Eorin die Magierin 1: Die Novizin der Zauberkunst (eBook)
150 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-6394-6 (ISBN)
1. Kapitel
Zögernd setzte ich einen Fuß vor den anderen. Das Gebäude, das so lange in unerreichbarer Ferne gestanden hatte, kam mit jedem Schritt näher.
Und mit jedem Schritt vergrößerte sich meine Angst.
Ich war unterwegs zum Haus der Novizen, wo ich eine Ausbildung zur Magiepriesterin machen sollte.
Ich sage bewusst sollte, denn ich wollte nicht unbedingt.
Jetzt sah ich diesen Klotz vor mir. Hoch aufragende Mauern aus behauenen Steinen, an manchen Stellen mit Moos bewachsen, wuchsen vor mir auf. Das Ganze machte den Eindruck, mich und andere auf ewig festhalten zu wollen, dabei dauerte die Ausbildung nur drei Jahre, und das war auch die Zeit meiner Verpflichtung.
Es half ja alles nichts; ich gab mir einen Ruck, ich musste hinein. Vor mir, neben einem schönen schmiedeeisernen Tor, hing ein Seil für die Schelle. Ich überwand meine Befürchtungen und zog entschlossen an dem Strick. Ein schepperndes Geräusch ertönte und fast im gleichen Augenblick öffnete sich das Tor, als hätte jemand auf mich gewartet.
Ein hoch gewachsener Mann mit schwarzen Haaren öffnete, gekleidet war er in ein langes weit fallendes Gewand: Eine schwarze Kutte mit einer grauen Kordel. Leuchtend graue Augen sahen mich an, und eine warme dunkle Stimme klang mir entgegen.
„ Sei willkommen, Eorin, Tochter des Brianos. Ich habe dich erwartet.“
Ich war verblüfft. Woher wollte er denn wissen, wann ich ankomme? Er nahm meine Hand und zog mich hinein. Hinter mir schlug die Tür zu. Es war wie ein Urteil.
Doch ein wenig neugierig geworden sah ich mich um. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber sicher nicht so etwas. Innerhalb der Mauern stand das lang gestreckte Haus, weiß getüncht, mit vielen hohen Fenstern. Dass die meisten der Fenster vergittert waren, fiel mir noch gar nicht auf. Aber direkt vor mir begann der schönste Garten, den ich jemals gesehen hatte. Leuchtend bunte Blumen in geometrisch angelegten Beeten strahlten mir entgegen, weiße geharkte Kieswege führten durch die Beete und an manchen Stellen sah ich Gestalten, die in verschiedenfarbigen Kutten umhergingen.
Niemand beachtete uns.
„ Ich bin Darras, für die Dauer deiner Ausbildung dein Mentor. Du darfst mir alles sagen und mich alles fragen. Innerhalb der gebotenen Regeln natürlich.“
Mit diesen Worten nahm er meine Tasche und ging voraus. Es war so selbstverständlich, dass ich ohne ein Wort zu erwidern folgte.
Über die schönen Wege und durch die Beete mit den schönen und duftenden Blüten führte er mich zum Haus. Ein großes geschnitztes Portal öffnete sich wie von Geisterhand. Durch die große Halle, die sich vor mir auftat gingen, schwebten fast, einige Gestalten. Wieder fielen mir die verschiedenfarbigen Kutten auf.
„ Welche Bedeutung haben die Farben der Kutten?“, fragte ich ein wenig schüchtern.
Er fuhr herum, seine Augen blitzten mich an, dann wurden sie wieder normal.
„ Kennst du die Regeln nicht? O nein, das hat dir noch niemand gesagt. Du musst erst um Erlaubnis bitten zu fragen. Aber das konntest du noch nicht wissen. Nun gut, ich will dir deine Frage beantworten. Unsere Kutten kennzeichnen den Ausbildungsstand und den Rang. Die Weißen sind Novizen, die noch in der Ausbildung stehen, also bis zu drei Jahren hier sind. Die Grauen haben ihre Ausbildung beendet und das Erste und Zweite Gelöbnis abgelegt, man erkennt sie an den Kordeln. Die Schwarzen sind Magiepriester in gehobener Stellung, sie bilden aus wie ich und forschen nach dem wahren Wissen. Sie erwarten Ehrfurcht und absoluten Respekt. Auch du wirst den Brüdern und Schwestern den schuldigen Respekt zollen. Dann sind da noch die Braunen: Sie sind Hilfskräfte, ohne die unsere Gemeinschaft nicht leben kann. Sie erhalten die Gärten, sorgen für unser leibliches Wohl und sind Diener. Zufrieden?“ Es klang wie Spott.
Eingeschüchtert vermochte ich nur zu nicken.
„ Gut, dann komm weiter.“
Durch viele Gänge und Türen kamen wir in den zweiten Stock. Hier reihte sich Tür an Tür. Irgendwo hielt Darras an, schloss auf und schob mich hinein.
„ Hier wirst du wohnen. Heute behältst du deine Kleidung noch, morgen wird die formelle Aufnahme und Einkleidung sein. Deine übrigen Sachen brauchst du nicht, ich werde sie in Verwahrung geben. Sei versichert, nichts davon wird verloren gehen. Waschgelegenheiten findest du am Ende des Flures. Und hier ist noch etwas.“ Mit diesen Worten zog er ein dicht beschriebenes Blatt aus seiner Tasche.
„ Es sind die Regeln für das Leben in der Gemeinschaft. Bis morgen zur Aufnahme wirst du die Regeln auswendig gelernt haben.“
Er drückte mir das Blatt in die Hand, schloss die Tür leise von außen und ich war allein.
Ich sah mich erst einmal um. Eine karge Einrichtung: Ein Bett mit einer Decke, ein Tisch, zwei Stühle. An einer Wand hing ein Haken mit einem Bügel. Und dann gab es noch das Fenster. Freudig wollte ich hineilen und hinaussehen, doch jetzt fiel mir auf, was mir draußen entgangen war. Das Fenster war vergittert. Das hinderte mich zwar nicht am Hinaussehen, doch ich fühlte mich mehr denn je eingesperrt.
Schließlich setzte ich mich hin und begann zu lesen. Und meine Augen wurden groß und immer größer.
1. Ich schulde den Priestern absoluten Gehorsam. Jede ihrer Bitten und Anweisungen werde ich als Befehl betrachten
2. Es wird mein Bestreben sein, immer demütig zu sein, um der Gemeinschaft keine Schande zu machen.
3. Alle mir anvertrauten Geheimnisse werde ich bewahren, selbst wenn es mich das Leben kosten sollte.
4. Die mir anvertrauten Bücher und Gegenstände, sowie Kleidung werde ich sorgsam und pfleglich behandeln.
5. Ich werde für selbstverständliche Hilfeleistungen niemals eine Entlohnung annehmen noch fordern.
6. Für die Dauer meines Bleibens in der Gemeinschaft entsage ich allem, was mir jemals gehörte, ich stelle es der Gemeinschaft zur Verfügung.
7. Ich werde meine Mitschwestern und -brüder stets als höchstes Gut behandeln und immer hilfsbereit sein.
8. Ich gelobe, nur auf Verlangen zu sprechen und keine unnützen Worte über meine Lippen kommen zu lassen.
9. Nach Abschluss meiner Ausbildung werde ich ernsthaft erwägen, der Gemeinschaft auf Dauer meines Lebens beizutreten. Nur schwerwiegende Gründe können mich davon abhalten.
10. Ich gelobe, die in mir erweckten Kräfte und Fähigkeiten stets zum Nutzen der Gemeinschaft anzuwenden.
11. Sollte ich jemals die Gemeinschaft verlassen, werde ich meine Kräfte in den Dienst an der Menschheit stellen.
12. Es steht mir nicht zu, zu kritisieren, nach Verbotenem zu fragen oder jemals an der Weisheit der Gemeinschaft zu zweifeln.
Das alles war schlimmer, als ich es jemals gedacht hatte. Wie sollte ich hier jemals wieder herauskommen? Ich hatte mich auf drei Jahre verpflichtet, aber jetzt erkannte ich mit bitterer Klarheit, dass ich auf Lebenszeit gefangen war. Selbst wenn ich nach Ablauf meiner Verpflichtung austreten wollte, würde ich nie mehr frei über mich entscheiden können.
Verzweiflung überkam mich.
Würde ich jemals wieder frei lachen können wie auf dem Hof meines Vaters?
Mein Vater, der Hof, Dienstmägde, Tiere, das alles schien plötzlich eine Ewigkeit zurückzuliegen. Doch, war ich nicht erst gestern Morgen losgegangen, versehen mit den liebsten Abschiedswünschen und einem Versprechen auf ein baldiges Wiedersehen?
Was tat ich dann hier?
Hier in dieser kühlen und kahlen Zelle, mit Gittern vor dem Fenster, einer einzelnen trüben...
Erscheint lt. Verlag | 15.9.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
ISBN-10 | 3-7389-6394-4 / 3738963944 |
ISBN-13 | 978-3-7389-6394-6 / 9783738963946 |
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Größe: 875 KB
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