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Rules of Vicinity - Acht Momente -  Kerstin Ruhkieck

Rules of Vicinity - Acht Momente (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
396 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-8835-9 (ISBN)
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"Du bist in einer Welt aufgewachsen, die dir eingebläut hat, alles zu fürchten und zu verachten, was nicht einer festen Norm entspricht. Sich davon zu lösen, ist nicht leicht." Ein langer und beschwerlicher Weg liegt vor Crish und Novalee, der sie Schritt für Schritt einem Neuanfang näherbringen soll. Doch dieser scheint zunehmend in unerreichbarer Ferne, als die Dunkelheit sie mit ihren größten Ängsten und Dämonen konfrontiert - und als sich ihnen ein ohrenbetäubender Lärm nähert, scheint ihre Flucht vorbei zu sein... Unterdessen wird in AurA Eupa die junge Kaylana Vlinder zu einer Zwangsheirat verurteilt, nachdem es zu einem verbotenen Kontakt mit einem Jungen aus einer anderen Liga kam. Sollte sie sich weigern, droht ihr der Tod. Statt eines Witwers, der die Gelegenheit auf eine 2. Chance ergreift, meldet sich jedoch der gleichaltrige Jesper freiwillig, sie zu heiraten. Kaylana misstraut Jespers Absichten, zumal sie ihm noch nie begegnet ist. Doch als ihr die wahren Hintergründe klar werden und sie von den Bedingungen erfährt, die an diese Ehe geknüpft sind, ist es bereits zu spät...

Kerstin Ruhkieck schreibt Geschichten, seit sie einen Stift halten kann. Nachdem das Leben einige Stolpersteine für sie bereitgehalten hatte, holte die Autorin ihr Abitur auf dem zweiten Bildungsweg nach und studierte einige Zeit Deutsche Sprache und Literatur in Hamburg. Kerstin Ruhkieck hat zwei Söhne.

CRISH HEVANS


Der kühle Wind streifte seine Beine und die Gräser kitzelten seine Waden, als er über die Wiese mit dem hüfthohen Gras rannte. Er lachte vergnügt, er wusste, dass sein Vater ihn jagte, und es bereitete ihm einen Heidenspaß. Seine tapsigen Füße waren noch nicht ganz sicher, aber er merkte, dass er immer selbstbewusster wurde. Hinter sich hörte er seinen Vater wie einen Löwen brüllen und Crish kreischte ausgelassen. Eine seltsame Mischung aus aufgeregter Angst und fröhlicher Vorfreude breitete sich in seiner Brust aus und begeistert versuchte er, noch schneller durch die Grashalme zu fliehen. Immer wieder wurde das Kitzeln um seine Knöchel und seine Waden zu einem scharfen Brennen, aber das gehörte dazu. Seine Mutter würde später die dünnen Schnitte versorgen.

Er hörte seinen Vater dicht hinter sich und konnte es kaum erwarten, endlich von ihm eingefangen zu werden. Denn darin bestand der eigentliche Spaß. Und schon waren sie da, starke Arme schlossen sich um seinen Körper und rissen ihn in die Höhe. Crish kreischte auf, vor Schreck und vor Begeisterung.

»Jetzt hab ich dich!«, rief sein Vater ausgelassen, während er Crish durch die Luft wirbelte, sich mit ihm drehte und ihn dann hochwarf, als wäre er eine Taube, die davonfliegen sollte. Doch er flog nicht davon, die Schwerkraft holte ihn zurück in die Hände seines Vaters, die ihn auffingen. Wie sie es immer taten. In einer innigen Umarmung drückte er lachend seinen Sohn an seine Brust.

Als sie beide schwer atmend wieder mit den Füßen auf der Wiese standen, strahlten sie einander an. Crish liebte seinen Vater sehr.

»Noch mal!«, juchzte er mit hoher Stimme.

Sein Vater warf den Kopf zurück und lachte. »Einverstanden. Wer soll ich diesmal sein?«

Nachdenklich kratzte sich Crish an der Wange, dann hatte er eine Idee. »Dieses Mal bist du ein Monster, das mich jagt, weil es mich fressen will!«

Plötzlich packte sein Vater ihn an den Schultern. Grob, aber nicht fest genug, um ihm wehzutun. »Sag so etwas nicht, hörst du? Niemals!«

Crish sah seinen Vater erschrocken an. So ernst, beinahe wütend, hatte er ihn noch nie erlebt. Tränen sammelten sich in seinen Augen. »Papa, was ist denn los? Hab ich was falsch gemacht?«, schluchzte er. Ob sein Vater ihn wohl jetzt noch lieb hatte?

Der Ausdruck im Gesicht seines Vaters wurde weicher. »Alles gut, Liebling«, sagte er sanft, während er Crishs Schultern losließ und in eine erneute Umarmung nahm. Crish ließ sie zu, doch er wusste nicht, ob er seinem Vater glauben konnte.

»Es ist nur … Ich will kein Monster sein, verstehst du? Monster machen mir Angst«, versuchte sein Vater zu erklären.

Crish löste sich aus der Umarmung und sah ihn aus großen Augen an. »Heißt das, es gibt sie wirklich?«

Etwas Dunkles legte sich über das Gesicht seines Vaters. Ein dunkler Schleier, der seinen wahren Gemütszustand verbarg. »Ach, Liebling. Du bist noch zu klein, um das zu verstehen.« Seine Stimme war tiefer als sonst, die Vibration darin verursachte Crish eine Gänsehaut.

»Wirst du es mir irgendwann verraten, Papa?«, flüsterte er. Leise zu sprechen erschien ihm angemessen. Vielleicht, damit die Monster ihnen nicht zuhören konnten.

Sein Vater wiegte nachdenklich den Kopf hin und her, doch Crish hatte die Vermutung, dass er nur so tat, als würde er nachdenken. Denn den Kopf zu wiegen – so hatte Crish herausgefunden – war nicht notwendig, um die Gedanken in Bewegung zu setzen.

»Mal sehen«, sagte er. Kurz war da wieder dieser dunkle Schleier, doch dann lichtete er sich und legte ein Schmunzeln dahinter frei.

Crish traute dieser zurückgekehrten Unbekümmertheit nicht. Sie fühlte sich verkehrt an. »Alles okay, Papa?«

Die Hände auf seinen Schultern waren dieses Mal sanft und leicht. Kein Gewicht, das ihn niederzudrücken versuchte. »Solange ich dich habe, wird es mir immer gut gehen. Aber über Monster reden wir nie wieder. Einverstanden?«

Crish zögerte, dann nickte er eifrig.

Sein Vater zog ihn in eine weitere Umarmung. »Ich werde dich immer liebhaben, mein Schatz«, flüsterte er neben seinem Ohr.

Vielleicht, damit die Monster ihn nicht hörten.

***

»Crish? Crish, bist du wach?«

Mühsam schlug Crish die Augen auf. Sofort umschloss ihn die Dunkelheit, kaum heller als die Innenseiten seiner Lider. Von irgendwo weither brach spärlich Licht zu ihm durch und langsam konnte er das Gesicht vor sich ausmachen. Ebenmä-ßige Züge, das viel zu lange blonde Haar, zwei verschattete grüne Augen, die trotz der Finsternis funkelten und Furcht widerspiegelten. Asher. Ein warmes Kribbeln belebte seine Brust, seinen Bauch, krabbelte weiter bis in seine Arme und Beine und hinterließ ein scheues Lächeln auf seinen Lippen. Solange Asher bei ihm war, würde alles gut werden.

Mit diesem Gedanken kehrten die Bilder aus seinem Traum zurück und das wohlige Gefühl verwandelte sich in Unbehagen. Sein Traum … Lange Zeit hatte Crish das Gespräch mit seinem Vater zwischen den wehenden Gräsern vergessen. Doch nun war die Erinnerung wieder da und brachte seinen Verstand in Unruhe. Der Nebel lichtete sich und jetzt, Jahre später, begriff er, dass sein Vater damals versucht hatte, ihm etwas zu sagen. Nur ein paar Monate später war er verschwunden, einfach so, und erst die heutige Begegnung brachte die hässliche Wahrheit darüber zum Vorschein.

Wie ein Film lief die Begegnung mit der Kreatur, die nun sein Vater war, vor ihm ab und ließ ihn blind werden für die Dunkelheit. Erneut durchlebte er den Schock, als er hinter den milchig-blauen Augen und dem zerfurchten, entstellten Gesicht die Züge des Mannes erkannte, der ihn die ersten sechs Jahre seines Lebens behütet und geliebt hatte. Er war nun ein Waehrner. Nicht verschwunden. Nicht tot. Aber ein Monster.

»Crish, bist du wach?« Wieder Ashers Stimme. Crish kehrte in die Gegenwart zurück und versuchte, sich zu orientieren. Dunkelheit. Er lag auf einem harten Untergrund, Stein und Kies. Der Tunnel. Über ihnen das tosende Meer, das hier unten stumm zu sein schien. Er war auf der Flucht, auf dem Weg zur Atominsel. Wenn Asher sich irrte, würde ihre Haut bald Blasen werfen. Crish versuchte, sich zu bewegen. Nichts tat weh, das war gut. Sein Kopf lag erhöht auf etwas, das weich und fest zugleich war. Ashers Schoß? Er wurde sich Ashers Hände bewusst, eine auf seinem Kopf, die sachte über sein Haar strich. Mit der anderen hielt er die seine. Crish wünschte, er wäre früher erwacht, um diese Vertrautheit länger auskosten zu können. Doch nun musste er sich bewegen, sein Körper verlangte danach.

»Asher«, krächzte er und erschrak bei dem Klang seiner heiseren Stimme. Er hatte geschrien, er erinnerte sich. Langsam setzte er sich auf. Asher zuckte zusammen und zog seine Hände zurück.

»Scheiße, Crish! Du hast mir echt Angst gemacht! Ich dachte, du wachst nicht mehr auf.«

Langsam spürte Crish wieder seine Muskeln. Sie fühlten sich müde an und brannten, das war aber zum Glück alles.

»Tut mir leid!« Angestrengt suchte er nach Bildern von den Ereignissen nach der Begegnung mit seinem veränderten Vater und rieb sich die Stirn. »Was ist passiert?«

»Keine Ahnung! Ich hab dich mitgezerrt, solange ich konnte. Du warst völlig durch den Wind. Und irgendwann bist du einfach zusammengeklappt.«

»Tut mir leid«, sagte Crish abermals. Ihm fehlte jegliche Erinnerung an die Geschehnisse und das beunruhigte ihn. Hilflos sah er sich im Tunnel um. In der Dunkelheit gab es wenig zu sehen. Beengende Wände, Kiesboden und Schienen, die noch tiefer in den Schlund der Ungewissheit führten.

»Was war das zwischen dem Waehrner und dir?«, fragte Asher besorgt.

»Weißt du noch, was ich dir über meinen Vater erzählt habe?«

»Natürlich.«

Crish schluckte, bevor er die Worte aussprach, die sein Verstand noch nicht ganz erfasst hatte. »Der Waehrner … das war er

Asher runzelte die Stirn. »Was heißt das war er

»Das war mein Vater«, sagte er. Vielleicht halfen ihm die Worte, das Geschehene zu begreifen. Gesprochene Worte verliehen den Gedanken mehr Wahrheit.

»Bist du dir sicher?«

»Du hast doch gesehen, wie er gezögert hat, mich anzugreifen. Ich glaube, er hat mich erkannt.«

Asher legte seine Hand auf Crishs Bein. Eine inzwischen vertraute Geste, die Crish trotzdem jedes Mal in kribbeliges Erstaunen versetzte.

»Möchtest du, dass wir zurückgehen?«

Crish dachte kurz über den Vorschlag nach, doch was würde ihm eine Rückkehr nützen?

»Nein. Er wird mir sicher nicht sagen können, was mit ihm passiert ist. Wir …« Wir. Dieses kleine Wort fühlte sich in dem ganzen Chaos gut an. »… wir sollten uns an unseren Plan...

Erscheint lt. Verlag 14.7.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-10 3-7562-8835-8 / 3756288358
ISBN-13 978-3-7562-8835-9 / 9783756288359
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