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Dorian Hunter 89 (eBook)

Das grüne Phantom

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Aufl. 2022
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2570-5 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Dorian Hunter 89 - Roy Palmer
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Das Gesicht des Tohunga, des Meisters, war eine scheußliche Fratze. Im flackernden Feuerschein erkannte der gefangene Werner Schmidt, dass es sich um einen Polynesier handelte, dessen Gesicht durch eine Narbentatauierung entstellt war.
'Iss!', sagte der Tohunga. Alle möglichen Fischteile waren es, die er Schmidt in den Mund stopfte: Kiemen, Luftblasen, Schuppen, Fischaugen, Flossen und Innereien ... Schmidt würgte und rang nach Luft. Er sah bunte Nebel tanzen, aus denen ihn fratzenhafte Gesichter anstarrten. Das Trommeln und die triumphierenden Schreie der Tanzenden hörte er nicht mehr. Er fiel in einen schwarzen Abgrund ...


1. Kapitel


Sie fanden bald eine Hafenbar, die ihnen zusagte. Dort gab es ein paar hübsche Mädchen, und mit einer von ihnen ging Schmidt gegen Abend nach Hause. Der Alkohol machte ihn beschwingt und ausgelassen, und die Aussicht auf das bevorstehende Liebesabenteuer hob seine Stimmung noch mehr.

Die glutäugige schlanke und ranke Südseeschönheit führte Schmidt zu einem kleinen Flachdachhaus am Rande des Hafenstädtchens. Sie wohne allein hier, hatte sie Schmidt gesagt. Im Haus angekommen, führte sie ihn in das kleine, spärlich möblierte Wohnzimmer, in dem ein Ventilator vergebens gegen die Hitze ankämpfte. Dann ließ sie Schmidt eine Weile allein.

Eine Bierdose in der Hand, wartete er, auf einer Bastmatte sitzend. Es dauerte reichlich lange. Schmidt wurde schon ungeduldig. Endlich kam die schöne Aiuna wieder. Lächelnd umarmte sie den Matrosen, und ihre Küsse ließen ihn alles andere vergessen. Er spürte den Druck ihres schlanken, gut gebauten Körpers. »Warum hast du mich so lange warten lassen?«, fragte er seine Südseeschönheit.

Ihr Körper in seinen Armen versteifte sich. In ihren Pupillen sah Schmidt, der mit dem Rücken zur angelehnten Tür stand, eine Bewegung. Es war das winzige Spiegelbild eines Mannes, dessen Hand soeben herabsauste. Ehe Schmidt noch reagieren konnte, krachte ein harter Gegenstand auf seinen Kopf. Warum?, war sein letzter Gedanke.

Wie lange Schmidt ohnmächtig gewesen war, wusste er nicht. Als er wieder zu sich kam, glaubte er zunächst an einen Albtraum. Er sah Feuerschein und hörte dumpfes Getrommel und das Stampfen nackter Füße.

Schmidt öffnete die Augen. Er lag auf dem Boden, mit den Händen und Füßen an in die Erde gerammte Pflöcke gefesselt. Um ihn herum tanzten Menschen – allesamt Polynesier – ekstatisch zum Klang der Trommeln. Ihre halb nackten Körper waren schweißüberströmt, die Gesichter verzückt, die Augen starr. »Te-Ivi-o-Atea!«, riefen sie immer wieder mit der gleichen Betonung. »Te-Ivi-o-Atea!«

Der Matrose zerrte an seinen Fesseln. Noch hatte er keine Angst. Er war nur verwundert und auch wütend, dass man gerade ihn für diesen Mummenschanz ausgesucht hatte. Er wusste nicht, dass Te-Ivi-o-Atea, der Göttervogel, ein mächtiger Dämon war, der Herr der Südsee. Schmidt erkannte unter den Tanzenden Aiuna, deren hübsche bloße Brüste im Rhythmus ihrer Bewegungen wippten. »Was soll das?«, fragte er. »Bindet mich los, verdammt noch mal! Ich habe keinen Sinn für solche Späße.«

Aiuna merkte, dass er wieder zu sich gekommen war, und stieß einen gellenden Schrei aus. Die anderen Tänzer hielten inne und schrien gleichfalls zum Sternenhimmel empor. Es war ein wilder animalischer Schrei.

Schmidt, der zuvor englisch gesprochen hatte, sagte jetzt auf Deutsch: »Blöde Kanaken!«

Er hatte weder Kopfschmerzen, noch spürte er andere Nachwirkungen von dem Schlag auf den Kopf. Er war nur wütend. Plötzlich wurde es still – bis auf eine Trommel, die leise und dumpf weiterpochte. Eine hoch gewachsene Gestalt trat durch die Schmidt umringende Menge. Es war ein Mann mit einem bunt gefärbten Mantel aus Kiwifedern, dem höchsten Rangabzeichen der Häuptlinge und Priester der Südsee. Der Mann trug eine silberne Schale in der Hand. Als er sich über Schmidt neigte, konnte Schmidt einen Aufschrei nicht unterdrücken.

Das Gesicht des Tohunga, des Meisters, war eine scheußliche Fratze. Im flackernden Feuerschein wirkte sie noch fürchterlicher. Erst beim zweiten Hinsehen erkannte Schmidt, dass es sich um einen Polynesier handelte, dessen Gesicht durch eine Narbentatauierung entstellt war. Er trug einen Pflock quer durch die Nasenscheidewand. Kräftige weiße Zähne blitzten, als er das Gesicht zu einer dämonischen Grimasse verzog. Die Augen des Unheimlichen aber funkelten wie die eines Raubtiers. War das ein Trickeffekt, oder war es etwa kein Mensch, der sich über Werner Schmidt beugte? Dem Matrosen wurde unheimlich zumute. Ein Schauer überlief ihn.

Der Tohunga sagte etwas, und zwei kräftige Männer mit großen Messern huschten herbei. Sie näherten sich dem Unheimlichen unter vielen Verbeugungen.

Als er die Messer funkeln sah, bekam Schmidt Angst. Wollten diese Irren ihn etwa umbringen und irgendwelchen Göttern opfern? Würden sie ihn vielleicht sogar auffressen? Bei manchen Südseestämmen hatte es in früheren Zeiten Kannibalismus gegeben.

Ein Mann setzte Schmidt das Messer an die Kehle. Der andere bohrte ihm die Messerspitze leicht über dem Herzen in die Brust.

Schmidt schloss die Augen.

»Iss!«, sagte der Tohunga.

Schmidt hätte nicht angeben können, in welcher Sprache er redete, aber er verstand den Befehl. Als er die Augen öffnete, hielt ihm der Narbengesichtige etwas Undefinierbares hin. Es roch nach Fisch.

»Wenn du nicht isst, lasse ich dir die Ohren und die Finger abschneiden. Wenn du dich dann immer noch weigerst, stirbst du.«

Schmidt öffnete den Mund und schluckte den Bissen hinunter, leichenblass im Gesicht. Es war rohes Fischfleisch und schmeckte abscheulich. Der Narbengesichtige fütterte Schmidt, und die Todesangst brachte den Matrosen dazu, seinen Ekel zu überwinden.

Alle möglichen Fischteile waren es, die der Tohunga ihm in den Mund stopfte: Kiemen, Luftblasen, Schuppen, Fischaugen, Flossen und Innereien ... Schmidts Magen revoltierte, und der Schweiß lief ihm übers Gesicht. Aber jedes Mal, wenn er zu würgen anfing, drückte ihm der kräftige Polynesier, der neben ihm kauerte, das Messer fester gegen die Kehle. So behielt er das scheußliche Zeug bei sich.

Endlich war der letzte Bissen heruntergeschluckt. Der Narbengesichtige zwang Schmidt mit einem Würgegriff, den Mund zu öffnen. Mit spitzen Fingern griff er ihm in den Rachen. Schmidt stöhnte vor Schmerz, als der Tohunga sich in seiner Rachenhöhle zu schaffen machte. Es war, als drehte er dort etwas um.

Als der Tohunga die Hand zurückzog und der Schmerz nachließ, konnte der Matrose die Bissen nicht mehr ausspeien.

Der Narbengesichtige reckte die Arme gen Himmel empor und intonierte einen Sprechgesang. Schmidt konnte nichts verstehen, aber es überlief ihn erst eiskalt, dann wurde ihm glühend heiß.

Der ekstatische Tanz und das Getrommel setzten wieder ein.

Schmidts Körper verkrampfte sich. Sein Kopf lief rot an und schien platzen zu wollen. Der Matrose rang nach Luft.

Der Unheimliche mit den Glutaugen ging zum nächsten Feuer. Er griff unter seinen bunten Federmantel, und als er die Hand wieder hervorzog, lag ein Pulver darauf. Der Tohunga hielt die Hand ins Feuer, ohne dass sie versengt wurde. Das Pulver aber begann zu rauchen und zu brennen. Dann kehrte der Tohunga zu Werner Schmidt zurück. Er hielt ihm eine Hand vors Gesicht, sodass er den Rauch einatmen musste.

Schmidt würgte und rang nach Luft. Sein Gesicht verzerrte sich noch mehr, und er sah bunte Nebel tanzen, aus denen ihn fratzenhafte Gesichter anstarrten. Das Trommeln und die triumphierenden Schreie der Tanzenden hörte er nicht mehr. Er fiel in einen schwarzen Abgrund. Furchtbare Albträume plagten den Matrosen. Er lebte in einer Tiefseewelt, in die nie ein Strahl Sonnenlicht drang – als Fisch, als Krake und als scheußliches amorphes Ding. Er fraß und wurde gefressen. Es war furchtbar.

Irgendwann fand sich der Matrose hinter einem Gebüsch in der Nähe des Hafens wieder. Er erhob sich mühsam und wankte zu seinem Schiff. Zwei Tage war er verschollen gewesen, erfuhr er. Der Kapitän hatte ihn schon bei der Hafenbehörde als vermisst gemeldet.

Schmidt mochte nicht über das sprechen, was ihm widerfahren war. Er legte sich in seine Koje, schwitzte kalten Schweiß und starrte teilnahmslos zur Decke. Am späten Nachmittag lief das Schiff aus.

In der Nacht begann Schmidt zu toben. Acht Männer konnten den Rasenden kaum bändigen. Der Kapitän ließ ihn auf seiner Koje festbinden. Gegen Morgen beruhigte sich Schmidt, den ganzen Tag dämmerte er wieder teilnahmslos und apathisch vor sich hin. Er wurde in die Krankenkabine gebracht, und Bootsmann Enders, der als Sanitäter ausgebildet war, kümmerte sich um ihn. Der Kapitän wollte wegen Schmidt nicht umkehren, und so nahm er ihn in den nächsten Hafen, nach Christchurch, Neuseeland, mit.

Jede Nacht tobte Schmidt, und tagsüber schrie er oft, weil er Albträume und Visionen hatte. Man konnte nicht aus ihm herausholen, was in der Zeit seines Verschwindens mit ihm passiert war. Nur manchmal schrie er wirre Sätze, aus denen keiner klug wurde.

»Das Narbengesicht mit den glühenden Augen. Nein, nein, Erbarmen! Feuerschein und Getrommel! Sie kommen, sie kommen! Ich werde gefressen! Arrgggh! Finstere, lichtlose Welt, in der es nur Fressen und Gefressenwerden gibt. Kälte. Tod. Ich bin dein Sklave, Tohunga.«

In Christchurch ließ der Kapitän der Senator Burmester Werner Schmidt ins Tropenkrankenhaus einliefern. Der Frachter lief nach Sidney aus.

Sechs Wochen lag Schmidt auf der psychiatrischen Station. Die Ärzte probierten alles Mögliche mit ihm aus. Dann besserte sich sein Zustand abrupt. Die Ärzte schrieben das...

Erscheint lt. Verlag 25.1.2022
Reihe/Serie Dorian Hunter - Horror-Serie
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Horror
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • john Sinclair • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • sonder-edition • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony-Ballard • Top • Zaubermond
ISBN-10 3-7517-2570-9 / 3751725709
ISBN-13 978-3-7517-2570-5 / 9783751725705
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