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GeM-279 -  Ira Janssen

GeM-279 (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
425 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7543-7288-3 (ISBN)
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»Es ist 43 Jahre, 7 Monate und 13 Tage her, seit das letzte Mal ein TBV abgestürzt ist. Und dann sitze ausgerechnet ich drin? Warum?« Diese Frage stellt sich Dr. Elize Gardiner 2 nach dem Absturz oft. Warum haben es Aktivisten auf eine Genetikerin abgesehen? Warum arbeitet ihr eigenes Gremium gegen sie? Und warum übernimmt ausgerechnet Major Johnson 62 ihren Personenschutz? Der Mann, den sie niemals wiedersehen wollte und trotzdem immer darauf hoffte. Ohne es zu wissen, ist Elizes Vergangenheit der Schlüssel zur Zukunft einer Gesellschaft, die Schritt für Schritt alles aufgibt, was sie menschlich macht. Um das zu verhindern, taucht die Wissenschaftlerin zusammen mit dem Major und seinem Team tief in die Abgründe ihrer Welt ein. Doch sind sie bereit für die Wahrheit hinter GeM-279?

Mit Power Metal im Ohr und starken Frauen aus Serien und Filmen im Kopf hat Ira Janssen die "Bruchstückreihe" erdacht. Inspiriert wird sie dabei von der Astronomie und dem Universum, mit seinen unendlichen Möglichkeiten. Zusammen mit ihren drei Katzen, die sie beim Schreiben regelmäßig in den Wahnsinn treiben, hat sie sich neben ihrem Beruf Nacht für Nacht auf ein Bruchstück begeben. Diese Welten begleiten sie seit ihrer Jugend und wachsen nun mit jedem Buch weiter.

1


Dr. Gardiner 2

 

»Wir sind uns also einig. Ab morgen wird der Einsatz zur Erweiterung des Programmes in jedem Sektor um 38 Prozent gesteigert«, schloss Professor Henderson 29 die Abstimmung.

Es war ein deutliches Ergebnis. 79 Stimmen für ja, zwei Enthaltungen und fünf Gegenstimmen. Zwei Sektoren wehrten sich offen gegen die Erweiterung und einer von ihnen war zwiegespalten.

Über die negativen Stimmen von Sektor 31 und 43 wunderte sich niemand, dafür fragten sich alle Anwesenden, welcher Sektor in sich gespalten war. Die Erinnerungen an die Geschehnisse, die Sektor 2 zerstört hatten, waren nicht verblasst. Sie reichten aus, um die furchtsamen und seichten Gemüter unter den Abstimmenden mit einer unbestimmten Angst in ihren Stühlen zurückzulassen.

Man sah es ihnen im Gesicht an, ihre verstohlenen Blicke zu den Avataren ihrer Kollegen, die angespannten Muskeln, zusammengepresste Lippen. Doch waren sie zu feige, das Wort zu ergreifen. Stattdessen ließen sie die Befürchtung unausgesprochen im Raum stehen, in der Hoffnung, jemand anderes möge den Mut haben, den Zwiespalt zur Sprache zu bringen.

»Innerhalb der nächsten 72 Stunden werden Sie mit Ihren Teams die geforderten Maßnahmen an Ihre Rahmenbedingungen anpassen und durchsetzen. Nach 60 Tagen beginnen Sie mit der Datenerfassung. Danach haben Sie vier Tage Zeit, die Ergebnisse zu evaluieren. Somit ergibt sich das Datum für unsere nächste Sitzung. Am 5. Juli werden Sie Ihre Ergebnisse dem Zentralen Gremium vorstellen. Sie dürfen jetzt Ihre Arbeit wieder aufnehmen.«

Die monotone Stimme von Henderson 29 sorgte dafür, dass Dr. Gardiner 2 keine einzige Zielstellung wahrnahm. Schon vor der Abstimmung war sie in ihren Gedanken versunken und achtete nicht auf die endlosen Reden, die vorab geschwungen wurden. Sie kannte den Bericht in- und auswendig, samt aller Stellungnahmen ihrer Kollegen. Wenn es nach ihr ginge, hätte eine Fünf-Minuten-Besprechung ausgereicht. Sie mussten nur das Knöpfchen für die Abstimmung drücken. Das Ergebnis war schon vor Sitzungsbeginn kein Geheimnis, warum also diese ganze Vorstellung?

Noch bevor alle Avatare verschwunden waren, stieß Dr. van Aspor 16 seine Kollegin mit dem Ellenbogen an. Sein tadelnder Blick verlor durch sein Grinsen an Schärfe.

»Das nächste Mal gib dir ein wenig mehr Mühe, deine Langeweile zu verbergen, Elize«, forderte er Dr. Gardiner 2 auf, nur um anschließend selbst zu gähnen.

»Sicher wird es mir bei einem so guten Vorbild bestens gelingen«, scherzte die Wissenschaftlerin.

Sie wusste, dass Henk diese Abstimmung für eine reine Demonstration der Macht seitens des Zentralen Gremiums hielt. Sie hatten genau ausgerechnet, welche Steigerung nötig war, um die genannten Ziele des »Programms zum Erhalt der menschlichen Rasse« bis zum Stichtag zu erreichen. Dieser rückte immer näher und das Ergebnis entsprach nicht ihren Wünschen. So lag es an Elize und ihren Kollegen, die irrationalen Pläne des Gremiums so zu gestalten, damit am Ende ein Sieg verkündet werden konnte, der keiner war.

»Ohne dieses gute Vorbild wäre es dir nicht möglich, Sektor 32 bei seinen Bemühungen zu unterstützen. Es ist lediglich meiner tollen Vorarbeit zu verdanken, dass ich mich in aller Ruhe ausruhen kann, während du die Entwicklungshelferin spielen darfst«, sagte Henk gönnerhaft, verschränkte seine Arme hinter dem Kopf, als er sich gemütlich zurücklehnte.

»Deine tolle Vorarbeit ... ist klar. Ich erinnere mich wage daran, dass ich es war, die drei Nächte durchgearbeitet hat, um dein vermurkstes Programm umzuschreiben«, gab Elize zu bedenken, blieb dabei selbst nicht ernst.

Dr. van Aspor 16 hatte recht, es war ihre tolle Vorarbeit, die beide gelassen auf die nächsten 70 Tage blicken ließ. Ihr Programm lief seit ihrer Zusammenarbeit, die vor vier Jahren begann, außergewöhnlich gut. Sektor 14 führte seitdem jedes Quartal die Liste der erfolgreichen Zusammenführungen an. Die Langzeiterfolge ihres Unterfangens waren zwar erst in zwanzig Jahren absehbar, dennoch scheute sich das Zentrale Gremium nicht, Sektor 14 schon jetzt als die Wiege des Lebens zu betiteln. Zum Glück gehörten weder Henk van Aspor 16 noch Elize Gardiner 2 zu den fehlerhaften Menschen, denen Schmeicheleien zu Kopf stiegen. Lob brachte sie nicht dazu, undurchdachte Projekte zu starten, nur um mehr Anerkennung zu bekommen. Stattdessen führten sie ihre Arbeit gewissenhaft weiter, nahmen Verbesserungen vor, weil sie angemessen waren, nicht, weil sie Prestige brachten. Ganz im Gegensatz zu den leitenden Wissenschaftlern in Sektor 32, die es durch übermütige Pläne geschafft hatten, ihr Programm in den Ruin zu treiben. Sie konnten nur darauf hoffen, dass ihre Quartalszahlen durch die Hilfe von Dr. Gardiner 2 nicht in den Minusbereich rutschten.

Leider sahen sie der Zusammenarbeit mit ihr nicht sehr freudig entgegen. Niemand wünschte sich, Nachhilfe von der verhassten Klassenbesten zu erhalten, weil der Lehrer es anordnete. Das Zentrale Gremium hätte Dr. Gardiner 2 auch gleich die Leitung über Sektor 32 überreichen können, beides war beleidigend.

»Und wer hat dir dafür genügend Kaffeeextrakt besorgt? War nicht einfach, das Zeug in der Menge zu bekommen.«

»Deine Schwarzmarktkontakte sind wohl nur die Bestellungen weichgewaschener Soldaten gewöhnt, wenn sie nicht mal 100 Gramm Kaffeeextrakt auf einmal bereitstellen können.«

»Jeder andere Mensch wäre bei so viel Kaffeekonsum bereits einem Herzinfarkt erlegen. Was auch immer dich davon abhält, nach drei Tassen zu sterben, ist ein wahres Wunderwerk des Programmes. Dein Vater war offensichtlich einer der Alten aus Sektor 1.«

»Das wünscht du dir doch nur, damit du mit mir angeben kannst. Aber ich muss dich enttäuschen, mein Vater war ein einfacher Wissenschaftler aus dem Komitee zur Lebensmittelaufbereitung. Allerdings kann ich nicht ausschließen, dass er mit der Kaffeeextraktproduktion zu tun hatte«, antwortete die Brünette mit einem Schulterzucken.

Es war leicht, im System nachzuschauen, Antworten gab es dort immer. Doch wen interessierte es? Ihr Kaffeekonsum war statistisch gesehen höher als der eines Durchschnittswissenschaftlers. Dafür arbeite sie auch mehr als diese.

»Für die führende Genetikerin der Welt eine wirklich enttäuschende Antwort. Anscheinend müssen die jungen Leute an der Akademie nicht mehr im ersten Semester ihre eigene DNA untersuchen. Ein Armutszeugnis des Bildungssystems«, seufzte Henk gespielt enttäuscht.

Nie machte er einen Hehl daraus, dass die jungen Akademiker immer mehr an Qualität verloren, was er zum größten Teil der fehlerhaften Optimierung des Programmes zum Erhalt der menschlichen Rasse zuschrieb. Obwohl seine Kollegin der beste Beweis war, dass nicht alle Wissenschaftler unter 40 Jahren unbrauchbar waren, ließ es ihn nicht an seiner Schlussfolgerung zweifeln. Vielleicht war es auch die Freude, die es ihm bereitete, wenn sich die jungen Besserwisser von diesen Äußerungen empört zeigten und ihre Arroganz sowie Unfähigkeit zur Schau stellten, indem sie versuchten, Dr. van Aspor 16s Behauptungen zu widerlegen.

Im Allgemeinen hatte der Wissenschaftler einen großen Spaß daran, die Menschen bei ihrer Ehre zu packen und sie mit wenigen Worten dazu zu bringen, ihre Fehler offen zu zeigen. Eine Eigenschaft, die mit größter Wahrscheinlichkeit dafür sorgen würde, ihn aus dem Programm zu nehmen, wären die Verantwortlichen in der Lage, dieses Vorgehen zu erkennen. Stattdessen begnügten sie sich damit, sein Schweigen nach getaner Arbeit als Sieg zu sehen und zu glauben, das Programm entschied richtig. Dass es Dr. van Aspor 16 und Dr. Gardiner 2 waren, die dem Programm ihre Instruktionen gaben, vergaß jeder. Diese Tatsache betrachtend, konnte Elize die Aussage ihres Kollegen blind unterschreiben.

»Vielleicht haben sie bei mir auch nur die Ausnahme gemacht, damit meine Kommilitonen nicht sehen müssen, was dabei herauskommt, wenn Soldaten und Wissenschaftler sich paaren.«

Mittlerweile hatte Elize gelernt, diesen Fakt mit einer Gleichgültigkeit auszusprechen, die niemand verstand. Ihre Großmutter sorgte mit ihrer Schwangerschaft für einen Skandal, den es seit fünf Generationen nicht gegeben hatte. Sie verstieß gegen das Programm, indem sie sich als Soldatin auf einen Wissenschaftler einließ. Die Folgen dieser Liaison standen in sämtlichen relevanten Berichten, waren der Präzedenzfall für ähnliche Vorkommnisse in der Zukunft, die man tunlichst verhindern wollte. Jeder Jurist kannte nun die Vorgehensweise im Falle einer unautorisierten Vermehrung.

Mit einer solchen familiären Hintergrundgeschichte und einer einstelligen Zahl im Namen war es vorprogrammiert, dass man sein Leben lang anders behandelt wurde. So auch an der Akademie, an der sie bei jedem Kurs als Paradebeispiel diente. Natürlich nur, wenn es darum ging, zu zeigen, wie es nicht sein sollte. Elize konnte weder etwas für ihre Herkunft noch für die Entscheidungen ihrer Großmutter und doch dauerte es viele Jahre, bis ihre Leistungen und nicht ihre DNA für sie sprachen.

»In diesem Fall kann ich darüber hinwegsehen. Es ist vollkommen verständlich, die Studenten vor einer solchen Schande zu schützen. Wo kommen wir denn hin, wenn wir das Unbekannte studieren und erkunden?«

»Dieses Fass möchte ich lieber nicht öffnen. Nachher kommen die Soldaten noch auf die Idee, jeder hübschen Wissenschaftlerin aufzulauern, weil sie die Berechtigung dazu haben. Die sollen lieber bei ihresgleichen bleiben. Soldatinnen können mit dem brachialen Charme ihrer männlichen Kollegen besser umgehen als wir.«

Bei den Gedanken an die Folgen schüttelte sich die...

Erscheint lt. Verlag 22.11.2021
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
ISBN-10 3-7543-7288-2 / 3754372882
ISBN-13 978-3-7543-7288-3 / 9783754372883
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