Dorian Hunter 97 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3212-3 (ISBN)
Coco bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Rian, bitte komm doch hierher - nach Basajaun!«
»Ich hoffe, dich bald wiedersehen zu können«, erwiderte Dorian.
»Wann wirst du hier sein?«
»Ich fühle mich einsam. Wir haben so viel zu besprechen.«
»Rian!«
»Es wird alles gut werden.«
Sie wollte etwas Drängendes entgegnen, ihn mit allen Mitteln bewegen, auf die Burg zurückzukehren, doch da war die Leitung bereits tot.
Dem Dämonenkiller Dorian Hunter ist es mit Hilfe des Ys-Spiegels und dem undurchsichtigen Magier Magnus Gunnarsson gelungen, den Erzdämon Luguri in die Schranken zu weisen. Doch Luguri stellt Dorian eine weitere Falle - in Norwegen, wo das Mädchen auf dem Teufelsacker wartet ...
2. Kapitel
Tingvoll war eine winzige Stadt der norwegischen Insel Mageröya. Unweit der letzten Häuser stand am Ortsausgang das aus wuchtigen Steinen erbaute, geduckt wirkende Wirtshaus, in dem sich nach Feierabend viele Männer einfanden, um Karten zu spielen, zu diskutieren, zu trinken und die Neuigkeiten des Tages zu erfahren. Bauern, Fischer, manchmal auch Nomaden. Einfache Menschen also, die zwar schon die Errungenschaften der modernen Zivilisation kannten, jedoch eine abergläubische Beziehung zu den Ereignissen des Lebens bewahrt hatten.
Der Fernsehapparat, den der Wirt Eike Gynt auf einem hölzernen Podest platziert hatte und der somit für alle da war, stellte unzweifelhaft die Attraktion in dem etwas düsteren, bescheidenen Haus dar.
Eike stand an diesem Abend wie gewöhnlich hinter seiner Theke, schenkte Bier und Schnaps aus und reinigte Gläser; und wie an allen Abenden waren die Tische im Schankraum besetzt. Rund zwei Dutzend Männer aller Altersklassen verfolgten die Nachrichten im Fernsehen und gaben so lautstarke Kommentare ab, dass die Stimme des Sprechers zeitweise nicht mehr zu verstehen war.
Eine einzige Lampe hing leicht schwankend in der Mitte des Raumes und verbreitete ein trübes Licht. Draußen tobte ein heftiger Wind und trieb Schneeflocken gegen die Fensterscheiben.
Plötzlich war es schlagartig still. Alle blickten erschrocken auf den Bildschirm. Selbst Eike Gynt, ein stämmiger Mann, den gewöhnlich nichts aus der Fassung bringen konnte, erstarrte. Ein noch nicht geputztes Glas entglitt seiner Hand und zerschellte auf dem Boden.
Tückisch blickten die glühenden Froschaugen des dämonischen Glatzkopfes auf die erschütterte Versammlung. Das schockierende Bild hatte von einer Sekunde auf die andere den Kopf des Nachrichtensprechers verdrängt; nichts war mehr von der normalen Übertragung zu sehen oder zu hören.
Alle Betrachter zuckten zusammen. Ein alter Lappe rutschte sogar von seinem Stuhl und verkroch sich zitternd unter dem Tisch.
Fürchterlich grollte die Stimme des teuflischen Glatzkopfes. »Menschen – Eure Stunde ist nahe! Ihr könnt nicht entweichen. Ihr löst euch nicht von eurem Schicksal. Ihr seid dem ausgeliefert, was über euch kommen und euch dahinraffen wird, wenn ihr euch nicht zu den Mächten der Finsternis bekennt.«
In stummer Angst hörten die Männer den Rest der drohenden Botschaft, dann verblasste die Erscheinung.
Der Nachrichtensprecher tauchte wieder auf dem Bildschirm auf und verlas die Notizen über Tagespolitik, Wirtschaft, Wetter und Sport.
Eike Gynt gewann als Erster die Fassung wieder. Er kam hinter der Theke hervorgestapft, ging zum Gerät und fummelte daran herum. Er probierte alle Sender durch, unternahm einfache Tests, konnte jedoch keinen Defekt feststellen.
»Der Teufel soll die Idioten von der Fernsehanstalt holen«, versetzte er murmelnd. »Was die sich neuerdings erlauben.«
Der alte Lappe kam unter seinem Tisch hervorgekrochen. Er erhob sich und deutete mit einem zitternden Finger auf den Apparat und den Wirt. »Beschwör's nicht, Eike! Es war der Leibhaftige höchstpersönlich. Ich schwör's dir! Ein Spuk der Hölle!«
Gynt winkte ab. »Unsinn, Peer Makselv! Denk gefälligst mit dem Gehirn und nicht mit was anderem! Am Gerät kann's nicht liegen, wohl aber an der Station. Wäre nicht das erste Mal. Ich wette, alle anderen aus Tingvoll, die ebenfalls den Fernseher anhaben, haben den verrückten Glatzkopf auch gesehen.«
Ein Mann Mitte der fünfzig stand auf. Er hieß Arne Lillehammer und war Fischer, ein Mann mit einer gegerbt wirkenden Gesichtshaut und großen, schwieligen Händen. »Urteile nicht so leichtfertig, Eike! Ich gehöre einem etwas älteren Jahrgang an als du. Habe mehr gesehen, besonders draußen auf See. Im Eismeer gibt es Dämonen, Geister und Götzen, von denen man nie weiß, wann sie ihr Gebiet verlassen, um die Menschen zu erschrecken und zu quälen.«
»So ein Mummenschanz!«, rief Gynt. »Ich glaube nicht daran. Los, ich gebe eine Lokalrunde aus. Trinkt alle einen ordentlichen Schnaps, damit ihr nicht länger über den Blödsinn nachzudenken braucht, den wir eben gesehen haben.«
Er kehrte an seinen Platz hinter dem Tresen zurück, stellte Gläser auf, schenkte aus, lachte und scherzte mit den Männern, die aufstanden und herüberkamen. Eike Gynt war aber irgendwie innerlich nicht wohl zumute. Auf unerklärliche Weise machte sich ein Gefühl der Bedrohung in seinem Geist zu schaffen.
Die Tür öffnete sich. Köpfe zuckten herum. Der alte Lappe stieß unwillkürlich einen jammernden Laut aus. Arne Lillehammer nahm Abwehrstellung ein.
Ein eisiger Windhauch erfasste die Tür und warf sie schmetternd gegen die Innenwand. Mit den hereinwirbelnden Schneeflocken erschien die breite Gestalt eines Mannes, den alle kannten. Es wurde aufgeatmet.
»Holger Kringsja!«, rief der Wirt. »Du kommst im richtigen Augenblick. Ich wette, dass du den Freischnaps von deinem Haus aus gewittert hast.«
Kringsja näherte sich schweren Schrittes der Theke. Er war kein schöner Mann. Seine Züge waren grob, sein Kinn dick und dunkel schattiert. Ihm gehörte der Kaufmannsladen von Tingvoll, und er galt als einer der wenigen wohlhabenden Männer des Ortes.
Kringsjas Blicke richteten sich auf Gynt. »Habt ihr den Glatzkopf auch gesehen?«
»Ja.«
»Er hat im Fernsehapparat gesprochen und Drohungen ausgestoßen.«
»Ja.« Gynt reckte sich. »Da haben wir den Beweis! Es lag wirklich an der verdammten Station.«
Kringsja schüttelte energisch den Kopf. »Du irrst dich. Es war ein Zeichen des Bösen. Eine Ankündigung. Der Schneesturm über Tingvoll lässt nach – aber nur über unserer Stadt.«
Arne Lillehammer schob sich neben den Kaufmann. »Was willst du damit sagen?«
»Ich weiß es selber nicht. Aber ich habe viele dicke Bücher über Zauberer und Geister gelesen und oft mit Vik, dem Noaiden, gesprochen. Der Glatzkopf kann nur ein Wesen der Hölle sein, das sage ich euch.«
Die Männer redeten aufgebracht und entsetzt durcheinander. Peer Makselv, der Lappe, verließ den Schankraum und eilte mit einer nicht bezahlten Flasche Schnaps unter dem Arm durch den kniehohen Schnee davon.
Eike Gynt dämpfte das Stimmengewirr durch eine Handbewegung, dann wandte er sich interessiert an Kringsja. »Vik, der Noaide? Du meinst den Zauberer, der seit einiger Zeit als Eremit draußen im Schnee lebt? Was willst du von dem erfahren haben?«
»Dass es mit den Mächten der Finsternis etwas auf sich hat, dass man sie erkennen und bekämpfen lernen muss.«
»Ich muss mich wundern, Holger Kringsja.«
»Denk, was du willst.«
Der große, breitschultrige Mann stürzte den Schnaps die Kehle hinunter, dann drehte er sich um und schaute die Männer an. In ihren Mienen spiegelten sich Ratlosigkeit und Angst, doch augenscheinlich versprachen sie sich von Kringsjas Auftauchen etwas.
Der Kaufmann sagte: »Was mich betrifft, ich gehe zum Noaiden. Will ihn um Rat fragen. Wer schließt sich mir an?«
Arne Lillehammer hob sofort die Hand. Dann zeigte sich der überwiegende Teil der Gruppe zustimmend. Kringsja ging zur Tür, schlug den Kragen seiner Pelzjacke hoch und marschierte ins Freie. Ohne viele Worte zu verlieren, folgten ihm die anderen. »Diese Narren!«
Eike Gynt sagte es zu denen, die im Schankraum blieben. Richtig überzeugt war er von seinen nüchternen Ansichten aber mit einem Mal auch nicht mehr.
Die Gruppe unter Leitung von Holger Kringsja stapfte durch den Schnee zum Ortsrand. Deutlich konnte sie beobachten, wie das Schneetreiben über der Kleinstadt immer mehr nachließ. Zwischen den schwach erleuchteten Häusern war eine Gestalt zu erkennen: der Lappe Peer Makselv, der sich mit der erbeuteten Flasche aus dem Staub machte.
»Wir sollten einen Hundeschlitten nehmen«, rief Lillehammer.
Kringsja winkte ab. »Erstens ist es nicht weit, zweitens bringst du kein Gespann über den Pfad, den wir benutzen müssen.«
»Wir werden im Schnee versinken.«
»Nein.«
»Hoffentlich behältst du recht, Kringsja.«
»Glaub mir, ich kenne den Weg.«
Sie arbeiteten sich vorwärts. Ihre Mützen hatten sie mit Kinnbändern festgebunden, die hochgestellten Kragen ihrer Jacken und Mäntel hielten sie mit den Händen fest. Sie stemmten sich gegen den heulenden Wind und schritten voran, ohne recht zu erkennen, wohin der Ausflug genau führte.
Holger Kringsja, der Führer, ließ sich von den wirbelnden Schneeflocken nicht irritieren. Trotz der schlechten Orientierungsmöglichkeiten geleitete er den Trupp sicher über das flache Land auf die Küste zu.
Als sie die niedrigen, von einer dicken, weißen Schicht überlagerten Rudimente eines alten Gemäuers passierten, blieben einige Männer stehen, darunter auch Lillehammer. »Die Ruine der Kapelle«, sagte jemand.
Arne Lillehammer verzog das Gesicht. »Ein verwunschener Platz. Die Leute meiden ihn.«
»Eben deshalb ist es der beste Ort...
Erscheint lt. Verlag | 17.5.2022 |
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Reihe/Serie | Dorian Hunter - Horror-Serie |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond |
ISBN-10 | 3-7517-3212-8 / 3751732128 |
ISBN-13 | 978-3-7517-3212-3 / 9783751732123 |
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