Dark Ivy - Halt mich fest (eBook)
416 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-01303-2 (ISBN)
Nachdem ein tragischer Unfall die Woodford Academy erschüttert hat, versucht Eden, wieder zurück zur Normalität zu finden. Doch für sie ist nichts mehr normal - ebenso wenig wie für William. Er ringt mit den Entscheidungen, die er an jenem Abend getroffen hat, und gerät in eine Abwärtsspirale aus Reue und Schuld. Eden versucht verzweifelt, ihm zu helfen. Manchmal wirkt es, als wäre sie sein einziger Halt, an anderen Tagen kann er kaum ihren Anblick ertragen. Sie sehnt sich so sehr nach ihm. Aber wie kann man weiterleben - weiterlieben -, wenn man in Schuldgefühlen ertrinkt? Aufwühlend und zutiefst bewegend - die Fortsetzung des Spiegel-Bestsellers «Dark Ivy - Wenn ich falle». Mit Blackout Poetry im Innenteil.
NIKOLA HOTEL hat eine große Schwäche für dunkle Charaktere und unterdrückte Gefühle. Obwohl sie auch schon romantische Komödien geschrieben hat, hängt ihr Herz daher vor allem am New-Adult-Genre. Und das merkt man ihren ebenso gefühlvollen wie mitreißenden Liebesgeschichten an. Seit 2020 gelang jedem ihrer Bücher unmittelbar nach Erscheinen der Einstieg auf die Spiegel-Bestsellerliste. Ihre Veröffentlichungen umfassen «It was always you» und «It was always love» um die Blakely-Brüder Asher und Noah. Beide Romane wurden von Carolin Magunia mit Handetterings illustriert. Auch die Paper-Love-Reihe («Ever» und «Blue») ist mit Daumenkinos und Origami-Faltanleitungen aufwendig ausgestattet. Aktuell schreibt Nikola Hotel an ihrer neuen Reihe. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Bonn und gewährt auf Instagram allerlei Einblicke in ihren Schreiballtag.
2. Kapitel
William
Mein Kopf wird in Watte gedrückt. Auf einmal ist alles easy. Meine Sorgen lösen sich auf. Mein Körper wird schwer und träge, aber ich kann wieder Luft holen, als hätte jemand den unsichtbaren Gurt um meinen Brustkorb durchschnitten. Gott, was für eine Erleichterung!
Ich werde die Trauerfeier in der Dwight Church hinter mich bringen und danach wahrscheinlich zwölf Stunden schlafen, so wie letzte Nacht. Ich muss an nichts mehr denken. Alles ist egal. Der perfekte Zustand.
Meinen Kopf lasse ich nach hinten fallen, die Arme reglos neben mir auf den Ledersitzen, als würden sie gar nicht zu mir gehören. Ich versuche, meine Herzschläge zu zählen, die bis in meinen Hals pochen, komme aber schon bei sieben oder acht durcheinander und lasse es sein. Weil es sogar egal ist, ob ich bis zehn zählen kann. Heiser lache ich auf.
Okay, klingt nicht gesund.
Wesley räuspert sich, und seine Brauen ragen im Rückspiegel wie Dreiecke in die Höhe. «Am liebsten würde ich dich eigenhändig ins Wohnheim bringen.»
«Sie lassen dich nicht mal auf die Fähre. Sicherheitsbesch-schtimmungen.» Beim letzten Wort lalle ich fast. Gott, ich muss mich zusammenreißen.
Mit einem Kopfschütteln lenkt Wesley den Wagen in ein scharfes U und hält direkt vor dem Anleger. Und er hatte recht, die Fähre ist bereits da und eine Handvoll Leute gehen gerade aufs Schiff. Wesley kramt im Handschuhfach. Mir bleiben nur ein paar Sekunden, in denen ich unbeobachtet bin, und obwohl ich gefühlt eine halbe Ewigkeit brauche, um die Minibar zu öffnen und eine der halb vollen Whiskeyflaschen zu greifen, schaffe ich es, sie unbemerkt in meine Manteltasche gleiten zu lassen. Für den Notfall. Dann rutsche ich zur Tür und steige aus.
Der Novembertag ist genau das, was zu meiner Stimmung passt. Eiskalter Nieselregen und alles in monochromem Graublau, das in der einsetzenden Dämmerung immer dunkler wird. Ich klopfe meine Tasche ab. Die Schlüsselkarte fürs Wohnheim, die ich vorzeigen muss, um auf die Fähre zu kommen, ist da.
«Das hat mir deine Mutter für dich mitgegeben. Ich sollte damit warten, bis wir hier sind.» Wesley drückt mir eine kleine Papiertüte in die Hand, die ich reflexartig ergreife und die so leicht ist, dass kaum was drin sein kann. Sofort rennt er zum Kofferraum, um den großen Weekender mit meinen Klamotten zu holen. Mit zwei Fingern öffne ich die Tüte.
Eine Handyschachtel.
Was zum …?!
Meine Mutter hat mir ein verdammtes iPhone gekauft. Sie weiß genau, dass ich das nicht will, aber seit Monaten versucht sie, mich zu überreden. Ich verstehe ihre Gründe, aber sie hat keine Ahnung, wie hart es vor zwei Jahren war, davon loszukommen. Meine Bildschirmzeit im Internat lag bei neun Stunden Tagesdurchschnitt, und ich habe ernsthaft einem Mädchen, das ich mochte, die Abkürzung «ily» per Snapchat geschickt. Langsam, aber sicher wäre ich verblödet. Jetzt benutze ich einen Laptop zum Arbeiten, meinen Walkman zum Musikhören, und mein Notizbuch. Alles andere brauche ich nicht. Nicht mehr.
Das Smartphone werfe ich zusammen mit der Tüte auf den Rücksitz und danach die Autotür zu.
Natürlich hat unser Chauffeur es gesehen. Er hat wieder die Brauen angehoben, als er zu mir kommt. «Vielleicht wärst du irgendwann froh, es zu haben. Du könntest im Notfall zu Hause anrufen. Oder einfach zum Spaß mal Clash of Clans spielen oder so was.»
Für Notfälle habe ich die Flasche aus der Minibar, und Spaß … Ich mache nichts mehr zum Spaß. «Wir haben im Wohnheim ein zuverlässig funktionierendes Flurtelefon», kläre ich ihn auf.
«Das ist nicht dasselbe.»
«Ich weiß.» Ich nehme ihm die Tasche ab. «Du kannst meiner Mutter mitteilen, dass du es versucht hast, ich aber renitent gewesen bin.» Der Satz kommt vollkommen flüssig aus mir raus, und ich bin sicher, dass Wesley nicht auffällt, dass er in Wirklichkeit einen Zombie vor sich stehen hat, der um jedes Wort ringt.
«Renitent.» Er schüttelt schnaubend den Kopf. «Pass auf dich auf, Will.»
Mein Körper ist so schlaff, dass ich kaum reagiere, als er mich kurz in eine väterliche Umarmung zieht.
«Und grüß Eden von mir.»
Scheiße.
«Mach ich.» Die zweite Lüge an diesem Tag. Meine Stimme klingt dabei wie ein Reibeisen. Es reicht, dass Wes einmal ihren Namen erwähnt, um das Trommeln in meiner Brust wieder in die Höhe zu treiben. Was passiert dann erst, wenn ich ihr gleich begegne? Ich packe das nicht. Ich pack das einfach nicht. Irgendwie schaffe ich es dennoch durch die Sicherheitskontrolle und auf die Fähre, ohne dass mir die Beine wegknicken. Es ist windig, und als wir losfahren, fallen eisige Regentropfen auf meine Sonnenbrille, die ich nur trage, damit man das Feuermal über meinem linken Auge nicht sofort sieht. Als ich sicher sein kann, dass mich niemand beobachtet, stelle ich den Kragen meines Mantels gegen die Kälte auf und schraube die halb volle Flasche des zehn Jahre alten schottischen Single Malt auf.
Keine Ahnung, wie ich wieder von der Fähre runtergekommen bin und den Weg über den Campus zurückgelegt habe, aber ich kann meine Füße sehen, die automatisch einen Schritt vor den anderen setzen, was bedeutet, dass ich noch funktioniere. Mir ist schwindelig, und irgendwo muss ich meine Tasche losgeworden sein. Mit beiden Händen reibe ich mir übers Gesicht, aber davon bekomme ich auch keinen klaren Kopf, der ist immer noch voller Watte. Von der Kälte spüre ich nichts mehr. Ich werfe einen Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk. Grandpas Uhr. War ich bereits im Wohnheim? Ich denke schon. Dabei kann ich kaum denken. Ich versuche mich zu erinnern, wohin ich wollte, aber mein Geist stochert im Nebel.
Die Kirche. Ich muss in die Dwight Church, weil um sechs Uhr die Gedenkfeier für Devin losgeht. Zum Glück fällt mir das wieder ein.
Es ist inzwischen stockdunkel. Als ich durch den Park laufe, ziehe ich aus meiner Manteltasche die leere Whiskeyflasche und werfe sie in den Mülleimer unter einer Laterne. Kann sein, dass ich gerade eine weitere Tablette damit runtergespült habe. Das Zählen habe ich aufgegeben. Als ich die Kirche erreiche und ins Innere trete, ist Gemurmel zu hören, und es riecht nach Kerzen und muffigen Gebetsbüchern. Ich fasse mir ans Revers und kontrolliere, dass ich unter dem Mantel ein angemessenes Sakko trage. Obwohl das Devin so was von scheißegal wäre.
Das Kerzenlicht flackert im Windzug, und ich kneife die Augen zusammen. Meine Sonnenbrille ist weg. Mit den Fingern fahre ich mir durchs Haar und lasse ein paar Strähnen über meine linke Gesichtshälfte fallen, weil … ich weiß es nicht mehr. Keine Ahnung, warum ich das mache, aber ich bin mir sicher, es gibt einen Grund.
Flüchtig hebe ich die Hand, als mich jemand mit einem Nicken begrüßt. Die Blicke, die mir folgen, spüre ich zwar, aber sie sind mir gleichgültig. Alles ist mir gleichgültig. Klassische Musik dringt aus unsichtbaren Lautsprechern. Eine Nocturne von Chopin, die ich als Vierzehnjähriger endlos auf dem Klavier geübt habe.
Devins Schwester Kendra ist unschwer an dem schwarzen Band zu erkennen, das ihre Locken zurückhält. Sie sitzt in der ersten Bankreihe.
Sie weiß es immer noch nicht.
Dass ich sie belogen habe, was Devins Unfall angeht. Zumindest zu einem Teil. Ich habe eine Scheißangst vor ihrer Reaktion, deshalb habe ich nichts gesagt. Und selbst ohne diese Schuldgefühle wäre es verdammt schwer, den Weg bis zu ihr zurückzulegen.
Ich laufe stockend durch die Sitzreihen und stütze mich an jeder einzelnen Bank ab. Auf halber Strecke fällt mir das gerahmte Bild mit der Trauerschleife neben dem Altar auf. Devin sieht darauf so sauber und brav aus wie ein Pfadfinder. Keine Ahnung, wann das aufgenommen wurde. Er würde sich totlachen, wenn er es sehen könnte. Aber er hätte auch definitiv einen anderen DJ bestellt.
Meine Beine sind so schwer, ich könnte im Gehen einschlafen. Oder mich einfach hier in eine Bank legen.
«Hey, Grantham. Alles okay mit dir?»
Ich überlege, wann und wo ich Garrett das letzte Mal gesehen habe, und weil ich eine ehrliche Antwort auf diese Frage nicht über die Lippen bringe, nicke ich nur.
«Du siehst verdammt fertig aus», teilt er mir mit.
«Erz…zähl mir was Neues», nuschle ich. Dumpf blicke ich von ihm zu der Person, die neben ihm auftaucht, und mein Kopf prallt gegen eine Nebelwand.
Als mein Blick sich endlich scharf stellt, registriere ich unter der Winterjacke vor mir ein schwarzes Kleid. Meine Augen wandern nach oben. Kinnlanges braunes Haar, graubraune tiefgründige Augen. Und Lippen, von denen ich wünschte, ich würde nicht wissen, wie sie sich anfühlen. Die weichsten Lippen der ganzen verfickten Welt.
Für eine Sekunde schwappt Wärme durch meinen Brustkorb, dann ist sie verschwunden, Xanax sei Dank.
«Eden», sage ich mit einer Stimme, die abgestumpft und gleichgültig klingt, weil alles in mir betäubt ist. Ich spüre nichts. Dann registriere ich, wie Eden mich ansieht. So verletzlich. Wahrscheinlich bin ich daran schuld, dass sie so aussieht, aber die Erinnerung an unsere letzte Begegnung nimmt keine klaren Konturen an. Da blitzt etwas auf. Schuld. Selbsthass. Reue. Verflucht viel Reue. Nichts davon ergibt Sinn.
«Will, können wir …» Sie spricht nicht weiter, aber sie hält mich am Arm fest.
Was? Ich schlucke hart. Reden? Sterben? Uns nebeneinander auf die Bank setzen und gegenseitig trösten? Bitter lache ich auf. Aber unter Edens warmer Hand trommelt mein Herz, was mich überrascht, weil es bedeutet, dass mein Herz...
Erscheint lt. Verlag | 16.7.2024 |
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Reihe/Serie | Dark-Academia-Duett |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | Bibliophil • Bibliothek • Campus • Club der toten Dichter • College Romance • dark academia • darkacademia • darkacademiaaestethic • darkacademiafashion • Dunbridge Academy • Eiskalte Engel • Endlich Kyss • Internat • Kyss Verlag • Liebesroman Bestseller • Liebesromane • Lyx Verlag • Maxton Hall • Mona Kasten • New Adult • newadulthomepage • Sarah Sprinz • Save me • save us • save you • tiktokhomepage |
ISBN-10 | 3-644-01303-9 / 3644013039 |
ISBN-13 | 978-3-644-01303-2 / 9783644013032 |
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