Bumm! (eBook)
288 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01179-3 (ISBN)
Horst Evers, geboren 1967 in der Nähe von Diepholz in Niedersachsen, studierte Germanistik und Publizistik in Berlin und jobbte als Taxifahrer und Eilzusteller bei der Post. Er erhielt unter anderem den Deutschen Kabarettpreis und den Deutschen Kleinkunstpreis. Jeden Sonntag ist er auf radioeins zu hören, im WDR regelmäßig mit seiner Sendung «Horst Evers und Freunde». Seine Geschichtenbände und Romane - wie «Der König von Berlin», «Wäre ich du, wu?rde ich mich lieben» oder «Wer alles weiß, hat keine Ahnung» - sind Bestseller. Horst Evers lebt mit seiner Familie in Berlin.
Horst Evers, geboren 1967 in der Nähe von Diepholz in Niedersachsen, studierte Germanistik und Publizistik in Berlin und jobbte als Taxifahrer und Eilzusteller bei der Post. Er erhielt unter anderem den Deutschen Kabarettpreis und den Deutschen Kleinkunstpreis. Jeden Sonntag ist er auf radioeins zu hören, im WDR regelmäßig mit seiner Sendung «Horst Evers und Freunde». Seine Geschichtenbände und Romane – wie «Der König von Berlin», «Wäre ich du, würde ich mich lieben» oder «Wer alles weiß, hat keine Ahnung» – sind Bestseller. Horst Evers lebt mit seiner Familie in Berlin.
Der Preis
1
«Nur wenn ich die Augen schließe, kann ich alles sehen, was vor sich geht.»
«Bitte?»
Der groß gewachsene, für dieses Lokal unpassend gut gekleidete Herr schien verwirrt. Man hatte ihm die Treulose Tomate, jene berüchtigte Schankwirtschaft in Charlottenburg, aus höchst vertrauenswürdiger Quelle empfohlen. Nur hier könne er jemanden finden, der sich seines Anliegens auf verlässliche Art und Weise annehmen würde, hatte man ihm gesagt. Also hatte er sich unter Zuhilfenahme einigen Mutes in diese dunkle Kaschemme gewagt. Zwei Soleier mit einem drittelvollen Glas Überseerum bestellt. So, wie es ihm aufgetragen worden war, und im Anschluss den geheimen Erkennungssatz zu der kleinen dicken Frau mit den wilden schwarzen Haaren hinter dem Tresen gesagt. Doch stand diese nun mit geschlossenen Augen vor ihm und sprach in Rätseln. Er beschloss, es noch mal mit dem Schlüsselwort zu versuchen.
«Haben Sie gehört? Ich habe eine Nachricht für den Telegraphen.»
«Das sagten Sie bereits.» Sie öffnete die Augen. «Wenn Sie hier, in der Treulosen Tomate, den Überblick behalten wollen, mit all ihren Winkeln, versteckten Ecken und Separees, dann kommen Sie mit gucken nicht weit. Sie müssen den Raum als Ganzes erfühlen. Und das geht mit geschlossenen Augen besser.»
«Verstehe.» Er schaute sich in der Lokalität um. Tatsächlich wirkte sie wie aus der Zeit gefallen. Sie war beileibe keines dieser modernen Künstler- oder Pressecafés, wie sie nach wie vor, auch im mittlerweile vierten Frühling des noch jungen zwanzigsten Jahrhunderts, überall aus dem Boden zu schießen schienen. Die Treulose Tomate kam daher wie eine Hafenspelunke. Mitten in der Großstadt, fernab jeder Küste. Schon am späten Mittag saßen hier Männer, denen man sofort jede Untat zutrauen würde. Neben ihnen sogar auch Frauen. Am helllichten Tage in düsteres Licht gehüllt. Häufig ohne Begleitung, rauchend, trinkend und ungeniert laut redend, als wäre dies das Normalste der Welt. Ein beängstigender, ganz und gar toller Ort. Wie ein Portal zu einer anderen Dimension, direkt im Herzen des lieben Vaterlands. Ähnlich eines dunklen Flecks, welchen es auch im Herzen von manch treuem und bravem Mann geben mochte. Davon hatte man ja schon gehört.
«Aber dürfte ich denn nun dem Telegraphen meine Nachricht überbringen?»
«Der Telegraph ist ein viel beschäftigter Mann. Sie müssen erst Ihre Bestellung verzehrt haben, bevor ich Sie zu ihm lassen darf.»
«Meine Bestellung?»
«Zwei Soleier und ein Drittel Glas Überseerum.» Sie stellte ein leeres Bierglas auf den Tresen. Das fasste wohl rund einen halben Liter.
«Darin servieren Sie Ihren Rum?»
«Darin servieren wir alles.» Sie sprach das Wort servieren in einem affektierten Ton aus. Als ob es nicht in ihren Mund passen würde und sie es geradezu in den Satz reinzwingen musste. «Sie müssen alles ratzeputz verzehrt haben. Erst dann darf ich Sie beim Telegraphen reüssieren lassen.»
«Hören Sie, ich wollte hier eigentlich gar nichts trinken oder gar essen.»
«Ich weiß. Das ist ja auch der Grund, weshalb Sie es müssen. Weil Sie es nicht wollen. Dazu kommt, dass unsere Soleier nun wahrlich nicht gerade die besten der Stadt sind. Im Gegenteil, möchte ich sagen. Die meisten unserer Gäste finden sie widerlich. Und schauen Sie sich unser Publikum an. Damit es denen vor etwas graust, muss man sich schon sehr bemühen. Doch mit dieser kleinen Geste zeigen Sie uns, dass Sie es wirklich ernst meinen. Wir Ihnen vertrauen können und Sie unseren Zeitaufwand wert, also würdig sind. Wie gesagt, der Telegraph ist ein sehr viel beschäftigter Mann.»
Sie schenkte ihm großzügig den Rum ein, fischte zwei Soleier aus dem Behälter mit der trüben Flüssigkeit, legte diese auf einen höchstens oberflächlich gereinigten Teller, schob ihn herüber und verschwand dann in dem Raum hinter dem Ausschank.
Der Freiherr zu Dolmen betrachtete nachdenklich sein Mahl. In zahllosen Kriegen hatten seine Vorväter dem Kaiser und dem Reich bereits gedient. Höchste Hingabe und Tapferkeit zeichnete alle zu Dolmens aus. Kein Feind, keine Übermacht, vor der sie je zurückgewichen wären. Um einen zu Dolmen das Fürchten zu lehren, ihn gar in die Flucht zu schlagen, wären schon ganz andere Gegner vonnöten als zwei beunruhigend riechende Soleier und ein Drittelliter Rum.
Es war ein harter, ein erbarmungsloser Kampf. Doch am Ende hatte der Freiherr über die Eier triumphiert. Zufrieden betrachtete er den leeren Teller und das trockene Glas. Wenngleich er noch mit leichten Magenwinden zu kämpfen hatte, fühlte er doch einen unschuldigen Stolz auf seine aufopfernde Tat.
Ein junger Mann kam aus dem Hinterzimmer zu ihm.
«So, der Telegraph wäre nun bereit, Sie zu empfangen.»
«Ah, vielen Dank, sehr erfreulich.» So beiläufig wie möglich wies der Freiherr auf den leeren Teller und das bezwungene Rumglas. Der fröhliche blonde Bursche staunte.
«Haben Sie das etwa gegessen?»
«Ja, natürlich. Ratzeputz. Um mich als würdig zu erweisen.»
«Um Gottes willen. Diese Eier sind doch vollkommen ungenießbar. Die isst sonst nie einer. Diese Bestellung ist nur ein Code, guter Mann. Na, Sie sind mir ja mal ein Kauz. Aber gut. Jeder, wie er es mag. Wir hier in der Treulosen Tomate richten über niemanden.»
Er wies den Freiherrn an, ihm zu folgen, und führte ihn dann durch das Hinterzimmer, worin sich tatsächlich eine Küche befand, in ein zweites Hinterzimmer, welches sich als vergleichsweise gehobenes Lokal herausstellte, durch einen Flur, von dem mindestens zehn Türen abgingen, aus denen er die hinterste wählte, die sie in eine Art Klub oder Salon führte, an den sich eine weitere Küche mit Zapfhahn anschloss, über die sie schließlich in eine zweite Schankwirtschaft gelangten. Mit dem Namen Die Faule Pflaume. Dies konnte der Freiherr nun von außen lesen, da sie, nachdem sie auch das zweite düstere Lokal durchquert hatten, auf den Bürgersteig hinaustraten.
Sie waren einmal durch den gesamten Block gegangen. Zwischen Schulstraße und Grünstraße. Von dort führte der Junge ihn noch sechs Häuser weiter, zum vierten Aufgang eines Wohnhauses, wo er den Freiherrn bis zu einer offen stehenden Wohnungstür im dritten Stock brachte.
«Treten Sie nur ein, keine Scheu», forderte er zu Dolmen auf und verabschiedete sich.
Die Wohnung bestand aus nur einem einzigen Zimmer, es gab weder Küche noch Bad. Aber ein Fenster und einen Ofen, auf dem man gewiss auch das eine oder andere zubereiten konnte. Zudem gab es eine Liege, einen Tisch, zwei Stühle – und die kleine, dicke, schwarzhaarige Frau, die mit einer dampfenden Kanne Tee und zwei Bechern auf ihn zu warten schien.
Der Freiherr war längst viel zu sehr außer Fassung, um noch irgendeine Form wahren zu können.
«Was denn jetzt? Sie sind der Telegraph?»
«Sehe ich aus wie der Telegraph?»
«Ich weiß nicht, wie der Telegraph aussieht.»
«Auch wieder richtig. Nein, ich bin nicht der Telegraph. Der hatte dann doch keine Zeit mehr. Er hat mich aber mit allen Vollmachten ausgestattet.»
«War der Telegraph heute jemals in der Nähe?»
«Ist das wichtig?»
«Warum haben Sie mich gezwungen, diese Eier zu essen? Was für ein kranker Scherz ist denn das?»
«Ich gebe zu, ich fand es auch amüsant. Aber das war nicht allein der Grund. Ich habe nicht oft mit Freiherren zu tun. Ich wollte sehen, ob Sie sich zu schade sind. Dass Sie diese Eier gegessen haben, macht Sie sympathisch. Sie mögen zwar ein feiner Pinkel sein, aber Sie haben einen gewissen Anstand in sich, mit dem Sie auch in anderen Kreisen bestehen können. Davor hat der Telegraph Respekt.»
«Dann wird er sich meines Anliegens annehmen?»
«Wenn wir uns einig werden. Was ist Ihr Wunsch?»
«Durch nicht näher zu benennende Umstände ist meine Familie in den Besitz einiger Kunstwerke von erheblichem Wert gekommen. Nun allerdings könnten mir daraus größere Probleme erwachsen. Daher müsste so bald als möglich die zweifelhafte Herkunft dieser Stücke in eine ganz und gar legale umgewandelt werden.»
«Was sind das für Kunstwerke?»
«Bilder und Skulpturen vor allem.»
«Vor allem?»
«Es gibt auch ein paar antike Waffen und Schmuck, aber das hat keine Dringlichkeit. Eines der Bilder ist ein Original-Caravaggio. Dazu ein Rembrandt, ein Bosch und mehrere Gemälde von Tischbein dem Älteren.»
«Wie viele Bilder insgesamt?»
«Vierzehn und fünf Skulpturen.»
«Gut. Alles in allem klingt es nach einem sehr komplizierten und aufwendigen Auftrag.»
«Können Sie ihn...
Erscheint lt. Verlag | 13.9.2022 |
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Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Belletristik • Bestseller-Autor • deutsche Kriminalromane • Deutsche Krimis • Deutscher Kabarettpreis • Deutscher Kleinkunstpreis • Dr. Seltsams Frühschoppen • Erzählung • Erzählungen • Humor • Humor Bücher • humorvolle Krimis • Krimi • Krimi Deutschland • Krimigeschichten • Krimi Kurzgeschichten • Kriminalgeschichten • Kriminalliteratur • Kriminalromane • Krimi Neuerscheinungen 2024 • Krimis • krimis bücher • Krimis und Thriller • Krimi Thriller • Kurzgeschichten • last minute geschenke • Lustige Bücher • lustige bücher für erwachsene • lustige Kriminalgeschichten • lustige krimis bücher • lustiger Krimi • Romane Krimis • spannende Bücher • Thriller und Krimis deutsch • witzige Bücher |
ISBN-10 | 3-644-01179-6 / 3644011796 |
ISBN-13 | 978-3-644-01179-3 / 9783644011793 |
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