Krimi Sommer Paradies Juni 2022: 19 Kriminalromane (eBook)
3000 Seiten
Uksak E-Books (Verlag)
978-3-7389-6232-1 (ISBN)
Milo blickte auf die Uhr.
Ich wurde auch langsam ungeduldig.
"John Delgrew scheint es sich anders überlegt zu haben", meinte mein Kollege.
Ich zuckte die Achseln, ließ dabei den Blick schweifen.
Wir saßen in einem Straßencafé in Greenwich Village. Delgrew hatte diesen Treffpunkt vorgeschlagen.
Er war Teilhaber einer Nobeldiskothek mit dem Namen "Bailando" in Spanish Harlem. Trotz seines englisch klingenden Namens war Delgrew alles andere als ein gewöhnlicher "Anglo-White American". Seine Mutter stammte aus Puerto Rico, sein Vater aus Argentinien.
Wir waren auf das "Bailando" im Zuge der Ermittlungen gegen einige Bosse des organisierten Verbrechens aufmerksam geworden, die den Latino-Glitzerladen offenbar bevorzugt zur Geldwäsche nutzten. Außerdem diente die Diskothek als Drogenumschlagplatz. Neben dem unvermeidlichen Kokain gab es vor allem sogenannte Designer-Drogen. Künstlich hergestellte und gewissermaßen für den Konsumenten chemisch maßgeschneiderte Substanzen, von denen die meisten illegal waren.
Allerdings hinkt die Justiz beim Verbot derartiger Stoffe erheblich hinterher, da laufend neue Chemikalien auf den wachsenden Markt geworfen werden.
Meistens werden sie in Form von Tabletten verkauft.
"Ecstasy" ist das bekannteste Beispiel dafür.
Die Wenigsten wissen, was für Nebenwirkungen sie sich bei dem Konsum dieser Drogen einhandeln können. Dauerhafte Hirnschäden, Realitätsverfall oder Veränderungen der Persönlichkeit sind keine Seltenheit.
Leider wussten wir nicht, wer der große Lieferant war, der das "Bailando" und ein paar Dutzend anderer Diskotheken mit den gefährlichen Pillen belieferte.
Angeblich kannte John Delgrew auch nur die kleinen Dealer, jedoch nicht die Hintermänner. Aber er hatte sich bereit erklärt, für uns als V-Mann zu fungieren. Wahrscheinlich hegte er die Hoffnung, dass die Justiz ihm bei seinen Geldwäschegeschäften freie Hand lassen würde. Da erhoffte er sich allerdings wohl etwas zu viel. Außerdem gab es da noch Lester Reyes und Paco Garcia, seine Teilhaber. Nach Delgrews Angaben steckten beide bis zum Hals in den Drogengeschäften mit drin. Offenbar wollte Delgrew seine Partner lieber heute als morgen aus dem Weg geräumt haben und erhoffte sich dabei die Mithilfe des FBI.
Bis jetzt war Delgrew während unserer Zusammenarbeit immer zuverlässig gewesen. Heute allerdings hatte er sich bereits eine Viertelstunde verspätet.
Milo trank seinen Milchkaffee aus. "Vielleicht hat Delgrew es sich anders überlegt!"
Ich hob die Augenbrauen. "Fragt sich nur, wer ihn dazu überredet hat!"
"Ich verstehe das nicht..."
"Er wäre nicht der Erste, der plötzlich kalte Füße bekommt..."
Der Kellner kam plötzlich an unseren Tisch heran.
"Sie wollten sich mit Mister Delgrew treffen?", fragte er.
"Das ist richtig", nickte ich.
"Uns erreichte gerade ein Anruf. Sie sollen sich in die Subway-Station an der nächsten Ecke begeben."
Der Kellner deutete mit der Hand. Das Subway-Schild war deutlich zu sehen.
"Mister Delgrew erwartet Sie an Bahnsteig 2."
Milo und ich wechselten einen kurzen Blick.
"Mir scheint, Delgrew dreht jetzt vollkommen durch", meinte Milo.
"Sie müssen sich allerdings beeilen", erklärte der Kellner. "Mister Delgrew sagte mir, dass er den Zug um 13.57 Uhr Richtung Midtown Manhattan nehmen wollte. Er wartet jetzt auf dem Bahnsteig."
Es blieben uns keine fünf Minuten. Ich bezahlte unsere Rechnung. Wir liefen die wenigen Schritte zur Subway-Station. Die Rolltreppe war uns zu langsam. Wir nahmen immer mehrere Stufen mit einem Schritt, drängten uns zwischen den Passanten hindurch.
Wenig später hatten wir Bahnsteig 2 erreicht. Hunderte von Menschen warteten darauf, Richtung Midtown Manhattan mitgenommen zu werden.
Wir blickten uns um.
"Wäre ein Kunststück, ihn hier, in diesem Gewimmel zu finden", rief ich Milo zu.
Irgendetwas war faul an der Sache. Das hatte ich im Gefühl.
Der Zug lief ein. Die Menschen drängten zu den Schiebetüren der Subway-Waggons.
Ich blickte auf die Uhr. Exakt eine Minute und dreißig Sekunden lang würde der Zug im Bahnhof halten, bevor er seinen Weg planmäßig fortsetzte.
"Jesse, da hat uns einer aufs Kreuz gelegt", raunte Milo mir zu.
Ein hochgewachsener, breitschultriger Mann mit einer Zeitung fiel mir auf. Er hielt die Zeitung so, dass man die rechte Hand nicht sehen konnte. Die Augenpartie wurde durch eine Sonnenbrille mit Spiegelgläsern verdeckt. Das Haar war grau und kurzgeschoren. Die muskulöse Bodybuilderfigur drohte den 500-Dollar-Anzug beinahe zu sprengen.
Der Grauhaarige blickte kurz zur Seite. Dort befand sich ein zweiter Mann, schwarzhaarig, mit dünnem Oberlippenbart und dunklem Teint. Unter dem engsitzenden Jackett malte sich ein Schulterholster ab. Der Mann mit dem Oberlippenbart nickte dem Grauhaarigen zu. Beide Männer fielen schon dadurch auf, dass sie außer uns so ziemlich die Einzigen auf dem Bahnsteig waren, die nicht im Strom Richtung der Subway-Waggons mitschwammen.
Ein älterer Herr mit dicker Brille rempelte den Grauhaarigen aus Versehen an. Für Sekundenbruchteile sah ich etwas Dunkles, Metallisches unter der Zeitung hervortauchen.
Die Mündung einer Waffe oder ein Schalldämpfer...
"Vorsicht Milo!", rief ich, griff unter meine Jacke und riss die Dienstpistole vom Typ SIG Sauer P226 hervor.
Der Grauhaarige ließ die Zeitung zur Seite gleiten, richtete eine Automatik mit aufgeschraubtem Schalldämpfer in meine Richtung und feuerte. Das Schussgeräusch war nicht zu hören.
Milo und ich duckten uns. Die erste Kugel zischte dicht über unsere Köpfe hinweg, ließ eines der Kunstglasfenster des Subway-Triebwagens zerspringen. Passanten stießen entsetzte Schreie aus.
Nur der Bruchteil einer Sekunde blieb mir, um abzuwägen, ob ich zurückfeuern sollte. Normalerweise verbot sich ein Schusswaffengebrauch unter diesen Bedingungen. Schließlich waren wir von viel zu vielen Passanten umgeben. Andererseits nahm dieser Killer darauf keinerlei Rücksicht.
Wenn er ein zweites oder gar drittes Mal zum Schuss kam, war die Gefährdung der Passanten vielleicht noch viel größer.
Ich schoss.
Meine Kugel traf den Grauhaarigen am Oberkörper, schleuderte ihn zurück. Die Waffe meines Gegners wurde dadurch nach oben gerissen. Seine Hand krampfte sich zusammen. Ein Schuss löste sich, ging aber weit über die Köpfe der Passanten hinweg. Die Anzeigetafel wurde getroffen.
Ein zischendes Geräusch ließ viele der Fahrgäste verwundert aufsehen. Offenbar wurde durch diesen Treffer ein Kurzschluss verursacht. Ein Teil der Beleuchtung fiel aus.
Der grauhaarige Killer stürzte rückwärts zu Boden. Ich schnellte hinterher.
Die Türen der Waggons schlossen inzwischen selbsttätig. Der Zug fuhr ab.
Milo richtete seine Waffe auf den Mann mit dem Oberlippenbart, der eine Beretta aus dem Schulterholster gerissen hatte.
"Machen Sie Platz, FBI!", rief Milo.
Passanten stoben auseinander.
Milo feuerte einen Warnschuss ab.
Der Mann mit dem Oberlippenbart rannte davon. Er rempelte rücksichtslos Passanten beiseite und strebte in Richtung der Rolltreppen.
Milo setzte nach.
"Waffe weg!", sagte ich inzwischen zu dem Grauhaarigen.
Er lag auf dem Rücken, seine Brust war rot. Ein röchelnder Laut kam ihm über die Lippen. Die Rechte hielt noch immer die Schalldämpfer-Automatik umklammert. Sein Arm zuckte. Offenbar hatte er immer noch nicht aufgegeben.
Ich kickte ihm die Waffe aus der Hand. Sie rutschte über den Boden. Der Lauf meiner SIG zeigte auf sein Gesicht.
Mit der freien Hand griff ich zum Handy. Der grauhaarige Killer brauchte dringend einen Notarzt.
Milo hetzte inzwischen hinter dem Komplizen her, drängte sich durch die Passanten, die die Rolltreppe verstopften. Der Mann mit dem Oberlippenbart sprintete in Richtung des Straßencafés, in dem wir auf Delgrew gewartet hatten. Milo folgte ihm. Vierzig, fünfzig Meter lagen zwischen ihnen. Der Killer hatte ein Handy am Ohr, nahm den Apparat jetzt herunter. Er drehte sich herum und bemerkte Milo.
Der Killer feuerte sofort. Milo duckte sich hinter einem parkenden Fahrzeug. Zurückzuschießen war unmöglich. Mindesten dreißig Personen hatten in dem Straßencafé Platz genommen und auf diese Entfernung war es nicht so leicht einen Gegner mit einem exakten Treffer auszuschalten.
Ein metallicfarbener Chevrolet hielt ganz in der Nähe. Der Killer spurtete auf diesen Wagen zu. Augenblicke später erreichte er ihn. Er riss die Tür hinten rechts auf und hechtete sich förmlich ins Wageninnere. Mit quietschenden Reifen fuhr der Chevy davon.
Milo setzte noch zu einem Spurt an. Als er für einen Moment freies Schussfeld hatte, zielte er mit der SIG auf die Reifen. Sein Schuss stanzte ein Loch in die Stoßstange hinein.
Der Wagen bog quietschend in die nächste Einfahrt.
"Verdammt", murmelte Milo vor sich hin. Der Kerl war ihm erst einmal durch die Lappen...
Erscheint lt. Verlag | 11.6.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror |
ISBN-10 | 3-7389-6232-8 / 3738962328 |
ISBN-13 | 978-3-7389-6232-1 / 9783738962321 |
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