Professor Zamorra 1263 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-4123-1 (ISBN)
Das Abenteuer geht weiter:
Der Geist schwebte, einem dreidimensionalen Schatten gleich, die Treppenstufen hinab.
Das Gespenst sah aus, als stünde sein Inneres in lodernden Flammen.
Schon raste der feurige Speer aus der Handfläche des Ifrit geradewegs auf Nicoles Brust zu.
Zum Ausweichen war es viel zu spät!
Ifrit – Aus Feuer geboren
(Teil 2)
von Ian Rolf Hill
Der Geist schwebte, einem dreidimensionalen Schatten gleich, die Stufen der Treppe hinab.
Mit der aschfahlen Haut und der dunkelgrauen, vollkommen farblosen Kleidung passte er in dieses Gebäude, das an Tristesse kaum zu überbieten war, wie die Faust aufs Auge.
Eine Studie in Grau.
Ohne die stroboskopartig flackernde Flurbeleuchtung hätte Nicole Duval ihn höchstens anhand der flammenden Augen oder des feurigen Symbols auf seiner Handfläche erkannt ...
Das Gespenst sah aus, als stünde sein Inneres in lodernden Flammen. Was vermutlich auch der Fall war, denn das war gewissermaßen ihr Markenzeichen.
Es handelte sich um einen arabischen Ifrit, und die bestanden nun einmal aus Rauch und Feuer. Letzteres sollte Nicole zum Verhängnis werden.
Schon raste der feurige Speer aus der Handfläche des Ifrit geradewegs auf ihre Brust zu.
Zum Ausweichen war es viel zu spät!
Selbst wenn noch Zeit dazu gewesen wäre, die Enge des Treppenhauses ließ es nicht zu.
Das grelle Licht der Flammen blendete Nicole. Stiche zuckten ihr durch die Augen, unwillkürlich riss sie die Arme vors Gesicht, in Erwartung des alles vernichtenden Schmerzes.
Aber noch bevor sie überhaupt auf die Idee kam, Merlins Stern zu rufen, materialisierte sich das Amulett in ihrer rechten Hand.
Der grün flirrende Schutzschirm, an dem der Flammenspeer zerbarst, baute sich ganz von allein auf. Und nur einen Atemzug später ging die handtellergroße Silberscheibe, die der Zauberer Merlin einst aus der Kraft einer entarteten Sonne schuf, zum Gegenangriff über.
Das Amulett erstrahlte und entließ einen Hagel aus silbrig schimmernden Blitzen, die geschlossenen in den von Rauchschwaden umwehten Ifrit hineinjagten und ihn von innen heraus zerfetzten.
Er verpufft regelrecht. Nichts blieb zurück. Nichts außer einer schwer atmenden Nicole Duval, einem wimmernden Mann in fleckiger Unterwäsche und einem erleichtert lächelnden Professor Zamorra.
Nicole erwiderte das Lächeln und nickte ihrem Gefährten dankbar zu. Schließlich hatte sie ihm ihre Rettung zu verdanken. Der Meister des Übersinnlichen, der hinter ihr die Treppen zu Gilbert Toussaints Wohnung erklomm, hatte die Gefahr blitzschnell erkannt und reagiert.
Merlins Stern konnte nicht nur jederzeit von den Dämonenjägern gerufen werden, sondern auch gesendet. Und genau das hatte Zamorra getan, um Nicole vor einem schrecklichen Tod zu bewahren, den der Ifrit eigentlich dem wissenschaftlichen Assistenten zugedacht hatte, der erst langsam begriff, dass er außer Gefahr war.
Unter anderem wohl deshalb, weil das Flackern des Lichts aufgehört hatte.
Zögernd hob der dickliche Mann den Kopf, den er mit den Armen geschützt hatte. Sein Haar war ungepflegt und fettig. Er sah aus, als hätte er sich mindestens eine Woche nicht rasiert. Unter den rot geäderten Augen hingen dicke Tränensäcke.
Irritiert flitzten seine Pupillen zwischen Zamorra und Nicole hin und her.
»W-wer s-s-seid ihr?«, stotterte er.
»Kommt ganz drauf an«, meinte Nicole, und gab ihrem Gefährten das Amulett zurück. »So wie es aussieht, waren wir die Kavallerie. Aber wir können auch ganz schnell zu Ihrem schlimmsten Albtraum werden, wenn Sie uns nicht die Wahrheit sagen.«
»D-die Wahrheit? Was denn für eine Wahrheit?«
Die Stimme des Mannes, bei dem es sich nur um Gilbert Toussaint handeln konnte, leierte hörbar. Schon allein der penetrante Geruch nach altem Schweiß und ausgedünstetem Alkohol ließ keinen Zweifel daran, dass der Knabe sternhagelvoll war.
»Zum Beispiel, warum ein Ifrit es auf Sie abgesehen hat?«
Der Mann wurde schlagartig kreidebleich, was bemerkenswert war, da er ohnehin kaum Farbe im Gesicht gehabt hatte.
»Hey, was'n da oben los?«
»Nichts«, rief Zamorra über die Schulter zurück.
»Dann haltet die Schnauze. Gibt Leute, die woll'n ihre Ruhe ham!«
»Sie haben es gehört«, sagt der Meister des Übersinnlichen, und zog Toussaint auf die Beine.
Sofort fing der Mann an zu jaulen wie eine Heulboje auf hoher See.
»Sind Sie verletzt?«, fragte Nicole halbwegs besorgt und beobachtete, wie der zornige Mieter, der so auf seine Nachtruhe pochte, hinter Zamorra auftauchte. Die Erscheinung unterschied sich nur unwesentlich von der Toussaints. Außer dass er noch die Bierflasche in der Hand hielt.
Mit einem Blick gab Niciole ihrem Partner ein Zeichen, der unmerklich nickte. Vermutlich hatte er ohnehin schon die Schritte des Kerls gehört, der sich, obwohl er barfuß war, mit der Schwerfälligkeit eines betrunkenen Nilpferds bewegte.
»Hab mir d-die Schulter gestoßen«, greinte Toussaint. »I-ich brauch dringend einen Arzt.«
»Sollen wir den vor oder nach der Polizei verständigen?«, erkundigte sich der Meister des Übersinnlichen harmlos.
Toussaint riss die Augen auf. »Polizei?«
Sein Nachbar aus dem dritten Stock machte auf dem Absatz kehrt. Nicole nickte, Zamorra grinste. Gilbert Toussaint stolperte mit hängenden Schultern die Stufen hinauf zu seiner Wohnung unter dem Dach des mehrstöckigen Mietshauses. Von seinem Wunsch nach medizinischem Beistand war keine Rede mehr.
Nicole Duval rümpfte die Nase.
Gilberts Körpergeruch war schon eine Herausforderung gewesen, allerdings nichts im Vergleich zu dem, was sie in der Wohnung erwartete. Der Gestank war im wahrsten Sinn des Wortes atemberaubend. Und zwar nicht im positiven Sinne. Dagegen duftete die kalte Nachtluft von Paris wie ein Rosengarten.
Nicoles erste Amtshandlung bestand daher im Öffnen sämtlicher Fenster, während Zamorra unter Gilberts Anweisung einen starken Kaffee kochte. Obwohl auch sie ein dringendes Bedürfnis nach Koffein verspürte, verzichtete sie in Anbetracht der hygienischen Verhältnisse auf eine Tasse.
Kaum hatte die Kaffeemaschine blubbernd ihren Dienst aufgenommen, da bugsierte Zamorra den Mann in die winzige Nasszelle, um ihn einigermaßen in Form zu bringen, damit sie bei der anstehenden Befragung halbwegs vernünftige Antworten bekamen.
Nicole nutzte die Gelegenheit, um sich in der Wohnung umzuschauen. Im Gegensatz zu den Behausungen von Victor Messier und Roland Vidal fand sie hier keinerlei weißmagische Symbole oder Zeichen an den Wänden. Nur ein Nazar-Amulett, das inmitten der zerwühlten Decke auf dem Bett lag.
Diese Dinger bekam man auf jedem Basar im Dutzend nachgeworfen. Der Begriff Nazar stammte aus dem Arabischen und bedeute Sehen, Blicken oder Einsicht. Eigentlich dienten die Anhänger dazu, den bösen Blick abzuwenden, der in arabischen Ländern Menschen mit blauen Augen nachgesagt wurde. Sollten jedoch auch, ähnlich wie das Auge der Fatima, das Hamsa, allgemein vor schädlichen Einflüssen schützen.
Gilbert Toussaint mochte vielleicht nicht zu den Preppern gehören, schien aber zumindest geahnt zu haben, was auf ihn zukommt.
Darauf deuteten auch die abgeklebten Fenster sowie die verhängten Spiegel hin.
Dessen ungeachtet war die Wohnung des wissenschaftlichen Assistenten eher spärlich möbliert und spartanisch eingerichtet. In der Bleibe eines Archäologen hätte sie mehr Nippes erwartet, der auf seinen Beruf hindeutete.
Mitbringsel aus fernen Ländern. Statuetten, Schmuck, Masken. Dinge, die sie auf die Spur des Dämons beziehungsweise jener Kraft führten, der oder die im Hintergrund die Fäden zog.
Nicole lauschte dem Rauschen des Wassers, hörte ein unterdrücktes Röcheln und Prusten und musste sich das Grinsen verbeißen. Zamorra ging nicht gerade zimperlich mit Toussaint um. Aber Rücksicht war sicherlich fehl am Platze, immerhin hatten sie es mit einem Mörder zu tun.
Weshalb sonst hätte ein Ifrit versuchen sollen, ihn umzubringen?
Das Rauschen verstummte, die Tür schwang auf, und Gilbert taumelte über die Schwelle wie der sprichwörtlich begossene Pudel. Ein graues, einmal zu oft gewaschenes Handtuch flog hinter ihm her und traf Toussaint am Hinterkopf.
Zamorra erschien hinter ihm auf der Schwelle zum Bad und war dabei, die Ärmel seines roten Hemdes herunterzukrempeln. Das weiße Jackett, das ebenso zu seiner Standardgarderobe gehörte, hing an einem Haken an der Innenseite der Tür.
Nicole nahm Gilbert in Empfang und bugsierte ihn in Richtung Küche, die hoffnungslos überfrachtet war mit dreckigem Geschirr, an dem sich die Schmeißfliegen labten. Die Spüle quoll über vor leeren Spirituosenflaschen.
Dem mit Fliegendreck verkleisterten Hängeschrank entnahm Nicole eine Tasse, die sie mit Kaffee füllte und vor Toussaint auf den winzigen Küchentisch stellte. Er stand vor dem Fenster mit den vergilbten Vorhängen, die den Blick in den Hinterhof des Mietshauses erschwerten. Nicht dass es dort etwas Bemerkenswertes zu sehen gegeben hätte.
»Was ... was wollt ihr von mir?«
»Antworten, mein Lieber«, erklärte Nicole und ließ sich ihm gegenüber auf einem freien Stuhl nieder. Zumindest brauchte sie keine Angst zu haben, an der...
Erscheint lt. Verlag | 25.10.2022 |
---|---|
Reihe/Serie | Professor Zamorra |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • Deutsch • eBook • eBooks • Extrem • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • Lovecraft • Männer • Neuerscheinung • Neuerscheinungen • Paranomal • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-4123-2 / 3751741232 |
ISBN-13 | 978-3-7517-4123-1 / 9783751741231 |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
Größe: 2,3 MB
Digital Rights Management: ohne DRM
Dieses eBook enthält kein DRM oder Kopierschutz. Eine Weitergabe an Dritte ist jedoch rechtlich nicht zulässig, weil Sie beim Kauf nur die Rechte an der persönlichen Nutzung erwerben.
Dateiformat: EPUB (Electronic Publication)
EPUB ist ein offener Standard für eBooks und eignet sich besonders zur Darstellung von Belletristik und Sachbüchern. Der Fließtext wird dynamisch an die Display- und Schriftgröße angepasst. Auch für mobile Lesegeräte ist EPUB daher gut geeignet.
Systemvoraussetzungen:
PC/Mac: Mit einem PC oder Mac können Sie dieses eBook lesen. Sie benötigen dafür die kostenlose Software Adobe Digital Editions.
eReader: Dieses eBook kann mit (fast) allen eBook-Readern gelesen werden. Mit dem amazon-Kindle ist es aber nicht kompatibel.
Smartphone/Tablet: Egal ob Apple oder Android, dieses eBook können Sie lesen. Sie benötigen dafür eine kostenlose App.
Geräteliste und zusätzliche Hinweise
Buying eBooks from abroad
For tax law reasons we can sell eBooks just within Germany and Switzerland. Regrettably we cannot fulfill eBook-orders from other countries.
aus dem Bereich