Drachenwinter (eBook)
448 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-44183-1 (ISBN)
Michael J. Sullivan, geboren 1961 in Detroit, lebt heute mit seiner Frau und drei Kindern in Fairfax in der Nähe von Washington D. C. als freier Autor. Zunächst publizierte er sehr erfolgreich im Eigenverlag, bis ein US-Verlag auf den Autor aufmerksam wurde. Inzwischen wurden seine Romane in 14 Sprachen übersetzt und haben mehr als 100 Preise gewonnen.
Michael J. Sullivan, geboren 1961 in Detroit, lebt heute mit seiner Frau und drei Kindern in Fairfax in der Nähe von Washington D. C. als freier Autor. Zunächst publizierte er sehr erfolgreich im Eigenverlag, bis ein US-Verlag auf den Autor aufmerksam wurde. Inzwischen wurden seine Romane in 14 Sprachen übersetzt und haben mehr als 100 Preise gewonnen. Carina Schnell hat Übersetzungswissenschaft studiert und in verschiedenen Ländern gelebt. Mit ihrer Sommer in Kanada-Reihe eroberte sie die Bestsellerlisten und die Herzen der Leser*innen im Sturm. Dem Norden bleibt sie treu und bringt nun mit A Breath of Winter magische Herzen zum Höherschlagen. Als gelernte Übersetzerin ist Carina Schnell von anderen Sprachen und Kulturen fasziniert, vor allem die nordische Mythologie hat es ihr bis heute angetan. Wenn sie nicht gerade um die Welt reist, ist sie in ihrem Haus am Waldrand anzutreffen, wo sie schreibt, mit ihrer Katze kuschelt oder lange Spaziergänge mit ihrem Mann macht. Ihr Roman A Breath of Winter wurde mit demSERAPH für das Beste Buch 2024 ausgezeichnet.
1
Das große Tor
Die gute Nachricht ist, dass der Tod nicht das Ende ist. Aber das ist gleichzeitig auch die schlechte Nachricht.
– Das Buch Brin
Oh, heilige Mari, was habe ich bloß getan? Der Gedanke kam Brin zu spät. Sie versank bereits im Tümpel. Es schmatzte laut, während sie unaufhaltsam tiefer nach unten gezogen wurde. Sie spürte den schleimigen Sog an ihren Füßen, als würde sie von einer zahnlosen Schlange verschluckt werden. Die eisige Kälte, kälter als alles, was sie je zuvor empfunden hatte, kroch ihr an Beinen und Hüfte hinauf. Sie war weder in einer Flüssigkeit noch in Matsch gefangen, es fühlte sich vielmehr wie eiskalter Teer an, der lebendig zu sein schien. Brin zitterte vor Angst, während sich die klebrige Masse Stück für Stück über ihre Brust schob, sodass ihr das Atmen stetig schwerer fiel.
Tesh schrie, als würde er ebenfalls sterben – als würde sein Leben mit Brins enden.
Wie kann ich ihm das nur antun? Er liebt mich und ich …
Wie die Hand einer Leiche in einem Albtraum kroch der Schlamm um ihren Hals. Brin sank tiefer, legte den Kopf in den Nacken, um einen letzten verzweifelten Atemzug zu nehmen. Doch als ihr der Schleim in Mund und Augen drang, konnte sie einen Schrei nicht länger unterdrücken. Der Laut wurde vom Matsch erstickt. Kein Laut drang über ihre Lippen. Tesh würde nie erfahren, dass ihr letztes Wort sein Name gewesen war. Danach weigerte Brin sich einzuatmen. Der Instinkt, unter Wasser die Luft anzuhalten, war stärker als ihr Verlangen nach Sauerstoff.
All die heldenhaften Gedanken, die ihr den Mut verliehen hatten, in den Tümpel zu waten, waren von gesundem Menschenverstand abgelöst worden. Einzelne Bilder zuckten durch Brins Geist: Sonnenschein auf Waldlaub, Regen in einem Eimer, klein geschnittene Karotten, das Lachen ihrer Mutter, ein gefrorener Teich. Als ihre Gedanken vor Panik erstarrten, begann ihr Körper seinen aussichtslosen Überlebenskampf. Sie schlug und trat um sich, reckte einen Arm in die Höhe. Ihre Finger durchbrachen kurz die Oberfläche. Luft – sie spürte Luft!
So nah dran.
Doch gleich darauf wurden ihre Finger bereits wieder verschlungen.
Ihre Arme wurden schwächer, die Bewegungen langsamer. Ihre Beine gehorchten ihr nicht mehr, hingen nur noch schlaff herab.
Neue Bilder blitzten auf: das Feuer im Langhaus, Schafe in einem Sturm, Teshs Hand in ihrer, Worte auf einer Seite.
Während Atmen sie eindeutig umbringen würde, schien ihr Körper davon überzeugt zu sein, dass es sie ebenfalls töten würde, wenn sie es nicht wenigstens versuchte. Also atmete Brin ein. Schlamm drang ihr in Mund und Nase. Sie musste husten, wollte ihre Luftröhre vom Matsch befreien, doch es war in etwa so nutzlos, wie wenn ein angsterfülltes Kind gegen einen Sturm anschrie.
Ihre Panik löste sich in Luft auf. Ruhe überkam Brin, als sie reglos in der kalten, zeitlosen Leere schwebte.
Langsam bekam sie wieder Zugang zu ihrem Geist. Gedanken formten sich einmal mehr. Der erste war der offensichtlichste.
Ich habe einen Fehler begangen – meinen allerletzten Fehler.
Brin wartete geduldig, in dem Wissen, dass der Tod sie längst hätte ereilen müssen.
Mehr Zeit verstrich. Nichts geschah.
Ist es vorbei? Bin ich …?
Die Dunkelheit war so allumfassend, dass Brin sich nicht sicher war, ob ihre Augen offen oder geschlossen waren. Der Gedanke war lächerlich, da sie gleichzeitig nicht mit Sicherheit sagen konnte, ob sie überhaupt noch Augen besaß.
Bin ich tot? Ich muss tot sein.
Eine seltsame Ruhe überkam sie, als Brin ihre Lage vollkommen akzeptierte. Es war eine merkwürdig vernünftige Reaktion auf eine höchst ungewöhnliche Situation. Ihre Schlussfolgerung war allerdings nur eine Vermutung, da sie immer noch keinerlei Anhaltspunkt dafür hatte, ob sie tot war oder nicht. Sie verspürte keine Panik mehr, glaubte nicht mehr zu ersticken und ihr war auch nicht mehr kalt. Doch das musste nicht zwangsläufig bedeuten, dass sie tot war. Brin zog in Erwägung, dass sie womöglich noch lebte, aber das Bewusstsein verloren hatte.
Sie versuchte, ihre Arme und Beine zu bewegen, und sie gehorchten ihr. Dadurch erkannte sie, dass sie sich in einer Art Flüssigkeit befand, die allerdings nichts mit dem dickflüssigen Schlamm des Tümpels gemeinsam hatte.
Wasser. Ich bin im Wasser.
Einen Augenblick später durchbrach ihr Kopf die Oberfläche. Brin atmete tief ein und begann, wild um sich zu schlagen.
Habe ich irgendwie überlebt? Bin ich …?
Um sie herum herrschte weiterhin nichts als Schwärze, einige Dinge waren dennoch offensichtlich. Sie befand sich nicht mehr im Teich, nicht mehr auf der Insel und schon gar nicht mehr in Gegenwart der Hexe. Auch Tesh war verschwunden – für immer außerhalb ihrer Reichweite.
Der Fluss des Todes.
Brin kannte die Geschichten. Jene, die beinahe gestorben waren, sprachen von einem starken, düsteren Wasserlauf, der sie in Richtung eines hellen Lichts getragen hatte. Brin sah kein Leuchten, und sie fühlte sich auch nicht tot. Ihre Arme und Beine waren vollzählig vorhanden, und sie war immer noch eine miserable Schwimmerin. Brin hörte auf zu paddeln und ließ ihre Arme schlaff herabhängen. Anstatt unterzugehen, trieb sie auf der Oberfläche dahin. In diesem Zustand der Schwerelosigkeit nahm sie nichts wahr: kein Licht, kein Geräusch, keinen Geruch, keinen Geschmack und kein Gefühl. Brin schien in einem riesigen Nichts dahinzutreiben, und das ließ die Frage in ihr aufsteigen: Bilde ich mir nur ein, Arme und Beine zu haben? Wie konnte sie sich dessen sicher sein, wenn es nichts gab, womit sie interagieren konnte? Einmal mehr stieg Angst in ihr auf.
Existiere ich überhaupt noch? Dieser Gedanke führte zum nächsten, der noch beängstigender war: Gab es überhaupt jemals eine Person namens Brin? Ist mein Leben wirklich so passiert, wie ich mich daran erinnere?
Brin hatte keine Antworten. Um klar denken zu können, brauchte sie Rahmenbedingungen, Referenzen, etwas, worauf sie ihre Theorien gründen konnte. Doch sie hatte nichts. Es fühlte sich an, als würde sie sich langsam auflösen, genau wie all ihre Sinne.
Bin ich …?
Auf einmal war da kein Wasser mehr um sie. Das Gefühl dahinzutreiben verschwand.
Existiere ich?
Ohne jegliche Verbindung konnte Brin sich selbst nicht mehr fassen.
Ich gehe nicht unter. Ich löse mich auf.
Das letzte bisschen, das noch von ihr übrig geblieben war, zerfiel, brach auseinander, schmolz. Brin verblasste – doch dann …
Da war ein Licht.
Brin sah es. So klein wie ein Nadelöhr, ein weit entfernter Stern.
Etwas anderes existiert, also existiere ich wohl auch. Ich bin nicht vollständig verschwunden.
Das Schimmern wurde größer. In seinem Schein erkannte Brin den Fluss. Wie eine tintenschwarze Schlange wand er sich durch eine riesige, steinerne Schlucht. Dank der hohen, an ihr vorbeirauschenden Wände wusste Brin, dass sie sich bewegte. Diese Gewissheit verschaffte ihr einen Moment, um nachzudenken. Um sich zu erinnern. Sofort überkam sie das Bild von Tesh, der vor Gram geschrien hatte. Nie würde sie diesen schrecklichen Laut vergessen können. Sein Ruf war ihr den ganzen Weg bis hierher gefolgt.
Es tut mir leid, dachte Brin, während das Licht stetig größer wurde.
Es war weder gelb noch orangefarben, sondern eher blass und trüb wie die Sonne, die sich an einem späten Winternachmittag hinter einer dicken Wolkendecke verbirgt. Im Näherkommen konnte Brin im schwachen Licht mehr als nur die zerklüfteten Steinwände zu beiden Seiten erkennen. Der Fluss endete in einem See, der an einen hell erleuchteten Strand brandete. Brins Aufmerksamkeit wurde von Bewegungen am Ufer auf sich gezogen.
Da sind Leute! Ja, hier unten gibt es noch andere.
Da die Lichtquelle hinter den Personen lag, konnte Brin nur Silhouetten ausmachen. Hunderte drängten sich dort. Dahinter entdeckte Brin ein riesiges Tor mit zwei Flügeltüren. Sie waren verschlossen, doch das Strahlen dahinter war so hell, dass es durch die Öffnungen drang.
Plötzlich berührten Brins Füße sandigen Boden. Die Strömung trug sie noch ein wenig weiter, bis sie aus eigener Kraft stehen bleiben und sich aufrichten konnte.
»Brin!« Roan rannte auf sie zu. Sie wirkte ganz und gar nicht tot, sondern genauso, wie sie ausgesehen hatte, bevor sie in den Teich gewatet war. Kein bisschen Schlamm klebte an ihr, als sie Brin aus dem Wasser half.
»Du dummes Mädchen.« Moya kam ebenfalls herbei und zog Brin fest an sich. Dann hielt sie Brin von sich und schob ihr eine Haarsträhne aus der Stirn. »Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht mitkommen sollst. Befohlen habe ich es dir. Warum? Warum hast du nicht auf mich gehört?«
»Mir ist etwas aufgefallen, was mir schon viel früher hätte klar werden müssen. Muriels Name stand auf den Steintafeln in der Agave neben Ferrol, Drome und Mari. Wenn sie eine Göttin ist, muss ihr Vater auch ein Gott sein. Tressa hatte recht, was Malcolm angeht. Und er wollte, dass ich dabei bin.«
»Also glaubst du jetzt auch an den ganzen Unsinn? So sehr, dass du dich dafür umgebracht hast?«
»Das ist noch nicht alles. Malcolm hat mir auch erzählt, dass mein Buch in der Zukunft zu der wichtigsten Sache werden wird, die die Menschheit je erschaffen hat. Er wusste, dass ich alles aufschreiben würde. Er will, dass ich die Wahrheit erzähle, und er denkt, dass ich...
Erscheint lt. Verlag | 1.12.2021 |
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Reihe/Serie | Zeit der Legenden | Zeit der Legenden |
Übersetzer | Carina Schnell |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Fantasy |
Schlagworte | Abenteuer • action • age of death deutsch • Aufstand gegen die Götter • Avempartha • Drachenwinter • epische Fantasy • epische Quest • Fall der Götter • Fantasy • Fantasy-Abenteuer • Fantasy Bücher Erwachsene • fantasy geschichte • fantasy götter • Fantasy Krieg • Fantasy Magie • Fantasy Reihe • fantasy romane für erwachsene • Fantasy Saga • Fantasy Serie • Fhrey • First Empire • First Empire deutsch • Geschichtenerzähler • Gilarabryn • Götter • Göttertod • Helden • Heldenblut • Held wider Willen • Heroische Fantasy • High Fantasy • High Fantasy Bücher • Kampf gegen Götter • Lande der Toten • Magie • Meisterwerk • Michael J. Sullivan • Michael J Sullivan The First Empire • Michael Sullivan • Mythen • Nyphron • Queste • Rebellion • Rettungsmission • Rhune • Riyria • Riyria-Chroniken • Seherin • sterbliche Götter • Sullivan first empire • Sullivan Michael J Riyria • Suri • Turm von Avempartha • Weitere Titel der Reihe • Zeit der Legenden • Zeit der Legenden Band 5 • Zeitenfeuer |
ISBN-10 | 3-426-44183-7 / 3426441837 |
ISBN-13 | 978-3-426-44183-1 / 9783426441831 |
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