Die Krauter von Ahlen-Falkenberg und Sussex - Teil 2 (eBook)
362 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7568-6534-5 (ISBN)
Jost Dröge, geboren 1954 in Bremerhaven, wuchs dort als zweites von drei Kindern in traditioneller Arbeiterfamilie auf. Der Vat war Kupferschmied auf der Lloyd-Werft, die Mutter Hausfrau. Nach dem Schulbesuch begann er mit 16 Jahren eine Verwaltungsbeamtenlaufbahn in Hannover, welche er jedoch nicht beendete. Sein Studium schloss er als Diplom-Religionspädagoge und Diakon ab. Nach zwei Jahren in der kirchlichen Jugendarbeit trat er aus der Kirche aus und begann, Sozialpädagogik zu studieren, welches er als Diplomsozialpädagoge abschloss. 1982 bis 2019 arbeitete er in sechs Stationen der Sozialarbeit in der Heimerziehung, bei der Bewährungshilfe, dem Jugendamt, der Jugendstraffälligenhilfe, der Behindertenarbeit und der ambulanten Jugendhilfe. Nebenberuflich absolvierte er ein Magister-Studium der Philosophie und der Neueren deutschen Literatur an der Fernuniversität Hafen von 1986 bis 1992. Seit 1968 verfasste er diverse Kurzgeschichten und Romane. Davon veröffentlicht wurden Metagrom (1997, Fouqué), Tod in der Lune (2010), Eisbrandung (2010), Willbrock (2014), Der Dom (2017), Gowinder (2019), Binda (2021) und Die Krauter von Ahlen-Falkenberg Teil 1 und Teil 2 (2022), die alle bei Books on Demand veröffentlicht wurden. Mit Leidenschaft schreiben, allein im individuellen Raum. Aber auch mit Lust am Lesen aller Literaten im Gestern und Heute. Mit hoher Motivation, Anregungen anzunehmen und neue Projekte zu beginnen. Nur nicht recht geeignet für Vermarktung oder Selbstinszenierung. Lesungen finden daher nur dort statt, wo es die Ehefrau, die Familie, die Freunde es anmahnen und es promoten. Daher auch sehr glücklich verheiratet, mit zwei tollen (Stief)-Söhnen und zwei der allerbesten (Stief)-Enkelinnen auf diesem Planeten.
Kapitel 2
›Quad in passione existens natura‹ –
Die Gemüter der Natur
Friedrich war sich darüber klar geworden, dass die Jungs zwar prinzipiell recht hatten, dass Goodwinda niemals Helgoland, also die Herthainseln seinerzeit, bei ihrer Flucht im Jahre 1402 verlassen hätte, ohne das Vermächtnis ihres Gamraths in irgendeiner Form mitzunehmen. Friedrichs Bild von Goodwinda ähnelte dem seiner Mutter Mimmi und tatsächlich vermutete er auch eine Seelenverwandtschaft zwischen seinem Vater Lothar und dem als Hexer gebrandmarkten Gamrath Osterna. Beide stammten nach seinen Stammbuchrecherchen von eben jener Goodwinda und jenem Gamrath Osterna ab, allerdings mit weitschweifigen, regionalen Unwuchten, die nach Frankreich hineinreichten, wahrscheinlich aus der Zeit, in der Gamrath Osterna als Knappe firmierte. Er wird in dieser Zeit das eine oder andere Hoffräulein geschwängert haben, die häufig aus der Aristokratie des verrückten Königs Karl VI. die Nähe der reichen Ritter des Tempelordens suchten, weil sie beim eigenen König nicht sicher waren.
Mimmi und Lothar waren Familienmenschen, auch wenn sie gemeinsam nur einen Sohn, nämlich Friedrich selbst hatten, während Goodwinda und Gamrath der Sage nach mindestens dreizehn Kinder hatten.
Mimmi hatte immer auch alle anderen auf dem alten Ahlen-Falkenberger Gut als ihre Familie betrachtet, dass sie dann nach Lothars Tod noch weitere sieben Kinder zur Welt brachte und beim achten sterben musste, gehörte zu ihrer Vita. Es war zwar eine letale Vitalität, aber es war keine finale, wie seine Halbgeschwister eindrücklich bewiesen, denn in ihnen lebte sie weiter. Mimmi war in Friedrichs Augen eine Multigestalt – Gestalt von gestalten her. Und seine sieben (Halb-) Geschwister spiegelten alle ihre Talente. Jede und jeder für sich, Friedrich meinte in ihnen jeweils die Essenz einer ihrer Haupttugenden zu erkennen.
Friedrich nahm an, dass es der guitonischen Gemeinde 1401, als sie den Tod ihres Anführers Claas Störtebekers hatten zur Kenntnis nehmen müssen, in der begrenzten Zeit, die ihnen geblieben, dennoch gelungen war, ihre Angelegenheiten zu regeln, vor allem im Interesse ihrer Epigonen.
Zeit hatte im Mittelalter übrigens eine ganz andere Bedeutung als heute, nicht allein wegen der langen Wege, die ohne technologische und/oder petrochemische Hilfsmittel zu bewältigen waren, sondern zudem, dass die Lebenszeit jedes Einzelnen weitaus geringer war als heute.
Viele konnten sich zwar, vor allem durch die Mithilfe ihrer Stammesgenossen aus den unterschiedlichsten Küstenregionen und den Inseln der Nord- und Ostsee retten, aber einige Menschen blieben eben auch zurück. Die Guitonen, die nicht aus dem Ostseeraum auf die Herthainseln immigriert waren, erwarteten die Hilfe von den Festlandverwandten aus den südlichen Regionen der Rheinufer und seinen Nebenflüssen. Diese wurden von den Tempelrittern, die jene Region beherrschten, ab dem Zeitpunkt gezielt verfolgt, als man Gamrath Osterna als einen der ihren identifiziert hatte. Sie selbst befanden sich in Lebensgefahr und konnten kaum Fluchthilfe leisten, anders als die Verwandten, die auf die weite See hinausfahren konnten, um z.B. die Inseln und Küstenregionen der Ostsee anzusegeln, wo sie ihren Verfolgern besser entgehen konnten, als in den Gestaden der Flüsse im Südwesten des Franken- und Germanenreiches.
Um keine Geheimnisse, vor allem was die Fluchtrouten der Gefährten anging, unter der Folter des Ritterordens oder der Hanse zu verraten, hatten die letzten Bewohner der Herthainseln einen vollkommenen Genozid begangen, und zwar so, dass wirklich niemand am Leben geblieben war, als die Soldaten Lothar von Utrechts die drei Herthainseln enterten. Offenbar hatten die Krauterinnen der Guitonen, allen voran Goodwinda Osterna, dafür gesorgt, dass sie friedlich und schmerzfrei durch eine Kräutertrunk entschlafen konnten, vielleicht gepaart mit einem erleichternden Rauschzustand.
Die Häscher fanden daher nur friedlich entschlafene Menschen vor, die das fünfzigste Lebensjahr weit überschritten hatten – alle jüngeren Guitonen waren gerettet und von den Stammesgenossen in den Ostseeraum immigriert worden.
Goodwinda, die ebenfalls aus den Rheinauen stammte, wurde nur deshalb gerettet, weil sie einen Gönner im Norddeutschen hatte: Ritter Bederik zu Holzurburg und Ahlen-Falkenberg.
Hier war womöglich ein Schlüssel zu finden!
Friedrich glaubte, dass es vielleicht eine Art Original der ›Quad in passione existens natura‹ auf Helgoland geben konnte, war sich aber sicher, dass es sich nicht einfach nur um ein Buch nach heutigem Maßstab handeln konnte, das man einfach in seinem Fluchtgepäck unterbringen konnte.
Die Suche Enderlins und Josslins, die nun durch Barthlen und Jennifer personell verstärkt worden waren, oder umgekehrt, Friedrich war sich da nicht so ganz sicher, konnte also durchaus erfolgversprechend sein.
Jedenfalls dann, wenn sie sich darauf einließen, dass sie ihren Horizont erweiterten: Die Guitonen waren ein Naturvolk und auch wenn Gamrath Osterna des Lateinischen einigermaßen mächtig war, Claas Störtebeker übrigens nicht, so war es auch Goodwinda offenbar nicht, ebenso wie etwa 99 % der Guitonen und fast aller anderen Volksgruppen weltweit, mit Ausnahme der Priester und Mönche des katholischen Imperiums.
Wenn überhaupt, dann hatten die Guitonen vor ihrer Flucht die wertvollen Gegenstände, die sie auf ihrem Exodus nicht mitnehmen konnten, irgendwo dort deponiert, wo sie von ihren Verfolgern nicht, oder mindestens nicht so schnell gefunden werden konnten. Friedrich nahm an, dass sie auch dafür gesorgt hatten, dass das Auffinden nicht ohne Folgen an Leib und Leben für die Feinde, wie sie annehmen mussten, bleiben durfte.
Das hatten auch schon die alten Ägypter, Inkas und Kmer so gehalten, durch Gift, Fallbeile, Schlangengruben oder apokalyptische Flüche.
An dieser Stelle begann sich Friedrich ernsthafte Sorgen zu machen – und wurde später durch die Vorgänge bestätigt.
Dennoch waren ihm mehr oder weniger die Hände gebunden, jedenfalls, was eine tatkräftige Hilfe vor Ort in Helgoland anging.
So konzentrierte er sich zum xten Mal auf die Abschriften der ihnen bekannten Sequenzen von ›Quad in passione existens natura‹, die Friedrich ebenso wie seine Halbbrüder Enderlin und Josslin schon bisher minutiös studiert hatten.
Diesmal allerdings schaute er sich nicht so sehr die Inhalte oder mögliche hermeneutische Schlussfolgerungen an, sondern konkret das Material, das sein alter Onkel Heinrich so viele Jahre verborgen hatte.
Er machte sich die Mühe, die alten Dielen ausfindig zu machen, unter denen Heinrich die Dokumente entdeckt hatte. Friedrich konnte sich genau an das Schlafgemach seiner Eltern erinnern, wusste auch, dass diese Kammer nach dem Tode Lothars nur von Mimmi selbst betreten werden durfte. Nicht einmal von ihrem neuen Gatten Hans Holt, was nicht einmal eine Degradierung für ihn gewesen war, denn sie hatten offenbar zusätzlich ein gemeinsames Gemach.
Friedrich hatte den Vater seiner sieben Geschwister gekannt, auch wenn er sich zu dessen aktiven Ära zwischen 1915 und 1933 die meiste Zeit in der Küfer-Einsiedelei in Flögeln aufgehalten hatte. Jener Hans Holt war ein guter Arbeiter gewesen, offensichtlich auch ein guter Begatter und noch offensichtlicher jemand, den Mimmi voll und ganz im Griff hatte.
Aber er hatte zu seinen eigenen Kindern keinerlei väterliche Beziehung aufbauen können, sondern bewegte sich in dieser Zeit in seiner eigenen Bezugsgruppe auf dem Anwesen: Die arbeitenden Männer auf dem Ahlen-Falkenberger Hof, deren Vorarbeiter er zwar war, aber gleichzeitig auch Kumpel, Zech- und Glückspielkumpan. Chefin war und blieb immer Mimmi bis sie starb.
Der Vater ihrer Kinder war nicht in der Lage, ihr Erbe anzutreten, weder materiell noch persönlich, denn verheiratet waren sie nicht und er war zwar nicht glücklich oder gar dankbar für die finanziell großzügige Abfindung, die Friedrich ihm seinerzeit geboten hatte, hatte aber eben rechtlich auch keine andere Wahl.
Friedrich trat daher ein Vermächtnis an, das böse hätte enden können, wenn jener Hans Holt sich zur Wehr gesetzt hätte, in Zeiten wo Recht nach sogenannter Rasse gedehnt werden konnte.
Als Vater von sieben deutschen Kindern hätte er sicherlich den einen oder anderen Vormundschaftsrichter der deutschnationalen Art jener Zeit überzeugen können, dass nur ihm das Erbe der Mimmi und damit auch die Vormundschaft für seine Kinder zustand und nicht seinem debilen Stiefsohn Friedrich.
Hans Holt hatte sich aber nach Berlin abgesetzt, nachdem er ein längeres Gespräch mit seiner ältesten Tochter Wilbur, nicht nur als Dolmetscherin von Friedrich, sondern auch im Namen all ihrer Geschwister, hatte führen müssen. Wahrscheinlich zu Recht musste er einen gemeinsamen Vatermord fürchten, wenn auch vielleicht nur einen emotionalen oder sozialen.
Die Kinder mochten ihren eigenen Vater nicht, das war ungewöhnlich, vor allem in dieser Eintracht. Friedrich ahnte, dass mehr dahintersteckte und musste sich selbst die Frage gefallen lassen, ob er nicht genau genug hingeschaut und seine sieben...
Erscheint lt. Verlag | 8.9.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
ISBN-10 | 3-7568-6534-7 / 3756865347 |
ISBN-13 | 978-3-7568-6534-5 / 9783756865345 |
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