein bisschen Wachs, Mirkos Frisur soll auf eine gepflegte Art und Weise ungepflegt aussehen und auch heute gelingt ihm dieses Vorhaben. Durch den dunklen Flur geht es zurück in die Küche, wo eine um sofortige Entkalkung flehende Padkaffeemaschine etwas schwarze Brühe in Mirkos To-go-Becher spuckt. Dann ab zur Garderobe, Jacke, Schuhe, vor der Haustür noch mal kurz die Hosen- und Jackentaschen kontrollieren. Geldbeutel, Schlüssel, Kopfhörer, Handy. Alles da, alles gut. Dann fällt die Tür zu, dann geht es ein dunkles Treppenhaus hinab und raus in die Kälte des Werktags.

Zwei tiefe Schlucke aus dem Kaffeebecher später steht Mirko an einer jener Bushaltestellen, die es aus irgendeinem Grund schaffen, mit der einfachen Kombination aus Plexiglashäuschen und dem Schild mit dem »H« die Temperatur um weitere zehn Grad abzusenken. Eiskalt peitscht der Wind dieses Januarmorgens über die Straße und in Mirkos Gesicht und zwingt ihn, den Kopf etwas einzuziehen. Mirko trinkt den dritten Schluck Kaffee, noch eine Minute, bis der Bus kommt. Mirko muss das nicht nachsehen, er weiß es einfach, seine innere Uhr ist sekundengenau geworden. Wie der Kapitän eines Walfängers im 18. Jahrhundert braucht er keine Instrumente, sondern kann sich rein auf den ihm eigen gewordenen Instinkt verlassen.

Fünf Minuten später kramt Mirko entnervt sein Handy aus der Jackentasche. 7.08, der Scheiß-Bus hätte vor vier Minuten hier sein müssen. Mirko müsste jetzt in der relativen Gemütlichkeit eines Linienbusses sitzen, die Kopfhörer an den Trommelfellen, den Blick starr aufs Handy gehaftet, und in vorsichtigen, aber keineswegs genussvollen Schlucken sein Blut mit dem Koffein des Kaffeepadgetränks anreichern. Stattdessen tippt er mit von der Kälte starr gewordenen Fingern auf das OWLmobil-Symbol, um ein weiteres Mal Zeuge der fortgesetzten Nutzlosigkeit der Fahrplan-App seines Verkehrsverbunds zu werden. Zu seiner eigenen Überraschung scheinen die angekündigten »Echtzeitverkehrsdaten« zum ersten Mal in der Versionsgeschichte der Applikation kein leeres Versprechen zu sein, hinter Mirkos Buslinie 203 prangt ein rotes Hinweisfeld mit dem Hinweis: »Fällt heute aus. Wir bitten um Entschuldigung.«

Die Aussicht, heute schon vor der Auswahl des Kantinenmenüs in der Mittagspause eine eigene Entscheidung treffen zu müssen, wirft Mirko aus den eingefahrenen Bahnen seines Werktagsmorgens. Regungslos geht er die ihm zur Verfügung stehenden Optionen durch. Laufen? Zu weit und zu kalt. Fahrrad fahren im Berufsverkehr ist hier wie in jeder anderen Stadt ein konkreter Plan zur Erfüllung eines Todeswunschs. E-Scooter gibt es hier sowieso nicht, Taxis sind zu teuer, ein Auto hat er nicht, Mirko bleibt nur die Wut.

Die Wut auf die verfickten Busse, den beschissenen Job mit den beschissenen Wichsern, deren Scheiß-Computerprobleme er Tag für Tag lösen muss. All die Probleme, die nicht seine sind. All die Stunden seines Lebens, die nicht ihm gehören. All der Stress wegen Dingen, die ihn nicht mal wirklich interessieren. Scheiß auf das. Scheiß auf das alles. Scheiß auf das alles ab sofort, warum hat er bisher nicht darauf geschissen? Er hätte schon immer darauf scheißen sollen. Er hätte es von Anfang an wissen müssen, eigentlich hat er es schon immer gewusst, er war nur zu feige, es sich einzugestehen. Sein Leben lang steht er sich schon selbst im Weg, wenn er sich nur ein einziges Mal richtig entschieden hätte, dann würde er jetzt nicht in Scheiß-Gütersloh auf einen Scheißbus warten, der niemals kommen wird.

Mirko brüllt ein lautes »FUCK!« in die kalte Morgenluft, das dem langsam dichter werdenden Berufsverkehr auf der Straße komplett egal zu sein...

Erscheint lt. Verlag 5.4.2023
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Autobiografisch • Buch El Hotzo • Debütroman • El Hotzo • Familie • Fragile Männlichkeit • gen z • hegemoniale Männlichkeit • Hotz & Houmsi • Jugendliche • Jugendlügen • Lügen • Lügengeschichten • Männerbild • Männlichkeit • nft • Perspektiven • Roman El Hotzo • Salwa Houmsi • Satire • Teenager • Toxic Masculinity • toxische männlichkeit • Twitter • ZDF Magazin Royale
ISBN-10 3-462-30426-7 / 3462304267
ISBN-13 978-3-462-30426-8 / 9783462304268
Informationen gemäß Produktsicherheitsverordnung (GPSR)
Haben Sie eine Frage zum Produkt?
EPUBEPUB (Wasserzeichen)
Größe: 3,2 MB

DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasser­zeichen und ist damit für Sie persona­lisiert. Bei einer missbräuch­lichen Weiter­gabe des eBooks an Dritte ist eine Rück­ver­folgung an die Quelle möglich.

Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belle­tristik und Sach­büchern. Der Fließ­text wird dynamisch an die Display- und Schrift­größe ange­passt. Auch für mobile Lese­geräte ist EPUB daher gut geeignet.

Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise

Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.

Mehr entdecken
aus dem Bereich
Roman

von T.C. Boyle

eBook Download (2023)
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
CHF 20,50