momenterfüllt (eBook)
206 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-6424-3 (ISBN)
Kurt Christmann, Jahrgang 1948. Als Autor einer Vielzahl von Gedichten zu den verschiedensten Aspekten des Lebens (und Scheiterns) sowie des Romans momentgenau ist er ein erfahrener, selbstkritischer Wort-Handwerker im Umgang mit der deutschen Sprache. Stets vorder- und hintergründig, humorvoll und nachdenklich zugleich. Viele seiner Texte sind auf geschäftlichen Reisen entstanden, in Hotels und in Zügen. Und haben sogleich auf diese Weise die Probe auf ihren unterhaltsamen Realitätsbezug bestanden. Mosaiksteine für Herz und Hirn oder die Beantwortung der Frage: Wer bin ich und was hindert mich daran? nennt der Autor sein Anliegen, momenterfüllt eben.
EXKURS: HESSISCH
Als eingeborener Hesse komme ich nicht umhin, einen Blick auf unsere Besonderheiten zu werfen. Hessen sind überwiegend zurückhaltend und, von Ausnahmen vor allem im Rhein-Main-Gebiet abgesehen, häufig auch bescheiden. Vielleicht hängt das einfach mit unserer Geografie zusammen. Wir liegen zentral, haben Gewässer und Berge, aber von alldem eben nicht so viel und nicht so hoch wie die Nord- und Südländer Deutschlands. Selbstverständlich haben wir auch unsere Sprache, das „hessisch Gebabbel“. Weshalb ein Zugereister im Odenwald oder in Nordhessen in totale Verständigungsnöte geraten kann. Wegen seiner zentralen Lage war Hessen seit jeher bis heute Zuwanderungsland, was zu einer starken Durchmischung der Bevölkerung geführt hat. Mit der Folge, dass das klassisch Hessische nicht mehr überall im Vordergrund steht. Grund genug, etwas Rückbesinnung zu betreiben. Und sich der viel zu wenig bekannten, geschweige denn geschätzten hessischen Lebensart zuzuwenden. Die zeigt sich bereits bei der ersten Begrüßung. Hessen, das wusste schon unser verehrter Geheimrat von Goethe, sind auch wichtig, was denn sonst!
Wie geht’s? Gruß der Hessen
„Ei gude, wie?“ Den Gruß der Hessen
wirst Du im Leben nicht vergessen.
Und Manchen stimmt die Antwort heiter,
wenn diese lautet: „Als so weiter!“
Im Falle großer Empathie,
wirst Du gefragt: „Wo mechste hie?“
Und glaub’ mir nur, der meint das nett:
„Ich bleib dehaam unn mach’ ins Bett“
Im Eifer kann es noch passieren,
dass Hessen einen Satz verlieren,
als stürzten sie in’s schwarze Loch:
„Ei geh’ mer fort, was hott mer noch?“
Das nenn’ ich Optimismus pur:
Man hört es nicht, man merkt es nur...
Gruß der Oberhessen
Basta. Wer mehr sagt, gilt schnell als Schwätzer.
Make Oberhesse great again!
Übersetzungsidee
„Grüß’ Dich!
Schön, Dich wieder mal zu treffen!
Wie lange haben wir uns nicht gesehen -
wie geht es Dir?“
„Danke!
Ich freue mich auch, dass wir uns sehen!
Gut siehst Du aus/Du hast Dich gar nicht verändert.
Mir geht es auch gut, bin zufrieden.
Bis zum Nächsten mal
Mach’s gut! Grüß’ Deine Familie“
Dieses Beispiel zeigt, dass hier maximale Verkürzung praktiziert wird. Schnörkellos, verständlich, direkt, trotzdem höflich. Emotionale Inhalte werden ausschließlich durch die Tonlage transportiert. Da braucht’s keinen Translator. So können wir Hessen sein -wenn wir unter uns bleiben wollen. Ich muss es zugeben: Toleranz und spontane Offenheit gehören nicht zur ur-hessischen Kernkompetenz. Da, wo man sie inzwischen trotzdem antrifft, wurden diese Eigenschaften meist erst mühsam erarbeitet oder durch Vermischung importiert. Über ein Viertel aller Einwohner sind gar keine eingeborenen Hessen!
Es ist aber ein böses Gerücht, dass man sich in Hessen heimlich Lachfalten spritzen lässt. Schon zu früheren Zeiten hat man sich auf Kosten der Hessen amüsiert, meistens aufgrund von alternativen Fakten. Fast jeder kennt den Begriff des „Nassauerns“ oder gar „Durchnassauerns“. Gemeint ist, auf Kosten Anderer zu essen und zu trinken. Die Herleitung ist aber gerade umgekehrt wie das allzu populäre Verständnis zum Nachteil der Hessen: Es begann 1817. Weil dem Fürstentum Hessen-Nassau eine eigene Universität fehlte, wurden viele Studenten in das Königreich Hannover nach Göttingen geschickt. Diese durften gemäß fürstlichem Vertrag kostenlos bei ihrem Gastwirt zu Mittag essen. Doch oftmals traten die nassauischen Stipendiaten ihr Privileg an andere Studenten (oder hübsche Studentinnen?) ab. So konnten diese kostenlos zu Tisch gehen, nassauern eben als Folge hessischer Großzügigkeit. Tue Gutes, Du musst nicht darüber reden...
Das heutige Land Hessen wurde am 19.09.1945 unter dem Namen Groß-Hessen von den Alliierten gegründet. Mit der Annahme der Verfassung durch die Volksabstimmung am 1. Dezember 1946 wurde das Land Hessen erstes Bundesland der neuen Republik. Während südlicher gelegene Volksteile gerne von sich behaupten, alles (außer hochdeutsch) zu können, hat sich insbesondere Zentralhessen, also das Rhein-Main-Gebiet, zu einem ansehnlichen Tor zur Welt entwickelt. Das kann nicht allein am Äppelwoi liegen.
Der gemeine Hesse
Der gemeine Hesse,
träumt so gern vom gute Esse.
Nicht nur von Handkäs mit Musik,
er hat auch Sauerkraut im Blick,
grüne Soße, Ebbelwoi,
Frikadelle und Kartoffelbrei.
Das ist dem Hesse sei’ quisine;
das schmeckt ihm halt, da schmilzt er hin.
Der Hesse gilt als sehr bescheiden.
Manche seinen Charme beneiden,
der gut getarnt im Innern glüht.
Um Frauen ist er stets bemüht;
denn alle Welt soll schließlich sehen:
auch ohne diese zu verstehen
– weil Frauenherz und Leberworscht
bleiben ewig unerforscht! – 1)
kann man verliebt sein nicht zu knapp
bis untern Rand von BatschesKapp. 2) 3)
Der gemeine Hessen-Mann,
beweist, wie sehr man schweigen kann.
Nicht, weil er wortfaul oder trist,
nein – weil er voller Zweifel ist!
Falls er, was äußerlich verborgen,
ist innerlich voll Schmerz und Sorgen,
misstraut den Göttern und der Welt:
dann schließt er zu und zählt sein Geld.
Wenn diese Phase ist vorbei,
dann denkt der Hesse „ei-jei-jei,
was hab’ ich doch für dicke Backe,
bin völlig frei von böse Macke.
Obwohl das Leben ernst an sich,
die ganze Welt dreht sich um mich!“
Ach, wenn’s doch nur noch Hessen gäbe:
Das wär’ der Höhepunkt im Lebe!
Bald allerdings wird’s wieder schwer;
so geht es ewig hin und her.
Manchmal reist er in die Ferne,
genießt die Ansicht fremder Sterne.
Dann zeigt er sich als Mann von Welt,
dass jeder ihn für sonstwas hält
wie einst Direktor Hesselbach:
„Mein lieber Karl, dass ich nit lach’!“
Und worin nun sein Traum besteht?
Dass alles als so weiter geht...
---------
1) Hessische Redensart
2) Badesalz, Comedy aus Hessen:
„Kreppel haben wie die Weiber,
wunderbare süße Leiber.
Drum kann es niemand überraschen,
dass Hessen beide gern vernaschen“
3).Batschkapp:
Identitätsstiftende Kopfbedeckung der Hessen
(flache Schildmütze)
Batschkapp
Mei Batschkapp ist mir lieb und teuer,
sie schützt vor Kälte, kost’ kei Steuer.
Ei es will mir nicht in den Kopp hinei:
„Wie kann nur ein Mann ohne Batschkapp sei?“
Mit Batschkapp wirst Du zum Master of Style,
hast Outfit-Optionen alleweil,
denn so ein Basis-Trägersystem
hebt Dich heraus und ist bequem.
Das Sortiment ist kolossal;
die Hessen trifft die Qual der Wahl.
Du glaubst es kaum, was alles geht
als Schädel-Funktionalität:
- Flutlicht- und Radaranlage
- Nummernschild mit Ortsansage,
- Nachtsicht, Kompass, Navigator,
- Münztresor und Ventilator,
- Rauchmelder und Wassersprinkler,
- Sirene, Blaulicht, Richtungsblinker,
- Heizspirale, Ohrenwärmer,
- Spoiler für die Disco-Schwärmer,
- Frischluft für den Innenraum,
- Internet – man glaubt es kaum!
- Hörgerät und Babyfon,
- Wetter-App – Du ahnst es schon,
denn auch Scheu- und Landeklappen
kannst Du finanziell berappen.
- Geheimes Fach für die Pariser,
- Munition, wenn Du ein Fieser,
- oder Süßes zum Verzehren:
einen Vorrat Gummibären.
- Rallye-Streifen, Duft-Flacon,
- für die Toilette einen Bon,
- ein Messgerät für die Promille,
- für Deine Frau die nächste Pille,
- zur Sicherheit Dein letzter Wille.
Da gibt es gar nichts mehr zu lästern:
Ohne Batschkapp - das war gestern!
Ja, das Hessische hat schon einen Wert an sich. Daher beneiden uns auch Viele zu Recht um unser Sprachgefühl und die einmalige Sprachmelodie, die seit der Wiedervereinigung allerdings in Konkurrenz mit den Sachsen geraten ist. Aus meiner einschlägigen Sammlung habe ich ein paar besonders intensive Beispiele ausgewählt; im Bemühen, diese vor dem Vergessen zu bewahren:
Es fällt mir...
Erscheint lt. Verlag | 4.1.2022 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Lyrik / Gedichte |
ISBN-10 | 3-7557-6424-5 / 3755764245 |
ISBN-13 | 978-3-7557-6424-3 / 9783755764243 |
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