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Das politische System der Bundesrepublik Deutschland (eBook)

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2022 | 5. Auflage
128 Seiten
Verlag C.H.Beck
978-3-406-76517-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das politische System der Bundesrepublik Deutschland -  Manfred G. Schmidt
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Dieses Buch ist ein kompetenter Wegweiser durch das politische System der Bundesrepublik Deutschland, seine theoretischen Grundlagen und seine aktuellen Probleme. Manfred G. Schmidt erläutert dabei sowohl das Regelwerk, welches die Verfassung bestimmt und der Politik vorgibt, als auch die Verfassungswirklichkeit. Die wichtigsten politischen Institutionen wie etwa die Bundesregierung, der Bundestag und der Bundesrat werden ebenso beschrieben wie zentrale Elemente der Innen- und Außenpolitik.

Manfred G. Schmidt lehrt als Professor für Politische Wissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg.

II. Wähler, Wahlsystem und Wahlverhalten


1. Die Wähler und ihre soziale Zusammensetzung


Wahlberechtigt sind deutsche Staatsbürger ab dem 18. Lebensjahr. Bei der Bundestagswahl 2021 wurden 61.181.072 Wahlberechtigte gezählt. Noch sind die meisten von ihnen berufstätig. Doch die Alterung der Bevölkerung wird die Zahl und den Anteil der Senioren erhöhen. Allein die mindestens 60-Jährigen stellten 2021 schon 36 Prozent der Wahlberechtigten.

Unter den sozialen Klassen ist die «Erwerbsklasse» die größte unter den Wahlberechtigten und die «Versorgungsklasse»[1] die zweitgrößte. Die «Besitzklasse»[2] ist zahlenmäßig randständig. Die sonstigen Wählerschichten finanzieren sich überwiegend aus Zuwendungen im Familien- oder Haushaltsverband. Die Angehörigen der Erwerbsklasse – Arbeiter, Angestellte, Beamte und Selbstständige – bestreiten ihren Lebensunterhalt hauptsächlich aus der Verwertung von Erwerbschancen vor allem durch abhängige Arbeit. Die Klassenlage der Versorgungsklasse – überwiegend Rentner und Pensionäre – wird bestimmt durch sozialpolitische Transfereinkommen und den Zugang zu öffentlichen Gütern und Dienstleistungen. Die Besitzklasse schließlich bestreitet ihren Lebensunterhalt überwiegend aus Einkünften aus Vermögen.

Der Bildungsstand der Wähler spiegelt den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft wider. Zwar dominieren die Ausbildungsabschlüsse Mittlere Reife (2021 32 Prozent) und Hauptschule (2021 16 Prozent), doch 44 Prozent der Wähler sind Hochschulabsolventen oder haben Hochschulreife. Ohne den hohen Ausbildungsstand ist weder das insgesamt zunehmende politische Interesse zu verstehen, noch der Wandel von materialistischen zu postmaterialistischen Werten und den Mischformen. Den Wertewandel begleitet die «partizipatorische Revolution». Sie erweitert die politische Beteiligung vor allem durch Demonstrationen, Unterschriftensammlung und Bürgerinitiativen – zu Lasten der Mitgliedschaft in Parteien und Gewerkschaften.

Deutschlands Gesellschaft ist seit den 1960er Jahren vielfältiger, individueller und offener geworden. Allerdings gibt es Gegentendenzen. Rechts- und Linksextremismus und islamisch-fundamentalistischer Extremismus gehören zu ihnen, ebenso Antisemitismus, und die Neigung, politische Positionen vorwiegend rechtspopulistischer Art als illegitim zu ächten.

Deutschlands Gesellschaft ist überwiegend säkular. Religion und Konfession hinterlassen dennoch tiefe Spuren in den Wertorientierungen und im Verhalten. Nach der Konfession gehörten 2020 29 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland zur römisch-katholischen Kirche, 32 Prozent zur evangelischen Kirche, 3 Prozent zählten zu anderen Glaubensgemeinschaften. 36 Prozent der Wahlberechtigten waren konfessionslos. Unterschiede der Konfession und Religiosität spiegeln sich, wie weiter unten gezeigt wird, im Wahlverhalten wider.

Trennlinien durchziehen die Gesellschaft auch an anderer Stelle. Neben Oben-Unten-Unterschieden treten beispielsweise Wir-Sie- und Innen-Außen-Unterschiede zutage, je nachdem, ob die Wahlberechtigten für Diversität oder gegen sie eintreten und gegen oder für Zuwanderung.[3]

2. Wahlsystem


Das Wahlsystem regelt die Umrechnung der Wählerpräferenzen in Stimmen und der Stimmen in Mandate. In Deutschland sind diese Regelungen teils verfassungsrechtlicher, teils gesetzlicher Art. Das Grundgesetz schreibt die Prinzipien für Bundestagswahlen vor. Artikel 38 zufolge werden die Abgeordneten des Deutschen Bundestages «in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt». Ferner bestimmt dieser Artikel das Wahlalter – das 18. vollendete Lebensjahr – und die Wählbarkeit – es ist das Alter, mit dem die Volljährigkeit eintritt. Die Artikel 39 und 41 des Grundgesetzes legen zudem die Wahlperiode fest – vier Jahre – und regeln die Wahlprüfung. Alle anderen Angelegenheiten des Wahlsystems sind seit dem Bundestagswahlgesetz 1953 Sache des Gesetzgebers, also letztlich der Mehrheit im Parlament, ohne gesicherte Vetochance der Opposition und des Bundesrates.

Bei Wahlen zum Deutschen Bundestag wird nach der personalisierten Verhältniswahl gewählt. Zwei Stimmen haben die Wähler seit 1953. Mit der Erststimme wählen sie den Direktkandidaten ihres Wahlkreises. Das ist die personalisierte Komponente der Verhältniswahl. Mit ihr wird gewählt, wer die relative Mehrheit der Stimmen erhält. Mit der Zweitstimme werden die politischen Parteien gemäß dem Prinzip der proportionalen Repräsentation gewählt. Die Verhältniswahl zielt auf die Vertretung der kandidierenden Personen oder Parteien entsprechend ihrer Stimmenanteile. Die Mehrheitswahl hingegen, die das Wahlgeschehen in Großbritannien, Frankreich und bei der Auszählung der Wahlleutestimmen bei US-Präsidentschaftswahlen regelt, soll vor allem handlungsfähige Mehrheiten hervorbringen. Hierfür nimmt sie erhebliche Unterschiede zwischen Stimmen- und Mandatsverteilung in Kauf. Bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 beispielsweise gewann der Wahlsieger – der Republikaner Donald Trump – 46,1 Prozent der Wählerstimmen, während die unterlegene Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, mit 48,2 Prozent die Mehrheit der Wähler auf ihre Seite gezogen hatte. Den Ausschlag aber gab die Verteilung der Stimmen im Electoral College, dem Wahlleutekolleg: Trump erhielt dank des dort geltenden Mehrheitswahlrechts 304 Stimmen, Clinton hingegen nur 227.

In Bundestagswahlen kommt die Verhältniswahl mit einer Fünf-Prozent-Sperrklausel zum Zuge. Ihr zufolge werden die Zweitstimmen nur für Parteien in Abgeordnetensitze umgerechnet, die mindestens fünf Prozent der Stimmen oder drei Direktmandate gewannen. Die Sperrklausel wirkt – wie beabsichtigt – als Barriere gegen kleine Parteien.

Nicht nur der Unterschied zwischen Verhältnis- und Mehrheitswahl ist wichtig, sondern auch die Größe der Wahlkreise. Bei Bundestagswahlen sind Einerwahlkreise vorgeschrieben, in denen nach dem Prinzip der relativen Mehrheit gewählt wird, während im Mehrmannwahlkreis die Mehrheits- oder die Verhältniswahl stattfinden kann. Ferner sieht das Wahlrecht für Bundestagswahlen die Einzelkandidatur und die starre Liste vor, in der die Kandidaten auf Listen mit Wahlvorschlägen platziert sind. Diese Listen werden von den politischen Parteien beherrscht, was Kritiker als «Parteienstaat» beanstanden. Die Zweitstimme der Wähler kommt einer der kandidierenden Parteien zugute. Die Umrechnung der Zweitstimmen in Abgeordnetensitze wurde mehrmals in kleinen Schritten reformiert. Mittlerweile gilt das Divisorverfahren mit Standardrundung, das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren. Folgenreicher war die Reform der Umrechnung von Stimmen in Sitze durch die vom Bundesverfassungsgericht angemahnte Novellierung des Bundestagswahlgesetzes von 2013. Sie sollte die Erfolgswertgleichheit jeder Stimme gewährleisten und die Überhangmandate kompensieren. Die 2013 reformierte und 2020 erneut korrigierte Umrechnung der Stimmen in Parlamentssitze sieht ein mehrstufiges kompliziertes Verfahren vor, das bei der Verteilung der Sitze auf die Parteien die Erst- und die Zweitstimme in den Bundesländern berücksichtigt. Die Erststimme entscheidet, wer die 298 Direktmandate gewinnt. Wie viele Mandate jede Partei erhält, die über der Fünf-Prozent-Hürde liegt oder drei Direktmandate gewinnt, richtet sich nach ihrem Zweitstimmenanteil. Gewinnt eine Partei mehr Direktmandate, als ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil zusteht, behält sie diese als Überhangmandate bezeichneten Sitze. Dafür erhalten die anderen Parteien ab dem vierten Überhangmandat so viele Ausgleichsmandate, bis die Mandatezahl jeder Partei ihrem Zweistimmenanteil entspricht.

Die Reform von 2013 verminderte die bis dahin bestehende Gefahr, dass über Sieg und Niederlage Überhangmandate entscheiden konnten. Die Nebenwirkungen dieser Reform waren allerdings groß: ein hochkomplexes Wahlsystem und ein aufgeblähter Bundestag: Er war 2017 mit 709 und 2021 mit 736 Abgeordneten statt der Normgröße von 598 Mandatsträgern das mit Abstand größte Parlament aller Demokratien. Der Parteienstreit um Machtvorteile blockierte die nachhaltige Reform des Wahlsystems – bis auf eine kleine Korrektur des Wahlgesetzes kurz vor der Bundestagswahl 2021. Doch die verhinderte nicht die weiter wachsende Größe des Bundestages. Eine Wahlrechtsreform soll in der nächsten Legislaturperiode erfolgen. Dann soll die Zahl der Wahlkreise vermindert, die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre erwogen und die Verlängerung der Wahlperiode auf fünf ...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2022
Reihe/Serie Beck'sche Reihe
Beck'sche Reihe
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Biografien / Erfahrungsberichte
Sachbuch/Ratgeber Beruf / Finanzen / Recht / Wirtschaft Geld / Bank / Börse
Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Reisen Reiseführer Europa
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung Staat / Verwaltung
Schlagworte Außenpolitik • Bund • Bundesländer • Bundesrat • Bundesregierung • Bundesrepublik • Bundesstaat • Bundestag • Bundestagswahl • Demokratie • Deutschland • Föderalismus • Innenpolitik • Lehrbuch • Nationalstaat • Parlament • Parteien • Parteiensystem • Parteienwettbewerb • Politik • Politikwissenschaft • Politisches System • Politologie • Regierungsform • Regierungssystem • Republik • Sozialstaat • Staat • Staatsverfassung • System • Verfassung • Verfassungspolitik • Wahlsystem
ISBN-10 3-406-76517-3 / 3406765173
ISBN-13 978-3-406-76517-9 / 9783406765179
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