Die Galaxie und das Licht darin (eBook)
400 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-491536-4 (ISBN)
Becky Chambers ist als Tochter einer Astrobiologin und eines Luft- und Raumfahrttechnikers in Kalifornien aufgewachsen. Die Zeit zum Schreiben ihres ersten Romans hat sie sich durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert. Das Buch wurde prompt zu einem Überraschungserfolg. Seitdem wurde sie für zahlreiche Preise nominiert und hat einige davon gewonnen, u.a. den Hugo Award für die beste Serie.
Becky Chambers ist als Tochter einer Astrobiologin und eines Luft- und Raumfahrttechnikers in Kalifornien aufgewachsen. Die Zeit zum Schreiben ihres ersten Romans hat sie sich durch eine Kickstarter-Kampagne finanziert. Das Buch wurde prompt zu einem Überraschungserfolg. Seitdem wurde sie für zahlreiche Preise nominiert und hat einige davon gewonnen, u.a. den Hugo Award für die beste Serie.
Chambers hat ihren sehr lebhaft gestalteten Figuren so viele Geschichten untergeschoben, dass es locker für 10 weitere Romane reicht (die wir jetzt aber auch erwarten!).
Spätestens nach diesem herausragenden Stück Science-Fiction-Literatur wird klar: Becky Chambers ist eine große Stimme der modernen SF [...].
Becky Chambers schafft es hervorragend, alle Protagonisten [...] individuell zu gestalten [...]. Ein Buch, das man nicht mehr weglegen kann.
überzeugt [...] mit einer herzerwärmenden Geschichte, liebevollen Charakteren und einer ordentlichen Prise Humor.
[...] Chambers gehört dank ihrer Wayfarer-Serie, die bei Fischer Tor nun komplett auf Deutsch vorliegt, zu den interessantesten Stimmen der aktuellen Science-Fiction – sozusagen der nächsten Generation.
Tag 236, GU-Standard 307
Kursänderungen
Speaker
Als Speaker erwachte, war Tracker nirgendwo zu sehen. Das überraschte sie nicht. Tracker war immer als Erste auf den Beinen. Vor dem Schlüpfen war Tracker fast schon aus ihrer Schale heraus gewesen, als Speaker begann, ihre eigene zu durchbrechen – etwas, woran sich keine der Zwillingsschwestern erinnerte, wovon aber ihre Verwandten immer wieder erzählten. Speaker hatte nie ein Leben ohne Tracker gekannt, genauso wenig wie sie jemals aufgewacht war, während ihre Schwester noch im Bett lag. So war es auch nicht das Geräusch ihrer geschäftigen Schwester, das Speaker an diesem Morgen weckte, sondern das Summen einer Benachrichtigung.
»Kannst du rangehen?«, rief Speaker, unwillig, das Kissen loszulassen, um das sie sich gerollt hatte.
Das Summen ging weiter, womit sie ihre Antwort hatte.
Widerwillig krabbelte Speaker zum Rand des Hängebetts. Sie streckte einen Unterarm aus und verankerte sich mit dem großen Keratinhaken am Ende ihrer viel kleineren Hand an der nächstgelegenen Stange. Dann schwang sie ihren Körper aus dem Bett und griff mit dem gegenüberliegenden Haken nach der nächsten Stange und so weiter und so fort. Wie auf jedem Akarak-Schiff gab es auch auf der Harmony in jedem Raum Gitter mit Stangen die vom Boden bis zur Decke reichten, jedes ein eigens konstruierter Parcours, um die Routen durch die Bäume nachzuahmen, die ihre Vorfahren benutzt hatten. Weder hatte sich Speaker je durch einen echten Baum fortbewegt, noch bewegte sie sich so gewandt, wie es ihre Vorfahren ihrer Vorstellung nach getan hatten. Wie viele andere war Speaker mit dem geboren worden, was ihr Volk das Irirek-Syndrom nannte – eine umweltbedingte genetische Erkrankung, die sie im Gebrauch ihrer Beine einschränkte. Die beiden kurzen Gliedmaßen, die unter ihr hingen, während sie sich durch den Raum hangelte, konnten zwar greifen und sie passiv stützen, aber das war auch schon alles. Es waren ihre Arme, die sie trugen, und die waren stark und unermüdlich, selbst an einem Morgen, an dem sie unsanft geweckt worden war.
Speaker erreichte das in die Wand eingelassene Kommunikationsbedienfeld und ließ sich in einer der geflochtenen Sitzhängematten nieder, die davor hingen. Mit einer Geste zu dem Panel hin rief sie die Daten des eingehenden Rufs ab. Eine lokale Übertragung, kein Ansible-Ruf. Speaker holte tief Luft und zwang sich zur Ruhe. Wer weiß? Vielleicht würde es dieses Mal gutgehen.
Auf dem Bildschirm erschien eine Laru – die Gastgeberin ihres Zielstandorts, wie Speaker annahm, denn der vokallastige Name, den sie sich zuvor gemerkt hatte, als sie einen Landeplatz am Five-Hop angefordert hatte, konnte nichts anderes als Laru sein. Die allermeisten Akaraks hatten Mühe, diese Spezies zu lesen, da ihr dichtes Fell so viel von ihrer Gesichtsmuskulatur verdeckte, aber Speaker konnte sowohl die Mimik als auch die Körpersprache der Laru deuten, wie bei den meisten GU-Spezies. Sie hatte beharrlich geübt und wusste, dass sie gut darin war.
Diese Laru hier war nervös, was Speaker sowohl ermüdete als auch kein bisschen überraschte.
Die Laru sprach sie in umständlichem Hanto an. »Ich bin Ouloo, Ihre planetarische Gastgeberin. Bitte nennen Sie mir den Grund Ihres Besuchs.« Das Fehlen einer Begrüßungsfloskel oder eines Willkommensgrußes war auffällig, besonders in der blumigen Kolonialsprache. Man hätte es vielleicht auf Ouloos offensichtliche Schwierigkeiten mit der Sprache schieben können, aber die Erfahrung hatte ihre Gesprächspartnerin eines Besseren belehrt.
Speaker nahm eine Haltung ein, von der sie wusste, dass sie auf Laru funktionierte: Die Schultern hängend, den Kopf weiter vorgestreckt, als es für sie natürlich war. Bei den Laru traf das in etwa die visuellen Marker für jemanden, der entspannt war. »Hallo, Ouloo«, erwiderte Speaker in tadellosem Klip. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Mein Name ist Speaker. Sie müssten die Reservierung für unser Shuttle in Ihren Unterlagen haben – die Melody.«
Ouloos lehmrotes Fell sträubte sich vor Überraschung, und Speaker musste nicht erst raten, was der Grund war: Akaraks waren nicht dafür bekannt, sich flüssig auf Klip zu verständigen. »Oh, ich …« Die Laru geriet durcheinander und gab mit ihren zottigen Pfoten Befehle ein. »Die …?«
»Die Melody«, wiederholte Speaker. Sie bezweifelte, dass Ouloo die Reservierung nicht schon zuvor gesehen hatte.
Die großen Augen der Laru huschten auf und ab, während sie auf einem unsichtbaren Bildschirm eine Datei las. »Ja, hier«, sagte Ouloo. Immer noch klang ihre Stimme unsicher, abwesend. »Entschuldigung, ich wusste nicht, dass Sie …« Sie unterbrach sich. »Könnten Sie … Könnten Sie mir die Flugerlaubnis für Ihr Schiff senden?«
Speaker widerstand dem Drang, verärgert mit dem Schnabel zu klappern, und hielt den Kopf weiter beruhigend vorgestreckt. »Mein Pilotenschein müsste Ihnen eigentlich vorliegen, zusammen mit den anderen Unterlagen unserer Reservierung«, sagte sie. »Genügt das nicht?«
»Doch, ähm, durchaus. Es dient nur zur zusätzlichen Bestätigung. Eine ganz normale Sicherheitsmaßnahme.«
Speaker fragte sich, ob es diese Sicherheitsmaßnahme schon vor diesem Gespräch gegeben hatte. »Einen Moment«, sagte sie. Sie rief die Datei auf und schickte sie los.
Ein Zirpen erklang auf Ouloos Seite, als die Datei einging. Die Augen der Laru bewegten sich auf und ab, auf und ab, ein paarmal mehr, als es für das Lesen einer so kurzen Datei nötig war. »Vielen Dank«, sagte Ouloo. »Es scheint alles seine Richtigkeit zu haben.« Sie gab sich jetzt Mühe, freundlich zu klingen, aber ihre Stimme wirkte immer noch ein wenig schroff. »Willkommen auf Gora. Wir freuen uns, Sie im Five-Hop begrüßen zu dürfen. Ich werde bei Ihrer Ankunft im Büro sein, um Ihre Wünsche entgegenzunehmen und Sie durch die Anlage zu führen.« Erneut hielt sie inne. »Es tut mir leid, aber wir hatten noch nie Gäste, die Akaraks waren. Ich versuche immer, für jede Spezies etwas anzubieten, aber ich habe keine – ich weiß nicht –« Sie lachte verlegen. »Ich meine – es ist wohl ein Versehen meinerseits …«
»Keine Sorge«, sagte Speaker. »Wir werden uns nur kurz bei Ihnen aufhalten und fühlen uns in unserem Shuttle ohnehin am wohlsten. Ich brauche nur ein paar Vorräte.«
»Ah ja«, sagte die Laru. »Nun, ich hoffe, Sie haben dennoch einen angenehmen Aufenthalt. Ähm … Sie haben im Leitfaden für die Andockreservierung gesehen, dass Waffen bei uns strengstens verboten sind, nicht wahr?«
Speaker ertrug die unterschwellige Beleidigung, wie so viele andere auch. »Wir führen keine Waffen«, sagte sie.
»Oh«, sagte Ouloo, wieder überrascht. Ihre Miene hellte sich auf, während sie sich bemühte, das Gespräch zu retten. »Dann verursachen Sie weniger Umstände als die Äluonerin. Hier ist gerade ein Shuttle hereingekommen, nach irgendwelchen Schwierigkeiten an der Grenze, und sie musste definitiv ein paar Gegenstände einschließen. Sie werden ihr vermutlich begegnen.«
»Bestimmt«, sagte Speaker. »Wir sehen uns dann beim Andocken.«
Der Bildschirm wurde schwarz. Speaker atmete tief durch. Sie warf einen Blick auf die Uhr – noch eine Stunde bis Gora. Ausreichend Zeit für ein paar leibliche Annehmlichkeiten.
Sie schwang sich von Stange zu Stange aus dem Schlafzimmer in den Waschraum hinüber, wo sie etwas Wasser trank, sich erleichterte und sich eine Packung Wiesenschmelz-Dentbots in den Schnabel warf. Wiesenschmelz war ihre bevorzugte Geschmacksrichtung, nicht die von Tracker, aber es war Tracker gewesen, die beim letzten Markteinkauf die Lebensmittelbestellung aufgegeben hatte. Speaker musste lächeln, als sie den Reinigungsschaum wieder ausspuckte. Ihre Schwester hatte ein Gespür für wortlose Gefälligkeiten.
Nachdem sie sich nun wieder besser fühlte, machte Speaker sich auf den Weg durch den Korridor, wobei sie im Vorbeigehen in jeden Raum einen Blick warf. Für eine typische Akarak-Familie von zehn oder mehr Personen wäre die Harmony viel zu eng gewesen, aber auf diesem Schiff lebten nur Speaker und Tracker. Die unbewohnten Räume waren jedoch keineswegs leer, sondern allesamt vollgestopft mit Technik, Medizin, haltbarem Essen, Bettzeug, Lufttanks – lauter aussortiertes Zeug, das sie geschnorrt oder geschenkt bekommen hatten. Speaker und Tracker transportierten die Sachen nicht für sich selbst, sondern für die Leute, denen sie bei der Arbeit begegneten. Man konnte nie wissen, wer wann etwas brauchen würde, also nahm man am besten alles mit.
Wie zu erwarten war, befand sich Tracker gerade in einem der beiden Räume, die die Schwestern nicht für praktische Zwecke reserviert hatten. Das eine Zimmer gehörte Speaker, die es zurzeit als akustisches Paradies herrichtete, um dort Musik zu hören. Trackers Zimmer – der Raum, den Speaker jetzt betrat – war eine Art Garten. Tracker züchtete Kristalle, und sie hatte den Raum ausschließlich zu diesem Zweck eingerichtet. Der untere Teil des Zimmers war voller Regale, in denen Becher, Brenner sowie Gläser mit Pulvern und Salzen standen. Die Wände waren mit bunten Lämpchen geschmückt, die hier und da in asymmetrischen Winkeln angebracht waren. Den Rest des Raums nahmen Trackers anorganische Kreationen ein, in Schalen und Bechern, die an Bindfäden zwischen Fortbewegungsstangen hingen. Einige der Kristalle waren gezackt, andere...
Erscheint lt. Verlag | 25.5.2022 |
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Reihe/Serie | Wayfarer | Wayfarer |
Übersetzer | Karin Will |
Verlagsort | Frankfurt am Main |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction ► Science Fiction |
Schlagworte | Hope Punk • Hugo Award • Neue Science Fiction 2022 • queer science fiction • science fiction bestseller • science fiction serie • Science Fiction von Frauen • SF von Frauen • Wayfarer • Zukunftsroman |
ISBN-10 | 3-10-491536-9 / 3104915369 |
ISBN-13 | 978-3-10-491536-4 / 9783104915364 |
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