Professor Zamorra 1248 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-3195-9 (ISBN)
Die Geschosse hinterließen mächtige Wunden. Unheiliges Fleisch regnete in Fetzen auf den nackten Erdboden der Höhle. Einen halben Herzschlag später brach der getroffene Untote zusammen, nutzlos wie ein leerer Sack.
Da waren's nur noch drei, dachte Nicole grimmig.
Sie wirbelte auf dem Absatz herum und riss den provisorischen Prügel in die Höhe - allzeit kampfbereit.
Dann aber keuchte sie auf, denn die letzten drei Zombies rannten direkt auf sie zu!
Kapitel 1
Vor dem Fall
London, Gegenwart
Die Nacht vor Professor Zamorras Verschwinden
Zamorra erwachte mit einem Schrei.
Eben noch hatte der Meister des Übersinnlichen friedlich in seinem Hotelbett geschlafen, nun starrte er aus weit aufgerissenen Augen in das Unfassbare. Da klaffte ein gewaltiger Riss in der Wirklichkeit – mitten in seinem Zimmer!
Das unheimliche Gebilde war nahezu mannsgroß und glich einer offenen Wunde. Blaues Licht drang aus seinem Kern, und wann immer Zamorra es ansah, veränderte sich die längliche Form seiner beiden Ränder leicht. Sie schien sich zu winden, zu bewegen wie ein Wurm. Ein starker Sog ging von dem Ungetüm aus und zerrte an allem, was im Zimmer nicht niet- und nagelfest war. Dennoch machte das Gebilde keinerlei Geräusche. Es war da, und trotzdem blieb es still im Zimmer.
Zamorra keuchte innerlich. Was in aller Welt ...?
Er war zu Gast in der britischen Metropole, weil sein alter Freund Denny W. Shore ihn hier um einen Vortrag gebeten hatte. Die zahlreichen Fachbücher, aus denen er morgen früh auf dem Podium der Konferenz zitieren wollte, lagen um ihn herum auf dem Bett verstreut. Denn er war bei der Arbeit eingeschlafen und trug sogar noch immer seine Straßenkleidung. Nun aber rutschten erste Bücher auf den leuchtenden Riss zu, der mitten im Raum schwebte. Sie wurden regelrecht angesaugt vom mächtigen Sog dieses Dings!
Auch Merlins Stern reagierte darauf. Das magische Amulett hatte natürlich längst seine treue Schutzblase um den Meister des Übersinnlichen gebildet. Es schien nun aber darauf zu warten, dass Zamorra mittels eines Mentalbefehls auch die energetischen Blitze aktivierte. Sie bestanden aus purer weißer Magie und waren in der Lage, selbst Höllengegner zu vernichten.
Nur: War das da vor seinem Bett ein Gegner aus der Hölle?
Was du auch bist, dachte der Professor, du gehörst hier nicht hin.
Er beschloss, den Mentalbefehl nicht zu geben.
Noch nicht.
Fasziniert kroch er stattdessen etwas näher an die bizarre Erscheinung heran, deren Auftauchen ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Der unheimliche Wind zerrte dabei an seinem Haar und dem weißen Anzug, den er trug. Abermals verschwand ein aufgeschlagenes Buch in dem klaffenden Riss in seinem Zimmer. Die Seiten flatterten wie aufgeregte Vögel.
Wo kommst du her?, wunderte sich Zamorra. Und warum bist du ausgerechnet hier bei mir?
Daheim auf Château Montagne blieben seine Partnerin Nicole Duval und er vor paranormalen Erscheinungen dieser Art meist verschont. Die M-Abwehr, die das komplette Grundstück seit Jahrzehnten umgab, sorgte dafür. Kein Gegner konnte sie durchdringen, deshalb musste sie auch regelmäßig erneuert werden. Wenn er aber auf Reisen war, hatte Zamorra keine M-Abwehr. Und als Dämonenjäger gehörte das Reisen quasi zum Beruf ...
Das Gebilde reagierte nicht auf den Meister des Übersinnlichen. Es blieb, wo es war. Es schien zu warten – aber worauf?
Welchen Zweck erfüllst du?, fragte sich Zamorra. Der alte Para-Wissenschaftler in ihm brach wieder durch, und das Gebilde weckte sein Forschungsinteresse. Was ist der Grund, aus dem du existierst? Wem nützt du?
Es lag schwarze Magie in der unheimlichen Erscheinung. Das war völlig klar. Zum einen spürte Zamorra es mit jeder Faser seines Körpers, und zum anderen hätte Merlins Stern nicht reagiert, wenn es nicht so wäre.
Und doch ...
Wenn du ein Gegner bist, dachte Zamorra, warum greifst du dann nicht an? Ich hocke doch direkt vor dir.
Er wartete noch immer. Er bot dem rätselhaften Gebilde alle Möglichkeiten, sich ihm genauer zu offenbaren.
Anzugreifen!
Zu handeln!
Doch nichts geschah.
Du bist kein Gegner, folgerte der Meister des Übersinnlichen. Sondern ...
Ja, was genau? Das Werkzeug eines Gegners? Steckte da jemand hinter dem Gebilde und steuerte es? Wenn ja, wo war dieser Jemand? Warum nutzte er sein Werkzeug nicht endlich?
Zamorra war nun schon seit Sekunden wach, und noch immer hatte sich die Macht hinter dem Riss ihm nicht gezeigt. Gab es diese Macht überhaupt?
Abermals flogen Bücher durch den Riss und verschwanden im Irgendwo jenseits des unheimlichen blauen Lichts. Seine gebrauchten Socken, die am Boden gelegen hatten, taten es ihnen gleich. Aus den Augenwinkeln sah Zamorra, wie die Bilder an den Wänden wackelten und auch die Topfpflanze in der Ecke neben dem Fenster allmählich auf den Riss zurutschte.
Und mit einem Mal begriff er!
Ein Portal!, durchzuckte es ihn, und ihm war, als fielen ihm Schuppen von den müden Augen. Du bist kein Gegner, sondern eine Tür. Richtig? Und du bist nicht hier, weil jemand – oder etwas – durch dich hindurch zu mir kommen will. Sondern weil ich durch dich durchgehen soll!
Wohin mochte das Ding führen? Was erwartete ihn auf der anderen Seite?
Zamorra wusste es nicht. Genauso wenig wusste er, wer oder was ihm das Gebilde hierher nach London geschickt hatte. Oder ob seine Portal-Theorie überhaupt zutraf.
Doch der Forscher und der Dämonenjäger in ihm waren sich in einer Sache nun vollends einig: Sie wollten mehr darüber wissen.
Versuchen wir's, dachte er und wappnete sich.
Denny Shore, ein Experte für alte Kulturen und ihre paranormalen Aspekte, hätte ihn gewiss dafür beneidet.
Zamorra kroch so dicht an das vermeintliche Portal, wie er konnte, ohne es den Büchern und der Topfpflanze gleichzutun und durch das Loch hindurch zu verschwinden. Der lautlose Wind zerrte an ihm, an seinen Kleidern und seinen Haaren. Dennoch: Die grüne Schutzblase hielt, und er fühlte sich halbwegs sicher. Zamorra schloss die Augen.
Es gab viele Menschen – und viele Wesen von anderen Welten und Realitäten – die sich auf Magie und Zauber verstanden. So manchen von ihnen war er auf seinen Reisen bereits begegnet, und nicht immer waren diese Begegnungen friedlich verlaufen. Doch nur wenige Magiebegabte schafften es so mühelos wie der Meister des Übersinnlichen, sich in eine Trance zu versetzen.
Zamorra kämpfte nun schon seit vielen Jahrzehnten gegen die Mächte der Finsternis, und inzwischen gelang die Trance ihm nahezu überall in Sekundenschnelle. Er brauchte keine Ruhe dazu, denn die Ruhe erschuf er sich kurzerhand selbst. In seinem Inneren. Gekonnt blendete er im Geiste alles aus, was ihn in seiner Konzentration ablenken mochte.
Das Hotelzimmer an der Themse mit dem Bett, auf dem er saß? Ein Gedanke genügte, und schon spürte er es nicht mehr. Der gierige Wind, der aus dem Riss drang und an ihm zerrte? Zamorra blendete ihn vollkommen aus. Ebenso die Wärme, die Merlins Stern an seiner Brust erzeugte. All das existierte natürlich nach wie vor, doch für die Dauer seiner magischen Konzentration nahm er sie nicht länger wahr. Für den Moment gab es nichts mehr hinter seiner Stirn, denn alles war fort. Und Zamorra konnte beginnen, dieses frisch erzeugte Nichts nach eigenem Ermessen zu gestalten.
Am Anfang erschuf er sich selbst. Sein Geist war plötzlich wieder da, sein Körper ebenfalls. Sie schwebten im Nichts, das sein Geist sich vorstellte, und er spürte sie genau. Das war der Anfang.
Im zweiten Schritt beschwor er sich dann den mysteriösen Riss vor das geistige Auge – exakt so, wie er auch in der Wirklichkeit ausgesehen hatte. Jedes kleinste Detail rief er sich ins Gedächtnis zurück, bis das geistige Abbild des Gebildes direkt vor dem geistigen Abbild seines Körpers schwebte – genau wie in echt.
Dann kamen die »Fühler«. In seiner Vorstellung waren es gleißende Strahlen, ähnlich den Blitzen des Amuletts. Sie entstanden an der Stirn des Gedanken-Zamorras und reckten sich nach dem blauen Licht des Gedanken-Risses aus wie Blumenstängel nach dem Schein der Sonne. Es gab diese »Fühler« nicht in Wirklichkeit. Sie waren bloß ein Sinnbild, ein Platzhalter für die Magie, die er schuf.
Die »Fühler« tasteten nach dem Riss. Sie waren die Macht, die Zamorra beherrschte. Sie waren alles, was er an weißer Magie aufzubringen und was ihm in dieser Situation nutzen mochte. Sie waren sein sechster Sinn.
Zamorra konzentrierte sich. Wartete auf die Informationen, die die magischen »Fühler« ihm gaben.
Und schrie!
Die Bilder kommen ohne jede Vorwarnung. Von einem Moment zum anderen sind sie einfach da. Sie fluten seinen Geist und drohen sein Bewusstsein wegzuspülen wie der Tsunami das Haus an der Küste.
Zamorra sieht ...
... Hass!
... Gier!
... Zerstörungswut!
Er weiß nicht, was da zu ihm spricht. Die Quelle der Bilder ist schlicht zu groß, zu stark, als dass er sie erkennen oder gar benennen könnte. Doch er weiß, dass sie existiert.
Er weiß, dass er sich gegen sie wehren muss!
Zamorra stemmt sich gegen die Flut....
Erscheint lt. Verlag | 29.3.2022 |
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Reihe/Serie | Professor Zamorra |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror | |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • Deutsch • eBook • eBooks • Extrem • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • Lovecraft • Männer • Neuerscheinung • Neuerscheinungen • Paranomal • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-3195-4 / 3751731954 |
ISBN-13 | 978-3-7517-3195-9 / 9783751731959 |
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