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Kalte, kalte Knochen (eBook)

Ein neuer Fall für Tempe Brennan

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
400 Seiten
Blessing (Verlag)
978-3-641-29723-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kalte, kalte Knochen -  Kathy Reichs
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Manchmal ist der Weg in die Vergangenheit die einzige Chance, dich heute zu retten.
Der Winter hat North Carolina fest im Griff, und mit den sinkenden Temperaturen fällt auch die Verbrechensrate. Die forensische Anthropologin Tempe Brennan verbringt diese Atempause damit, sich um ihre heimgekehrte Tochter Katy zu kümmern. Eines Abends machen Mutter und Tochter auf der Veranda eine grausige Entdeckung. Ein Paket, darin: ein menschlicher Augapfel.

Erste Ermittlungen führen zu einem Kloster, wo ein weiterer makabrer Fund wartet. Kurz darauf muss Tempe eine mumifizierte Leiche in einem Nationalpark untersuchen, und ihre Furcht wächst. Zwischen den Fällen scheint kein Zusammenhang zu bestehen, nichts verbindet die Opfer, keine Handschrift die Gewalttaten. Doch ihr Instinkt sagt der Forensikerin, dass die Toten ein schreckliches Schicksal teilen. Und dass sie selbst in großer Gefahr schwebt ...

Kathy Reichs, geboren in Chicago, lebt in Charlotte und Montreal. Sie ist Professorin für Soziologie und Anthropologie, eine von nur knapp hundert vom American Board of Forensics Anthropology zertifizierte forensischen Anthropolog*innen und unter anderem für gerichtsmedizinische Institute in Quebec und North Carolina tätig. Ihre Romane erreichen regelmäßig Spitzenplätze auf internationalen und deutschen Bestsellerlisten und wurden in dreißig Sprachen übersetzt. Für den ersten Band ihrer Tempe-Brennan-Reihe wurde sie 1998 mit dem Arthur Ellis Award ausgezeichnet. Die darauf basierende Serie »BONES - Die Knochenjägerin« wurde von Reichs mitkreiert und -produziert.

1


Es fing mit einem Augapfel an.

Die Pupille war weit wie eine texanische Prärie, die Iris hatte die Farbe von ausgewaschenen Jeans. Purpurrote Gefäße überzogen die gelblich weiße Lederhaut wie ein Spinnennetz.

Davon später mehr.

Sonntag, 30. Januar


»Tu dir nicht weh.«

»Hab ihn.« Trotz der feuchten Kälte waren meine Handflächen schweißfeucht. Alles an mir war schweißfeucht.

Der Karton rutschte mir aus der Hand, als ich diese zwei Wörter sagte. Ponk!

»Verdammt.«

Mit einem verärgerten Seufzer stellte Katy eine Lampe ab, ein merkwürdiges Konstrukt mit einem langen, gebogenen Hals, wie aus Alice im Wunderland.

»Hast du gelesen, was obendrauf steht?« Da sie annahm, dass ich es nicht hatte, buchstabierte sie es für mich. »B.Ü.C.H.E.R. Was meinst du, was das heißt, Mom?« Wir waren jetzt schon seit Stunden beschäftigt und außer schweißfeucht auch noch erschöpft und die Sache gründlich leid. Und verdammt gereizt.

»Der Karton enthält Bücher«, antwortete ich kurz angebunden.

»Und was ist eine der allgemein bekannten Eigenschaften eines Kartons voller Bücher?« Die Lippen bewegten sich kaum.

Ich sagte nichts.

»Sie sind schwer!«

»Machen wir Mittagspause.«

»Ja, machen wir das.«

Wir sprangen von der Ladefläche des Transporters. Katy nahm die Lampe in die Hand und überquerte eine kleine Fläche wintertoten Rasens vor einem Backsteinbungalow im Stile der 1950er, dessen Vordertür weit offen stand. Ich folgte ihr nach drinnen, wie schon so oft an diesem Tag, und schloss die leuchtend rote Tür hinter mir.

Während Katy mit Alices merkwürdigem Leuchtmittel die Treppe hochstieg, ging ich den Gang weiter bis zur Küche. Die angesichts der angejahrten Außenansicht des Hauses erstaunlich modern war. Arbeitsflächen aus Marmor, eine Beleuchtung fast wie in einem OP, eingebaute Luxuskaffeemaschine, integrierte Hausbar, erstklassige Edelstahlgerätschaften.

Ich ging zu einem waggongroßen Subzero-Kühlschrank, holte zwei Dosen Vanillelimonade heraus und stellte sie neben eine weiße Tüte mit Fertigsandwiches. Ich legte eben Papierservietten als Dekor dazu, als Katy wieder auftauchte.

Als sie die Tüte sah, strahlte sie. »Bitte sag mir, dass du bei Rhino eingefallen bist.«

»Ich bin bei Rhino eingefallen«, sagte ich. »Hab dein Lieblingssandwich besorgt.«

»Das Stacked High?«

»Jawohl, Ma’am. Und ein Sicilian für mich. Kalt.«

Nachdem wir uns die Hände gewaschen hatten, wickelten wir unsere Sandwiches aus und rissen die Limodosen auf. Wir kauten geräuschvoll, als Katy fragte: »Wie geht’s deinem Rücken?«

»Bestens.« Obwohl meine Lendenwirbel sich nicht besonders über die Aktivitäten dieses Vormittags freuten.

»Du solltest die schweren Sachen wirklich mir überlassen.«

»Weil ich eine verkopfte Wissenschaftlerin bin und du eine taffe Kriegsveteranin?«

»War.«

»Halleluja.«

»Was? Warst du nicht einverstanden, dass ich meinem Land diene?«

»Mit deinem Dienst war ich einverstanden. Ich hasste nur, dass so viel davon in einem Kriegsgebiet stattfand.«

»Darum geht’s im Allgemeinen beim Dienst am Heimatland.«

Nach dem College folgte eine Periode der, ich will mal freundlich sein und sie »Unsicherheit« nennen, doch dann drehte meine naive und unbekümmerte Tochter sich um hundertachtzig Grad und folgte dem Ruf Uncle Sams. Fantastisch, dachte ich damals. Sie wird Orientierung finden. Und Selbstdisziplin. Da sie eine Frau ist, wird sie nicht in Gefahr geraten. Sicher, meine Haltung war sexistisch. Aber das war schließlich meine gut zwanzigjährige, goldhaarige Tochter, die da in einen Bus ins Ausbildungslager stieg.

Dann wurden die Gesetze so geändert, dass auch Frauen in die Schützengräben durften. Massenweise schulterten die Damen ihre M16 und marschierten davon, um neben ihren Waffenbrüdern zu kämpfen.

Nach der Grundausbildung wählte mein goldhaariges Kind ihr Einsatzgebiet, 11 B. Die Infanterie. Katys Zeit in Uniform brachte mir wieder militärischen Jargon und Abkürzungen näher, die ich nicht mehr gehört hatte, seit mein Ex-Mann Pete als Marine gedient hatte.

In einer Nanosekunde, so erschien es mir jedenfalls, wurde Katy nach Afghanistan abkommandiert, um in einer Kampfbrigade zu dienen. Nicht so fantastisch. Viele ängstliche Tage und schlaflose Nächte. Aber alles lief gut, und zwölf Monate später kehrte sie nur mit einer kleinen Narbe auf einer Wange nach Hause zurück.

Das Leben in der Feldartillerie gefiel meiner Tochter. Als ihre Dienstzeit endete, verlängerte sie, zu meiner Bestürzung. Zu meiner noch größeren Bestürzung meldete sie sich für einen weiteren Einsatz im Nahen Osten. Hello darkness, my old friend.

All das war jetzt Vergangenheit. Das schlaflose Herumwerfen war vorüber. Na ja, größtenteils.

Im letzten Herbst hatte Katy beschlossen, ihre Stiefel und ihren Tarnanzug an den Nagel zu hängen und ins zivile Leben zurückzukehren. Sie wurde ehrenhaft entlassen und beschloss zu meiner Überraschung und Freude, sich in Charlotte niederzulassen. Zumindest für eine Weile. Warum? Das will sie mir nicht sagen.

Katy weigert sich auch, über ihre Zeit in der Army zu sprechen. Ihre Freunde. Ihren Dienst in Übersee. Die Narbe. Also halten wir es jetzt wie ihr früherer Arbeitgeber: Nichts fragen, nichts sagen.

Eine Weile aßen wir in kameradschaftlichem Schweigen. Katy durchbrach es.

»Arbeitet die verkopfte Wissenschaftlerin zurzeit an irgendwelchen krassen Knochen?«

»Ein paar.«

Katy wedelte mit den Fingern in einer Red-weiter-Geste. Sie waren mit glänzendem kreolischen Senf beschmiert.

»Letzte Woche brannte in Kannapolis eine Scheune ab. Als die Trümmer ausgekühlt waren, fand die Feuerwehr die Überreste von zwei Pferden und einem erwachsenen Mann, alle bis zur Unkenntlichkeit verkohlt.«

»Arschkarte für die Pferde.«

»Arschkarte für alle.«

»Lass mich raten. Farmer Fred war Raucher.«

»Die Leiche war nicht die des Besitzers.«

»Hast du den Kerl identifiziert?«

»Ich arbeite daran.«

»Die Pferde?«

»Chuckie und Cupcake.«

»Waren sie wertvoll?«

»Nein.«

»Komisch.«

»Noch komischer ist, dass der Mann ein Einschussloch zwischen den Augen hatte.«

»Wow. Da ist aber jemandem der Kragen geplatzt.«

Katy verstummte wieder, dachte wahrscheinlich über Einschusslöcher, vielleicht Pferde nach. Oder über kreolischen Senf.

Ich bin forensische Anthropologin. Ich erstelle Gutachten für Coroner und Medical Examiner, wenn sie Hilfe bei der Untersuchung von Leichen brauchen, die für eine normale Autopsie nicht geeignet sind – die Verwesten, die Zerstückelten, die Verbrannten, die Verstümmelten, die Mumifizierten und die Skelettierten. Ich helfe bei der Bergung jener, die das Pech hatten, nicht zu Hause oder in einem Krankenhausbett zu sterben. Ich dokumentiere die Leichenliegezeit und die Leichenbehandlung. Ich betrachte die Todesart, sei es Selbstmord, Mord, Unfall oder natürliche Ursachen.

Kein Elternteil, das Katy in ihrer Kindheit kennenlernte, übte so einen Job aus. Aber sie ging sehr gut damit um, dass ich anders war, und in ihrer Jugend fing sie an, Fragen zu stellen. Manche Dinge erzählte ich ihr, andere nicht. Viele andere.

Meiner Erfahrung nach unterteilt sich die Welt in zwei Lager: diejenigen, die von meiner Arbeit fasziniert sind, und diejenigen, die von ihr abgestoßen sind. Katy, noch nie ein zimperliches Wesen, ist schon immer im Lager Faszination gewesen.

Ich hob den Kopf. Katy schaute an mir vorbei, konzentriert auf einen Punkt irgendwo anders im Raum. Woanders in der Zeit? Ich fragte nicht, was sie dachte. Wartete, bis sie wieder zu reden anfing.

»Wie lautet der LB zu Monsieur le Détective

»LB

»Lagebericht.«

Meine Tochter fragte nach Lieutenant-Détective Andrew Ryan, ein früherer Mordermittler der Sûreté du Québec, mit dem ich seit einiger Zeit zusammenlebte. In Montreal und Charlotte. C’est compliqué.

»Ryan?«, fragte ich

»Nein. Inspector Clouseau«, sagte sie und verdrehte ihre sehr grünen Augen.

»Läuft gut.«

»Na, das klingt aber überzeugend.«

»Wirklich. Ryan war an Weihnachten da. Ihr beide habt euch knapp verpasst.«

»Er ist im Ruhestand, nicht? Und arbeitet jetzt als Privatermittler?«

»Ja.«

»Wo ist er gerade?«

»In Saint Martin wegen eines Falls.«

»So ein Pech.«

»Der Kerl kriegt schon Brandblasen, wenn er einen Strand nur sieht. Kanadische Haut, du weißt schon.«

»Er ist oft weg?«

»Ja.«

»Was privatermittelt er denn?«, fragte sie und zeichnete Anführungszeichen in die Luft.

»Hat mit einem auf Grund gelaufenen Segelboot und einem Versicherungsanspruch zu tun.«

»Klingt langweilig.«

»Das sind viele seiner Fälle.«

Ich biss noch einmal in mein Sandwich und tupfte mir Rotweinessig von der Front meines T-Shirts. Warf...

Erscheint lt. Verlag 2.11.2022
Reihe/Serie Die Tempe-Brennan-Romane
Die Tempe-Brennan-Romane
Übersetzer Klaus Berr
Sprache deutsch
Original-Titel Cold Cold Bones
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte 2022 • Bones - Die Knochenjägerin • Cold Case • eBooks • forensische Anthropologin • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Mordermittlung • Neuerscheinung • North Carolina • Prepper • Serienkiller, Serienmörder • Skinny Slidell • Spiegel Bestseller aktuell • Thriller • Verschwörungstheorie
ISBN-10 3-641-29723-0 / 3641297230
ISBN-13 978-3-641-29723-7 / 9783641297237
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