Trevellian trifft den Nerv: 3 Top Krimis (eBook)
600 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-6291-8 (ISBN)
Die zur Hölle fahren
Thomas West
Ein Jesse Trevellian Roman
In der Serie „Jesse Trevellian“ erschienen bislang folgende Titel (ungeachtet ihrer jeweiligen Lieferbarkeit auf allen Portalen):
Alfred Bekker: Killer ohne Namen
Alfred Bekker: Killer ohne Skrupel
Alfred Bekker: Killer ohne Gnade
Alfred Bekker: Killer ohne Reue
Alfred Bekker: Killer in New York (Sammelband)
Thomas West: Rächer ohne Namen
Thomas West: Gangster Rapper
Thomas West: Richter und Rächer
Thomas West: Die zur Hölle fahren
Weitere Titel folgen
Ein CassiopeiaPress E-Book
© Serienrechte „Jesse Trevellian“ by Alfred Bekker
© 2000 des Romans by Author
© 2013 der Digitalausgabe by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen
postmaster@alfredbekker.de
Kairo
Sie schwebte förmlich über die kleine Bühne, bog ihren Körper im Rhythmus der Musik, ließ ihre Hüften kreisen, stieß ihren Bauch nach vorn, zog ihn ein, ließ ihn pulsieren, warf ihre schlanken Arme in die Luft und drehte sich um sich selbst - eine Schlange hätte sich nicht geschmeidiger gewunden.
Khaled Bin Assir vergaß sein Bier, vergaß die brennende Zigarette im Aschenbecher vor sich auf dem schwarzen, runden Tischchen, vergaß Raphael neben sich auf der Polsterbank, vergaß die vielen Männer um sich herum in der halbdunklen, verrauchten Bar. Seine Augen klebten an dem tanzenden Frauenkörper, an dem straffen, nackten Fleisch zwischen dem roten Oberteil und dem roten Seidentuch knapp unterhalb ihrer Hüfte.
Wie er pulsierte, dieser köstliche Bauch, wie er sich wandt und zuckte, wie er kreiste, wie er sich wölbte und einzog - als wäre er ein kleines exotisches Tier. Ein Wildtier, das seine Besitzerin vergeblich zu zähmen versuchte. Die Glöckchen an den Säumen ihres Seidenstoffes klimperten, Schleier und Schwarzhaar flatterten, wenn sie über die Bühne wirbelte, der lange Rock bauschte sich auf, teilte sich, enthüllte für Augenblicke ihre festen Schenkel, und Khaled hielt den Atem an.
Von der Seite spürte er Raphaels Blick. Er wandte den Kopf - der ältere Freund - ein Palästinenser aus Nablus – und lächelte ihn an. Ein verschwörerisches Lächeln, in dem ein wenig Spott lag - freundlicher Spott. Nur Raphael konnte so lächeln. Anders als Khaled besuchte er nicht zum ersten Mal eine dieser verruchten Bars im Stadtteil Zamalek. Aber zum ersten Mal hatte er Khaled überreden können, ihn zu begleiten. Er beugte sich zu ihm. "Und? Gefällt's dir?"
Khaled grinste und nickte. Raphael griff nach den Biergläsern, reichte Khaled seines und stieß mit ihm an. Das kühle Bier schmeckte etwas bitter. Es prickelte angenehm, während es durch Khaleds Kehle rann. Auch Bier und Wein trank er erst, seit er Raphael an der Universität von Kairo wiedergetroffen hatte.
Die Musik brach ab, die Bauchtänzerin verneigte sich, Applaus brandete durch das Halbdunkel der Bar. Khaled stellte sein Glas ab, um ebenfalls zu klatschen. Zuerst fiel ihm nur auf, dass Raphael sein Glas nicht wegstellte. Dann sah er ihn an - Raphael lächelte nicht mehr. Er hatte auch keinen Blick mehr für die Bauchtänzerin. An Khaled vorbei starrte er mit ausdruckslosem Gesicht nach oben.
Khaleds Kopf zuckte zur Seite, und dann erst sah er sie. Sie waren zu dritt.
Die beiden jüngeren Männer kannte Khaled. Den einen, kleineren, aus seiner Heimatstadt im Jemen, den anderen aus der Uni. Der Student hieß Hassan Zakaria. Während der Physikvorlesungen war Khaled der junge Bursche aufgefallen, weil er niemals westliche Kleidung trug und ihn hin und wieder mit stechendem Blick fixiert hatte. Beide waren ungefähr in Khaleds Alter: Ende zwanzig.
Den dritten Mann hatte Khaled noch nie zuvor gesehen. Er trug ein langes schwarzes Gewand und einen grünen Turban - ein Koranlehrer, ohne Zweifel. Sein rundes Gesicht war von einem grauen Vollbart eingerahmt. Zwei auffällige Falten zogen sich von den Flügeln der Knollennase zu den Mundwinkeln herab. Er mochte Anfang vierzig sein, vielleicht auch älter. Seine samtbraunen Augen ruhten vorwurfsvoll auf Khaled, wanderten dann zu Raphael und nahmen einen feindseligen Ausdruck an.
Die Bauchtänzerin auf der Bühne verbeugte sich noch immer, Stimmengewirr mischte sich in den nicht enden wollenden Applaus. Verstohlene Blicke trafen die drei neuen Gäste. Khaled bemerkte es nicht.
Doch die Nervosität der beiden jüngeren Begleiter des Koranlehrers fiel ihm auf. Sie wussten kaum wohin mit ihren Händen, ihre Blicke hetzten scheu durch die Bar, mieden aber die leichtbekleidete Frau auf der Bühne. Der schmächtige Bursche aus Al Hudaydah, Khaleds jemenitischer Heimatstadt, tänzelte nervös von einem Bein auf das andere. Sein Name fiel Khaled wieder ein - Achmed hieß er, Achmed Uthman. Khaleds Vater hatte ihn und seinen älteren Bruder damals für die Organisation angeworben.
Endlich ließen die feindseligen Augen des Turbanträgers Raphael los. Wie ein Sieger schaute er sich in der Bar um, als würde sie ihm gehören. Als würde ihm die ganze Stadt, die ganze Welt gehören. Die Bauchtänzerin zog sich zum Vorhang hinter der kleinen Bühne zurück, verbeugte sich ein letztes Mal und verschwand. Der Turbanträger sah ihr nach, seine Mundwinkel zogen sich verächtlich nach unten. Der Applaus legte sich.
Der Blick des Turbanträgers blieb schließlich an den Biergläsern auf dem Tisch vor Khaled und Raphael hängen. Er beugte sich hinunter und griff nach einem - nach Khaleds Glas. Er roch daran und rümpfte angewidert die Nase. "Dein Vater würde weinen, wenn er sehen müsste, wie du das Gesetz des Propheten mit Füßen trittst", murmelte er. Khaled fröstelte.
"Was soll das!", zischte Raphael. Er schüttelte sich, als würde er aus lähmender Erstarrung erwachen. "Was haben wir mit euch noch zu schaffen?! Wir sind hier und amüsieren uns wie jeder andere auch! Na und?"
Die Augen des Turbanträgers verengten sich zu Schlitzen. Kalt musterte er den jungen Mann. "Du kennst die Worte des Propheten: 'Der Gläubige sieht seine Sünde wie einen großen Berg, von dem er fürchtet begraben zu werden. Der Heuchler sieht seine Sünde wie eine Fliege, die vor seiner Nase herumfliegt, und die er verscheucht.'" Er knallte das Glas zurück auf den Tisch und richtete sich auf. "Kommt heraus aus dieser Lasterhöhle. Wir warten auf der Straße." Er drehte sich um und schritt an den Tischen vorbei zum Ausgang zurück. Seine beiden Begleiter folgten ihm.
Raphael fluchte. "Sie lassen dich nicht in Ruhe." Er leerte sein Glas. "Bis ans Ende der Welt verfolgen sie dich... glauben, du wärst ihr Eigentum... glauben, du müsstest wie dein Vater sein..."
Khaled hörte nicht mehr zu. Er starrte auf seine Hände. Ein Kloß schwoll in seinem Hals. Wut, Angst und Schuldgefühle zerrten an ihm. Wut auf die Organisation, Angst vor ihren Henkern, Schuldgefühle seinem toten Vater gegenüber.
"Männer der Organisation...?", krächzte er heiser. "Meinst du wirklich?" So unerwartet waren die Drei aufgetaucht, als hätte das Nichts sie ausgespuckt. Oder die Vergangenheit. Khaleds Verstand sträubte sich gegen die Wirklichkeit. Die Angst schnürte ihm die Kehle zu.
"Sei kein Dummkopf, Khaled!", zischte Raphael. "Natürlich waren das Männer von Al Quaidah - was glaubst du denn?" Khaled sah das Flackern in den Augen seines Freundes. Wie ein in die Enge getriebenes Beutetier beäugte er die Männer an den Tischen in ihrer Umgebung. Er hat Angst, schoss es Khaled durch den Kopf. Selbst mein tapferer Freund Raphael hat Angst...
Khaleds eigene Angst steigerte sich zur Panik. Er stand auf. Sein Blick flog zum Ausgang. Ein Schwarm junger Männer strömte polternd und lachend in die Bar. Von den drei Al-Qaida-Leuten keine Spur mehr. Wir warten auf der Straße... Auf Khaleds innerer Bühne die samtbraunen Augen des Koranlehrers. Augen, die keinen Widerspruch duldeten. Nur ein Wunsch beseelte Khaled plötzlich: Der Wunsch nie mehr in diese Augen sehen zu müssen.
An den vollbesetzten Tischen vorbei steuerte er die Toiletten an. "He, Khaled! Wohin willst du?" Raphael stemmte sich aus der niedrigen Polsterbank und lief seinem Freund hinterher.
Erinnerungen überfluteten Khaleds Sinne, Bilder aus den Jahren, als sein Vater noch lebte: Die geheimen Versammlungen in seinem Elternhaus in Al Hudaydah, die flammenden Reden des Scheichs, er Seite an Seite mit Raphael bei Schießübungen am Strand, sein Vater und sein Onkel am Tag der Abreise nach Riad. Die Bilder schoben sich zwischen ihn und die Wirklichkeit, wie ein Traum erschien ihm die Bar plötzlich, er nahm sie nicht mehr wahr, die plaudernden Männer an den Tischen.
Kein Mensch in der Toilette. Khaled stützte sich aufs Waschbecken und blickte in das Gesicht seines Spiegelbildes. Ein bronzefarbenes Gesicht, glattrasiert und von dunkelbraunen, mandelförmigen Augen dominiert. Die Nase wie gemeißelt, der Mund breit und schmallippig, die glattrasierte Kinnpartie scharfgeschnitten. Ein männliches, ein schönes Gesicht.
Jetzt aber stand die Angst in seinen Zügen. Khaled schloss die Augen. Hinter ihm drückte...
Erscheint lt. Verlag | 27.7.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7389-6291-3 / 3738962913 |
ISBN-13 | 978-3-7389-6291-8 / 9783738962918 |
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