Aurora (eBook)
352 Seiten
Harpercollins (Verlag)
978-3-7499-0534-8 (ISBN)
»Eine fantastische Story, ein echter Pageturner. Es ist unmöglich, das Buch zur Seite zu legen.« Stephen King
Nachdem ein Solarsturm die Energieversorgung der Welt komplett lahmlegt, kämpft Aubrey Wheeler um das Überleben in ihrer Vorstadtsiedlung Aurora - ihr Bruder hingegen hat mit seinem beachtlichen Vermögen schon vor Jahren einen Bunker gebaut, in den er sich zurückziehen und Aubrey ebenfalls in Sicherheit bringen möchte. Kann Aubrey ihm trauen? Und hat ihr Exfreund, der plötzlich wieder vor der Tür steht, wirklich nur ihr Wohlergehen im Sinn?
<p>David Koepp ist ein gefeierter amerikanischer Drehbuchautor und Regisseur, bestens bekannt für seine Arbeit an <em>Jurassic Park</em>, <em>Spider-Man</em>, <em>Panic Room</em> und <em>Krieg der Welten</em>. Die Filme, an denen er mitgewirkt hat, spielten weltweit über sechs Milliarden Dollar ein.</p>
1.
AURORA, ILLINOIS
6:32 Uhr, Dienstag, 14. April
Jeder kannte Norman Levy. Als Professor an der Universität Chicago hatte er talentierte, neugierige Menschen magnetisch angezogen und einen verwandten Geist immer erkannt, wenn er einen sah. Studenten, die nirgendwo so recht hineinpassten, fühlten sich im beengten Büro des Professors oder bei Abendessen, Kaffee und Getränken in seinem Holzhaus am Ende der Cayuga Lane im nahe gelegenen Aurora wie zu Hause. Norman hatte sein ganzes Berufsleben der Erforschung der Sonne gewidmet, doch sein eigentliches Interesse hatte immer Menschen gegolten. Der kinderlose Witwer sammelte Freunde wie andere Schmetterlinge, aber nicht, um sie zwischen Buchseiten zu pressen. Nein, er wollte sich mit ihnen befassen, sie befragen und provozieren, mit ihnen reden. Es gab, da war er sich sicher, nichts, was sich mehr lohnte, als mit Menschen zu reden.
Aber nicht um 6:32 Uhr Central Standard Time. Um diese Uhrzeit klingelte am Dienstag, dem 14. April, der Wandapparat in seiner Küche. Norman, der an der Spüle stand und aus dem Fenster starrte, während er Kaffee kochte, schreckte aus seinen präkoffeinierten Tagträumen hoch und sah das Telefon finster an. Zusammenhanglos schoss ihm eine Zeile aus einem Film durch den Kopf – »Keiner meiner Freunde würde um diese Zeit anrufen.« Das war eine Lüge, denn seine Freunde riefen zu jeder Tages- und Nachtzeit an, doch mit dieser Unannehmlichkeit musste man wohl leben, wenn man Leute in unzähligen Zeitzonen kannte. Norman schlurfte zum Telefon, neigte seine Brille oben ein wenig nach vorn, um zuerst einen Blick auf das Display zu werfen, und bekam die Information, dass der Anruf aus Silver Spring, Maryland, kam. Er nahm ab.
»Wir haben doch schon darüber gesprochen«, sagte Norman.
Die Stimme am anderen Ende klang angespannt und aufgebracht. »Hast du in den letzten vierundzwanzig Stunden irgendwelche Bilder des GOES-16 gesehen?«
»Hier ist es 6:30 Uhr, Kleiner, früher Morgen.«
»Ich rufe dich trotzdem an, Norman. Stell dir vor.«
Norman hörte die Dringlichkeit in Perry St. Johns Stimme und räusperte sich, um sich zu konzentrieren. Er mochte Perry, und zwar seit dem Moment, als der Junge unmittelbar nach der ersten Sitzung der Vorlesung »Einführung in die Astrophysik« direkt auf ihn, den ehrenwerten Professor, zugegangen war, um ihm mitzuteilen, dass er auf der Suche nach einem Mentor sei und sich gerade für Norman entschieden habe. Wer hätte dieser Arroganz widerstehen können? Zwanzig Jahre voller Abendessen, Anrufe und E-Mails später war Perry einer der führenden Forscher der Hauptbeobachtungsstation der NOAA, die die Sonne überwachte. Er ertrug es mit Fassung, dass die lilienweiße Astronomieindustrie ihn mit Argusaugen beobachtete und mit Argwohn betrachtete, auch wenn er es ordentlich satthatte, immer wieder zu beteuern: »Ja, Neil deGrasse Tyson ist eine große Inspiration für mich.« Er hatte sogar Interviews in den Medien über sich ergehen lassen, zu denen man ihn nur gedrängt hatte, um sich mit einem schwarzen Gesicht als Aushängeschild zu schmücken, weil er seinen Job liebte und er wie für ihn geschaffen war. Er bezeichnete sich gerne als Wetterfrosch, was im Grunde nicht falsch war, nur dass er Stürme beobachtete, die Hurrikane der Kategorie 5 wie Frühlingsschauer aussehen ließen.
Perry wiederholte seine Frage. »Hast du die Bilder des letzten Zyklus gesehen?«
»Gestern Abend«, sagte Norman, »danke noch mal für den Zugang. Ich hatte stundenlang Spaß. Stundenlang, Perry.«
»Hast du die Eruption gesehen?«
»Habe ich. Zwei sogar, große. SUVI hat sie erfasst. Sie haben die Insolationssensoren saturiert, deshalb habe ich mich nicht weiter damit befassen können. Warum?«
Am anderen Ende hielt Perry inne und dachte nach. »Ist es möglich, dass sie einen sekundären Ausbruch überlagert haben? Oder einen tertiären?«
Norman runzelte die Stirn. »Ich nehme es an. Hat die Strahlung DSCOVR schon erreicht?«
DSCOVR, der Deep Space Climate Observatory-Satellit, ein Klimaobservatorium im tiefen Weltraum, war ein wichtiges Instrument zur Überwachung des Wetters im Allgemeinen und der Sonnenaktivität im Besonderen. Ende 2015 hatte er nach einem erfolgreichen Start seine Umlaufbahn am Lagrange-Punkt 1, einem neutralen Schwerkraft-Sweet-Spot etwa eine Million Kilometer von der Erde entfernt, erreicht. Von dort aus kreiste DSCOVR im Wesentlichen zwischen der Erde und der Sonne, wobei seine Sensoren nahezu in Echtzeit Informationen an die NOAA sendeten.
»Ja«, antwortete Perry, »sie wird die Erde in etwa fünfundvierzig Minuten um sieben Grad verfehlen. Ich spreche von dem, was dahinter ist.«
»Was ist denn dahinter?«
»Es gab eine dritte Eruption, null Grad Beugung, und sie bewegt sich durch den freien Raum. Neue Bilder sind in der Kurzvorhersage zu sehen. Schau sie dir an. Ich warte.«
Norman ignorierte den Kaffee, nahm das schnurlose Telefon mit in sein Arbeitszimmer und setzte sich an den großen Eichen-Esstisch, den er als Schreibtisch nutzte. Er klappte seinen Laptop auf, klemmte sich das Telefon zwischen Ohr und Schulter und ging direkt auf die NOAA-Website, auf der die Bilder von GOES-16 und des Solar Dynamics Observatory der NASA integriert waren. Für das ungeschulte Auge wären die Sonnenbilder und Datenreihen auf Normans Bildschirm bedeutungslos gewesen, aber für einen Verstand, der seit fünfundsechzig Jahren solche Daten sowohl in visueller als auch in quantitativer Form verarbeitete, waren die koronalen Aufnahmen und die Zahlenreihen, die er sah, das astronomische Äquivalent eines Mannes, der am Rande einer Klippe steht, mit einer Laterne wedelt und schreit: »Die Brücke ist kaputt!«
»Wie groß war der Beugungswinkel noch mal?«, fragte Norman.
»Null«, wiederholte Perry, obwohl er sehr sicher war, dass Norman ihn gehört hatte.
Norman blinzelte. Er nahm die Daten in sich auf. Zweimal.
»Das kann nicht richtig sein«, sagte er.
»Nehmen wir an, es wäre richtig«, antwortete Perry. »Hast du Zeit, ein paar Modelle durchzugehen?«
»Ich bin achtundachtzig verdammte Jahre alt, Perry. Natürlich habe ich Zeit.«
»Berechne die Teilchenstrahlung in der geostationären Umlaufbahn«, bat Perry.
»Da wäre ich von allein nie draufgekommen.« Norman war jetzt hellwach und voll konzentriert. Er klappte einen zweiten Laptop auf, loggte sich ins öffentliche KMA-Überwachungs-Dashboard des Goddard Space Flight Centers ein und rief Daten von den Hunderten von Amateuren auf der ganzen Welt ab, die inoffiziell ein Auge auf die Sonnenfleckenaktivität hatten. Perry war nicht der Einzige, dem die ungewöhnlichen Mengen an Protonen- und Röntgenstrahlen in den letzten achtzehn Stunden aufgefallen waren. Die Sonnenbeobachtungs-Community registrierte, veröffentlichte und interpretierte wie verrückt. Was Norman sah, bestätigte, was Perry vermutet hatte: Es hatte nicht nur eine, sondern drei Eruptionen gegeben, eine größer als die andere, und die schiere Leuchtkraft der ersten beiden hatte die Überwachungsgeräte für die gewaltige dritte Eruption blind gemacht, die einen KMA freigesetzt hatte, der nun im relativ offenen solaren Kielwasser der vorangegangenen Störungen durch den Weltraum surfte.
Die Informationen, die Norman in seine selbst entwickelte Modellierungssoftware lud, waren komplex, weitreichend und umfassten physikalische und technologische Risikofaktoren für die Energieversorgung der Erde auf Grundlage der potenziellen Auswirkungen eines Plasmafeldes von der Größe und Intensität, die sie gerade aufgezeichnet hatten. Als er die Eingabetaste drückte und das Endergebnis in einem kleinen blinkenden Kasten auf dem Bildschirm erschien, spürte Norman, wie ihm der Boden unter den Füßen wegsackte. »Scheiße«, fluchte er.
»Was hast du rausbekommen?«
»Mein Modell taugt offenbar nichts. Ich lasse mal ein anderes laufen. Bleib dran.« Er löschte seine Eingaben und begann von vorn, indem er Daten von verschiedenen Messstellen auf der ganzen Welt abrief und ein alternatives Szenario durchspielte, bei dem er die Amplituden und die Richtung des elektrischen Feldes so weit wie möglich variierte. Er wollte unbedingt ein anderes Ergebnis. Er wollte falschliegen.
Bei der NOAA saß Perry an seiner Überwachungsstation und hörte seinen Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung verzweifelt tippen. Norman war nicht zufällig einer der führenden Sonnenforscher seiner Zeit gewesen: Seine Modelle waren nie falsch. Perry wusste, dass sich Normans erstes Ergebnis, egal, wie es ausfiel, als richtig herausstellen würde. Aber er wusste auch, dass er den alten Mann nicht bei der Arbeit unterbrechen durfte. Ungeduldig saugte Perry Daten auf und rechnete seine eigenen Modelle durch, während er wartete.
Hinter ihm regten sich seine Kollegen in ihrem frühmorgendlichen Dämmer und fragten sich, was er wohl vorhatte. Ken Murtagh schaute Perry mit einem Kaffeebecher mit vermeintlich lustigem Schriftzug in der Hand über die Schulter, während der junge Maestro virtuos mehrere Computer gleichzeitig bediente. Terry Fitzpatrick, der die ganze Nacht auf sein Enkelkind aufgepasst hatte und zu müde war, um sich aus seinem Stuhl zu erheben, rollte diesen mit winzigen Fußbewegungen auf Perrys andere...
Erscheint lt. Verlag | 22.8.2023 |
---|---|
Übersetzer | Oliver Hoffmann |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | Aurora |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
Schlagworte | action thriller • Apokalypse • Bunker • Cold storage • Dystopie • Endzeit • Katastrophe • Science Fiction • science fiction thriller • solarsturm • Spannung • spannung buch • Thriller • Thriller Buch • thriller und krimi • USA • Wissenschaftsthriller • wissenschaftsthriller deutsch |
ISBN-10 | 3-7499-0534-7 / 3749905347 |
ISBN-13 | 978-3-7499-0534-8 / 9783749905348 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 2,8 MB
DRM: Digitales Wasserzeichen
Dieses eBook enthält ein digitales Wasserzeichen und ist damit für Sie personalisiert. Bei einer missbräuchlichen Weitergabe des eBooks an Dritte ist eine Rückverfolgung an die Quelle möglich.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich