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Erddämmerung (eBook)

Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
848 Seiten
Heyne Verlag
978-3-641-27181-7 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Erddämmerung - James Rollins
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Die große Zukunftssaga mit zehn Schwarz-Weiß-Illustrationen
Vor Jahrtausenden hat die Erde aufgehört, sich zu drehen. Eine Seite ist nun permanent der Sonne zugewandt, die andere liegt in immerwährender Dunkelheit. Unsere Welt existiert nur noch in Sagen und Mythen - und in wundersamen Gegenständen, Überbleibsel unserer Technologie. Nacht für Nacht wird die blinde Nyx von einer schrecklichen Vision heimgesucht: Der Mond stürzt auf die Erde und vernichtet alles Leben. Doch niemand hört auf ihre Warnung, bis der Gelehrte Frell am Königshof sie durch Beobachtungen bestätigt. Er wird zum Tode verurteilt und kann in letzter Sekunde entkommen. Frell und Nyx machen sich auf die Suche nach einem sagenumwobenen Artefakt, das die Katastrophe verhindern könnte - der Beginn eines Abenteuers, das die beiden an jeden noch so gefährlichen Ort unserer Welt führen wird ...

Neueste Technologiekenntnisse und fundierte wissenschaftliche Fakten, genial verknüpft mit historischen und mythologischen Themen - all das macht die Abenteuerthriller von James Rollins zum einzigartigen Leseerlebnis. Der passionierte Höhlentaucher James Rollins betreibt eine Praxis für Veterinärmedizin in Sacramento, Kalifornien.

Zuvor

SIE GEBIERT in Schlamm und Morast.

Sie hockt sich, dehnt sich unter dem nebelverhangenen Ast eines knorrigen Tupelobaums. Ranken umschlingen den massigen Baum, drücken sein Geäst auf den bemoosten Felsboden hinunter und senken die Blätter in das matschige Wasser eines langsam fließenden Bachs. An ihrer Seite windet sich ein Stamm, so breit wie ein Pferd, unablässig um sich selbst, als versuchte der Baum, diesem ertränkten Land zu entkommen.

Sie schwitzt und keucht und hat die Beine weit gespreizt. Die Hände über ihrem Kopf sind noch immer in eine Ranke gekrallt. Während sie dort hängt, bohren sich Dornen in ihre Handflächen, aber der Schmerz ist nichts im Vergleich zur letzten Wehe, die sie noch weiter aufreißt und das Baby aus ihrem Bauch drückt. Sie unterdrückt einen Schrei, damit die Jäger sie nicht hören.

Aber ein Jammern kann sie doch nicht verhindern; wortlos dringt es aus ihr, da sie keine Zunge hat. Als Lustsklavin von Azantiia war ihr der Luxus des Sprechens nie gewährt worden.

Sie drückt ein letztes Mal und spürt die Befreiung. Das Kind rutscht aus ihr heraus und fällt in den feuchten Schlamm unter ihr. Sie lässt die Ranke los. Die Dornen haben die Haut aufgerissen. Sie sackt in den Schlamm, das Kind liegt zwischen ihren Schenkeln. Noch ist es durch die verdrehte, blutige Nabelschnur mit ihr verbunden.

Sie schluchzt so heftig, dass ihr Körper erzittert, und hebt das Abhäutemesser auf, das in der Nähe des Tupelobaums liegt. Die Jagdklinge gehört ihr nicht, und das Blut, das daran klebt, ist nicht das ihre. Das Messer ist ihr von ihrem Retter in die Hand gedrückt worden – von einem Mann, der einen Eid gebrochen hat, indem er ihr geholfen hat, aus dem Kerker des Schlosses zu entkommen. Nachdem sie gemeinsam unter dem finsteren Auge der Wintersonne durch die Bucht des Versprechens gesegelt waren, verfolgt von der Legion des Königs, waren sie bei der tückischen Küste von Mýr an Land gegangen. Dort ist das Ufer kein festes Land, sondern eher ein Gebiet, in dem sich das blaue Meer mit den schlammigen Wassern eines ertrunkenen Mangrovenwaldes mischt. Sobald das Ruderboot nicht mehr tiefer in den Sumpf eindringen konnte, hatte ihr Retter sie zu Fuß weitergeschickt, während er selbst das Boot fortgestakt hatte, um die Verfolger in eine falsche Richtung zu führen.

Nun ist sie allein. Sie fährt mit der Klinge durch die dicke Nabelschnur und befreit damit das Kind von ihrem Körper und ihrer Vergangenheit. Sie hatte geglaubt, jetzt vollkommen leer zu sein, aber ihr Körper zuckt erneut. Sie keucht, als Blut und Gewebe herausfließen und das Kleine überspülen. Sie befürchtet, es könnte bei seinem ersten Atemzug ertrinken, und wischt ihm das Gesicht sauber. Seine Augen bleiben vor dieser harten Welt verschlossen. Ihre aufgerissenen Handflächen verschmieren das Blut. Aber sie legt kleine geschürzte Lippen frei – allzu blau, beinahe schwarz in den Schatten.

Atme, Kleines …

Sie reibt und betet.

Eines der Gebete wird beantwortet, als das Kind seinen ersten Atemzug macht und sich regt. Ganz leicht nur, aber das genügt. Ein anderes Gebet wird nicht erhört, denn sie stellt fest, dass das Kind ein Mädchen ist.

Nein …

Sie nimmt das Messer wieder auf. Sie drückt die Klinge gegen die Kehle des winzigen Wesens.

Es ist besser so …

Ihre Hand zittert. Sie beugt sich nieder und küsst eine Stirn, die sich gerade zum ersten Schrei über diese harte Welt runzelt. Sie betet; es ist sowohl eine Entschuldigung als auch eine Erklärung. Du sollst frei von mir sein. Von meiner Vergangenheit. Von meiner Schande. Von denen, die dich mitnehmen wollen.

Bevor sie etwas tun kann, bestraft sie die Mutter Unten, weil sie es wagt, das Geschenk abzulehnen, das ihrem Bauch gemacht wurde. Ihr Magen zieht sich wieder zusammen. Heißes Blut schießt zwischen ihren Beinen hervor. Zunächst ist der Schmerz feurig, dann verwandelt er sich in eine schreckliche Kälte. Und noch immer fließt es, noch immer ergießt sich ihr Leben in den Schlamm.

In der rasch sich ausbreitenden Lache liest sie die Wahrheit.

Da sie unter den Lustsklavinnen aufgezogen worden war, hatte sie den Hebammen bei anderen Mädchen geholfen, die trotz des Tees aus Bastardkraut schwanger geworden waren. Während der letzten zwei Jahrzehnte hatte sie Geburten in all ihren Erscheinungsformen erlebt. Einige waren freudig gewesen, andere voller Angst, die meisten aber schicksalsergeben abgelaufen. Immer waren Tränen geflossen. Sie waren begleitet von Blut, Kot und zerrissenem Fleisch; manche Kinder waren Steißgeburten gewesen, andere waren durch den Tee missgestaltet oder schwer verletzt von den Versuchen ihrer eigenen Mütter, das Leben ihres Kindes zu beenden, noch bevor es geboren wurde. Als sie selbst sehr jung gewesen war, hatte sie das Letztere streng abgelehnt. Damals hatte sie noch nicht gewusst, was es bedeutet, ein Kind zu sein, das unter der Peitsche geboren und später unter den bebenden Stößen eines Herren gebrochen wird.

Irgendwann hatte sie die harten und notwendigen Lektionen aber gelernt.

Sie betrachtet das Messer an der Kehle ihrer Tochter.

Inzwischen hat das Blut eine Lache unter dem Kind gebildet. Der Geruch zieht Fliegen und Mücken an. Als sie in die Augen schaut, die sich gerade öffnen, wird es ganz still im Wald, als empfinde er Ehrfurcht. Die Vögel verstummen, und nur noch das Summen und Brummen der Insekten ist zu hören. Ein neues Geräusch ertönt – ein schweres Platschen rechts von ihr.

Ihr abkühlendes Fleisch regt sich gerade so weit, dass sie den Kopf drehen kann. Selbst diese kleine Bewegung führt dazu, dass sich die Finsternis enger um sie schließt. Aus der schlammigen Strömung des Sumpfes springt ein Reptil ans Ufer. Krallen pflügen durch den Matsch und zerren den massigen Körper voran, der in einer Schnauze mit scharfen Zähnen endet. Das Wesen besitzt zwar keine Augen, bewegt sich aber zielstrebig durch Ried und Moos, von ihrem Blut genauso angezogen wie die Stechfliegen.

Nein …

Ihr Schutzinstinkt überwältigt die bitteren Lektionen der Vergangenheit. Sie nimmt die Klinge von der Kehle ihrer Tochter und droht dem näher kommenden Untier. Aber sie weiß, dass sie ihm kaum mehr als einen Nadelstich versetzen kann. Das Jagdreptil ist doppelt so groß wie sie und wiegt das Zehnfache. Sie spürt sein Alter, liest die Jahrhunderte in dem dicken smaragdfarbenen Moos, das seine schwarzen Schuppen einrahmt.

Trotz seines Alters rutscht es ungeheuer schnell auf sie zu und ist blind für ihr Messer und dessen Nutzlosigkeit. Es bringt den Gestank nach Aas und Brackwasser mit. Das Moos an seinem Rücken und seinen Flanken schimmert schwach in den Schatten des Waldes.

Sie kniet noch immer über ihrem Kind. Sie ist so erschöpft, dass sie nicht stehen kann. Ihr Arm zittert, als sie den Dolch hebt. Die Finsternis lässt ihre Welt kleiner und kleiner werden.

Sie bereitet sich auf den schweren Schlag vor, der nun kommen wird, so wie sie es während der vielen Nächte in den parfümierten Betten ihrer Herren getan hat. Ihr Körper hat nie ihr selbst gehört.

Wut durchlodert sie. Selbst dieses Feuer war ihr in der Vergangenheit verboten. In ihrem letzten Augenblick umarmt sie die Flamme und schreit den letzten Rest ihrer Kraft heraus. Sie schließt die Augen und brüllt den Himmel an, und die Bestie, und auch sich selbst, und dann sogar dieses Kind, das niemals leben wird.

Zum ersten Mal in ihrem Leben wird sie wirklich gehört.

Ein durchdringender Schrei hallt aus dem Himmel. Sie hört ihn nicht mit den Ohren, sondern mit ihrem ganzen Körper. Der Schrei schneidet durch ihre Haut und ist so scharf, dass er ihr bis in die Knochen fährt. Seine Macht hebt jedes Härchen an ihrem Körper. Sie öffnet die Augen und sieht, wie das ungeheure Reptil im Schlamm zum Stillstand kommt, kaum eine Armeslänge von ihr entfernt. In Panik windet es sich, will seinen massigen Körper drehen und zu Sicherheit und Beistand des schwarzen Wassers zurückkehren.

Doch bevor ihm das gelingt, brechen über ihm Äste. Ein Schatten taucht aus dem Blätterdach herab und prallt gegen das Reptil. Sichelförmige Krallen durchdringen seine harten Schuppen. Knochen brechen unter dem Aufprall einer Kreatur, die so groß wie ein ganzer Heuwagen ist. Ledrige Schwingen entfalten sich, treffen auch sie, schleudern sie weg von ihrem Kind.

Sie fliegt weit durch die Luft und prallt gegen einen knorrigen Baumstamm. Inmitten seiner verknoteten Wurzeln bricht sie zusammen. Von dort aus beobachtet sie, wie die schweren Schwingen noch einmal losschlagen und die Kreatur in die Luft heben. Das Reptil hält sie in ihren Fängen. Die Krallen reißen es in Stücke und schleudern den jahrhundertealten Kadaver in das dunkle Wasser zurück.

Dann landet das geflügelte Wesen im Schlamm.

Es dreht sich ihr zu und zeigt dabei seine bösartige Pracht. Es hebt die ledrigen Flügel, die an den Rändern so dünn sind, dass dahinter das Glitzern von Sonnenlicht zu sehen ist. Den Kopf hält es gesenkt, nahe dem Boden. Große Ohren mit Haarbüscheln daran wenden sich ihr zu. Die langen, geschlitzten Nüstern öffnen sich weiter, kräuseln sich und prüfen die Luft. Es zischt sie an, hebt einen Kamm auf seinem kurzen Hals und krümmt ihn.

Sie kennt dieses Wesen. Ganz...

Erscheint lt. Verlag 13.10.2022
Reihe/Serie Erddämmerung
Erddämmerung
Übersetzer Michael Siefener
Sprache deutsch
Original-Titel The Starless Crown – Moon Fall Series Book 1
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte 2022 • Apokalypse • diezukunft.de • eBooks • Erddämmerung-Saga • Ferne Zukunft • Illustrationen • Neuerscheinung • New York Times Bestsellerautor • schön illustriertes Buch • Science Fantasy • Science-fiction
ISBN-10 3-641-27181-9 / 3641271819
ISBN-13 978-3-641-27181-7 / 9783641271817
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