John Sinclair Sonder-Edition 166 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2258-2 (ISBN)
Drei junge Männer hatten in einer finsteren Nacht den Vampir gejagt und ihn auf einem alten Bergfriedhof in den Alpen gestellt. Schließlich hatten sie den Blutsauger in eine tiefe Schlucht gestoßen, überzeugt davon, den Untoten endgültig vernichtet zu haben.
Mehr als dreißig Jahre später gingen die Töchter dieser drei Männer auf dasselbe Internat in der Schweiz, das einst ihre Väter besucht hatten. Die grauenvollen Ereignisse der Vergangenheit hatten die Männer stets für sich behalten, schließlich hatte niemand ahnen können, dass der Vampir noch existierte. Er wusste um die besonderen Familienverhältnisse und wollte nun Rache nehmen. Die Zeit für den Blutbiss schien endlich gekommen.
Gemeinsam mit meiner Freundin Jane Collins versuchte ich, die jungen Frauen doch noch zu retten ...
Damals
Die drei jungen Männer glaubten nicht an Vampire, aber sie wussten, dass sie einen Vampir töten mussten.
Sie hatten Spuren gesehen, sie hatten Schreie gehört, Schatten bei den alten Gräbern, und es waren zwei Mädchen aus dem Dorf verschwunden. Als man ihre Körper schließlich gefunden hatte, waren sie blutleer gewesen – und hatten trotzdem noch gelebt.
Zwei Polizisten hatten die Körper dann in die Schlucht geworfen, durch die der Wildbach schäumte. Und der hatte die zerschmetterten Körper mitgerissen und irgendwohin gespült, dabei aber so zerstört durch den Kontakt mit den scharfkantigen Felsen, dass von ihnen nur mehr klumpige Reste zurückgeblieben waren.
Die beiden Polizisten hatte man versetzt. Es ging auch die Legende um, dass sie in einer Heilanstalt in der Nähe von Genf dahinvegetierten, aber wer wirklich etwas Genaueres wusste, der behielt dieses Wissen für sich. Und andere wagten gar nicht erst, entsprechende Fragen zu stellen.
So war es eben gewesen.
Aber IHN gab es noch immer.
Und die drei wussten das.
Paul Carrigan war der Anführer. Mit seinen neunzehn Jahren gehörte er zu den besten Sportlern im Internat. Er war blond und gehörte zu denen, die ihre Ellenbogen einsetzten. Auf diese Art und Weise kam er immer durch.
Zur Gruppe zählte auch Claudio Melli, der Nudelprinz. Er wurde so genannt, weil sein Vater in Italien und in der italienischen Schweiz einige Pasta-Fabriken besaß. Melli war der große Weiberheld und brüstete sich damit, schon einige Mitschülerinnen vernascht zu haben. Nur die wenigsten aber nahmen das dem schwarzgelockten Bilderbuch-Italiener ab. Claudio kannte sich auch am besten aus. Er wusste, wie man an gewisse Dinge und Werkzeuge herankam, ohne großes Aufsehen zu erregen, und das wiederum hatte ihn unentbehrlich gemacht.
Blieb der dritte, der Deutsche, der Fußballer, der auf den Namen Herbert Lagemann hörte. Ein knochentrockener Typ, kein Sprücheklopfer, sondern jemand, auf den man sich verlassen konnte. Einer, der immer genau abwog, was er tat.
Sie trafen sich in einer dunklen Nacht.
Die langen Sommerferien waren vorbei, aber noch immer waren die Tage warm, und auch in den Nächten kühlte es sich nicht stark ab, obwohl das Internat auf einer Höhe von mehr als tausend Metern lag.
Ihr Treffpunkt war der alte Bauernhof. Ein Haus aus Steinen und Holz, das an einen Hang gebaut worden war.
Herbert Lagemann, der Deutsche, machte seinem Ruf wieder alle Ehre und traf als erster am Treffpunkt ein. Sie hatten ausgemacht, das Internat nicht gemeinsam zu verlassen, denn das wäre unter Umständen aufgefallen.
Zum Haus gehörte ein Wasserspender. Frisches Wasser sprudelte in den Bottich, Tag und Nacht.
Herbert setzte sich auf den Boden und lehnte sich gegen den Bottich. Dann streckte er die Beine aus. Das Zifferblatt seiner Uhr leuchtete grünlich. Er warf einen Blick darauf und dachte daran, dass Paul Carrigan als zweiter bei ihm auftauchen würde. Claudio Melli würde sicherlich der letzte sein, das kannte man ja.
Der Blick von diesem Fleckchen aus war herrlich. Zumindest am Tage. In der Dunkelheit aber konnte man nicht viel erkennen. Herbert sah die Berge als Schatten.
Jenseits dieser Berge ging es nur noch bergab. Da fiel die Welt einfach hinunter, als würde die gesamte Natur in den Genfer See, den Lac Léman, hineinrutschen.
Ein leises Lachen riss ihn aus seinen Gedanken. Wie er es sich schon ausgerechnet hatte, war es Paul Carrigan, der sich fast lautlos näherte.
»Setz dich!«
»Keine Kuhscheiße?«
»Nein. Oder siehst du welche?«
»Nein.« Carrigan ließ sich nieder. Er zog die Beine an und spannte seine Hände über die Knie. Auf seinen Lippen lag ein hartes Lächeln. Der Blick seiner Augen war prüfend in die Ferne gerichtet, und er hatte seine Stirn in Falten gelegt.
»Du wolltest sicherlich etwas sagen«, bemerkte der Deutsche.
»Stimmt.«
»Dann spuck es aus.«
»Ich ... ich ...« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe noch immer nicht begriffen, weshalb wir uns heute Nacht hier an dieser einsamen Stelle treffen.«
Lagemann deutete zum Himmel. »Schau dort hin.«
Paul tat es. »Na und?«
»Siehst du den Mond?«
»Klar.«
»Er ist voll, mein Lieber. Und so etwas nennt man klassisches Vampirwetter.«
»Mann, bist du schlau.«
»Nein. Aber es ist so, das war so, und das wird auch so bleiben, denke ich.«
»Wie du meinst.«
Herbert war noch nicht fertig. »Ich sage dir, Paul, heute wird er aus seinem Versteck kriechen. Der Blutsauger kann gar nicht anders. Der Mond, das bleiche Licht, da kommt einiges bei ihm zusammen, das ihn locken wird. Ich schwöre es dir.«
»Und wenn nicht?«
»Werden wir morgen Nacht wieder hier sein und übermorgen auch. Da wird der Mond noch immer scheinen.«
Paul Carrigan hob einen kleinen Stein auf, warf ihn weg und lauschte dem Geräusch. »Deutsche Gründlichkeit, wie?«
»Quatsch. Ich habe nur nachgedacht. Lass doch die verdammten Vorurteile sausen. Schließlich liegt das Ende des Krieges lange zurück.«
»Das sagst du.«
»Stimmt doch auch.«
»Bei uns vergisst man so leicht nicht. Es ist klar, dass auch wir Jungen so manches von den Alten übernommen haben, was einfach Scheiße ist.«
»Ich würde mich freuen, wenn alle so denken würden.« Herbert meinte es ernst. Er lächelte verloren, denn er hatte nicht vergessen, dass ihn einige Mitschüler als Nazi tituliert hatten, wobei er nun wirklich nicht für diese schreckliche Zeit verantwortlich gemacht werden konnte.
Paul schlug ihm auf die Schulter. »Nichts für ungut, es war nicht so gemeint.«
»Schon vergessen.« Herbert streckte die Beine aus. »Verflucht noch mal, wo bleibt Claudio so lange? Typisch für einen Italiener, nie pünktlich, und ...« Er bemerkte sofort, dass er ebenfalls ein Vorurteil nachplapperte.
»Naaa ...«, sagte Paul und grinste breit.
»Mist.«
»Vergiss es.«
Melli kam, und Melli war wie eine Katze. Er stand plötzlich vor den beiden anderen und lachte, in einer Hand die Riemen eines Rucksacks haltend, den er dann auf den Boden stellte.
»Bist du eine Katze?«, fragte Paul.
»Nein, aber ich übe immer, wenn ich in der Nacht zu den zweibeinigen Kätzchen schleiche.«
»Hau nicht so auf den Putz«, sagte Herbert.
»Neidisch?«
Der Deutsche schüttelte den Kopf. Er schaute zu, wie Melli den Rucksack öffnete. »Ich bin überhaupt nicht neidisch, wenn mir Lügner etwas unter die Weste schieben.«
»Lügner?«, knirschte Claudio und hob den Kopf.
Paul mischte sich ein. »Hört jetzt auf. Wir sind hier nicht zusammengekommen, um uns zu streiten. Hier wird es bald zur Sache gehen, aber richtig.«
»Bene, vergessen«, sagte Melli. Seine beiden Hände tauchten in den Rucksack ein, und er sagte: »Dann wollen wir mal sehen, was der gute Claudio alles mitgebracht hat.«
Er packte aus, aber keiner der beiden anderen erkannte, um was es sich dabei handelte. Claudio war raffiniert vorgegangen. Er hatte die Gegenstände mit Lappen umwickelt, damit sie beim schnellen Gehen nicht gegeneinander klirrten.
»Das ist wie Weihnachten«, murmelte Claudio, als er die Werkzeuge vorsichtig freilegte. Sie waren in der Tat außergewöhnlich, auch Herbert und Paul schauten hin, wie sie unter den geschickten Händen ihres Klassenkameraden frei gelegt wurden.
Zwei Pflöcke aus Eichenholz, vorn zugespitzt. Es waren noch die hellen Flecken zu erkennen, wo die Rinde weggeschabt worden war. Zwei Stangen aus Eisen, vorn ebenfalls spitz.
Herbert nahm einen von ihnen hoch und wog ihn in der Hand. »Die sind nicht eben leicht.«
Sein Kumpel Claudio grinste. »Dann kann sie ja unser Sportsmann in die Hand nehmen.« Er meinte Paul damit, der allerdings nichts sagte und nur zuschaute, was der Italiener noch alles auspackte.
Ein Kreuz!
Ziemlich groß, verschnörkelt, ebenfalls aus Metall. Es setzte sich aus mehreren dünnen Stäben zusammen.
Wieder griff Claudio in seinen Rucksack. Als letztes Teil holte er ein silbrig schimmerndes Gefäß hervor. Es hatte die Form eines übergroßen Ostereis, war aber am Boden abgeflacht, sodass es stehen konnte. Die obere Seite war durch eine Metallklappe verschlossen. Durch eine Drehung löste Claudio die Kappe, und jetzt sahen die beiden anderen die Löcher innerhalb des Gefäßes. Claudio hob es an und schwenkte es. Im Innern war das Klatschen einer Flüssigkeit zu hören.
»Was ist das?«, fragte Paul.
»Weihwasser.«
»Ach.«
»Davor fürchten sich Vampire.« Claudio deutete auch auf die anderen Waffen. »Und davor ebenfalls.«
»Gut«, lobte ihn Herbert.
»Man kennt sich eben aus.«
»Und woher hast du die Dinger?«, wollte Paul wissen. »Die gibt es doch nicht in irgendeinem Laden zu...
Erscheint lt. Verlag | 12.10.2021 |
---|---|
Reihe/Serie | John Sinclair Sonder-Edition |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • alfred bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-2258-0 / 3751722580 |
ISBN-13 | 978-3-7517-2258-2 / 9783751722582 |
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