Brian wuchs in bescheidenen Verhältnissen im Norden Englands auf - und schon früh stand für ihn fest: Er will Rocksänger werden. Über ein Jahrzehnt lang versuchte sich Brian Johnson später mit verschiedenen Bands einen Namen zu machen, doch der große Erfolg schien unerreichbar. Erst mit 31 Jahren - nach scheinbar gescheiterter Karriere, gescheiterter Ehe und einigen Gelegenheitsjobs - kam seine große Chance: Er wurde von AC/DC, schon damals eine der größten Rockbands der Welt, zum Vorsingen nach London eingeladen. Die Band steckte nach dem überraschenden Tod ihres Frontmanns in einer tiefen Krise und war auf Anhieb begeistert von dem ungekünstelten Mann aus dem Norden. Er bekam den Job! Es folgte eine einmalige Erfolgsgeschichte: Das erste gemeinsame Album »Back in Black« wurde zum meistverkauften Rockalbum aller Zeiten, zahllose ausverkaufte Tourneen schlossen sich an und die Fangemeinde wuchs immens. AC/DC - und Brian Johnson - haben Kultstatus.
Das abrupte Ende dieses Höhenfluges kam für Brian im Jahr 2016. Während einer Amerika-Tour verschlechterte sich sein Hörvermögen schlagartig, und er stand vor der Wahl: Entweder er hört sofort auf oder er riskiert einen kompletten Hörverlust. Das hätte für Brian Johnson beinah den Abschied aus der Welt der Musik bedeutet. Doch 2020 gelang ihm mit dem Erfolgsalbum »Power Up« die triumphale Rückkehr zur Band.
Eine Achterbahnfahrt durch das außergewöhnliche Leben eines Mannes, der bei allem Welterfolg seinen Wurzeln immer treu geblieben ist.
Prolog
Ich hatte in meinem Leben schon einige harte Schläge eingesteckt. Aber dieses Mal war es anders.
Ohne ein handfestes Wunder, das spürte ich, würde ich mich nicht wieder berappeln und zurück auf die Beine kommen.
Die ersten Hinweise darauf, dass ich in Schwierigkeiten steckte, gab es in Edmonton, Kanada.
Ende September 2015 waren wir mit AC/DC bei der Halbzeit unserer Rock or Bust World Tour angekommen und spielten im Commonwealth Stadium, der größten Open-Air-Arena des Landes, die mit mehr als sechzigtausend Menschen bis auf den letzten Platz gefüllt war. Es war bitterkalt, und vor der Bühne schüttete es wie aus Kübeln.
Angus plagte bereits heftiges Fieber, und ich spürte, dass es mich ebenfalls erwischt hatte.
Den Leuten machte das Wetter anscheinend nicht das Geringste aus. Kanadier eben. Aber gut, sie waren auch in diese Klamotten eingepackt, die man nur nördlich der US-Grenze kriegt und die einen vor tosenden Schneestürmen genauso schützen wie vor schlecht gelaunten Eisbären.
Wir dagegen hatten nur unsere übliche Bühnenkluft an. Ich ein schwarzes T-Shirt und Jeans. Angus seine Schuluniform, bestehend aus einem dünnen weißen Hemd und kurzen Hosen. Immerhin war es auf der Bühne trocken, und die Scheinwerfer spendeten ein wenig Wärme, aber um den Fans nahe zu sein, trieb es Angus und mich wie immer raus auf den Laufsteg. Den größten Teil der Show verbrachten wir dort draußen. Nach ein paar Songs waren wir von dem vielen Rumrennen derart ins Schwitzen gekommen, dass es uns einen Dreck scherte, ob wir bei Temperaturen um den Gefrierpunkt bis auf die Knochen nass wurden.
Zwei Stunden, neunzehn Songs und einige Zugaben später verließen wir die Bühne. Ein super Gig. Der Sound auf der Bühne war perfekt gewesen. Die Fans hatten geschrien, gejubelt, mitgesungen. Angus hatte wie ein Besessener gespielt. Doch uns blieb keine Zeit, das alles noch ein wenig zu genießen – das nächste Konzert wartete schon. Also verabschiedeten wir uns und stiegen in die Kleinbusse, die uns direkt zum Flughafen brachten.
Als wir in den Jet nach Vancouver kletterten, verflüchtigte sich das Adrenalin vom Konzert allmählich, und der Körper begann seinen Tribut zu fordern.
Ich zitterte ununterbrochen.
Mir kam der Gedanke, dass es für jemanden, der in einer Woche seinen achtundsechzigsten Geburtstag feiern würde, vielleicht nicht die beste Idee gewesen war, so viel Zeit im eiskalten Regen zu verbringen.
Andererseits ging es Angus auch nicht viel besser, dabei war er noch ein junger Hüpfer von gerade mal sechzig Lenzen.
Eine Tournee ist immer anstrengend, beruhigte ich mich, unabhängig vom Alter. Ein gelegentlicher grippaler Infekt zwischen den Konzerten gehört einfach dazu.
Ich bestellte ein großes Glas Whisky, und der Alkohol tat seine Dienste, während Angus sich wie üblich einen Becher heißen Tee genehmigte. Ehe wir uns versahen, waren wir in Vancouver gelandet und auf dem Weg ins Hotel.
Aber irgendetwas stimmte nicht.
Mit meinen Ohren.
Sie waren nicht wieder aufgeploppt.
Ich probierte die bewährten Tricks, gähnte, schluckte, schnäuzte mich bei zugehaltener Nase. Nichts half. Schließlich gab ich auf. Sie würden über Nacht schon wieder von allein aufgehen.
Doch als ich am nächsten Morgen aufwachte … Verdammte Scheiße. Ich fühlte mich, als würde mein Kopf in einer Bärenfellmütze stecken.
Ich konnte sogar noch schlechter hören als am Abend zuvor.
Beim Frühstück brachte ich es nicht über mich, den anderen davon zu erzählen. Wenn du der Sänger einer Band bist, verlassen sich Musiker, Crew, Management, Techniker, Stagehands, Plattenfirma und insbesondere Hunderttausende Fans darauf, dass du auf die Bühne gehst und deinen Job machst.
Irgendwann würden meine Ohren schon wieder aufgehen, beschwichtigte ich mich abermals.
Das hatten sie schließlich immer getan.
Als wir am Abend die Bühne des BC Place betraten – diesmal ein überdachtes Stadion –, hatte Angus anscheinend das Schlimmste überstanden. Ich dagegen schlug mich immer noch mit meinem Leiden herum.
Und so kam es zur Katastrophe.
Nach ungefähr zwei Dritteln des Auftritts konnte ich die Gitarren nicht mehr klar hören und hatte Probleme, die richtigen Töne zu treffen. Ich kam mir vor, als wäre ich mit dem Auto in eine Nebelwand gefahren – von einem Moment auf den anderen waren alle Orientierungspunkte weg. Es war das Furchtbarste, was ich als Sänger je erlebt hatte. Noch beängstigender wurde es durch die Tatsache, dass noch einige Songs vor uns lagen – und das vor Zehntausenden zahlenden Fans. Aber irgendwie schaffte ich es bis zum Ende, und falls irgendwem etwas aufgefallen war, verkniff er sich eine Bemerkung.
Auf dieser Etappe der Tour standen nur noch zwei Konzerte an – im AT&T Park in San Francisco und im Dodger Stadium in Los Angeles –, also redete ich mir ein, dass ich durchhalten könne. Und dass meine Ohren irgendwann wieder funktionieren würden. Alles andere erschien mir schlicht unvorstellbar.
Aber bei beiden Konzerten passierte es wieder. Nach zwei Dritteln der Show fing ich an zu schwimmen und fand die Tonart der Songs nicht mehr. Doch fast noch schlimmer: Nach den Konzerten konnte ich den Gesprächen in der Garderobe und später im Restaurant nicht folgen. Ich lächelte, nickte hin und wieder und tat einfach so, als wäre alles in Ordnung.
Doch insgeheim erfasste mich Panik.
Seit Angus mit seinem Bruder Malcolm im Jahr 1973 AC/DC gegründet hatte – zunächst mit Dave Evans als Sänger, dann mit dem großen Bon Scott und schließlich mit meiner Wenigkeit –, kannte die Band immer nur ein Motto: alles oder nichts.
Man denke etwa an unsere riesigen Lautsprechertürme. Viele Bands verwenden Attrappen, um diesen aggressiven, Furcht einflößenden Look zu erzielen. Nicht AC/DC. Bei AC/DC hörst du, was du siehst – und was du hörst, ist die lauteste Band der Welt.
Dann ist da Angus.
Die Intensität, die dieser Kerl auf die Bühne bringt, die unbändige Energie, mit der er mehr als zwei Stunden lang über die Bretter tobt, ist fast schon beängstigend. Er kann nicht eine Sekunde lang auch nur einen Gang runterschalten. Wenn er nach einem Konzert in die Garderobe kommt, ist er völlig ausgelaugt und muss erst mal ein paar Züge aus der Sauerstoffflasche nehmen.
Abseits der Bühne ist Angus ein netter, sanftmütiger Kerl von knapp einem Meter sechzig. Aber bei einem Konzert geht etwas mit ihm vor. Er wird ein anderer. Wenn er vor der Show pinkeln geht, ist er noch Angus. Doch wenn er dann zurück ist und am Bühnenrand wartet, ist er nicht mehr ansprechbar. Ihm in die Augen schauen und kurz noch eine gute Show wünschen? Vergiss es!
Es gibt ihn dann einfach nicht mehr. Dr. Jekyll hat sich in Mr. Hyde verwandelt.
Und dann legt er los, in seiner Schuljungenkluft, mit der Gibson um den Hals, streckt der Menge die Faust entgegen, und fünfzig-, sechzig- oder sogar hunderttausend Fans drehen komplett durch. Ohne dass er auch nur eine Note gespielt hätte. Nur wegen der Pose. Und seines wilden Blicks. Wer sonst kann das? Vielleicht früher mal Elvis Presley oder Freddie Mercury. Doch jetzt schafft das nur noch Angus. Und wie der Kerl sich bewegt! Die Hüften. Die Beine. Einfach alles. Mit seinem Chuck-Berry-Move macht er sogar Chuck Berry Konkurrenz. Wenn man das auf der Bühne aus nächster Nähe miterlebt, haut es einen aus den Socken.
Natürlich hatte Angus fast während der gesamten Geschichte von AC/DC einen kongenialen Widerpart in der Band – Malcolm. Sämtliche Young-Kinder – die in Glasgow zur Welt kamen, doch zu Beginn der 1960er-Jahre mit ihren Eltern nach Sydney in Australien auswanderten – waren musikalisch. Ein weiterer Bruder, George, war als Mitglied von The Easybeats einer der bekanntesten australischen Popstars und schrieb mit »Friday on My Mind« sogar einen der größten Songs aller Zeiten.
Malcolm konnte es in puncto Intensität locker mit seinem jüngeren Bruder aufnehmen. Allerdings suchte er nie das Rampenlicht. Er stürmte immer nur kurz zum Mikrofon, um seinen Gesangspart abzuliefern, danach zog er sich wieder zu seinem Boxenturm zurück und blieb im Hintergrund. Aber man sollte sich nicht täuschen – Malcolm war das Herz der Band.
In den unzähligen gemeinsamen Jahren auf Tour mit Malcolm habe ich miterlebt, dass irgendwann so ziemlich jeder große Gitarrist zu ihm kam und wissen wollte, wie er den dicken Saiten auf seiner abgewetzten Gretsch mit den zwei ausgebauten Pickups diesen Sound entlockte.
»Ich hau einfach fest drauf«, erklärte er mit einem Achselzucken, als wäre das keine große Sache.
Malcolm verfügte außerdem über die unheimliche Fähigkeit, gleichzeitig die Bewegungen aller Bandmitglieder im Blick zu behalten, ihrem Spiel zu lauschen und die Reaktion des Publikums zu studieren, um nach der Show die Art von Feedback zu liefern, die man vielleicht nicht unbedingt gern hörte, die aber dem Konzert am nächsten Abend zugutekam. Ich habe nie einen anderen Musiker kennengelernt, der einen solchen Respekt bei Bandkollegen und Crew genossen hätte.
Aber selbst eine...
Erscheint lt. Verlag | 26.10.2022 |
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Übersetzer | Daniel Müller, Sven Scheer |
Zusatzinfo | 16 Seiten Bildteil |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Lives of Brian |
Themenwelt | Literatur ► Biografien / Erfahrungsberichte |
Schlagworte | 2022 • AC/DC • Aerosmith • Alice Cooper • Angus Young • Axl Rose • Biografie • Biographien • Bruce Dickinson • Dave Grohl • Deep Purple • eBooks • Foo Fighters • Guns n' Roses • Hardrock • Hard Rock • Highway to Hell • Kunst • Led Zeppelin • Malcolm Young • Musik • Neuerscheinung • Nirvana • Ozzy Osbourne • Phil Rudd • power up • Queen • Rock'n'Roll • Rolling Stones • Sänger • Scorpions • Stephen King • Van Halen |
ISBN-10 | 3-641-28973-4 / 3641289734 |
ISBN-13 | 978-3-641-28973-7 / 9783641289737 |
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