Sommerträume auf Sylt (eBook)
480 Seiten
Goldmann Verlag
978-3-641-24735-5 (ISBN)
Stephanie Jana ist selbstständige Autorin und Lektorin. Sie lebt mit ihrer Familie in Gießen und Frankfurt am Main.
#sunsetbeach
Endlich mal ganz allein. Was für ein großartiges Gefühl. Sonja zieht ihre Ray-Ban-Brille auf und schlendert bester Laune Richtung Westerländer Strand. Es ist schon kurz nach zehn an diesem wunderschönen Sonntagvormittag, zeigt ihr Handy, das sie nun auf lautlos stellt und in die Innenseite ihrer geflochtenen Strandtasche steckt. Die Sonne strahlt hell und steht schon ziemlich hoch am Himmel, über den ein paar weiße Wolken ziehen. Sonja assoziiert einen Drachen, ein Segelschiff und ein Feuerwerk. Beschwingt summt sie vor sich hin. Ihr weht eine Windböe ins Gesicht, und sie geht schneller. Sie muss zum Meer. Viel zu lang ist sie nicht mehr hier gewesen, das letzte Mal wohl mit Mark vor Lolas Geburt.
Ihr buntes Strandkleid umspielt leicht ihren Körper. Sie genießt es, nicht eingeengt zu sein, nicht die für ihr Alltagsleben praktischen Jeans und Pullover zu tragen. Der Nordseewind bläst ihre Locken durcheinander, und Sonja erklimmt den Weg zur ersten Düne. Oben bleibt sie einen Moment stehen, breitet die Arme aus und betrachtet das Meer, während sie sich vom Wind umwehen lässt.
»Ich fliege!«, ruft sie.
Im selben Augenblick ist ihr der Gefühlsausbruch auch schon peinlich, und sie lässt schnell die Arme wieder sinken. Hat sie jemand gesehen? Keiner scheint sie zu beachten. Dennoch muss sie über sich selbst schmunzeln. Offenbar machen sich an ihr schon erste Erholungseffekte bemerkbar. Schnell geht sie weiter. Vielleicht liegt es auch am Restalkohol. Der gestrige Abend ist ja sehr lustig in der Hotelbar ausgeklungen. So viel gelacht hat sie lange nicht mehr, sie haben wild zu den Dixieland-Klängen der tollen Band gegroovt und Gin Tonics bestellt, die in rosa Gläsern serviert wurden und nach Himbeere und Rosmarin schmeckten. Rieke hat mit Andi, dem Glatzkopf-Surfer, geschnackt, der sichtlich seinen Spaß hatte, obwohl er und seine Kumpels rein optisch gar nicht zur Musik passten. Sogar Mado hat ein nettes Gespräch mit dem Typen vom Yogatisch geführt. Fiete Kampmann, wie sie herausgefunden hat, ein gut aussehender Dunkelhaariger mit Brille, Sixpack und guter Frisur, dessen Namen Rieke prompt auf Mados Liste unter Nummer zwei ergänzte.
Sonja hat es richtig genossen, mit Lucy zu tanzen, die Leute zu beobachten und laut mitzusingen. Lucy sah so glücklich aus. Obwohl sie so strahlte, sprach sie keiner der männlichen Gäste an. Früher auf Unipartys war der engelsgleichen, hübschen Lucy das immer passiert. Heute hat sie vermutlich einfach das imaginäre Glücklich-vergeben-Schild umhängen. Ob man ihr Mark und den ganzen Clan auch ansieht? Sonja blickt an sich herunter. Doch die nächste frische Brise lässt ihre Haare vors Gesicht wehen und verscheucht alle anderen Gedanken.
Sie schaut die berühmte Flaniermeile Westerlands entlang. Auf der rund zwei Kilometer langen Strandpromenade tummeln sich bereits einige Spaziergänger mit Hunden, Jogger, Familien mit Kindern und Straßenkünstler. Das ungewöhnlich sonnige Wetter hat viele Urlauber direkt nach dem Frühstück hinausgelockt, in die Natur, die Dünen, an den Strand.
Hinter der Promenade sieht sie die vielen Strandkörbe kreuz und quer im Sand stehen. Ganz in strahlendem Weiß wirken sie wie frisch gestrichen, innen sind sie klassisch maritim blau-weiß gestreift.
Ihr Blick schweift weiter, das Meer jetzt ganz nah. Sie inhaliert den Geruch. Immer und ewig wird sie ein Nordseemädchen bleiben, da kommt sie her, dort ist sie geboren, und das spürt sie jedes Mal mit voller Wucht, wenn sie an ihr Meer zurückkehrt. Wie Mado gestern Heimat in Menschen verortet hat, so empfindet das Sonja mit dem Meer, hier ist sie zu Hause und frei. Es liegt dort am Horizont, in tiefem Dunkelblau, das sich vom heute fast grellblauen Himmel noch stärker abhebt als sonst, und begrenzt den breiten, scheinbar endlosen Strand. Die Wellen schlagen regelmäßig ans Ufer, die helle Gischt schäumt und hinterlässt Ränder im nassen Sand. Möwen kreischen und fliegen über dem Wasser, ganz weit entfernt erkennt Sonja ein paar Segelboote, Surfer und einen Dampfer. Nur ein paar einzelne Strandkörbe sind schon mit Urlaubern belegt.
Ohne Eile steigt sie die Treppen zur Promenade hinab. Ihr Blick bleibt sehnsuchtsvoll am Meer hängen. Ein paar Kitesurfer sind schon unterwegs. Sie geht ein Stück zum Strand, zieht ihre Flipflops aus und beobachtet eine Weile das Treiben auf dem Wasser. Je länger sie zuschaut, desto größer wird ihr Respekt. Wie hoch die springen. Kein Wunder, dass es bei dieser Sportart schon zu gefährlichen Unfällen kam. Was hat sie sich da nur vorgenommen? Ob sie es schafft, das zu lernen? Sie, Sonja, dreifache Mutter, ziemlich eingerostet und mit Glückspfunden um die Hüften. Andererseits ist sie keine Anfängerin und hat so wahnsinnig große Lust, wieder auf den Wellen zu reiten! Sie liebt das sehr. Windsurfen hat sie als Mädchen mit ihren Brüdern am Strand von St. Peter-Ording gelernt. Nun hat sie ewig nicht mehr auf einem Brett gestanden. Die Kinder, ihr Bauch, alles war im Weg, auch Mark, der jeden Sommer lieber ins Gebirge wollte. Was Sonja wiederum schrecklich fand. Berge wirken auf sie beklemmend – aber ihm zuliebe hat sie mitgemacht. Immer. Warum eigentlich?
Und jetzt Kitesurfen, das bedeutet sicher eine gewaltige Herausforderung. Vielleicht ist sie sowieso zu dick dafür. Der Lehrer ist womöglich geschockt, wenn er sie sieht. Sie hat sich bisher ja nur online angemeldet. Am besten geht sie gleich mal hin zur Surfschule am Sunset Beach. Vielleicht steht da irgendwo eine Gewichtsbeschränkung. Dann kann sie sich wegen Halsschmerzen oder Ähnlichem krankmelden, und keiner merkt etwas. Zeit hat sie genug. Sie wollen sich erst später an den Strandkörben treffen. Pragmatisch marschiert Sonja weiter durch den feinen Sand.
Neben dem berühmten Restaurant Sunset Beach, das sich an eine von sanft grünem Gras und pinkfarbenen Syltrosen überzogene Düne schmiegt, findet sie die Surfschule Westerland. Auf einem Geländer daneben hängen schwarze Neoprenanzüge zum Trocknen, und vor den Dünen liegen ein paar Boards bereit. Bunte Getränkekisten stapeln sich unter einem Pavillon. Aus Lautsprechern tönen leise Reggaeklänge. Gerade läuft »No Woman, No Cry«. Ein bisschen fühlt sie sich wie in einer Beachbar in der Südsee. Sonja hat zehn Privatstunden gebucht. Nicht ganz billig, aber sie hat sich so ewig nichts mehr gegönnt, dass es ihr so was von wert ist. Mark fand ihre Idee völlig albern und war total dagegen. Aber als sie ihm haarklein vorgerechnet hat, auf was sie ihm oder den Kindern zuliebe in den letzten vierzehn Jahren verzichtet hatte, wurde er irgendwann still. Ihr kam der Verdacht, er wollte im Grunde nur nicht zwei Wochen mit den Kindern alleine sein. Wie mit den anderen Syltschwestern abgesprochen verriet Sonja ihm natürlich auch nichts von dem Pakt und dass dieser Kitesurfkurs eine notwendige Investition in ihren geheimen Traum ist. Abgesehen davon würde er das alles sowieso nicht verstehen. Genauso wenig wie diese gesamte Reise hier.
Am Westerländer Strand findet der alljährliche »Surf World Cup« statt, liest Sonja auf einem Plakat am Eingang der Surfschule. Die restliche Zeit wird hier alles unterrichtet, was es so gibt: Windsurfen, Wellenreiten, Kitesurfen und Stand-up-Paddling. Kajaks und Bodyboards kann man auch mieten. Sonja traut sich noch näher ran und schaut sich weiter um. Echte Surfer, die haben das, was sie tun, komplett verinnerlicht. Es ist für sie viel mehr als nur ein Sport – ein Lifestyle, eine Weltanschauung.
Zwei Surflehrer, eine zierliche, durchtrainierte junge Frau, Anfang zwanzig vielleicht, und ein etwas älterer Schönling räumen gerade Boards und Segel aus der Hütte und legen sie in den Sand. Sie tragen Neoprenanzüge und Namensschilder. Wahrscheinlich bereiten sie die nächsten Kurse vor. Die Frau bemerkt Sonja. »Hi! Kann ich dir irgendwie helfen?«
Das gefällt ihr, man duzt sich unter Wellenreitern. Sie stellt sich kurz vor und erklärt, sie sei ab morgen angemeldet zum Kitesurfen bei … Mist, jetzt fällt ihr der Name nicht ein. Doch die Dunkelhaarige mit Pferdeschwanz scheint Bescheid zu wissen. Sie zeigt zur Tür, Sonja solle einfach »Aiden anquatschen«.
»Okay, vielen Dank!« Sonja geht neugierig hinein. Anquatschen hat ihr lange niemand mehr empfohlen.
Der Typ steht an einer provisorischen Theke und blättert in einem großen Ordner. Der, findet Sonja belustigt, sieht aus wie sein eigenes Klischee. Einen Augenblick bleibt sie am Eingang stehen und checkt ihn ab. Er ist braungebrannt, vielleicht ein paar Jahre jünger als sie selbst, hat halblange gelockte, leicht nasse blonde Haare, ein paar Strähnen sind von der Sonne gebleicht. An seinen Armen klebt feiner Sand. Er trägt einen blonden Bart, sie sieht eine Tätowierung vom Hals bis zu den Ohren, und der enge Surfanzug betont seinen Traumbody.
Lässig blättert er weiter in seinen Unterlagen, schreibt ein paar Zeilen, dann nimmt er einen Schluck aus einem wild beklebten Kaffeebecher und sieht zu ihr auf. Seine Augen sind helltürkis – karibikfarben, wie passend, schießt es Sonja durch den Kopf – und schauen sie freundlich-herausfordernd an.
»Hey«, sagt er. »How are you? Willst du zu mir?«
Ein reizender Akzent. Ja richtig, sie erinnert sich, was auf der Webseite stand. Ursprünglich kommt er aus Australien, hat dort an der berühmten Gold Coast Surfen gelernt. Anschließend lebte er erst längere Zeit in Kalifornien und zog dann nach Sylt. Die umgekehrte Reihenfolge wäre Sonja persönlich...
Erscheint lt. Verlag | 14.3.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2022 • Bücher Roman • eBooks • Frauenromane • kleine geschenke für frauen • Liebesromane • Neuerscheinung • Neuerscheinung Roman • Nordsee • Romane für Frauen • Softcover • Sommer • Sommerbuch • Taschenbuch |
ISBN-10 | 3-641-24735-7 / 3641247357 |
ISBN-13 | 978-3-641-24735-5 / 9783641247355 |
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