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Wiedersehen in der Tuchvilla (eBook)

Spiegel-Bestseller
Roman

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022
640 Seiten
Blanvalet Taschenbuch Verlag
978-3-641-27770-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Wiedersehen in der Tuchvilla - Anne Jacobs
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Dramatische Zeiten in der Tuchvilla: Wird die Liebe zwischen Marie und Paul die wechselhafte Zeit der Trennung überstehen?
Augsburg, 1939: Auf die Familie Melzer und ihre Angestellten warten schwere Zeiten. Der Zweite Weltkrieg steht unmittelbar bevor, und es ist klar, dass sich das Leben aller Bewohner verändern wird. Die Tuchfabrik steht kurz vor dem Aus, und Paul muss ein weiteres Mal unbequeme Entscheidungen treffen - und das ohne seine Frau Marie. Denn diese lebt nun bereits seit 1935 mit ihrem Sohn Leo in New York, und die Zeit der Abwesenheit hat ihre Spuren hinterlassen, auch wenn Maries Liebe zu Paul ungebrochen ist. Als sie aber erfährt, dass eine andere Frau in Pauls Leben getreten ist, trifft sie das hart. Wird es Marie gelingen, ihren geliebten Ehemann zurückzugewinnen?
Die große »Tuchvilla«-Saga:

Die Tuchvilla
Die Töchter der Tuchvilla
Das Erbe der Tuchvilla
Rückkehr in die Tuchvilla
Sturm über der Tuchvilla
Wiedersehen in der Tuchvilla

Anne Jacobs lebt und arbeitet in einem kleinen Ort im Taunus, wo ihr die besten Ideen für ihre Bücher kommen. Unter anderem Namen veröffentlichte sie bereits historische Romane und exotische Sagas, bis ihr mit »Die Tuchvilla« der große Durchbruch und der Sprung auf die Bestsellerliste gelang. Seit Jahren begeistert sie inzwischen auch Leser*innen in einem Dutzend Ländern von Frankreich bis Norwegen.

1


April 1939

Die Silhouette der Freiheitsstatue schrumpfte in der Ferne zusammen, war bald nur noch ein winziger grauer Strich am Horizont und verschwand schließlich gänzlich im Dunst. Die Bremen steuerte in den Atlantik, die Wogen wurden mächtiger, das Schiff hob und senkte sich. Man spürte, wie die Schiffsmaschinerie auf Hochtouren arbeitete.

»Sehen wir Mama jetzt nie wieder?«, fragte der dreizehnjährige Kurt, der neben Paul an der Reling stand und dorthin starrte, wo vor wenigen Minuten die Stadt New York und die Küstenlinie entschwunden waren.

»Natürlich sehen wir sie wieder, kleiner Dummkopf«, antwortete Dodo, bevor Paul sich zu einer Äußerung aufraffen konnte. »Nächstes Jahr fahren wir wieder nach New York und besuchen sie. Vielleicht auch schon früher.«

»Nächstes Jahr ist noch ewig lange …«

»Das kommt schneller, als du glaubst, Kurti!«

Der Junge verstummte. Die Hände um die weißen Metallstäbe der Reling gekrallt, starrte er hinunter in die düsteren Wogen, die am Schiffskörper vorüberströmten.

»Ich glaub, mir wird wieder übel«, murmelte er.

Endlich gelang es Paul, sich aus der depressiven Stimmung zu reißen, die ihn schon seit Tagen nicht loslassen wollte und die sich heute zu einer schmerzhaften Beklemmung gesteigert hatte.

»Aber nein, dieses Mal wird dir nicht schlecht«, meinte er und strich dem Jungen über das dunkle Haar. Es war lockig und weich – Kurt hatte Maries schönes Haar geerbt.

»Doch«, beharrte Kurt. »Gleich muss ich spucken.«

»Gehen wir hinunter in die Kabine«, schlug Dodo vor. »Die Geschenke auspacken, die Mama uns mitgegeben hat.«

Die Ablenkung funktionierte – Kurt nickte und nahm die Hand der älteren Schwester, die ihn an den umstehenden Passagieren vorbei zur Tür führte.

»Ich komme gleich nach«, rief Paul. »Brauche noch ein wenig frische Luft …«

Er nahm an, dass sie ihn nicht mehr gehört hatten, denn die beiden gingen davon, ohne sich umzudrehen. Er beließ es dabei. Es war ein Segen, dass sich Dodo so liebevoll um den kleinen Bruder kümmerte, das würde den Trennungsschmerz des Jungen ein wenig auffangen und ihm selbst Gelegenheit geben, sein inneres Gleichgewicht zurückzugewinnen.

Es war der zweite Besuch bei Marie und Leo in New York gewesen. Das erste Wiedersehen lag schon zwei Jahre zurück, da war er allein gefahren; Kurt musste zur Schule gehen, und Dodo besuchte ein Internat in der Schweiz. Damals war er in hoffnungsvoller Stimmung zurück nach Deutschland gereist, fest davon überzeugt, dass der quälende Zustand der Trennung bald ein Ende finden und Marie über kurz oder lang nach Deutschland zurückkehren würde. Woher er diesen Optimismus genommen hatte, war ihm inzwischen unverständlich. Auch zu dieser Zeit waren die Anzeichen für eine beklemmende Zukunft in deutschen Landen deutlich spürbar gewesen, doch er hatte sie wohl nicht sehen wollen. Das Wiedersehen mit Marie hatte alles andere überstrahlt. Die wenigen Tage voller Glückseligkeit, die sie in der kleinen Wohnung oder auf Spaziergängen im Central Park, auf Ausflügen und an der Küste miteinander verbracht hatten, waren wie im Flug vergangen. Nach einer kurzen anfänglichen Befangenheit hatte sich ein Zustand der Verliebtheit eingestellt, der ähnlich aufregend gewesen war wie damals, als sie einander zum ersten Mal begegnet waren. Aus diesem Hochgefühl hatte er die feste Gewissheit abgeleitet, dass nichts und niemand sie voneinander trennen konnte. Nicht die fremde Zivilisation, nicht der gewaltige Atlantik und schon gar nicht Adolf Hitler, der früher oder später wie ein böser Spuk verschwinden würde.

Wie sehr hatte er sich getäuscht! Tückisch und unaufhaltsam hatte die Zeit gegen sie gearbeitet und sie immer weiter voneinander entfernt. Während der vergangenen beiden Jahre hatten sie fleißig Briefe gewechselt. Er hatte bei diesem zweiten Besuch gewusst, dass Marie mittlerweile ein eigenes Modegeschäft führte, mit dem sie so viel verdiente, dass sie einen beträchtlichen Teil der Kosten für Dodos Internat hatte übernehmen können. Seine Freude über Maries Erfolg war jedoch nur teilweise ehrlich gewesen, denn er wusste, wer ihr diesen Laden vermittelt und sie zu Anfang finanziell unterstützt hatte: Karl Friedländer, der immer freundliche, joviale Begleiter seiner Frau, der so glatt und sympathisch daherkam und der ihm doch – ja, so und nicht anders war es – seine geliebte Frau gestohlen hatte. Gewiss, Marie war ihm treu, sie schlief nicht mit diesem Mann, das wusste er. Und dennoch besaß Karl, wie sie ihn nannte, all das, was einen unendlich großen Teil seiner Liebe zu Marie ausmachte: die vertrauten Gespräche, die täglichen Begegnungen, die innigen Blicke, ihr Lächeln, das Gefühl, zueinander zu gehören, füreinander da zu sein. Von den finanziellen Zuwendungen, die Marie angeblich zurückgezahlt hatte, wollte er gar nicht erst reden. Karl Friedländer genoss das Privileg, an Maries Seite sein zu dürfen, das ihm, ihrem Ehemann, verwehrt war. Ihm blieb nicht einmal die Möglichkeit, seinem Ärger darüber Ausdruck zu verleihen, nein, er musste Zorn und Eifersucht in seinem Herzen verschließen und diesem Menschen gegenüber Dankbarkeit heucheln.

Das alles war ihm bei diesem zweiten Besuch in bedrückender Deutlichkeit vor Augen geführt worden, doch nicht nur dies lastete auf seiner Seele. Es war die geschwundene Hoffnung, dass dieser Zustand bald ein Ende nehmen würde.

Roberts Prophezeiungen hatten sich auf die schlimmste Weise bewahrheitet. Hatte man den Juden in Deutschland zunächst noch das Recht zugestanden, Handel zu treiben, und nur bestimmte Berufe vor ihnen verschlossen, so war es auch damit inzwischen vorbei. Seit den grausigen Ereignissen im November des vergangenen Jahres, als in allen deutschen Städten die Synagogen brannten und jüdische Männer scharenweise in die Lager gebracht wurden, war endgültig klar, was der Nazistaat im Schilde führte: die Entrechtung und Austreibung aller Juden, die noch in Deutschland geblieben waren. Mit geschorenen Köpfen, Panik in den Augen waren die jüdischen Augsburger aus den Lagern zurückgekehrt, fast alle hatten sich nun zur Auswanderung entschlossen, doch Robert hatte erzählt, dass der Staat den Auswanderern hohe Gebühren abverlangte, sodass ihnen kaum mehr als das nackte Leben blieb, wenn sie gingen. Immer noch glaubte er, dass Marie als seine Ehefrau vor Schikanen geschützt geblieben wäre, doch er hatte das Thema bei diesem Besuch nicht mehr angeschnitten.

Plötzlich spürte er, dass ihm kalt war. Er knöpfte die Jacke zu, die sich im Wind blähte. Die Passagiere, die mit ihm an der Reling gestanden hatten, um auf den entschwindenden Kontinent zu schauen, hatten sich inzwischen überall auf dem Deck verstreut, viele waren fröstelnd in ihre Kabinen geflüchtet, andere hatten es sich in Decken gewickelt auf den Liegestühlen bequem gemacht. Paul atmete noch einmal tief durch, dann verließ er das Deck, um sein Versprechen einzulösen und nach Kurt und Dodo zu sehen.

Sie reisten in der zweiten Klasse. Er selbst teilte sich eine Außenkabine mit Kurt, Dodo schlief mit einer jungen Spanierin in einer weniger luxuriösen Innenkabine, was ihr jedoch – wie sie behauptete – wenig ausmachte.

»Für unseren Kurti ist es eine großartige Sache, vom Bett aus aufs Meer schauen zu können«, hatte sie gemeint. »Mir ist es gleich, wenn ich Lust auf Meer habe, gehe ich halt an Deck.«

Natürlich wusste seine erwachsene Tochter – Dodo zählte inzwischen dreiundzwanzig Jahre –, dass diese Reise nicht gerade billig war. Zunächst hatte sie gar nicht mitfahren wollen, weil die Familie schon für ihre Matura im Schweizer Internat so viel Geld bezahlt hatte. Doch schließlich hatte Paul sie überreden können, denn Marie und vor allem Leo sahen dem Wiedersehen nach so langer Zeit mit großer Sehnsucht entgegen.

Er fand Dodo und Kurt in der Außenkabine in einem Berg von Schachteln und Geschenkpapier. Marie hatte großzügig für ihren Jüngsten eingekauft, auch Leo hatte ihnen ein Geschenk mitgegeben, und natürlich hatte sich auch der unvermeidliche Karl beteiligt. Kurt hockte glückstrahlend am Boden und probierte die neuen Rennautos aus, die ganz von selbst und ohne Schlüssel zum Aufziehen durch die Gegend flitzten. Zu Hause in der Tuchvilla hatte Paul mit seinem Sohn gemeinsam eine Rennbahn aus Holz für die Blechautos gebaut, die beinahe das ganze Kinderzimmer einnahm. Nur die teuren Modellwagen aus Blech waren dazu verwendbar, die Exemplare aus Vollgummi, die ihm hie und da geschenkt wurden, standen ordentlich aufgereiht im Regal und staubten dort vor sich hin.

»Na, war was Brauchbares dabei?«, erkundigte sich Paul mit gespielter Fröhlichkeit.

»Den Mercedes hab ich schon«, brabbelte Kurt. »Schadet aber nichts, dass ich jetzt zwei Silberpfeile hab. Das ist ein Auto Union Typ D, der ist ganz neu, Papa. Hat Leo mir geschenkt. Und von Karl hab ich eine Tankstelle bekommen. Schau mal! Da kannst du richtig den Schlauch abheben und Benzin einfüllen.«

»Leider muss man in Dollar und Cent bezahlen«, entfuhr es Paul, der die amerikanischen Aufschriften auf dem bunten Blechspielzeug überflogen hatte.

»Das macht doch nichts, Papa. Wir haben doch noch Dollars übrig, nicht wahr?«

»Dann kann ich ja jetzt bei dir tanken«, gab Paul zur Antwort.

»Und ich auch!«, mischte sich Dodo ein. »Wenn ich erst mein neues Auto habe.«

Sie hatten Maries kleinen Wagen, den Dodo eine Weile gefahren hatte, an Kitty weitergegeben, da deren »Autolein« zu ihrem großen Kummer endgültig den Dienst verweigert hatte. Tante Elvira hatte inzwischen für...

Erscheint lt. Verlag 9.11.2022
Reihe/Serie Die Tuchvilla-Saga
Die Tuchvilla-Saga
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2022 • 20. Jahrhundert • 2. Weltkrieg • Aufwachsen • Augsburg • Auswandern • Das Erbe der Tuchvilla • Das Gutshaus • Die Schokoladenvilla • Die Seidenvilla • Die Töchter der Tuchvilla • Die Tuchvilla • eBooks • Ehe • Familie • Familiensaga • Fliegen • Flucht • Frauenromane • Frauenunterhaltung Neuerscheinung 2022 • Generationenroman • Historischer Roman • Kampfpilotin • Lager • Liebe • Liebesromane • Maria Nikolai • Nationalsozialismus • Neue Liebe • Neuerscheinung • New York • New York City • Pilotin • Rückkehr • Rückkehr in die Tuchvilla • Spiegel Bestseller aktuell • Spiegel-Bestsellerautorin • Spiegel Bestsellerliste aktuell • Spiegel-Bestseller-Serie • Sturm über der Tuchvilla • Tabea Bach • USA • Weihnachtsgeschenk
ISBN-10 3-641-27770-1 / 3641277701
ISBN-13 978-3-641-27770-3 / 9783641277703
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