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Das Haus Zamis 35 (eBook)

Die Hexe in Schwarz

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Aufl. 2022
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2779-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Haus Zamis 35 - Peter Morlar
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»Verschwinde, du Hexe! Und lass dich nie wieder hier blicken!«
Die alte Zigeunerin zog den Kopf ein und versuchte dem Stein auszuweichen, der in hohem Bogen durch die Luft flog.
Einen Sturz konnte sie gerade noch verhindern, nicht aber, dass das scharfkantige Wurfgeschoss sie an der Schulter traf.
Sie unterdrückte den Schmerz und versuchte so schnell wie möglich das Grundstück zu verlassen. Der fettleibige Bauer und seine Familie lachten ihr hinterher.
Kurz bevor die Zigeunerin den Zaun erreicht hatte, drehte sie sich noch einmal um und rief: »Das werdet ihr mir büßen! Von diesem Moment an seid ihr verflucht! Denkt an meine Worte, wenn es so weit sein wird ...!«

Coco hat Tatau besiegt, aber noch immer leidet sie unter Anfällen, die sich stetig verschlimmern. Ein erster Hinweis auf die Ursache führt Coco weit zurück in die Vergangenheit der Familie Zamis - in eine Epoche, in der die Hexe in Schwarz die Menschen verfluchte ...


1. Kapitel


Die Zigeunerin hatte noch auf anderen Höfen versucht, sich ein wenig Geld zusammenzubetteln, doch keiner der Bauern war bereit gewesen, ihr etwas zu geben.

Im Gegenteil. Einer hatte ihr sogar seine Bluthunde hinterher gehetzt, denen sie nur mit Mühe und Not hatte entkommen können. Sein schadenfrohes Gelächter klang jetzt noch in ihren Ohren nach.

Völlig außer Atem erreichte die alte Frau die ersten Ausläufer der Stadt.

Die zerlumpte Kleidung schlotterte um ihren Körper, und bei ihren Schuhen lösten sich bereits die Sohlen. Das Tuch auf ihrem Kopf schützte sie kaum vor dem Wind, der wie mit eisigen Nadeln in ihr Gesicht stach.

Jetzt hielt die Greisin inne, blickte sich kurz um und schlug dann den Weg zum Marktplatz ein. Dort würde sie noch am ehesten Menschen antreffen, die sie um Geld anflehen konnte.

Zwei elegant gekleidete Herren eilten der Zigeunerin entgegen, von denen der eine einen Spazierstock mit einem goldenen Knauf in der Hand schwenkte. Die Alte lächelte und wartete, bis sich die beiden Herren auf gleicher Höhe befanden.

»Eine kleine Spende für eine alte Frau«, rief sie ihnen dann zu und verbeugte sich. »Es soll Euer Schaden nicht sein!«

»Verschwinde!«, herrschte sie der Mann mit dem Spazierstock an und vollführte eine wegwerfende Handbewegung.

»Ihr macht einen großen Fehler, werter Herr!«, begehrte die Zigeunerin auf und hielt wie durch Zauberei eine Perlenkette in der Hand. »Gegen einen geringen Obolus soll dieses Schmuckstück Euer sein!«

»Ich habe keine Verwendung für deinen Plunder!«, entgegnete der Mann ungehalten und ließ die Alte links liegen.

Doch die Zigeunerin gab nicht auf und rannte ihm hinterher. »Herr! So wartet doch! Ich habe Hunger, und ich möchte mir doch nur etwas Geld verdienen ...«

»Du hast doch gehört, was mein Herr gesagt hat!«, zischte der Begleiter des Edelmannes und packte die alte Frau an den Schultern. Mit einem kräftigen Ruck zog er sie herum und versetzte ihr einen Stoß, dass die Zigeunerin ein paar Schritte rückwärts taumelte. Sie stolperte über einen hervorstehenden Pflasterstein und stürzte zu Boden. Mit dem Hinterkopf schlug sie gegen den Pfahl einer Straßenlaterne und verlor sekundenlang das Bewusstsein.

»Lass dir das eine Warnung sein, du alte Schlange!«, spie ihr der Untergebene des Edelmannes entgegen und rannte seinem Herrn hinterher, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen.

Die Zigeunerin schüttelte benommen den Kopf und starrte ihren Peinigern aus finsteren Augen nach. »Das werdet Ihr mir büßen!«, schrie sie dann. Ihre Stimme hallte dumpf an den Häuserwänden wider. »Seid verflucht, dekadentes Pack!«

Sie hörte noch das abfällige Lachen der beiden Herren, dann verschwanden sie hinter einer Straßenecke.

Schwerfällig richtete sie sich auf und versuchte den Schmutz der Straße von ihrer Kleidung zu entfernen. Nach kurzer Zeit nickte sie zufrieden und setzte sich wieder in Bewegung.

Auf dem Weg ins Zentrum der Stadt begegnete sie weiteren Menschen, die sie ebenso abfällig behandelten wie die beiden Edelmänner. Kein Einziger von ihnen wollte ihr den Schmuck abkaufen, den sie eigenhändig hergestellt hatte. Stattdessen erntete sie nur Spott und Hohn.

»Hau ab, Alte!« und »Verschwinde, Zigeunerin!« waren noch die nettesten Worte, die ihr entgegengeschleudert wurden. Ein dicker Mann mit rotem Vollbart, dessen Wams sich über dem beachtlichen Bauch spannte, wich vor ihr zurück und brüllte: »Scher dich aus der Stadt! Gesindel gibt es hier schon genug. Dir und diesem ganzen Abschaum wünsche ich die Pest an den Hals!«

Die Zigeunerin hatte ihn nur angestarrt, woraufhin dem dicken Mann sämtliche Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Dann war er davongerannt, als ob der Teufel hinter seiner Seele her gewesen wäre.

Die alte Frau murmelte etwas vor sich hin. Es waren kehlige Laute, die aus dem Innersten ihres Körpers aufzusteigen schienen. Ihre Augen funkelten böse. Sie kicherte und schlurfte zum nächstgelegenen Haus.

Der Schein einer Straßenlaterne spendete diffuses Licht und warf gespenstische Schatten auf das Kopfsteinpflaster. Die Eingangstür des Gebäudes, für das sich die Greisin entschieden hatte, erreichte er jedoch nicht mehr.

Die Frau krümmte ihre dürren Finger zu einer Faust, dann klopfte sie an.

Schlurfende Schritte ertönten. Ein Riegel wurde gelöst, ein Schlüssel sperrte. Schließlich schwang die Tür einen Spaltbreit auf, und das bleiche Gesicht eines Mannes lugte hervor.

»Was willst du?«, herrschte er sie an.

»Bitte, Herr!«, flehte die Zigeunerin. »Habt Erbarmen! Nur eine kleine Spende für eine hungernde alte Frau!«

»Scher dich zum Teufel!«, schrie der Mann erbost. »Weißt du überhaupt, wie spät es ist?«

»So hört mich an, Herr! Ich möchte auch nichts geschenkt haben!«

»Ach nein?«, höhnte der Mann und baute sich vor ihr auf. Alkoholdunst schlug ihr entgegen. »Was möchtest du dann?« Der Spott in seiner Stimme war nicht zu überhören.

»Hier, Herr!«, keuchte die alte Frau und hielt dem Mann eine Perlenkette entgegen. »Die habe ich selbst gebastelt!«

»Wertloser Kram!« Er krempelte die Ärmel seines speckigen Hemds nach oben. »Und so einen Dreck wagst du mir anzudrehen?«

»Aber Herr, ich versichere Euch ...«

»Schweig, Alte! Nimm dir ein Beispiel an ehrbaren Leuten wie mir, anstatt zu betteln!« Er deutete auf einen Laden, über dem ein verwittertes Holzschild prangte. ›Albert Hofer – Bäckerei‹ stand darauf.

Sie wollte eine Entschuldigung murmeln.

Da packte er sie auch schon am Kragen. Das Weiße in seinen Augen leuchtete. Alkoholhaltiger, stinkender Atem schlug der Zigeunerin entgegen. »Du willst nicht gehen? Ich verpass dir eine Tracht Prügel wie einem räudigen Hund, du alte Vettel!«, schrie er.

Er holte aus – und erstarrte. Schweiß trat auf seine erhitzte Stirn, er riss den Mund auf und schnappte nach Luft. Seine Blicke klebten an den Augen der Zigeunerin, die sich plötzlich ins Weiße verkehrt zu haben schienen. Die Iriden waren verschwunden. Pupillen, so klein wie Stecknadelköpfe, setzten sich von dem hellen Hintergrund ab.

»Verflucht seist du!«, krächzte sie und packte seine Hand. Ihre Fingernägel waren zu schwarzen Krallen geworden. »Du bist des Todes, Hofer ...!«

Er ließ sie fallen wie eine heiße Kartoffel. »Weiche von mir, Hexe!«

Er sprang zurück und warf die Tür zu. Dann stürzte er die Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Das Lachen der Zigeunerin verfolgte ihn bis nach oben.

Seine Frau war von dem Lärm aufgewacht und saß senkrecht im Bett. »Was hast du, Albert? Um Himmels willen, du bist ja ganz blass!«

»Ich ... Ich ...« Er war nicht in der Lage, einen vollständigen Satz zu formulieren.

»Jetzt beruhige dich erst mal«, ermahnte ihn seine Frau. »Du siehst ja aus, als wärst du dem Teufel begegnet!«

Gegenwart

Es war noch nicht einmal richtig hell geworden, als das Flugzeug, mit dem Papa Roach seine Heimreise nach Haiti antrat, von der Rollbahn abhob.

Arnulf Roemer und ich standen auf der Aussichtsplattform des Wiener Flughafens Schwechat und sahen dem stählernen Vogel so lange hinterher, bis er aus unserem Blickfeld entschwand.

Mit gemischten Gefühlen drehte ich mich um und musterte Arnulf eingehend. Die dicke Hornbrille konnte seine angeschwollenen Tränensäcke nicht vollständig verbergen, das schüttere Haar hing ungekämmt an seinem Kopf herab. Nur seine graublauen Augen funkelten unternehmungslustig.

»Wir haben wohl eine Schlacht gewonnen, nicht aber den Krieg«, meinte ich müde, legte Arnulf meine Hand auf den Arm und wandte mich zum Gehen.

»Da magst du recht haben, Coco«, stimmte mir der selbst ernannte Dämonologe zu. »Aber du musst dich jetzt ausruhen, der letzte Anfall war doch etwas zu viel für dich!«

»Lass gut sein, Nuffy, es geht schon«, erwiderte ich trotzig, denn ich wollte mir vor dem schrulligen Kauz keine Blöße geben. Trotzdem musste ich mir eingestehen, dass ich mich schwach und ausgelaugt fühlte. Meine Muskeln und Sehnen schmerzten, als bestünden sie aus glühender Lava, und ich hatte das Gefühl, dass kein einziger Knochen in meinem Leib mehr heil war.

Viel schlimmer jedoch war die dumpfe Leere in meinem Magen, die bis hinauf zu meinem Herzen ausstrahlte, wenn ich an Otto Keller dachte. Ihn als Freund verloren zu haben, tat fast noch mehr weh als die Nachwirkungen des Anfalls.

Arnulf und ich verließen das Flughafengebäude und winkten ein Taxi herbei. Der Fahrer war sehr zuvorkommend und öffnete uns die Türen. Wir nahmen auf der Rückbank Platz. Auf seine Frage, wo es denn hingehen sollte, nannte ich ihm als Ziel die Ratmannsdorfgasse.

Der Wagen setzte sich in Bewegung, als ich Arnulf Roemer unvermittelt ansprach: »Was hast du...

Erscheint lt. Verlag 15.2.2022
Reihe/Serie Das Haus Zamis
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Coco Zamis • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • Dorian Hunter • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Spin-Off • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-2779-5 / 3751727795
ISBN-13 978-3-7517-2779-2 / 9783751727792
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