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Der denkwürdige Fall des Mr Poe (eBook)

Kriminalroman | Die Buchvorlage zum Netflix-Film-Hit mit Christian Bale

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1., Deutsche Erstausgabe
500 Seiten
Insel Verlag
978-3-458-77339-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der denkwürdige Fall des Mr Poe - Louis Bayard
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Ein atemberaubender Kriminalroman mit Edgar Allan Poe als Ermittler

1830: An der angesehenen West Point Academy wird ein junger Kadett tot aufgefunden - er wurde erhängt und sein Herz herausgeschnitten. Keinesfalls darf die Öffentlichkeit von dem grauenhaften Verbrechen erfahren, so beauftragt man Augustus Landor, einen ehemaligen New Yorker Polizeidetektiv, mit den Ermittlungen. Schon bald folgen weitere brutale Morde, und der Fall wird immer rätselhafter. Doch Landor erhält unerwartet Hilfe - von einem jungen Kadetten mit dunkler Vergangenheit, Hang zum Trinken und poetischen Ader: Edgar Allan Poe ...



Louis Bayard wurde 1963 in Albuquerque/ New Mexico geboren. Er arbeitet als freier Autor f&uuml;r <em>The New York Times</em>, <em>The Washington Post</em> und <em>Salon</em> und unterrichtet &raquo;Fiction writing&laquo; an der George Washington University. Au&szlig;erdem hat er mehrere historische Romane verfasst. Er lebt in Washington, D.C.

Erzählung von Gus Landor
1


Dass ich mit der Sache in West Point beruflich zu tun bekam, bahnte sich am Morgen des sechsundzwanzigsten Oktober 1830 an. An diesem Tag machte ich meinen üblichen Spaziergang – wenn auch etwas später als üblich – in den Hügeln um Buttermilk Falls. Ich erinnere mich, dass typisches Altweibersommerwetter war. Die Blätter verströmten eine echte Hitze, sogar die abgestorbenen, und diese Hitze drang durch meine Fußsohlen und vergoldete den Nebel, der die Farmhäuser umgab. Ich ging allein an den Hängen der Hügel hinauf, die einzigen Geräusche waren das Knarren meiner Stiefel, das Gebell von Dolph van Corlaers Hund und, so nehme ich an, mein eigenes Schnaufen, denn ich stieg an diesem Tag ziemlich hoch hinauf. Ich war auf dem Weg zu dem Granitvorsprung, den die Einheimischen Shadrach's Heel nennen, und hatte gerade meinen Arm um eine Pappel geschlungen, um vor dem letzten steilen Wegstück Atem zu schöpfen, als mich der Ton eines Waldhorns erreichte, der meilenweit weg im Norden erklang.

Ein Ton, den ich schon früher gehört hatte – es ist kaum möglich, ihn nicht zu hören, wenn man in der Nähe der Militärakademie lebt –, aber an diesem Morgen erzeugte er ein seltsames Summen in meinem Ohr. Zum ersten Mal fragte ich mich verwundert, wie der Klang eines Waldhorns so weit dringen kann.

Das ist nicht die Sorte von Dingen, die mich normalerweise beschäftigen. Ich würde Sie auch gar nicht damit belästigen, wenn es nicht ein Licht auf meinen Gemütszustand würfe. An einem gewöhnlichen Tag hätte ich keinen Gedanken an Hörner verschwendet, ich hätte mich nicht umgedreht, bevor ich den Gipfel erreicht hätte, und ich hätte nicht so lange gebraucht, um die Radspuren wahrzunehmen.

Zwei Spurrillen, jede einen halben Finger tief. Ich sah sie auf dem Rückweg, aber sie waren für mich nur eines von etlichen Dingen, die mir begegneten, eine Aster, Gänse in Keilformation am Himmel – sie waren bunt zusammengewürfelt und nicht streng in verschiedene Abteilungen getrennt, so dass ich sie nur halb zur Kenntnis nahm, statt (wie es für mich typisch ist) zu versuchen, sie in eine Kette von Ursachen und Wirkungen einzuordnen. Daher war ich so überrascht, als ich die Hügelkuppe erklomm und auf dem Platz vor meinem Haus einen Phaeton mit einem Schwarzbraunen im Geschirr vorfand.

Auf dem Bock saß ein junger Artillerist, aber mein Auge, daran gewöhnt, Rangstufen zu unterscheiden, nahm bereits den Mann ins Visier, der an der Kutsche lehnte. Er war in Paradeuniform – herausgeputzt, als wollte er sich malen lassen. Von Kopf bis Fuß mit Gold geschmückt: vergoldete Knöpfe und eine goldene Kordel an seinem Tschako, ein vergoldeter Messinggriff an seinem Säbel. Heller als die Sonne blitzend, so kam er mir vor, und ich fragte mich einen Moment lang, ob er vielleicht eine Kreatur des Waldhorns war. Da war schließlich die Musik gewesen, und jetzt stand da dieser Mann. Etwas in mir – ich kann es sehen – entspannte sich, so wie eine Faust sich löst und ihre einzelnen Teile spürbar werden: Finger, eine Handfläche.

Ich hatte zumindest einen Vorteil: Der Offizier hatte keine Ahnung, dass ich da war. Es schien, als wäre etwas von der trägen Muße des Tages in seine Stimmung eingeflossen. Er lehnte sich an das Pferd, spielte mit den Zügeln, schnippte sie hin und her, im Takt mit dem zuckenden Schweif des Braunen. Seine Augen waren halb geschlossen, der Kopf nickte auf seinem Stiel …

Wir hätten noch eine Weile so weitermachen können – ich beobachtete ihn, er ließ sich beobachten –, wenn wir nicht von einer dritten Partei gestört worden wären. Eine Kuh. Eine große, rötliche Kuh mit sanften Wimpern. Sie kam aus einem Platanenwäldchen, angezogen von einem Flecken Klee, der da wuchs, und diese Kuh näherte sich, ging aber mit seltenem Taktgefühl in einem Bogen um den Phaeton herum – offenbar nahm sie an, dass der junge Offizier einen guten Grund für sein Eindringen haben musste. Dieser wich unwillkürlich einen Schritt zurück, als rechnete er mit einem Angriff, und seine Hand fuhr nervös zum Griff seines Säbels. Ich vermute, es war die Furcht davor, dass Blut fließen könnte (wessen Blut auch immer), was mich schließlich dazu brachte, mich in Bewegung zu setzen, mit humoristisch übertrieben langen Schritten den Hügel hinunter, und dabei rief ich: »Ihr Name ist Hagar!«

Der Offizier fuhr nicht erschrocken herum, dafür war er zu gut ausgebildet, sondern drehte kontrolliert ruckelnd erst den Kopf in meine Richtung und dann auch den Körper.

»Zumindest hört sie darauf«, sagte ich. »Sie kam ein paar Tage nach mir hierher. Sie hat mir nie verraten, wie sie heißt, darum musste ich ihr einen Namen geben.«

Er brachte so etwas wie ein Lächeln zustande. »Sie ist ein schönes Tier, Sir«, sagte er.

»Eine republikanische Kuh. Kommt und geht, wie es ihr gefällt. Keine Verpflichtungen auf beiden Seiten.«

»Nun. Da Sie … da fällt mir ein, wenn …«

»Wenn nur alle weiblichen Wesen so wären, ich weiß.«

Dieser junge Mann war nicht so jung, wie ich zuerst gedacht hatte. Ein paar Jahre jenseits der vierzig bestenfalls, schätzte ich: nur ein Jahrzehnt jünger als ich, und musste immer noch den Laufburschen spielen. Aber dieser Posten war seine einzige sichere Sache. Er verlieh ihm seine gerade straffe Haltung.

»Sie sind Augustus Landor, Sir?«, fragte er.

»Das bin ich.«

»Lieutenant Meadows, zu Ihren Diensten.«

»Angenehm.«

Er räusperte sich, und dann noch einmal. »Sir, ich bin hier, um Ihnen mitzuteilen, dass Superintendent Thayer Sie um ein Gespräch bittet.«

»Worum ginge es bei diesem Gespräch?«, fragte ich.

»Ich bin nicht befugt, darüber Auskunft zu geben, Sir.«

»Nein, natürlich nicht. Hängt es mit meiner früheren beruflichen Tätigkeit zusammen?«

»Ich bin nicht –«

»Aber ich darf doch vielleicht erfahren, wann dieses Gespräch stattfinden soll?«

»Sofort, Sir. Wenn es Ihnen recht ist.«

Ich gebe es zu: Die Schönheit des Tages stand mir nie so deutlich vor Augen wie in diesem Moment. Dieser besondere leichte Schleier in der Luft, ganz ungewöhnlich für Ende Oktober. Der Nebel, der in dünnen Schwaden über tiefer gelegenem Gelände hing. Ein Specht hämmerte eine geheimnisvolle Botschaft in den Stamm eines Ahorns. Bleib hier!

Mit meinem Spazierstock zeigte ich in Richtung der Haustür. »Sind Sie sicher, dass Sie keinen Kaffee trinken möchten, Lieutenant?«

»Nein, danke, Sir.«

»Ich könnte Ihnen auch eine Scheibe Speck braten, wenn Sie eine Kleinigkeit –«

»Nein, ich habe schon gegessen. Danke.«

Ich wandte mich ab. Machte einen Schritt auf das Haus zu.

»Ich bin meiner Gesundheit wegen hierhergezogen, Lieutenant.«

»Wie bitte?«

»Mein Arzt sagte mir, nur so könne ich hoffen, ein einigermaßen hohes Alter zu erreichen: Ich müsse hinauf in die Highlands, weg von der Stadt.«

»Mmm.«

Diese stumpfen braunen Augen. Diese stumpfe weiße Nase.

»Und hier bin ich jetzt«, fuhr ich fort. »Wie die Gesundheit selbst sehe ich aus.«

Er nickte.

»Sind Sie nicht auch der Meinung, Lieutenant, dass die Gesundheit überbewertet wird?«

»Das kann ich nicht beurteilen. Möglicherweise haben Sie recht, Sir.«

»Sind Sie ein Absolvent der Akademie, Lieutenant?«

»Nein, Sir.«

»Oh, dann haben Sie es auf die harte Tour geschafft. Sie haben sich von der Pike auf hochgedient, ja?«

»Ja, genau.«

»Ich war selbst nie auf dem College«, sagte ich. »Wozu sollte noch mehr Schulbildung gut sein, da ich doch keine besondere Neigung und Eignung für den geistlichen Beruf besaß? So dachte mein Vater – so dachten alle Väter damals.«

»Ich verstehe.«

Es ist gut, sich eines klarzumachen: Die Regeln des Verhörs gelten nicht für normale Gespräche. In einer normalen Unterhaltung ist derjenige, der spricht, schwächer als derjenige, der nicht spricht. Aber ich war zu diesem Zeitpunkt nicht stark genug, um mich entsprechend zu verhalten. Also gab ich dem Rad des Phaetons einen Tritt.

»So ein schickes Gefährt«, sagte ich, »um einen einzigen Mann abzuholen.«

»Es...

Erscheint lt. Verlag 7.3.2022
Übersetzer Peter Knecht
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte 1830er • Amerika • Arthur Conan Doyle • Buch zum Film • Christian Bale • Detektiv • Edgar Allan Poe • Herbst • Historischer Kriminalroman • insel taschenbuch 4903 • IT 4903 • IT4903 • Krimi • Kriminalroman • Literaturverfilmung • Mord • Netflix • neues Buch • New York • New York City • Nordamerika (USA und Kanada) • Scherlock Holmes • Schriftsteller • Scott Cooper • The Pale Blue Eye deutsch • Thriller • USA Nordosten • USA Nordosten Mid-Atlantic States • USA Nordosten: Mid-Atlantic States • Vereinigte Staaten von Amerika USA
ISBN-10 3-458-77339-8 / 3458773398
ISBN-13 978-3-458-77339-9 / 9783458773399
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