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Die Henkerstochter und die schwarze Madonna (eBook)

Spiegel-Bestseller
Historischer Roman | Historischer Krimi um eine Mordserie im Wallfahrtsort Altötting
eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
736 Seiten
Ullstein (Verlag)
978-3-8437-2796-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Henkerstochter und die schwarze Madonna -  Oliver Pötzsch
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Tödliche Pilgerfahrt: Wer mordet unter den Augen der Schwarzen Madonna?  1681: Trotz seines fortgeschrittenen Alters macht der Schongauer Scharfrichter Jakob Kuisl noch einmal eine große Reise mit der Familie, eine Wallfahrt nach Altötting. Zur gleichen Zeit sich hochrangige Gäste im berühmten Pilgerort: Kaiser Leopold I. von Österreich und der Bayerische Kurfürst Max Emanuel wollen im Angesicht der Schwarzen Madonna ihre »Heilige Allianz« schmieden und sich im Kampf gegen die Türken verbünden. Doch dann wird ein Mann ermordet, und Kuisl ahnt, dass die Allianz verhindert werden soll. Zusammen mit seiner Tochter Magdalena und dem Rest der Familie macht er sich auf die Suche nach dem geheimnisvollen Mörder. *** Farbenprächtig und voller Intrigen: In einer perfekten Mischung aus Fakten und Fiktion lädt Oliver Pötzsch Sie ins Bayern des 17. Jahrhunderts ein! 

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der Henkerstochter-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Oliver Pötzsch, Jahrgang 1970, arbeitete nach dem Studium zunächst als Journalist und Filmautor beim Bayerischen Rundfunk. Heute lebt er als Autor mit seiner Familie in München. Seine historischen Romane haben ihn weit über die Grenzen Deutschlands bekannt gemacht: Die Bände der Henkerstochter-Serie sind internationale Bestseller und wurden in mehr als 20 Sprachen übersetzt.

Kapitel 2


Im Nymphenburger Schlosspark bei München, drei Tage später

Wie verzaubert stand der Hirsch auf der Lichtung, so als hätte ihn eine böse Fee mit ihrem Spruch gebannt. Er hatte sein Haupt erhoben, das Braun seines Fells hob sich gegen das Weiß des Schnees ab, das durchsetzt war von ersten grünen Grasflecken, hinter ihm standen die Bäume wie stumme Zeugen. Einen Moment lang schien die Zeit stillzustehen, kein Geräusch war zu hören. Dann erschütterte ein plötzlicher Knall die Lichtung, kreischende Vögel stoben auf, und der Hirsch stürzte wie ein gefällter Baum zu Boden.

»Ein Sechzehnender! Ich hab einen Sechzehnender erwischt, mit dem ersten Schuss! Ha, das soll mir mal einer nachmachen!«

Max sprang hinter dem Busch hervor und hielt die Muskete wie eine Trophäe in die Höhe. Es war ein Radschlossgewehr neuester Bauart, mit silbernen Beschlägen, die diverse erotische Szenen zeigten. Der Schaft war aus italienischem Nussbaumholz gefertigt, aus dem Lauf stieg Pulverdampf in den bewölkten eisgrauen Märzhimmel. Der Kurfürst blickte hinter sich, wo Peter noch immer im Gebüsch kauerte.

»Nun komm schon und sieh dir das an!« Max feixte. »Oder hast du etwa Angst vor einem toten Hirsch?«

Zögernd trat Peter hervor. Er mochte die sogenannte Hochwildjagd nicht. Es war etwas anderes, ob ein Jäger Tiere schoss, um seine Familie oder ein Dorf zu ernähren, oder ob Adlige aus purem Vergnügen durch die Wälder preschten und Ausschau nach besonders prestigeträchtiger Beute hielten. Längst gab es Bären nur noch in undurchdringlichen Wäldern und im Gebirge, und auch die großen Rothirsche wurden immer weniger. Fürsten ließen die Tiere deshalb extra züchten und in ihren Wäldern und Parks aussetzen – um dann auf sie zu schießen wie auf Zielscheiben. Selbst jetzt, Anfang März, da eigentlich Schonzeit war, wurde zum Halali geblasen, manchmal sogar in Wildgehegen oder in Manegen, wo die schönen Tiere dann zu Tode gehetzt wurden.

»Ein wirkliches Prachtexemplar.« Max nickte anerkennend und zog den Hirschkopf an seinem stattlichen Geweih in die Höhe. Die Augen des Tieres glänzten leer, dunkles Blut rann ihm aus dem Maul. »Hat sich lange vor mir versteckt. Möchte man gar nicht glauben, in so einem kleinen Park.«

Sie befanden sich im Schlosspark der Sommerresidenz der Wittelsbacher, nicht weit vor den Toren Münchens. Max Emanuels Mutter Henriette Adelaide, eine Prinzessin aus dem Piemont, hatte den Park vor vielen Jahren von ihrem Mann geschenkt bekommen, zur Feier der Geburt des Thronfolgers. Max nannte ihn in Erinnerung an seine Mutter »Borgo delle Ninfe«, Nymphenburg. Es war tatsächlich ein märchenhafter Ort, mit einem noch unfertigen Schloss, mit Weihern, Heckenlabyrinthen, verwunschenen Lichtungen und Wäldern. Schon ein paar Mal war Peter mit Max hier reiten und jagen gewesen, aber er hatte sich immer dagegen gesträubt. Nur, was half alles Sträuben, wenn einem der bayerische Kurfürst höchstselbst den Befehl gab, wenn auch als vermeintlicher Freund?

Erst heute Morgen war ein Bote mit der förmlichen Einladung zur Jagd ans Haus der Eltern gekommen. Doch bereits in Ingolstadt hatte Peter einen versiegelten Brief erhalten, der sein Erscheinen in München ausdrücklich anordnete. Seinen Eltern hatte Peter noch nichts davon erzählt, auch weil sie mit dem kranken Großvater zurzeit andere Sorgen hatten. Und den Grund für seine von Max befohlene Anwesenheit in München wusste Peter bis heute nicht.

Doch ihm schwante, dass es dabei nicht nur um eine Jagd im Schlosspark ging.

»Komm! Hilf mir beim Aufbrechen des Kadavers.«

Max winkte Peter herbei. Die Jagdgesellschaft und die Soldaten, die sie vorher noch begleitet hatten, waren auf Max’ Befehl zurückgeblieben. Offenbar wollte der Kurfürst mit Peter allein sein. Wie so oft trug Max Emanuel sein blaues Wams, das zu einem Erkennungszeichen geworden war, dazu einen schmucken Jagdrock, Lederstiefel und Handschuhe aus feinem Kalbsleder. Auf die Allongeperücke, wie sie mittlerweile auch am bayerischen Hof üblich war, hatte Max heute verzichtet, was ihn viel jünger wirken ließ. Das Lausbubenhafte, das Peter noch von früher kannte, schimmerte in seinen Augen.

Max war mittlerweile volljährig und seit letztem Jahr bayerischer Kurfürst. Das machte ihn zu einem der mächtigsten Herrscher im Deutschen Reich, ja, in ganz Europa. Dass ein einfacher bürgerlicher Studiosus, noch dazu der Enkel eines ehrlosen Henkers, mit dem Fürsten befreundet war, wussten nur wenige.

Peter musste daran denken, was seine Mutter vor ein paar Tagen erst gesagt hatte.

Er ist nicht dein Freund, Peter! Ein Fürst kann niemals dein Freund sein …

Peter und Max kannten sich aus ihrer Kindheit. Seit Peter in Ingolstadt studierte, sahen sie sich nur noch selten; dann spielten sie meist in der Münchner Residenz miteinander Schach. Max liebte Schach über alles! Er spielte mit den Menschen wie mit Schachfiguren, und am Ende gewann immer der König.

»Was hast du? Du stehst da wie festgewurzelt!« Der Kurfürst sah seinen Freund ungeduldig an. Er reichte Peter ein langes Jagdmesser. »Du studierst Medizin. Da solltest du ja wohl wissen, wie man einen Hirschkadaver aufbricht. Jetzt hab dich nicht so!«

»Verzeih.« Peter trat näher und nahm das Messer. »Ich … ich musste nur eben an meinen Großvater denken.«

»Diesen alten Brummbären aus Schongau?« Max tat mit seinem Messer den ersten Schnitt. In einer einzigen fließenden Bewegung öffnete er der Länge nach die Bauchdecke des Tiers. Die Eingeweide quollen heraus und dampften in der Kälte. »Was ist mit ihm?« Max hatte Peter nie gefragt, was sein Großvater, sein Onkel oder sein jüngerer Bruder für einen Beruf ausübten. Doch Peter ahnte, dass Max es ohnehin wusste. Vermutlich wusste der Kurfürst weitaus mehr über die Kuisls, als Peter lieb sein konnte.

»Er hat uns hier in München besucht und ist plötzlich schwer krank geworden. Es war wohl ein Schlagfluss.« Peter zuckte die Achseln. »Mittlerweile hat er sich wieder ein wenig erholt, aber …«

»Na, dann musst du dir ja keine Sorgen mehr machen. Komm, hilf mir lieber, die Leber rauszuschneiden. Die Kugel hat sie nicht zerrissen, und sie ist das beste Stück, wie jeder Jäger weiß.«

Peter seufzte. Es hatte keinen Sinn, mit Max über seine Familie zu sprechen. Und tatsächlich ging es dem Großvater ja wirklich wieder besser. Sein linker Arm fühlte sich wohl noch ein wenig taub an, und er konnte den kleinen Finger nicht bewegen. Doch davon abgesehen, hatte der alte Henker den Anfall erstaunlich gut überstanden. Trotzdem hatte Peters Vater Bettruhe verordnet, was der Alte nur unter viel Fluchen und Schimpfen über sich ergehen ließ. Ein paar Mal war er schon aufgestanden und hatte sich in der Küche einen Humpen Bier geholt. Erst gestern hatte ihn seine Tochter gerade noch davon abgehalten, das Haus zu verlassen und in ein Wirtshaus in der Au zu gehen. Man konnte sagen, er war wieder fast der Alte.

Trotzdem war die Familie in Sorge. Sie hatten gemeinsam beschlossen, dass der Großvater und auch Paul noch eine Weile in München bleiben sollten, unter Beobachtung. Wenigstens hatte es mit Paul keinen weiteren Streit mehr gegeben.

»Was für eine schöne Leber! Wusstest du, dass die alten Griechen in ihr den Sitz der Seele vermuteten? Wenn wir die Leber essen, verleiben wir uns damit die Kraft dieses prächtigen Tieres ein.« Max fingerte das noch warme, dampfende Organ aus der Bauchhöhle und schnitt zwei dünne Streifen ab, wovon er einen Peter reichte. »Hier, iss! Das macht dich zum Mann.«

Der Kurfürst sah ihn prüfend an, und Peter verdrehte die Augen. Das war wieder mal eine von Max’ typischen Mutproben, so als wären sie beide noch zehn! Peter beschloss, sich auf die Probe einzulassen. Hastig steckte er den Fetzen in den Mund und schluckte das blutige Ding angeekelt hinunter. Max zögerte kurz, dann tat er es ihm gleich. Er grinste.

»Bah, schmeckt das widerlich!« Der junge Kurfürst lachte und wischte sich den blutigen Mund ab. »Du müsstest dein Gesicht sehen!«

»Und du deines«, erwiderte Peter. Er verschluckte sich, hustete, woraufhin Max nur noch lauter lachen musste.

Es waren Momente wie diese, in denen sie wirklich Freunde waren. Später am Hof würde Peter Max dann wieder mit »Seine kurfürstliche Exzellenz« ansprechen, und Max würde ihn behandeln wie einen x-beliebigen Diener.

Der junge Kurfürst rammte das Messer in einen nahe gelegenen Baumstumpf, das Lachen war ganz plötzlich aus seinem Gesicht verschwunden.

»Ich habe etwas mit dir zu besprechen. Du musst mir einen kleinen Gefallen tun.«

Jetzt also ist es so weit, dachte Peter, das ist der Grund, warum er mich nach München gerufen hat. Wie so oft … Der Moment der Freundschaft war so schnell vorüber, wie er gekommen war.

»Was kann ich für dich tun?«, sagte Peter. Er versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Wenn ich öfter mit dir auf die Jagd …«

»Ich...

Erscheint lt. Verlag 24.11.2022
Reihe/Serie Die Henkerstochter-Saga
Die Henkerstochter-Saga
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Abenteuer • Abenteuerroman • Altötting • Assassinen • Heilige Allianz • Henker • Historienroman • historischer Krimi • Historischer Kriminalroman • Historischer Roman • Kuisl • Pilgerfahrt • Reliquien • Scharfrichter • Schongau • Schwarze Madonna • Wallfahrt
ISBN-10 3-8437-2796-1 / 3843727961
ISBN-13 978-3-8437-2796-9 / 9783843727969
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