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Die Langeweile stirbt zuletzt (eBook)

Ein Seniorenkrimi | Cosy Crime im Seniorenheim: bissig, lustig, einzigartig

(Autor)

eBook Download: EPUB
2022 | 1. Auflage
352 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-44033-2 (ISBN)

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Die Langeweile stirbt zuletzt -  Julia Bruns
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Cosy Crime im Altenheim Das Leben im Seniorenheim ist langweilig. Helmut wusste das vorher, aber seine Frau Margot schwört im Alter auf drei geregelte Mahlzeiten, einen Wäscheservice und einen Fitnessraum. Seinen Einwand, dass eine JVA die gleichen Vorzüge bietet, überhört sie großzügig. Nun teilt sich Helmut mit Gerhard eine Flasche Bier, sucht in Séancen Kontakt zu verstorbenen Haustieren und berät Hannelore bei der Vorbereitung ihres Begräbnisses. Bis zu dem Tag, an dem Küchenhilfe Selma mit einer Fleischgabel in der Nase tot aufgefunden wird. Endlich kommt Leben in die Bude und Helmut läuft zu Hochform auf.

Julia Bruns wurde in Thüringen geboren und studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie. Sie arbeitete als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute ist sie freie Autorin.

Julia Bruns wurde in Thüringen geboren und studierte Politikwissenschaft, Soziologie und Psychologie. Sie arbeitete als Redenschreiberin und in der Öffentlichkeitsarbeit. Heute ist sie freie Autorin.

Seniorenheime sind nur etwas für alte Leute. Das wusste ich vorher, aber Margot muss sich immer durchsetzen. Das ist bei ihr eine Manie. Das war schon so, als sie noch jung war. Damals sah sie nett aus und ich habe sie auf ein Eis eingeladen. Heute würde ich das auch noch tun, aber sie sagt, die Kälte und ihre Magenschleimhäute vertragen sich nicht. Abgesehen davon macht sie auf Anraten ihrer Freundin Hannelore eine dieser neumodischen Zuckerdiäten. Angeblich ist das gut für die Zähne. Wie natürlich Hannelore dahingehend aufgestellt ist, weiß ich nicht. Aber Margot kaut auf Keramik. Ich muss es wissen, ich habe die Leisten bezahlt. Jedenfalls findet Margot neuerdings immer einen Grund, wieso irgendetwas nicht geht, also alles, was außerhalb unserer Meldeadresse stattfindet. Es ist, als ob sie sich nicht mehr mit mir vor die Tür traut. Mich nervt das. Ich würde gern mal etwas erleben, und wenn es nur zwei Kugeln Eis in einem Waffelbecher sind. Margot sagt, mir wird hier genug geboten und meine negative Einstellung ist das Problem. Die Tatsachen sprechen dagegen, aber die überzeugen Margot nicht. Sie hat ihre eigene Linie und die hält sie konsequent. Das war schon immer so.

Meine erste Verabredung mit ihr lief eigentlich ganz passabel. Ich wollte mal sehen, wie weit ich komme. Margot wollte heiraten. Unsere Messinghochzeit ist nun zwei Wochen her. Fünfundvierzig Jahre plus vierzehn Tage. Margot kriegt eben immer, was sie will. Auch zwei Plätze in einem Seniorenheim.

Nun hocken wir hier. Ich denke, irgendwo muss man ja wohnen. Und Margot spricht nur noch von »meiner ganz reizenden Residenz«. Derartige Wörter hat sie für unser Reihenhäuschen niemals verwendet. Dreißig Jahre lang nicht. Dabei war das nicht nur abbezahlt, sondern ich habe auch noch jede Mode, die Margot gefallen hat, mitgemacht, sogar die Sache mit dem seniorengerechten Toilettenbecken inklusive Haltegriffen. Das hatte sie sich zum sechzigsten Geburtstag gewünscht. Deswegen jedenfalls hätten wir nicht ausziehen müssen. Wegen der geschwollenen Anrede auch nicht. Hier nennen sie uns »unsere lieben Gäste«, heben die Stimme und betonen dabei die Vokale, als hätten sie es mit ein paar lernbehinderten Grundschülern zu tun. Tatsächlich komme ich mir oft so vor. Margot sagt, sie wollte sich schon immer wie eine feine Dame fühlen und in unserer Siedlung wäre das niemals gegangen. Ich habe noch nie gehört, dass man dafür in ein Seniorenheim gehen muss.

Zwei erwachsene Menschen, einundzwanzig Quadratmeter, vier Mahlzeiten am Tag inklusive Wäscheservice. Wenn wir es wünschen, kommt sogar jemand, der uns die Fußnägel schneidet. Margot wünscht das so häufig, dass ich mich frage, ob ihre Zehen überhaupt noch Nägel haben. Ich kriege das alles noch prima allein geregelt. Abgesehen davon muss wenigstens einer auf das Geld achten. Der Laden hier ist verdammt teuer, auch ohne den Extraservice. Margot sagt, man muss sich einfach auch mal was gönnen. Diese Rechnung allerdings geht nur dann auf, wenn wir beide das fünfundachtzigste Lebensjahr nicht überschreiten. Oder einer von uns vorher ins Gras beißt.

Sollte es mich treffen, kann Margot zwar hierbleiben, aber sie muss auf die Sparversion umbuchen. Das mit der Fußpflege und dem ganzen anderen Schnickschnack kann sie dann vergessen. Doch das behalte ich lieber für mich. Seitdem wir hier sind, ist Margot aufgedreht genug. Sie kriegt sich überhaupt nicht darüber ein, wie toll sie das alles findet. Ich wiederum sehe keinen Unterschied zwischen dem Heim hier und einer Justizvollzugsanstalt, außer dass Letztere deutlich günstiger für die Insassen ist. Und etwas Sinnvolles zu tun haben die da drin meistens auch, wenn man nichts gegen Kugelschreiber zusammenstecken und Schrauben abzählen hat.

Ich hingegen spiele Schach, etwa sechs Stunden täglich, quasi auf Teilzeitbasis. Mein Gegner ist mein alter Freund Herbert Grusche. Wir waren fast dreißig Jahre zusammen im Schachverein. Dann musste Herbert ins Krankenhaus und ich ins Seniorenheim. Anfangs war ich fast ein bisschen neidisch auf ihn. Mit seiner Beerdigung hat sich das gegeben. Trotzdem spielt er immer noch besser als ich. Margot meint, es ist schon schlimm genug, dass ich mit einem Toten rede, dann könnte ich ihm nicht auch noch gram sein, nur, weil er der bessere Spieler ist. Ich hingegen finde, wenigstens jetzt könnte mich Herbert ab und zu mal gewinnen lassen. Aber womöglich hat sie recht. Im Alter sollte man die Dinge gelassener sehen.

Ich gebe mir Mühe damit. Wirklich. Dabei ist mir allerdings nicht ganz klar, wie weit ich noch an meinen persönlichen Grenzen schrauben muss. Nehmen wir zum Beispiel das Abendessen. Früher haben Margot und ich gegen sieben gegessen, etwas Brot, Aufschnitt, ein, zwei Flaschen Bier. Wenn etwas Besonderes anstand, hat sie auch mal ein Ei in die Pfanne gehauen oder ein paar Würstchen heiß gemacht. Wir haben dann ein wenig geplaudert, also Margot, denn die war den halben Tag zu Hause und bekam einwandfrei mit, was die Nachbarn so trieben. Mein Büroalltag war dagegen so harmlos wie ein Kindergeburtstag. Ich war bei der Kripo im Range eines Kriminalhauptkommissars. Heute klebt da ein a. D. dran. Mir war während meiner aktiven Dienstzeit nicht bewusst, wie sehr man zwei lumpige Buchstaben hassen kann. Aus der jetzigen Perspektive spielt der Beruf, den man einmal hatte, keine Rolle mehr. Wenn mich heute jemand fragt: Ich bin Pensionär. Das ist für mich nichts weiter als ein unpersönlicher Sammelbegriff, aber ich muss ja relaxter werden, verlangt zumindest Margot. Abgesehen davon fragt einen mit Anfang siebzig auch kein Mensch mehr, was man beruflich macht. Eigentlich schade, denn irgendwie bleibt man doch immer, was man ist. Margot sagt, das seien nur meine Hirngespinste. Sie war halbtags bei der Post, doch heute würde sie lieber nackt herumlaufen, als noch einmal etwas Gelbes anzuziehen. Noch dazu würde sie nicht einmal mehr eine Einkaufstüte über die Straße tragen wollen. Das scheitert schon daran, dass sie ohnehin nicht rausgeht. Aber wie gesagt, mit Logik brauche ich ihr nicht kommen.

Ich habe meine Arbeit immer gemocht. Margot erzählt jedem, dass sie beim nächsten Mal nie wieder einen Polizisten heiraten würde. Sie meint, der Beruf sei undankbar. Ich kann das nicht nachvollziehen. Immerhin leben wir bis heute gut davon, Margot noch mehr als ich. Sie wollte unbedingt in diese Residenz. Zudem frage ich mich, für wie gut sie die Chancen auf eine zweite Heirat hält, und vor allem auf welcher Basis? Wir sind beide im gleichen Alter, und selbst wenn man die Statistik heranzieht, was Margot niemals tun würde, fällt das kaum ins Gewicht.

Trotz meiner Jahresringe bin ich gut in Form. Lediglich der Gebrauch einer Schusswaffe könnte eventuell problematisch werden. Die Augen spielen dabei noch hervorragend mit, wenn ich meine Brille schnell genug finde. Meine Hände machen mir da eher Sorgen. Bei nasskaltem Wetter und Wind kriege ich mit der Arthrose in den Fingergelenken jedenfalls nur unter größter Mühe einen Abzug gedrückt. Aber das hänge ich nicht an die große Glocke. Und irgendwie ist es unerheblich, denn mit dem a. D. verliert man auch den Anspruch auf eine Dienstwaffe.

Jedenfalls habe ich mir fest vorgenommen, nach Margot zu sterben. Nicht, weil ich dann hier drin gute neunzig werden kann. Bloß nicht! Aber wenn ich wieder Single bin, kann ich mir eine eigene Bude nehmen und Herbert nach dem Schach hemmungslos ausmeckern. Ob ich wieder heiraten will, weiß ich noch nicht. Jedenfalls sollte meine Braut nicht auf Senioren-JVAs stehen. Ich verquatsche mich. Das kommt jedoch nur daher, dass ältere Menschen zu wenig Ansprache haben. Wenn die Chance besteht, lassen wir die aufgesparten Monologe der letzten Monate raus.

Aber zurück zu den Höhepunkten in diesem Greisengefängnis: den Mahlzeiten. Hier sitzen wir zu viert an einem Tisch, und bei der Platzwahl hat man so viel Spielraum wie das Strafregister der Straßenverkehrsordnung beim Überfahren einer roten Fußgängerampel in einer Spielstraße. Die mit der längsten Verweildauer besetzen die besten Plätze, wobei die Kriterien »Nähe zur Toilette« und »Sichtachse zum TV-Gerät« die wichtigsten sind. Veränderungen bedürfen eines Totenscheins. Erst dann wird nachgerückt.

Mich hebt das nicht an, denn ich verabscheue ein während der Mahlzeiten laufendes Fernsehprogramm, und auch meine Prostata kann noch genügend Disziplin aufbringen. Einige hier treibt diese Regelung aber in eine echte Lebenskrise. Bei mir ist es der Vierertisch. Natürlich mag ich gesellige Runden und entsprechend häufig hatten wir früher in unserem Haus auch Gäste, aber wenn man sich in einem fremdgesteuerten Lebensabend befindet, ist das anders. Hier entscheidet der Zufall oder das überengagierte Pflegepersonal über die Leute, mit denen man zum Essen zusammenkommt. Und Margot. Die hat nämlich unsere Selbstverpflegung abgelehnt, um sich bedienen lassen zu können. Die ungewollten Nebeneffekte hat sie wie so häufig nicht einkalkuliert, und dabei rede ich nicht vom finanziellen Aufschlag. Ich vergleiche die Mahlzeiten hier immer mit einem Candle-Light-Dinner in einem Restaurant, bei dem plötzlich zwei wildfremde Leute neben dem Tisch stehen und einem mit eindringlichen Blicken auf die letzten beiden freien Plätze im Lokal die Romantik versauen. In der Freiheit, also außerhalb eines Seniorenheims, hat man zwei Möglichkeiten: Entweder man wehrt die Störenfriede konsequent ab und rechtfertigt sich dann den halben Abend voreinander für dieses unhöfliche Verhalten, oder man gibt sich betont sozial, lässt die anderen Platz nehmen und redet bis zum Verlassen der Örtlichkeit nur noch Belangloses.

Nun ist es nicht so, dass der...

Erscheint lt. Verlag 15.6.2022
Reihe/Serie Seniorenkrimi
Seniorenkrimi-Serie
Seniorenkrimi-Serie
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Altenheim • Cosy Crime • Cosy Mystery • detektivroman • Donnerstagsmordclub • Ellen Berg • Ermittler • Geschenk für Oma • Geschenk für Opa • Hobbydetektivin • Humor • humorvoller Krimi • Krimi • Langeweile • lustig • Mord • Online-Omi • Pensionär • Regiokrimi • Regionalkrimi • Renate Bergmann • Rentner • Richard Osman • Rita Falk • Schwarzer Humor • Senioren • Seniorenheim • Seniorenkrimi • Seniorenresidenz • Spannung • Unterhaltung • Urlaubslektüre • witzig • Witziger Krimi • witzige Unterhaltung
ISBN-10 3-423-44033-3 / 3423440333
ISBN-13 978-3-423-44033-2 / 9783423440332
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