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Die einzige Frau im Raum (eBook)

Roman

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2023 | 1. Auflage
304 Seiten
Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH
978-3-462-30256-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die einzige Frau im Raum -  Marie Benedict
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Marie Benedict widmet sich Hedy Lamarr, einer Frau, die das Weltgeschehen maßgeblich beeinflusst hat und deren Errungenschaften vergessen wurden. Das Buch erzählt die Geschichte der Schauspielerin, Glamour-Ikone und Wissenschaftlerin. Die Schönheit von Hedy Lamarr, die mit bürgerlichem Namen Hedwig Maria Kiesler hieß und jüdischer Abstammung war, führte sie zu einer kometenhaften Schauspielkarriere in Wien und zur Heirat mit einem österreichischen Waffenhändler. Durch ihn hatte sie Zugriff auf die Pläne des Dritten Reichs, ein Wissen, das sie später nutzte, um an der Seite der Alliierten zu kämpfen. Im Jahr 1937 verließ sie ihren gewalttätigen Ehemann und floh über Paris und London nach Hollywood. Dort wurde sie zu Hedy Lamarr, dem weltberühmten Filmstar. Was keiner wusste: Sie war Erfinderin. Und sie hatte eine Idee, die dem Land helfen könnte, die Nazis zu bekämpfen und die moderne Kommunikation zu revolutionieren ... wenn ihr nur jemand zugehört hätte.

Marie Benedict, geboren 1973, studierte am Boston College Geschichte und Kunstgeschichte und an der Boston University School of Law. Ihre Bücher über starke Frauen der Weltgeschichte haben Bestsellerstatus. Ihr Roman »Frau Einstein« verkaufte sich über 100.000 Mal allein in Deutschland. Sie ist Anwältin und lebt mit ihrer Familie in Pittsburgh.

Marie Benedict, geboren 1973, studierte am Boston College Geschichte und Kunstgeschichte und an der Boston University School of Law. Ihre Bücher über starke Frauen der Weltgeschichte haben Bestsellerstatus. Ihr Roman »Frau Einstein« verkaufte sich über 100.000 Mal allein in Deutschland. Sie ist Anwältin und lebt mit ihrer Familie in Pittsburgh. Marieke Heimburger, geboren 1972, hat in Düsseldorf Literaturübersetzen für Englisch und Spanisch studiert. Seit 1998 übersetzt sie englischsprachige Literatur, u.a. Stephenie Meyer, Rowan Coleman, Kiera Cass, Sally McGrane, seit 2010 auch aus dem Dänischen, u.a. Jussi Adler-Olsen, Anna Grue, Mads Peder Nordbo.

Kapitel 4 


26. Mai 1933 

Wien

Ich war kaum über die Schwelle getreten, da umfing mich bereits der Duft. Ich musste die Rosen nicht sehen, um zu wissen, dass das ganze Haus voll davon war. Warum um alles in der Welt hatte Herr Mandl sie jetzt auch hierher geschickt?

Aus dem Salon waren die unbeschwerten Klänge einer Klaviersonate von Bach zu hören. Als die Tür hinter mir ins Schloss klickte, verstummte die Musik und meine Mutter rief: »Hedy? Bist du das?«

Ich reichte Inge, unserem Hausmädchen, meinen Mantel und antwortete: »Wer sonst sollte es sein um diese Zeit, Mama?«

Papa kam aus dem Salon und begrüßte mich. Eine kunstvoll geschnitzte Holzpfeife im Mundwinkel, fragte er: »Na, wie geht es unserer Sisi? Hast du wieder alle anderen überstrahlt, wie Die Presse behauptet?«

Lächelnd sah ich zu meinem hochgewachsenen Vater auf, der mit seinen ergrauenden Schläfen und den Fältchen um die blauen Augen einfach umwerfend aussah. Selbst zu dieser späten Stunde – immerhin nach elf – war er immer noch tadellos gekleidet. Zu dem gebügelten dunkelgrauen Anzug trug er eine gestreifte weinrote Krawatte. Ganz der zuverlässige, erfolgreiche Direktor einer der bekanntesten Banken Wiens, des Creditanstalt-Bankvereins.

Er nahm mich bei der Hand, und ich musste kurz an die Wochenenden meiner Kindheit denken, wenn er am Nachmittag immer geduldig all meine Fragen über die Welt und wie sie funktioniert beantwortete. Nichts, was ich fragte, war ihm zu fern, ganz gleich, ob es sich um Geschichte oder Naturwissenschaften, um Literatur oder Politik drehte, und ich konnte nie genug kriegen von diesen Stunden mit ihm, in denen er mir seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenkte. Eines sonnigen Nachmittags, nachdem ich ihn kindlich-naiv gefragt hatte, was Pflanzen essen, hatte er eine geschlagene Stunde damit verbracht, mir den Vorgang der Fotosynthese zu erklären. Die Geduld, mit der er mir meine nicht nachlassenden Fragen zu Natur und Technik beantwortete, war bewundernswert. Aber solche Stunden waren rar, weil meine Mutter, die Arbeit und gesellschaftliche Verpflichtungen ihn ständig beanspruchten. Ohne ihn quälte ich mich durch viele Stunden des Auswendiglernens mit verschiedenen Lehrern oder Hausaufgaben und Routinen mit meinem Kindermädchen oder – aber das war eher selten – mit Mama, die mir eigentlich nur Beachtung schenkte, wenn ich an einem Klavier saß und sie sich über meinen mangelnden Fortschritt beklagte. Ich liebte Musik, aber inzwischen spielte ich nur noch auf dem Bechstein, wenn Mama nicht zu Hause war.

Papa ging mir voraus in den Salon und ließ mich auf einem der vier Brokatstühle vor dem Kamin Platz nehmen, in dem an diesem kühlen Frühlingsabend ein Feuer brannte. Während wir auf Mama warteten, fragte Papa: »Bist du hungrig, Prinzesschen? Wir könnten Inge bitten, dir einen Teller zuzubereiten. Du siehst immer noch zu schmal aus nach deiner Lungenentzündung.«

»Nein, danke, Papa. Ich habe vor der Vorstellung etwas gegessen.«

Ich sah mich um. An den mit gestreifter Tapete verkleideten Wänden hingen zahlreiche Familienporträts, und die zwölf Sträuße zartrosa Rosen waren kunstvoll im Raum verteilt – vermutlich das Werk meiner Mutter. Papa hob vorerst nur eine Augenbraue – wir wussten beide, dass Mama die entscheidende Frage stellen wollte.

Als meine Mutter hereinkam, schenkte sie sich erst einmal ein Glas Sherry ein. Wort- und blicklos kommunizierte sie mir, dass sie enttäuscht von mir war.

Es wurde still. Wir warteten darauf, dass Mama das Wort ergriff. Sie trank einen ausgiebigen Schluck und sagte schließlich:

»Sieht aus, als hättest du einen Verehrer, Hedy.«

»Ja, Mama.«

»Was hast du getan, um ihn zu derartigem Balzverhalten zu animieren?« Sie schlug den üblichen vorwurfsvollen Ton an. Die Schule für höhere Töchter, auf die sie mich unbedingt schicken wollte, hatte aus mir nicht wie erhofft eine angehende heiratsfähige junge Hausfrau gemacht. Und als ich dann auch noch einen Beruf anstrebte, der in ihren Augen »unschicklich« war, obwohl das Theater in Wien ein hohes Ansehen genoss, beschloss sie, mein gesamtes Verhalten mit diesem Prädikat zu versehen. Und ich gebe zu, manchmal tat ich ihr den Gefallen und gestattete dem einen oder anderen Verehrer, sich mir zu nähern. Ob es nun der adlige Ritter Franz von Hochstetten war oder das vielversprechende neue Schauspieltalent und mein Filmpartner in Ekstase, Aribert Mog – gewissen Herren erlaubte ich in einem Akt purer Rebellion, mich überall da zu berühren, wo Mama fürchtete, dass sie mich berührten. Warum nicht?, fragte ich mich. Sie hielt mich ja ohnehin für liederlich. Und ich labte mich an der Erkenntnis, dass ich über diese Männer genauso eine Macht hatte wie über das Publikum – ich schlug sie alle in meinen Bann.

»Nichts, Mama. Ich bin diesem Mann noch nie begegnet.«

»Warum sollte ein Mann dir all diese Rosen schenken, wenn du ihm nicht bereits einen gewissen Gefallen erwiesen hättest? Wenn du ihn nicht einmal kennst? Hat dieser Mann dich in dem skandalösen Streifen gesehen und daraus geschlossen, dass du ein leichtes Mädchen bist?«

Papa ging reichlich scharf dazwischen. »Das reicht, Trude.« Mamas richtiger Name war Gertrude, und Papa rief sie nur dann bei ihrem Kosenamen, wenn er sie besänftigen wollte. »Vielleicht war es einfach nur ihre wunderbare schauspielerische Leistung in Sissy, die ihn zu den Blumen veranlasst hat.«

Mama steckte eine lose schwarze Strähne zurück in die perfekte Frisur und erhob sich. Sie wirkte viel größer als ein Meter fünfzig, als sie auf ihren Schreibtisch zuschritt. Sie nahm den mit den Blumen gelieferten Umschlag zur Hand und schlitzte ihn mit ihrem silbernen Brieföffner auf.

Sie hielt die mir bereits vertraute cremefarbene und goldumrahmte Karte ins Licht und las vor:

An Herrn und Frau Kiesler

Ich hatte das große Glück, Ihre Tochter letzte Woche vier Mal in der Rolle der späteren Kaiserin Elisabeth zu sehen, und beglückwünsche Sie zu deren großem Talent. Ich möchte mich Ihnen gerne persönlich vorstellen und um Ihre Erlaubnis bitten, Ihre Tochter auszuführen. Wenn es Ihnen recht ist, suche ich Sie am Sonntagabend um sechs Uhr auf, dem einzigen Zeitpunkt, zu dem das Theater dunkel ist.

Mit freundlichen Grüßen

Friedrich Mandl

Herr Mandl machte Druck.

Und meine Eltern schwiegen beredt, was mich einigermaßen überraschte. Ich dachte, meine Mutter würde diese Selbsteinladung kühn und unpassend schimpfen oder mir Vorhaltungen machen, ich hätte Herrn Mandls Aufmerksamkeit absichtlich auf mich gezogen. Und ich nahm an, mein Vater – der stets besonnen war, außer wenn es um mich ging – würde sich über das Ansinnen eines Mannes aufregen, der uns weder über Freunde noch über Verwandte verbunden war. Doch die schöne Uhr auf dem Kaminsims tickte fast eine ganze Minute laut vor sich hin, während keiner von beiden einen Ton sagte.

»Was ist los?«, fragte ich.

Papa seufzte, wie er es in den letzten Monaten immer öfter getan hatte. »Wir müssen vorsichtig sein, Hedy.«

»Warum?«

Mama leerte ihr Glas und fragte: »Weißt du irgendetwas über diesen Herrn Mandl, Hedy?«

»Ein bisschen. Ich habe mich umgehört, als er mir das erste Mal Blumen in die Garderobe schickte. Soweit ich weiß, gehört ihm ein Waffengeschäft.«

»Er hat dir schon mal Blumen geschickt?« Papa klang alarmiert.

»Ja«, sagte ich leise. »Seit der Premiere jeden Abend.«

Meine Eltern wechselten geheimnisvolle Blicke. Papa antwortete für beide. »Ich werde Herrn Mandl antworten. Wir werden ihn für morgen um sechs auf einen Cocktail empfangen, und anschließend wirst du mit ihm zu Abend essen, Hedy.«

Ich war entsetzt. Meine Mutter hatte nie einen Hehl aus ihrem Wunsch gemacht, ich möge einen netten jungen Herrn aus Döbling heiraten, und ich war stets davon ausgegangen, dass mein Vater, der sich dazu nie geäußert hatte, ähnlich dachte. Insgesamt hatten meine Eltern sich bislang nie über die Maßen in mein Privatleben eingemischt. Nicht einmal, als ich mich weigerte, den Heiratsantrag des jungen Herrn von Hochstetten, Sohn einer höchst angesehenen deutschen Familie, anzunehmen und dafür meine Schauspielkarriere aufzugeben. Insbesondere hatten sie nie geradezu von mir verlangt, mit einem bestimmten Verehrer auszugehen. Also warum jetzt? »Habe ich auch ein Mitspracherecht?«

»Es tut mir leid, Hedy, aber du musst. Wir dürfen nicht riskieren, diesen Mann zu brüskieren«, erklärte Papa traurigen Blickes.

Mir war klar, dass ich nicht darum herumkommen würde, Herrn Mandl persönlich kennenzulernen, aber ich wollte mich trotzdem wehren. Doch dann hielt mich der gequälte Ausdruck im Gesicht meines Vaters zurück. Irgendetwas, irgendjemand setzte ihn unter Druck. »Warum, Papa?«

»Du wurdest nach dem Krieg geboren, Hedy. Du verstehst nicht, dass Politik eine zerstörerische Kraft sein kann.« Er schüttelte den Kopf und seufzte.

Doch mehr sagte er dazu nicht. Seit wann hielt Papa mir Informationen vor und traute mir nicht zu, komplizierte Sachverhalte zu verstehen? Er hatte mich immer darin bestärkt, dass ich zu allem in der Lage sei, und ich hatte ihm geglaubt. Genau diese Art der elterlichen...

Erscheint lt. Verlag 1.4.2023
Reihe/Serie Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte
Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte
Übersetzer Marieke Heimburger
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2. Weltkrieg • Antifaschistin • Berühmte Erfinderin • Berühmte Schauspielerin • Biografischer Roman Frauen • Bonnie Garmus • Eine Frage der Chemie • Ekstase Darstellerin • Ekstase Film • Emanzipation • Feminismus • Frau Einstein • Frauen im Film • Frauenroman • Frequenzsprungverfahren • Goldenes Zeitalter • Hedy Lamarr • Hedy-Lamarr-Preis • Hidden Figures • Hollywood • Jennifer Ryan • Judentum • Lady Bluetooth • Lady Churchill • Marie Benedict • Mrs Agatha Christie • Mrs. Bluetooth • Reihenweise kluge Frauen • Roman-Biografie • Unerkannte Heldinnen • Wissenschaftlerin Roman
ISBN-10 3-462-30256-6 / 3462302566
ISBN-13 978-3-462-30256-1 / 9783462302561
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