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In Spe -  Thomas Moßburger

In Spe (eBook)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
200 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-8042-1 (ISBN)
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Die vier Freunde Gesa, Thorsten, Keks und Karim waren in ihrer Jugend unzertrennlich. Bis immer mehr das Leben dazwischenkam. Als Thorsten nun mit Anfang 30 nach mehreren Jahren zurück in seine Heimatstadt kommt, arbeiten Unternehmersohn Keks und der Öko-Hipster Karim an ihrem ersten Start-Up, seine Ex-Freundin Gesa ist von der Studentin zur Influencerin mutiert. Das große Wiedersehen endet im großen Streit und zwingt die Vier doch auf eine mysteriöse Spurensuche durch ihre Gegenwart.

Thomas Moßburger wurde 1989 in Lohr am Main geboren. Studiert hat er in Erfurt, München und Utrecht. Heute lebt er als Journalist bei Würzburg, schrieb und schreibt für Bayerischen Rundfunk, Süddeutsche Zeitung, Chip und das New Yorker Büro der Deutschen Presse-Agentur.

Im Office/zu Tisch


„Wow, ganz schön Platz hier“, sagte Thorsten mit geweiteten Augen. Keks und er waren von der Tiefgarage mit dem Aufzug in das oberste Stockwerk gefahren. Dort erkannte man, dass von dem Bürgerhaus mit den grünen-goldenen Fenstern nur noch die Fassade stand. Dahinter hatte man einen modernen Glasbau errichtet, der dort abschloss, wo die Fassade begann, spitz zuzulaufen. Von vorne war der Neubau so nicht sichtbar. Die Außenwände des vierstöckigen Glashauses hinter der historischen Fassade waren je nur knapp einen Meter von den Nebenhäusern entfernt, externe Beleuchtung und Spiegel mussten für Licht sorgen. Eine echte Fehlplanung. Das Lolliprops-Loft, das Thorsten und Keks soeben betreten hatten, befand sich dagegen im obersten Stockwerk, thronte so über den Nebenhäusern und hatte daher auch kein Lichtproblem.

Die Decke des Gebäudes bestand zudem aus Glas. Zumindest der oberste Stock des Glasneubaus war so, anders als die unteren drei Stockwerke, lichtdurchflutet. Dazu kam ein heller Holzboden. Wer aus dem Aufzug ausstieg, lief direkt durch eine Glasdrehtür in einen großen Raum, wo ihn – hinter dem Empfangstresen mit dem Lolliprops-Firmenlogo – Kickertische, ein Billardtisch, ein alter Pac-Man-Automat, drei Flipperautomaten und ein Spieleautomat, der Autorennen mit Lenkrad, Gas-pedal, Kupplung und Bremse simulierte, begrüßten. Dazwischen standen verschiedenste wild gemischte Sofas und Sessel, mal aus Leder, mal aus Samt, mal furchtbar hässlich geblümt.

„Willkommen bei Lolliprops. Wo der Spaß nie aufhört“, sagte Keks und kam dabei wohl ironischer rüber, als er es wollte.

Thorsten: „Hier siehts ja echt aus wie in einer Spielhalle. Also nur ein bisschen heller.“

Keks: „Ja, was man halt heute als Start-up-Gründer so biete muss, habe wir. Jeden Freitag ist Kickerturnier für alle, die Bock haben. Bier gibts jeden Tag ab 20 Uhr gratis hier in dem Kühlschrank. Jede Woche e anders. Natürlich handverlesen von mir. Sonst natürlich Kaffee, Saft, Müsli, Schokoriegel. Wer bis 21 Uhr bleibt, darf Pizza oder so kostenlos bestelle.“

Thorsten: „Hört sich cool an. Aber grad hat wohl keiner Zeit zum Zocken, oder?“ Keks wirkte leicht ertappt. „Na ja, also tagsüber wird eigentlich meistens gearbeitet bei uns. Und dann nach Feierabend gspielt und getrunken oder so. In de Mittagspause zocke manche ma ein bisschen Kicker oder so. Aber kann sich natürlich jeder einteilen, wie er Lust hat, solange er seine Arbeit macht. Aber haben meistens eh genuch zu tun. Aber wie gesagt, Freitagabend ab 21 Uhr ist dann hier Kickerturnier und Saufen.“

„Krass, dass die Leute dann extra nach Dienstschluss am Wochenende noch mal hier reinkommen. So schlecht könnt ihr als Chefs nicht sein“, antwortete Thorsten mit hörbarer Anerkennung.

Keks huschte ein kurzes, gezwungenes Grinsen über die Lippen. Keiner, der beim Kickerturnier mitmachte oder sich ein paar Bier gönnte, fuhr zwischen Dienstschluss und Turnierstart nach Hause. Die meisten wechselten eher zwischen Schreibtisch und Kickertisch hin und her. Und blieben nach dem vierten Hellen dann am Kickertisch hängen.

Keks: „Ja, quasi, aber dank der Kickerabende haben wir jetzt eben auch ’nen Schlafplatz für dich.“

Keks grüßte den Mitarbeiter am Empfang, der ein knallrotes Firmen-T-Shirt tragen musste, und bog mit Thorsten hinter dem Tresen in den linken Büroflügel ab, vorbei an Schreibtischreihen voller Mitarbeiter. Das Büro bestand letztlich aus drei Räumen, die durch Glaswände getrennt waren: dem Eingangsraum mit Küche, Kühlschränken, Sofas, den Kinderspielen und Videospielautomaten – und jeweils rechts und links davon abgehend zwei Großraumbüros. Die Büroräume waren mittig durch einen relativ schmalen Gang geteilt. Zu den Seiten des Gangs standen riesige Holztischplatten, vier Meter breit und zwei Meter lang, mit Bierkastenstapeln als Beinen, an denen jeweils sechs bis acht Mitarbeiter mit Laptops saßen und auf ihre Bildschirme starrten, teils alleine, teils zu zweit. Teils im Gespräch, teils nicht. Blickte man – wenn die Bürgerhausfassade vorne war – in den hinteren Raum, entdeckte man ganz hinten links eine Treppe, die an der hinteren Glaswand entlang verlief. Dort wirkte der Raum dunkler als der Rest des lichtdurchfluteten Büros. Der Grund: Auf das Glasdach hinten an der linken Hauskante hatte man einen kleinen weißen Metallwürfel gesetzt, vielleicht drei mal drei Meter in der Fläche, den man über diese Treppe durch eine Art Falltür erreichte.

Keks zeigte mit seinem Finger in Richtung Würfel. „Da oben ist unsere Kemenate. Eigentlich für Burgfräulein oder -männlein, die abends nicht mehr rechtzeitig vor U-Bahn-Schluss nach Hause komme, aber jetzt erst mal dei Reich. Kei Angst: Da sind Fenster drin und ’ne Klimaanlage. Geile Idee, oder? Haben einfach ’nen alten Schiffscontainer von meinem Vadder genommen, umgebaut und per Kran aufs Dach setze lassen und von unten mit ’ner Falltür angeschlossen. Aber wäre gut, wenn du das nicht direkt dem städtischen Bauamt steckst. Wir haben damals gesagt, dass wir was am Dach ausbessern müssen, als der Kran kam und so.“

Thorsten erhob affektiert den Zeigefinger und wechselte in eine näselnde Tonlage. „Na, na, na, du weißt, dass ich als Polizeihauptkommissar da eigentlich eingreifen müsste.“

Keks konterte gelassen: „Ich weiß zum Glück vor allem, dass du nimmer im Dienst bist. Und in meiner Bude hier wohnst.“

Thorsten in normaler Tonlage: „Touché.“

Zusammen gingen Thorsten und Keks die steile Treppe nach oben und kletterten in den Metallkasten. Der war trotz des Sonnenscheins angenehm temperiert, verfügte über zwei große Fenster, ein Bett, einen Schreibtisch und eine alte Couch. Außerdem waren dort ein großer silberner Flachbildfernseher und alle erdenklichen Konsolen aufgestellt.

„Ab und zu machen wir auch FIFA-Abende hier oben“, erklärte Keks, als ihm Thorstens Blick auf die Konsolensammlung auffiel.

Thorsten: „Warum stellt ihr die Dinger nicht einfach runter zu dem anderen Gaming-Kram?“

Keks antwortete etwas leiser als zuvor: „Na ja, ham wir am Anfang. Aber dann haben die Leud halt echt ziemlich viel Zeit mit FIFA- und Halo-Zocken so verbracht und dann haben wir den Raum hier oben halt zum Zockerraum erklärt. Und meistens pennt hier halt jemand. Irchendjemand sucht eigentlich immer grad ’ne Bude. Weißt ja, wie es ist. Eigentlich kann sich kaum jemand hier im Otto noch die Mieten so richtig leisten, vor allem nicht die Jungs von der Uni, die bei uns anfangen, mit ihren Einstiegsgehältern. Und da bieten wir immer mal wieder das Zimmer an, was aber auch heißt, dass leider das Konsolen-Zocken nur ab und zu möglich ist.“

Keks’ Smartphone summte, er schaute nach, was es gab. „Ah, der Karim ist ach scho gleich da. Komm, lass ma runnergehe.“

Thorsten stellte seine Sporttasche auf das Bett, öffnete sie, holte eine Deo-Flasche heraus und sprühte sich ein. Er blickte in den Spiegel an der Metallwand, fuhr über die Kuhle zwischen seinen definierten Brustmuskeln, lächelte sich selbstbewusst an. Dann folgte er Keks, der schon hinunterkraxelte.

Am Fuß der Treppe angekommen sahen sie bereits Karim. Er hatte sein ultraleichtes Karbon-Fahrrad geschultert und lief durch den Gang auf sie zu. „Toto, endlich! Warte, ich bring nur kurz das Rad an meinen Platz.“

Karim Heisenbach lief an ihnen vorbei, bog in die letzte Schreibtischreihe vor der Glaswand ab und stellte sein Rad hinten in die Ecke. Karim war ein großer schmächtiger Typ. Er trug ausschließlich schwarze Klamotten, meist schwarze Skinnyjeans und ein schwarzes T-Shirt, und könnte einen Rekord für den Menschen mit dem geringsten Körperfettanteil überhaupt aufstellen, wenn er sich bei Guinness bewerben würde. Auf seiner Nase trug er eine dünne runde John-Lennon-Brille, unter ihr einen dünnen wohlgestutzten Bleistift-Schnauzbart. Die dunkelbraunen Haare waren raspelkurz abgeschnitten, gerade so, dass keine Kopfhaut zu sehen war, sein Teint schimmerte hellbraun, etwas, das darauf hindeutete, dass seine Mutter Namika Ende der 70er-Jahre als Studentin aus dem Libanon nach Deutschland gekommen war – und dann an der Uni Karims Vater kennengelernt hatte. Während Karims Vater bis heute eine Apotheke betrieb, war sie Professorin für moderne arabische Literatur. An seinem Unterarm hatte Karim drei durchgehende schwarze Streifen verschiedener Dicke tätowiert. Sie standen für wichtige Menschen in seinem Leben. Seine Eltern und seinen Mann in spe.

Thorsten fiel Karim in die Arme.

„Oh Mann, endlich ist die Scheiße vorbei. Passt alles so weit? Die Kemenate ist in Ordnung?“, fragte Karim, als sie sich aus der Umarmung lösten.

„Alles super, danke dafür“, antwortete Thorsten.

Karim lachte. „Nichts zu danken. Im Moment zahlt sowieso noch hauptsächlich Vater Keks als alleiniger Hauptinvestor und Besitzer für das Ganze hier. Also musst du dich bei...

Erscheint lt. Verlag 9.5.2022
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror
ISBN-10 3-7562-8042-X / 375628042X
ISBN-13 978-3-7562-8042-1 / 9783756280421
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