John Sinclair 2255 (eBook)
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-2019-9 (ISBN)
Es begann um Mitternacht!
Am Himmel leuchtete der Vollmond, und sein Licht tauchte den von der Welt vergessenen Wald in den Weiten der Highlands in ein seltsames Zwielicht. Eine einsame Eule zog zwischen den Wipfeln der Bäume ihre Bahnen, während sich unter ihr eine Herde Hirsche durch das Unterholz drückte.
Menschen lebten nicht in dieser Gegend. Auch in vielen Kilometern Entfernung stand nicht einmal ein Bauernhaus. Es wirkte fast, als wäre das Gebiet schon in den vergangenen Jahrhunderten gemieden worden, obwohl es keinen offensichtlichen Grund dafür gab. Immerhin boten die bewaldeten, teils felsigen Hänge ein malerisches Panorama, und in dem im Tal gelegenen Moor hätten sich naturverbundene Spaziergänger sicher wohlgefühlt.
Trotzdem hielt man sich von hier fern ...
Der Fluch der
schwarzen Särge
von Rafael Marques
Es begann um Mitternacht!
Am Himmel leuchtete der Vollmond und tauchte den von der Welt vergessenen Wald in den Weiten der Highlands in ein seltsames Zwielicht. Eine einsame Eule zog zwischen den Wipfeln der Bäume ihre Bahnen, während sich unter ihr eine Herde Hirsche durch das Unterholz drückte.
Menschen lebten nicht in dieser Gegend. Auch in vielen Kilometern Entfernung stand nicht einmal ein Bauernhaus. Es wirkte fast, als wäre das Gebiet schon in den vergangenen Jahrhunderten gemieden worden, obwohl es keinen offensichtlichen Grund dafür gab. Immerhin boten die bewaldeten, teils felsigen Hänge ein malerisches Panorama, und in dem im Tal gelegenen Moor hätten sich naturverbundene Spaziergänger sicher wohlgefühlt.
Trotzdem hielt man sich von hier fern ...
Das war nicht immer so gewesen. Wer genau hinsah, erkannte den in die Landschaft gegrabenen, gepflasterten Weg, der schnurstracks durch das Tal den Hang hinaufführte. Die meisten Passsagen waren längst von Gräsern, Büschen und kleinen Bäumen überwachsen, nur die steinerne Brücke, die über den kleinen, mitten im Moor gelegenen See führte, zeugte noch deutlich von den vergangenen Zeiten.
Im Tal sammelte sich langsam der Nebel, und mit der Zeit kroch er immer weiter in die Höhe. Zwischen den Bäumen ballte er sich zu einer undurchdringlichen, grauen Masse zusammen, und als er die letzten Tannen hinter sich ließ, sich einen Weg durch die Felsen bahnte und ein kleines, mit Gras bewachsenes Plateau erreichte, schien er sich bereits in ein lebendiges Wesen verwandelt zu haben.
Auf dem Plateau entstanden mit der Zeit die Umrisse eines Gebäudes. Es war weder ein Schloss noch eine Abtei, wie man sie so oft in den Weiten der Highlands fand. Innerhalb des Nebels materialisierte sich ein einfaches, einstöckiges Bauernhaus mit einem hölzernen Dach und schwachem Licht, das hinter den kleinen Fenstern glomm.
Schallendes Wiehern erfüllte die Luft, und schon bald hallte Hufgetrappel durch das entlegene Tal. Der Pferdewagen wirkte innerhalb des Nebels wie ein Gespenst, und ebenso schnell jagte das Gespann den Hang hinab. Wieder und wieder trieb der ganz in Schwarz gekleidete Kutscher seine beiden Pferde voran, die dadurch noch wilder wurden und schwerer zu kontrollieren waren. Aus ihren Nüstern drang kein Atem, dafür leuchteten ihre Augen unheilvoll.
Unter dem Verdeck klapperte die festgeschnallte Ladung, als das Gespann in den Bereich des Moors geriet und über die alte Steinbrücke rollte. Bald schon ließ es die Bereiche des Tals hinter sich und jagte weiter über Wege, die nur noch für diese Nacht zu existieren schienen. Hinaus aus der Einsamkeit und hinein in die Zivilisation ...
Ben Wilson genoss den Blick aus dem Fenster, auf die letzten Ausläufer von Fearnan und vor allem auf den nächtlichen Loch Tay. Er liebte es, zu beobachten, wie der frühmorgendliche Nebel über die Oberfläche des Sees und langsam in Richtung Berge kroch, mal in Richtung des anderen Ufers, mal direkt an seinem Cottage vorbei und hinauf zum erhabenen, über dem Loch thronenden Bergmassiv des Ben Lewan.
Manchmal, so wie in dieser Nacht, sah er auch Eaghan Cross, den Dorfältesten, wie er mit seinem Boot in die Mitte des Sees ruderte, um wie in alten Zeiten seine Angel auszuwerfen. Ein Anblick, der ihm jedes Mal einen Schauer über den Rücken rinnen ließ und ihn daran erinnerte, was im Leben wirklich zählte.
Es war eine dieser Nächte, von denen er sich wünschte, sie würden nie zu Ende gehen. Der volle Mond stand hoch am Himmel, und da nur einige Wolkenschleier am Sternenfirmament entlangglitten, gelang es seinem Licht, den sich zwischen den Bergen ausbreitenden See in einem ganz besonderen Glanz erstrahlen zu lassen.
Der Loch Tay war seine Heimat – er war hier geboren, aufgewachsen und hatte hier, tief in den Highlands, seine gesamte berufliche Karriere erlebt. Als einer der wenigen verbliebenen hauptberuflichen Schäfer hatte er zwar nicht viel verdient, dafür aber die Schönheiten der Natur in vollen Zügen genießen können. Da die meisten Uferbereiche des Sees entweder mit Straßen bebaut oder in Privatbesitz waren, erhielten nur wenige Menschen die Gelegenheit, den See so genießen zu können, wie es ihm möglich gewesen war.
Das gehörte inzwischen der Vergangenheit an. Mit seinen siebenundsechzig Jahren war es an der Zeit gewesen, den Schäferstab zur Seite zu legen und die Zeit, die seiner Frau Ellie und ihm noch blieb, in seinem Elternhaus in Fearnan zu genießen. Dennoch hielt er sich noch einige Schafe, die letzten Tiere aus seiner früheren Herde, die er einfach nicht loslassen wollte.
»Willst du nicht wieder ins Bett kommen?«
Ben drehte sich herum und sah, dass auch Ellie erwacht war. Sie kannte ihn nur zu gut und wusste, wie gerne er nachts am Fenster stand und den Nebel beobachtete. »Noch ein paar Minuten, Schatz«, sagte er leise und lächelte verträumt.
»Na gut«, erwiderte seine Frau, stöhnte und wälzte sich zur Seite.
Ben wollte sie nicht länger stören, zog sich etwas über und ließ den Vorhang wieder zurückgleiten. Die letzten durchdringenden Strahlen des Mondes wiesen ihm den Weg aus dem Schlafzimmer und in den Flur, von dem aus eine schmale Holztreppe in die Tiefe führte. Von draußen war die Aussicht zwar nicht so gut, aber zumindest konnte Ellie so in Ruhe schlafen und er etwas die klare Nachtluft genießen.
Als ein fremdes Geräusch an seine Ohren drang, verharrte er mitten auf der Treppe. Es war das Trappeln von Hufen, das die Nacht erfüllte. Er dachte an die Wildpferde der Highlands, von denen in der Nähe auch eine Herde lebte. Normalerweise zog es die Tiere jedoch nicht in die Dörfer, und das Getrappel hörte sich eher an, als wären die Hufe beschlagen worden.
Verwundert schüttelte er den Kopf, zog seinen Wintermantel zu und stieg auch die restlichen Stufen hinab. Die Geräusche kamen immer näher, und als die Tiere ein lautes Wiehern ausstießen, wusste er, dass sie sich direkt vor der Tür aufhalten mussten. Ben wollte endlich wissen, was auf seinem Grundstück vor sich ging, deshalb trat er auf die Tür zu und zog sie energisch auf.
Was er sah, ließ ihn auf der Stelle erstarren. Etwa zehn Meter vor dem Haus hielt ein alter Zweispänner mit einer hölzernen, von einem Verdeck verhüllten Ladefläche. Er erinnerte sich noch daran, dass er in seiner Kindheit zuletzt ein solches Gefährt erlebt hatte. Heute gehörten diese Pferdewagen eher in ein Museum.
Eine dunkle Gestalt löste sich vom Kutschbock und stieg auf die Ladefläche. Dass sie dabei beobachtet wurde, schien sie nicht zu interessieren. Der in einen schwarzen Umhang gehüllte Fremde hob seine Fracht an, sprang von der hölzernen Konstruktion herunter und baute sich wenige Meter von Ben entfernt auf.
»Hey, was soll denn das?«, rief er dem Unbekannten zu. Er versuchte, unter seinem breiten Hut, der in einen hochgestellten Kragen überging, ein Gesicht zu erkennen, leider ohne Erfolg.
Der Kutscher hielt etwas unter dem Arm, das er erst auf den zweiten Blick als Sarg identifizierte. So spielerisch leicht, wie er ihn mit sich führte, musste er leer sein. Wortlos stellte der Fremde die schwarze Totenkiste vor ihm ab, drehte sich wieder um und sprang zurück auf den Kutschbock.
Bevor Ben noch etwas sagen konnte, trieb er seine Pferde mit der Peitsche an und sorgte dafür, dass das Gespann davonpreschte. Schon nach wenigen Sekunden verschwand es, als es zwischen den nächsten Häusern des Ortes eintauchte. Nur das Trappeln der Hufe war noch einige Zeit zu hören, bis es irgendwann ebenfalls verklang.
Nach und nach kehrte wieder Ruhe im Bereich des beschaulichen Cottages ein. Nichts wies mehr auf den nächtlichen Besucher hin, abgesehen von dem Sarg. Ben glaubte bald, das alles geträumt zu haben, denn dass jemand mit einem alten Pferdewagen durch die Gegend fuhr, um ausgerechnet mitten in der Nacht einen Sarg auszuliefern, erschien ihm so irreal.
»Ben, was ist los?«, hörte er Ellies Stimme. Seine Frau stand an der offenen Tür und krampfte zitternd ihren Morgenmantel zusammen.
»Ich weiß es nicht.«
»Da war doch etwas, oder? Ein Reiter oder eine Kutsche.«
»Ja.«
»Und was wollte er hier?«
»Etwas abliefern. Einen Sarg.«
»Einen was?«, fragte sie entgeistert, und noch bevor sie etwas hinzufügen konnte, trat er zur Seite und sorgte so dafür, dass ihr die Worte im Halse stecken blieben. Der schwarze Sarg war im feuchten Gras nicht zu übersehen, und nachdem Ellie den ersten Schockmoment überwunden hatte, bekreuzigte sie sich.
Ben drehte sich dagegen wieder um und wollte sich den Sarg noch etwas genauer ansehen. Es handelte sich um eine der alten, aus Holz gefertigten und schwarz angestrichenen Kisten, die genau die Form eines Körpers nachzeichneten. Nachdem er in seinem Leben nun schon einige Freunde und Verwandte zu Grabe hatte tragen müssen, war ihm bewusst, dass diese Art von Särgen in heutiger Zeit so gut wie nicht mehr vorkam, zumindest nicht in dieser Gegend.
»Ben«, hörte er seine Frau hinter sich rufen.
Er reagierte...
Erscheint lt. Verlag | 28.9.2021 |
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Reihe/Serie | John Sinclair |
Verlagsort | Köln |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Horror |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Academy • alfred-bekker • Bastei • Bestseller • Dämon • Dämonenjäger • dan-shocker • Deutsch • e Book • eBook • E-Book • e books • eBooks • Extrem • Fortsetzungsroman • Frauen • Geisterjäger • grusel-geschichten • Gruselkabinett • Grusel-Krimi • Grusel-Roman • Horror • Horror-Roman • horrorserie • Horrorthriller • Horror-Thriller • Julia-meyer • Kindle • Krimi • Kurzgeschichten • larry-brent • Lovecraft • Macabros • Männer • morland • neue-fälle • Paranomal • professor-zamorra • Professor Zamorra • Psycho • Roman-Heft • Serie • Slasher • spannend • Splatter • Stephen-King • Terror • Thriller • Tony Ballard • Tony-Ballard • Top • Walking Dead |
ISBN-10 | 3-7517-2019-7 / 3751720197 |
ISBN-13 | 978-3-7517-2019-9 / 9783751720199 |
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